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Full text of "Zoologische Jahrbücher"

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ZOOLOGISCHE JAHRBÜCHER. 


ABTHEILUNG 
FUR 
ANATOMIE UND ONTOGENIE 
DER THIERE. 


HERAUSGEGEBEN 
VON 


PROF. DR. J. W. SPENGEL 


IN GIESSEN. 


SIEBTER BAND. 


MIT 42 LITHOGR. TAFELN UND 54 ABBILDUNGEN IM TEXT. 


he 


J EN A, 
VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 
1894. 


TTL A TL. 


Heft I 
(ausgegeben am 15. September 1893). 


Koazer, Aveust, Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. Mit 
Tafel 1—6 und 12 Figuren im Text 

Prare, Lupwie H., Studien über opisthopneumone noces en IL. 
Mit Tafel 7—12 


Heft II 
(ausgegeben am 30. December 1893). 


Bercu, R. S, Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. II. Mit Tafel 13 
KLInckowström, A., Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. Mit 
Tafel 14 und 15 und 12 Figuren im Text à 

Bercu, R., Die Gattung Gastropteron. Mit Tafel 16 und 17 

Leypic, F., Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. Mit Tafel 18 

Maas, Orro, Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Corn- 
acuspongien. Mit Tafel 19—23 


Heft III 
(ausgegeben am 11. Mai 1894). 


JAcerskiotp, Dr. L. A, Beiträge zur Kenntniss der Nematoden. Mit 
Tafel 26—28 

BERNHARD, Henry M., On the Relations “at the aolronbns bi ihe aniso- 
tropous Layers in striped Muscles. Mit Tafel 29 . 

Mıranı, A, Beiträge zur Kenntniss der Reptilienlunge. Mit Tafel 
30—32 und 18 Figuren im Text : 

Samassa, Dr. Pauz, Ueber die Nerven des none Fühlers 
von Helix pomatia. Mit Tafel 33 und 34 und 1 Figur im Text 


Seite 
fi Ps 


93 


235 
249 
281 
309 


331 


Inhalt. 


Heft IV 
(ausgegeben am 4. August 1894). 


Kuinckowstrom, A. v., Zur Anatomie der Pipa americana. Integument. 
Mit Tafel 35 und 36 und 2 Figuren im Text 6 

GRÖNBERG, G., Zur Anatomie der Pipa americana. Verdauungs-, Respi- 
rations- und Urogenitalorgane sammt Nervensystem. Mit 
Tafel 37 und 38 und 1 Figur im Text Se 

Kuinckowstrom, A. v., Zur Anatomie der Pipa americana. Gefässsystem 
und subeutane Lymphsäcke. Mit Tafel 39 und 4 Figuren 
im Text ; 

LunpBorG, HERMAN, Die Entwicklung der Hypiphver and fies Saedne 
vasculosus bei Knochenfischen und Amphibien. Mit Tafel 
40 und 41 und 4 Figuren im Text 

Ferpinanp Scumipt, Die Furchung und Keimblätterbildung es Selon 
matophoren. Mit Tafel 42 


Seite 


609 


629 


647 


667 


688 


RE 


Nachdruck verboten. 
! Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


Beitrage zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 


Von 
Dr. August Köhler in Giessen. 


(Aus dem Zoologischen Institut zu Giessen.) 


Hierzu Tafel 1—6. 


Die vorliegende Arbeit soll ein Beitrag zur Lösung der Frage 
nach den verwandtschaftlichen Beziehungen und der systematischen 
Stellung der Gattung Siphonaria sein. Meinen Erörterungen liegen 
ausser den Angaben früherer Untersucher, deren Arbeiten ich an der 
Spitze des Literaturverzeichnisses zusammengestellt habe, eigne Unter- 
suchungen an mehrern Arten zu Grunde. Dieselben bilden den Gegen- 
stand des ersten Abschnitts dieser Arbeit. Sie erheben allerdings 
nicht den Anspruch auf eine Vollständigkeit, wie man sie etwa von 
einer Monographie erwarten müsste, dazu reichte mein Material schon 
in quantitativer Hinsicht nicht aus, da mir von jeder Art nur einige 
wenige Exemplare zu Gebote standen; auch in qualitativer Hinsicht 
war es nicht günstig. Ich hatte durchweg kleinere Arten, deren Prä- 
paration, da sie schon längere Zeit in Alcohol aufbewahrt gewesen 
waren, häufig so viel Schwierigkeiten bot und doch nur unsichere 
Resultate erwarten liess, dass ich vorzog, die allerdings zeitraubende, 
aber hier zuverlässigere Ergebnisse versprechende Methode der Unter- 
suchung auf Schnittserien anzuwenden. Auch hier habe ich mich meist 
auf die Untersuchung der gröbern anatomischen Verhältnisse beschränkt 
und bin nur bei einzelnen Punkten, wo es unumgänglich schien, auf 
die Histologie eingegangen, soweit es der Conservirungszustand des 


Materials gestattete. 
Zool. Jahrb, VII, Abth, f. Morph, Î 


4 AUGUST KÖHLER, 


Der zweite Abschnitt ist der Vergleichung der Befunde bei den 
von mir untersuchten Arten mit den Ergebnissen der Arbeiten meiner 
Vorgänger gewidmet. Abgesehen von HALLER’S Arbeit sind es meist 
nur kleinere Mittheilungen, die, ohne weit in Details einzudringen, in - 
grossen Zügen den Bau einzelner Arten, zum Theil mit Beschränkung 
auf einzelne Organsysteme behandeln, sie enthalten, wie es bei einer 
derartigen Behandlung leicht der Fall ist, in manchen Punkten irr- 
thümliche Angaben; da jedoch fast keiner der Untersucher dieselbe 
Art vor sich gehabt hat, wie der andere (abgesehen von STUDER, 
V. JHERING und mir), und meine Untersuchungen mich belehrt haben, 
dass zwischen äusserlich ähnlichen Arten im innern Bau nicht un- 
beträchtliche Differenzen vorkommen können, so bin ich bei der 
Kritik dieser Angaben möglichst vorsichtig gewesen, um nicht meiner- 
seits durch übereilte Schlüsse die Zahl der Irrthümer noch zu ver- 
mehren. 


Im dritten Abschnitt endlich habe ich den Versuch gemacht, die 
Stellung von Siphonaria zu den übrigen Gastropoden näher zu be- 
leuchten, soweit mir nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kennt- 
nisse eine sichere Entscheidung möglich schien. 


Ich ergreife hier die Gelegenheit, den Herren, die mich bei der 
Abfassung dieser Arbeit unterstützt haben, meinen herzlichsten Dank 
auszusprechen. In erster Linie bin ich meinem hochverehrten Lehrer, 
Herrn Professor SPENGEL, der mir die Anregung zu vorliegender Unter- 
suchung gab, zu wärmstem Danke verpflichtet für das Interesse, das 
er stets meiner Arbeit bewahrte, und die reichen Unterstützungen an 
Literatur und Vergleichsmaterial, die er mir stets bereitwilligst zu- 
kommen liess; von den hier beschriebenen Siphonarien verdanke 
ich seiner Güte: 

Siphonaria pectinata L. var. lineolata Str., vom Cap; 
Siphonaria laeviuscula REEVE, von Valparaiso (aus dem Museum 
zu Kopenhagen); 
Siphonaria stellata var. luzonica REEVE, Nordaustralien (aus 

dem Museum GODEFFROY). 


Ferner danke ich den Herren Geheimrath MoEgius und Professor 
VON MARTENS, die mir aus den reichen Schätzen des Berliner Museums 
folgende Arten überliessen : 

Siphonaria pectinata L., aus Gabun; 
Siphonaria redimiculum REEVE, von den Kerguelen ; 
Siphonaria aspera Krauss, von Saldanha. 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 3 


Herr Professor von Martens hatte ausserdem die grosse Liebens- 
würdigkeit, die Bestimmungen der von mir untersuchten Arten zu 
revidiren resp. die nicht bestimmten zu bestimmen. 

Herr Dr. PLATE war so freundlich, mir zwei aus dem Sencken- 
bergischen Museum in Frankfurt stammende Arten: 

Siphonaria pectinata L., von Casa blanca und 
Siphonaria subrugosa Sow., von Chile 
zu überlassen, auch ihm statte ich hier meinen besten Dank ab. 

Herrn Professor PELSENEER bin ich verpflichtet für die leihweise 
Ueberlassung der Arbeit Nogre’s über Siphonaria, die ich übersehen 
hatte. 


Abschnitt IL. 
Siphonaria pectinata L. 


Das Thier, das ich Taf. 1, Fig. 1 von der Seite und Fig. 2 von 
der ventralen Fläche gesehen abgebildet habe, ähnelt äusserlich am 
meisten einer Patella. Im Ganzen hat es die Gestalt eines flachen 
Kegels. Die Basis wird zum grössten Theil vom Fuss gebildet; vorn 
ist dieser abgestutzt, und hier wird der Kopf des Thieres sichtbar. 
Dieser ähnelt dem eines Limnaeus, doch fehlen die Fühler, und Augen 
sind am conservirten Exemplar wenigstens von aussen nicht zu erkennen. 

Die Ventralfläche des Kopfes wird durch eine seichte Furche in 
sagittaler Richtung getheilt, auf deren Grund die Mundöffnung liegt; 
Kopf und Fuss sind durch eine tiefe, quere Furche, die sich noch 
etwas auf die Seiten des Körpers hinauf erstreckt, getrennt. Auf der 
rechten Seite liegt in der Fortsetzung dieser Furche, am hintern Rande 
des Kopfes, die Geschlechtsöffnung (gô). Fuss und Kopf werden von 
einer Mantelfalte (mf) überragt, die eine ringsum verlaufende Mantel- 
rinne überdeckt, welche vorn über dem Kopf am tiefsten ist. In dieser 
Mantelrinne bemerkt man rechts, etwas vor der Mitte, eine kurze 
Falte, die etwa die Höhe der Mantelfalte erreicht. Auf den Fig. 1 u. 2 
ist sie mit al bezeichnet. Auf ihrer dorsalen Fläche, dicht am Rand 
befindet sich die Afteröffnung (Taf. 1, Fig. 3 u. 4 af); ich habe sie 
daher Anallappen genannt. Der Anallappen und der darüber liegende 
Theil der Mantelfalte begrenzen eine bei Spiritusexemplaren gewöhn- 
lich spaltförmige Oeffnung, welche in die Athemhöhle führt, das Athem- 
loch (Fig. 1, 3, 4 alo, Taf. 1). Auf der Rückenfläche des Thieres be- 
merkt man den Ursprung eines hufeisenförmigen Adductors; er weist 

Ls 


4 AUGUST KOHLER, 


auf der rechten Seite eine dem Athemloch entsprechende Liicke auf, 
welche eine vorn rechts gelegene, etwa elliptische Partie von dem 
übrigen Adductor abtrennt; die beiden Theile des Adductors sind mit 
ad und ad’ bezeichnet (Fig. 1 u. 3, Taf. 1). Zwischen dem Vorder- 
rand des abgelüsten Theiles rechts und dem des übrigen Adductors 
links entspringen längs einer schwach nach vorn convexen Linie (4) 
Muskeln, die in die Mantelfalte und in die Kopfhaut ausstrahlen; in 
ähnlicher Weise entspringen über dem Athemloch Muskelfasern, die 
sich in die Mantelfalte begeben. Die Ursprungsstelle des Adductors 
zeigt bei Spiritusexemplaren eine gelblichgraue Farbe; bei genauer 
Betrachtung bemerkt man jedoch, dass sie durch hellere, quer ver- 
laufende Streifen mehr oder weniger vollständig in rundliche Abschnitte 
getheilt wird (Fig. 1 u. 3): diese Querstreifen sind Enden von Faser- 
bündeln, die wir bei der Betrachtung des Bodens der Mantelhöhle 
näher kennen lernen werden. 


Die Athemhöhle. 


Auf der von den Muskelursprüngen umrahmten Rückenfläche sieht 
man schon von aussen die Organe, die der Decke der Athemhöhle 
an- resp. eingelagert sind, hindurchschimmern ; behufs genauerer Unter- 
suchung eröffnet man jedoch am besten die Athemhöhle, indem man, 
vom Athemloch ausgehend, ihre Decke am rechten vordern und hintern 
Rand ablöst und nach links hinüberschlägt. Nach einem solchen Prä- 
parat ist Fig. 3, Taf. 1, gezeichnet. Man erkennt, dass die Athemhöhle 
den von den Muskelursprüngen umrahmten Raum nicht ganz bean- 
sprucht, indem am linken Rande, dem Athemloch gegenüber, eine den 
Vorhof (at) enthaltende Spitze des Herzbeutels vorspringt; um die 
Decke der Athemhöhle glatt nach links hinüberklappen zu können, 
muss hier auch die Wand dieser Partie des Herzbeutels durchschnitten 
werden, so dass man in seine Höhle hineinsieht. Auch hinten reicht 
die Athemhöhle nicht ganz bis an den Adductor heran, sondern es 
bleibt ein schmaler, sichelförmiger Raum zwischen dem Adductor und 
ihrem hintern Rand frei. Die Decke der Athemhöhle wird zum grössten 
Theil von zwei zum pallialen Organcomplex gehörenden Organen ein- 
genommen. 

In der vordern Hälfte liegt der grössere Theil der Niere (ren), 
der ungefähr die Gestalt eines gleichschenkligen Dreiecks hat, dessen 
eine abgerundete Spitze nach hinten gerichtet ist, während die ihr 
gegenüberliegende Seite vorn quer zur Längsaxe des Thieres verläuft. 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 5 


Hinter der Niere zieht in grossem Bogen die sichelférmig ge- 
krümmte Kieme (ci) dahin; ihr dem Stiel einer Sichel entsprechender 
Theil reicht bis ins Athemloch hinein, fast bis an den Rand der Mantel- 
falte. Während die Kieme auf das Dach der Athemhöhle beschränkt 
bleibt, schlägt sich die Niere an der Stelle, wo der Herzbeutel vor- 
springt, auf den Boden der Mantelhöhle um und bildet dort einen 
rundlichen Lappen, der etwa ein Drittel des ganzen Organs ausmacht. 
Hinter diesem untern Nierenlappen liegt ein mit Flimmerepithel über- 
kleideter, schmaler Wulst (wb, Fig. 3, Taf. 1), der in der Nähe des 
Afters beginnt, parallel dem hintern Rand der Athemhöhle nach links 
verläuft, dort dicht hinter dem Herzbeutel auf die Decke der Athem- 
höhle übergeht und am hintern Rand der Kieme, das dort befindliche, 
auf der Zeichnung roth angelegte Gefäss bedeckend, wieder dem Athem- 
loch zustrebt. Klappt man das Dach der Athemhöhle in seine natür- 
liche Lage zurück, so kommen die beiden Theile des Wimperbandes 
einander gegenüber zu liegen. Am Eingang der Athemhöhle, der 
vordern Partie des Adductors angelagert, zeigen Fig. 3 u. 4 noch 
einen kleinen Wulst (os), auf den wir weiter unten zurückkommen 
werden. 

Nach dieser allgemeinen Orientirung wenden wir uns zur Schilde- 
rung der einzelnen die Athemhöhle begrenzenden Theile. 

Das Dach der Athemhöhle, soweit es nicht von den oben er- 
wähnten Organen eingenommen wird, ist eine ziemlich dünne Membran. 
Beide Seiten, die der Innenfläche der Schale anliegende wie die gegen 
die Athemhöhle gewandte, sind mit einem niedrigen Epithel bekleidet ; 
zwischen den beiden Epithelien gewahrt man in der Bindesubstanz 
zahlreiche von geronnenem Blut erfüllte Räume (Fig. 7—12, 14, 15, 
Taf. 1; Fig. 16, Taf. 2; Fig. 2, Taf. 5, dah). In dem vor der Niere 
gelegenen Theil des Athemhöhlendaches sind diese Bluträume lange, 
ungefähr senkrecht zum vordern Nierenrande verlaufende, sich ver- 
zweigende oder anastomosirende Canäle; in dem hinter der Niere ge- 
legenen Theil stellen sie jedoch ein unregelmässiges Netzwerk mit nur 
wenig gestreckten Maschen dar. 

Die Kieme, deren Lage in der Athemhöhle wir schon oben kurz 
geschildert haben, zeigt einen ziemlich complieirten Bau. Schon bei 
der Betrachtung des Taf. 1, Fig. 3 abgebildeten Präparats überzeugt 
man sich, dass dieselbe aus einer grossen Zahl neben einander ge- 
reihter Blätter besteht, die etwa die Form eines gleichschenkligen 
Dreiecks haben. Mit ihren Grundlinien, die senkrecht zum hintern 
Rand der Niere stehen, sind sie am Dach der Athemhöhle ange- 


6 AUGUST KOHLER, 


wachsen, zumeist so, dass grössere und kleinere mit einander ab- 
wechseln; im Ganzen nimmt die Grösse der Blätter von dem dem 
Athemloche zunächst gelegenen Ende nach dem am Pericard gelegenen 
hin ab. Die beiden Flächen jedes Blattes zeigen eigenthümliche Falten 
und Runzeln; untersucht man die Kieme auf Querschnitten durch das 
Thier an den Stellen, wo sie parallel zu ihrer Längsrichtung, die ein- 
zelnen Blätter somit senkrecht, getroffen sind, so zeigt sich, dass die 
Unebenheiten auf den Seitenflächen der Blätter theils durch Faltungen 
des einzelnen Blattes, theils durch auf beiden Seiten entspringende, 
secundäre Blättchen verursacht werden (vergl. Taf. 2, Fig. 18, 19, 20 cé). 
Jedes einzelne Blatt trägt an seinem hintern Rand ein zuführendes, 
an seinem vordern ein abführendes Gefäss. Erstere entspringen 
alle aus einem am Hinterrand der Kieme unter dem dorsalen Ab- 
schnitt des Wimperbandes gelegenen gefässartigen Blutraume (ka, Fig. 3, 
Taf. 1), der an seinem hintern Rande durch zahlreiche Oeffnungen mit 
dem dort entwickelten Lacunennetze in Verbindung zu stehen scheint. 
Dieser Canal ist die Kiemenarterie oder das zuführende 
Kiemengefäss. Die abführenden Gefässe münden alle in ein am 
Vorderrande der Kieme, zwischen ihr und der Niere verlaufendes Ge- 
fäss, das abführende Kiemengefäss (kv, Fig. 3, Taf. 1). Auf 
den Querschnitten Taf. 2, Fig. 16—20 ist seine Lage ebenfalls zu er- 
kennen. 

Eine allgemeine Orientirung über die Lage der Niere ist schon 
oben gegeben, ebenso ihre Gestalt in grossen Zügen geschildert worden. 
Wir sahen, dass sie aus einem grössern, dem Dach der Athemhöhle 
anliegenden dorsalen und einem kleinern, dem Boden derselben ange- 
hörenden ventralen Theile besteht. Beide Theile gehen auf der linken 
Seite der Athemhöhle, die Wand des Herzbeutels bedeckend, ohne 
scharfe Grenze in einander über. Dies ist auf Fig. 3, Taf. 1, da 
gerade an dieser Stelle der Herzbeutel eröffnet ist, nicht gut zu sehen; 
jeder Querschnitt durch diese Gegend des Thieres, wie z. B. einer der 
Taf. 2, Fig. 18—20 abgebildeten, lässt jedoch den Uebergang deutlich 
erkennen. Weder der dorsale, noch der ventrale Lappen der Niere 
sind in ihrer ganzen Ausdehnung gleichmässig dick; ersterer ist an 
seiner nach hinten gewandten Spitze am dünnsten, von da nimmt die 
Dicke nach vorn und besonders nach rechts (auf das Thier bezogen) 
beträchtlich zu, und dicht bei der nach dem Athemloche zu gelegenen 
Spitze des dorsalen Nierenlappens erhebt sich ein ziemlich kräftiger 
Fortsatz, der sich nach hinten und rechts ein Stück über die Kieme 
hinweglegt. Diese Nierenpapille (renp) ragt jedoch nicht ganz 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 7 


frei in die Athemhöhle hinein, wie es nach Fig. 3, Taf. 1, den Anschein 
haben könnte, sondern sie ist durch ein dünnes Blättchen, das zwischen 
den Kiemenblättchen von der Decke der Athemhöhle entspringt, wie 
durch ein Frenulum an diese befestigt. Auf einer Reihe von Quer- 
schnitten (Taf. 2, Fig. 19, 20) erkennt man, dass dieses Blättchen (fre) 
wie ein Kiemenblatt seitlich secundäre Blättchen trägt; auf dem Fig. 20 
abgebildeten Schnitt ist es nur durch das grosse, an seinem freien 
Rande sich zeigende Gefäss von einem Kiemenblatt zu unterscheiden. 
Auf der Spitze dieser Nierenpapille liegt die äussere Oeffnung der 
Niere, der Nierenporus (renpo, Fig. 3, Taf. 1). 

Im Innern besitzt die Niere den charakteristischen schwammigen 
Bau, wie wir ihn bei vielen Gastropoden finden. Das excretorische 
Epithel besteht aus kleinen cubischen, auf der freien Oberfläche oft 
halbkuglig vorgewölbten Zeller, in denen ich keine festen Concremente 
finden konnte. Soweit ich nach den mir vorliegenden Präparaten ur- 
theilen kann, zeigen dorsaler und ventraler Lappen keinen wesent- 
lichen Unterschied in ihrem Bau, nur ist der ventrale Lappen an- 
scheinend reicher an Muskelfasern. Die Niere des in Schnitte zerlegten 
Exemplars war reichlich mit Blut erfüllt; Fig. 1, Taf. 5, zeigt ein 
kleines Stück aus einem Schnitt durch dieselbe: man erkennt das 
excretorische Epithel und die Bluträume im Innern der Niere. 

Die Untersuchung der Gefässe ist nicht immer leicht. Sind sie 
mit geronnenem Blut reichlich erfüllt, so lassen sie sich auf Schnitten 
und auf Totalpräparaten gut verfolgen; sind sie dagegen leer und ihre 
Wände collabirt, so ist es nicht möglich, sie mit Sicherheit zu erkennen. 
Was ich an meinem Material ermitteln konnte, habe ich in Fig. 3, 
Taf. 1, eingezeichnet. Es fallen zunächst zwei starke Gefässe (kv, u. kv,) 
ins Auge, die das abführende Kiemengefäss mit dem Vorhof 
verbinden. Das eine, kv,, verläuft am vordern Rand der Niere und 
entspringt dicht hinter dem rechten Ende des abführenden Kiemen- 
gefässes; das andere, Av,, entspringt mehr nach der Mitte zu, vor 
der hintern Spitze des obern Nierenlappens und verläuft, bald dessen 
ganze Dicke einnehmend, bald nur der ventralen Wand angelagert, 
quer durch denselben. Beide Gefässe convergiren nach der Spitze 
des Herzbeutels und münden gemeinsam in den Vorhof. In die vordere 
dieser beiden secundären Kiemenvenen, wie ich die Gefässe 
kv, und kv; nennen will, dringt ein langes, der Vorhofmusculatur 
angehöriges Faserbündel ein, das an der Decke der Niere, ein gutes 
Stück rechts von der Medianlinie, inserirt (Taf. 1, Fig. 3 mu). In 
dem Vorhof liess es sich, da er zusammengefallen war, nicht weiter 


8 AUGUST KOHLER, 


verfolgen. Ein zweiter kürzerer und schwächerer Muskel liegt in einem 
kleinern Gefäss, das von der obern Seite des dorsalen Nierenlappens 
herabkommt und mit den Kiemenvenen gemeinsam in den Vorhof 
miindet. Ein ähnliches Gefäss scheint auch etwas weiter nach hinten, 
an der Uebergangsstelle zwischen dem obern und untern Nierenlappen 
in die hintere Kiemenvene dicht bei ihrer Ausmiindung in das Herz 
einzutreten; es führt wohl Blut aus dem ventralen Lappen und aus 
der linken Hälfte des dorsalen in das Herz. Wahrscheinlich ergiessen 
sich auch noch andere kleinere Gefasse in die Kiemenvenen und das 
abführende Kiemengefäss, wenigstens sah ich eine Anzahl auf einem 
in Glycerin und Essigsäure aufgehellten Präparat der Decke der Athem- 
hohle; leider war jedoch die Blutvertheilung in der Niere des in Quer- 
schnitte zerlegten Exemplars für die Verfolgung dieser Gefässe nicht 
günstig, so dass ich dort die Richtigkeit dieser Beobachtung nicht priifen 
konnte. Mehr Erfolg hatte die Untersuchung anderer Gefässe, die 
mit dem zuführenden Kiemengefäss in Verbindung stehen. Sie sind, 
soweit sie auf Flächenpräparaten bei schwacher Vergrösserung sicht- 
bar waren, in Fig. 3, Taf. 1, eingezeichnet; auf Schnittserien lässt 
sich nachweisen, dass sie sich im dorsalen Nierenlappen und zwar 
zunächst vorwiegend an seiner ventralen Fläche verbreiten. Das eine 
dieser Gefässe entspringt rechts, gerade der Kiemenpapille gegenüber, 
und verläuft in dem Frenulum über die Kieme hinweg und dringt 
am medialen, nach hinten gewandten Rand der Papille in die Niere 
ein, um sich da, wie oben angedeutet, zu verzweigen; das andere steht 
ganz im Hintergrund der Athemhöhle, am Ursprung des zuführenden 
Kiemengefässes mit diesem in Verbindung und verläuft dem nach 
rechts und hinten gewandten Rande der Niere entlang in querer 
Richtung bis zu dem abführenden Kiemengefäss. Auf diesem Wege 
sendet es sowohl nach vorn, als auch nach hinten Gefässe aus. Die 
vordern gehen in die Niere, die hintern treten in ein Gefässnetz 
ähnlich dem vor der vordern Kiemenvene gelegenen ein, das sich 
links zwischen Hinterrand der Niere und Vorderrand der Kieme ent- 
wickelt hat. Man kann sich leicht überzeugen, dass das abführende 
Kiemengefäss, soweit es jenes Gefässnetz begrenzt, an vielen Stellen 
mit ihm communicirt. Ich will die beiden Gefässe rechtes (ren) 
und linkes (lzn) zuführendes Nierengefäss nennen (vergl. 
Fig: 3; af). 

Mit dem Herzbeutel communicirt das Innere der Niere durch eine 
gut ausgebildete Renopericardialpforte. Sie liegt dicht hinter 
dem Eintritt der Kiemenvenen in das Atrium und steht etwa senk- 


Beitrage zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 9 


recht zur Längsaxe des Thieres. Auf Querschnitten erscheint sie 
daher mehr oder weniger genau längs getroffen ; eine Abbildung gebe 
ich nicht, weil ich von der vorliegenden Art keinen dazu geeigneten 
(Querschnitt habe. 

Der Boden der Athemhöhle wird von einer dünnen Membran ge- 
bildet, die ich in meiner vorläufigen Mittheilung Diaphragma ge- 
nannt habe. Das Diaphragma ist wesentlich musculöser Natur. Ich 
habe schon oben darauf aufmerksam gemacht, dass der Adductor durch 
quere Streifen, die an seinem äussern Rande entspringen und nach 
innen verlaufen, in eine Anzahl rundlicher Abschnitte getheilt wird: 
diese Streifen sind die Ursprungsportionen von Muskelbündeln, die 
von den Seiten und von hinten in das Diaphragma eintreten, sich 
dort ausbreiten und unter einander verflechten; ein Theil der hinter 
der Athemöffnung entspringenden Fasern zieht im Bogen in dem 
zwischen dem Rande der Athemhöhle und dem Wimperbande gelegenen 
Raum nach der gegenüberliegenden Seite. Auch aus dem Adductor 
treten Fasern in das Diaphragma ein, besonders in der vordern untern 
Wand des Herzbeutels (Fig. 12, 14, 15, Taf. 1, und Fig. 17, 18, Taf. 2). 
Die Aufgabe dieser Musculatur ist wohl die Verengerung resp. Er- 
weiterung der Athemhöhle. 

Von den dem Dach der Athemhöhle angehörenden Organen gehen 
nur die Niere und das Wimperband auf den Boden über, jedoch nicht 
die Kieme. Am Athemloch, dem rechten abgelösten Theil des Ad- 
ductors angelagert, liegt der schon oben genannte Wimperwulst (os) 
und darunter ein Ganglion (go); es ist das Osphradium oder 
Geruchsorgan, auf das ich bei der Schilderung des Nervensystems 
noch zurückkommen muss (Taf. 1, Fig. 3, 4, 8, 9). 


Die Leibeshöhle. 


Unter dem Diaphragma liegt die Leibeshöhle — ich gebrauche 
diesen Ausdruck hier nicht im Sinne von Célom —, die grösstentheils 
von den Ernährungs- und Fortpflanzungsorganen erfüllt wird. Nur 
links, unter dem untern Nierenlappen, breitet sich der Herzbeutel 
aıs. Er ist ein ziemlich ausgedehnter Hohlraum, wie man auf den 
Fig. 14, 15, Taf. 1, und Fig. 16—20, Taf. 2, erkennt, wo der Herz- 
beutel mit pe bezeichnet ist. Mit der Grenze der untern Niere stimmt 
die Grenze des Herzbeutels nicht genau überein: nach vorn und links 
hinten ragt der Herzbeutel, nach rechts hinten dagegen die Niere 
weiter vor. Gerade dem Athemloch gegenüber, wo er am meisten 


10 AUGUST KOHLER, 


in die Athemhöhle vorspringt, ist der Herzbeutel am weitesten; hier 
liegt das Herz. Die dünnwandige Vorkammer (at) liegt nach oben 
rechts und vorn gewandt, die Kammer (ve) unten, links und etwas 
nach hinten. Man kann diese Lage des Herzens aus den Querschnitten 
Fig. 18, 19, 20, Taf. 2, leicht erkennen. Auch Fig. 3, Taf. 1, kann 
eine Vorstellung davon geben, wenn man sich das Dach der Athem- 
höhle in seine natürliche Lage zurückgeklappt denkt. Die in die Vor- 
kammer miindenden Gefasse kommen alle aus dem Dach oder dem 
Boden der Athemhöhle und sind schon besprochen; die von der Kammer 
ausgehenden will ich aus praktischen Gründen später beschreiben. Zu- 
nächst haben wir die Organe, welche in der Leibeshöhle liegen und 
von jenen Gefässen versorgt werden, näher ins Auge zu fassen. Es 
sind das, wie schon bemerkt, die Ernährungs- und Fortpflanzungs- 
organe, und zwar nehmen erstere vorwiegend die linke, letztere die 
rechte Hälfte des zur Verfügung stehenden Raumes ein. 


Die Ernährungsorgane. 


Der Mund ist eine einfache Oeffnung, die bei den conservirten Exem- 
plaren auf dem Grund der an der Ventralseite des Kopfes gelegenen 
Längsfurche liegt. Er führt in ein ganz kurzes Rohr mit musculösen 
Wandungen und sternförmigem Lumen, an dessen oberem Ende in einer 
quer verlaufenden Furche ein Kiefer liegt. Derselbe ist halbkreis- 
formig und besteht aus mosaikartig neben einander gereihten, braunen 
Stäbchen, die theils am Boden, theils an der Rückenwand der Furche 
befestigt sind; erstere sitzen direct den Epithelzellen auf, letztere 
auf einem vom Epithel der dorsalen Wand der Furche ausgeschiedenen, 
geschichteten Cuticularsaum, der nach dem Rande der Furche hin an 
Dicke stetig zunimmt; er ist eine Verdickung der den vordern Theil 
der Mundhöhle auskleidenden Cuticula. Gute Schnitte durch den 
Kiefer, welche das beschriebene Verhalten erkennen lassen, erhält 
man gewöhnlich nur auf Sagittalschnitten. Ich habe einen solchen, 
von einer andern Art, auf Taf. 5, Fig. 4 abgebildet. Die Zusammen- 
setzung des Kiefers aus Stäbchen ergiebt sich aus der Combination 
solcher Schnitte mit Flächenschnitten durch den vordern, median ge- 
legenen Theil des Kiefers, wie man sie auf Querschnitten durch das 
Thier erhält (Taf. 5, Fig. 5)1). Die Stäbchen am freien, ventral ge- 


1) Auch dieser Schnitt stammt von einer andern Art, von Siphonaria 
laeviuscula, bei der die Stäbchen nur etwas länger sind als bei pectinata. 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 11 


legenen Theile des Kiefers sind hier ziemlich genau quer getrofien, 
nach den Seiten und nach dem dorsalen Rande zu werden die Schnitte 
schräg, man kann hier die Stäbchen in Zusammenhang mit den Epithel- 
zellen beobachten. Mit dieser Kieferfurche beginnt die eigentliche Mund- 
höhle. Die nach vorn und oben direct vor dem Kiefer gelegene Wand 
ist mit einem starken, aus Quer- und Längsfasern bestehenden, wohl 
musculösen Polster ausgestattet (ein Stück davon zeigt Fig. 4, Taf. 5, po), 
von hinten springen die zwei lang-eiförmigen, an ihren der Mundhöhle 
zugewandten Enden mit einander verbundenen Stützbalken der Zunge (st) 
unter der Radulatasche (rt) vor. Sie sind auf den Querschnitten Taf. 1, 
Fig. 7—12 eingezeichnet; die Bilder sind jedoch für die Demonstration 
dieser Organe nicht instructiv, da durch die Geschlechtsorgane und 
durch Contractionszustände die ursprüngliche symmetrische Lage dieser 
Theile wesentlich gestört ist. Ich werde daher den Bau der Stütz- 
balken bei einer andern Art, bei der auch ihr Erhaltungszustand 
besser ist, eingehender beschreiben. 

Ueber den von den Stützbalken gebildeten Theil der Mundhöhlen- 
wand breitet sich das vordere Ende der Radula aus. Ihre Bildungs- 
stätte ist eine kurze, nach oben umgebogene Radulatasche (rt), die in 
ihrem Bau keine wesentlichen Abweichungen von den Verhältnissen 
darbietet, die schon von andern Gastropoden bekannt sind. Ihren 
Ursprung aus der Mundhöhle zeigt Taf. 1, Fig. 7 u. 8; ziemlich 
genau quer getroffen ist sie Fig. 9; die folgenden Schnitte fallen 
dagegen schon in die Gegend, wo sie sich dorsalwärts umbiegt, man 
erhält also hier keine reinen Querschnitte mehr. An einer heraus- 
präparirten Radula zählte ich ausser dem Medianzahn jederseits 
38 Zähne, so dass die Formel 38.1.38 ist. Die Zähne bilden fast 
gerade, nur schwach nach vorn convexe Querreihen. Um eine Vor- 
stellung von der Form der Zähne zu geben, habe ich Taf. 2, Fig. 21 
ausser dem Medianzahn (mit o bezeichnet) den 2., 11., 20. und 31. Zahn 
abgebildet. Der Medianzahn ist langgestreckt, auf der schmalen Basis 
erhebt sich eine ganz kurze, einfache Spitze. Die folgenden Zähne 
sind breiter und haben eine starke, zweizackige Spitze (Fig. 21 2). 
Von den beiden Zacken der Spitze tritt zunächst die laterale an 
Grösse zurück, und am Grunde der Spitze tritt auf der lateralen 
Seite eine neue Zacke auf (Fig. 21 11). Gehen wir weiter nach der 
Seite, so stumpft sich auch die mediale Zacke der Spitze ab. Sie 
erscheint jetzt gerade abgestutzt, mit einer leichten Einkerbung in 
der Mitte, zugleich tritt an ihrem Grunde, gegenüber der lateralen, 
eine kleine, mediale Zacke auf (Fig. 21 20, Taf. 2). Dann schliessen 


12 AUGUST KOHLER, 


sich Zähne an, die, indem die Spitze immer kürzer wird und die 
Zacken an der Basis beiderseits gleich gross werden, fast symmetrisch 
gebaut erscheinen (Taf. 2, Fig. 21 31). Diese Form behalten sie bis 
zum Rande, nur werden sie in der Richtung von vorn nach hinten 
kürzer, während ihr Querdurchmesser ungefähr der gleiche bleibt. 
Lateral vom letzten Zahn findet man zuweilen noch ein kleines Körn- 
chen, das wohl einem rudimentären Zahn entsprechen dürfte. Die 
Vergrösserung aller in Fig. 21 abgebildeten Zähne ist die gleiche; es 
geht aus der Abbildung deutlich hervor, dass die Grösse der einzelnen 
Zähne von der Mitte nach dem Rande stetig abnimmt. 

Ueber der Radulatasche, auf der dorsalen Fläche des Schlund- 
kopfes, entspringt der Oesophagus (oe, Taf. 1, Fig. 4, 6, 8—10, 
12—14). Er dringt, sich hin und her krümmend, in die Tiefe hinab 
und geht hier ohne scharfe Grenze in den weiten, sackförmigen Magen 
über. Die Wand des Oesophagus zeigt zahlreiche Längsfalten, an deren 
Bildung sich das aus schmalen, hohen Flimmerzellen zusammengesetzte 
Epithel und eine Längsmuskelschicht betheiligen, während die aussen 
liegenden, quer verlaufenden Muskelfasern über die Falten hinweg- 
ziehen. Der Magen liegt dicht über dem Fusse und ist in Fig. 4 nur 
zum kleinsten Theil zu sehen, nämlich vorn der Uebergang in den 
Oesophagus und rechts hinten ein kleines Stück. Fig. 6, Taf. 1, die 
Darmcanal und Leber, von der ventralen Seite gesehen, darstellt, zeigt 
ihn jedoch in seiner ganzen Ausdehnung. Er ist ein weiter, dünn- 
wandiger Sack, dessen Form wesentlich durch seinen Füllungszustand 
und die Dimensionen der umliegenden Organe bedingt wird; gewöhn- 
lich ist er, wie überhaupt der Darm, mit aufgenommenen Nahrungs- 
mitteln erfüllt, Resten von Algen, Diatomeen und leider auch Sand, 
welch letzterer bei der Anfertigung der Schnittserien sich in sehr 
störender Weise bemerklich macht. Bei dem in Schnitte zerlegten 
Exemplar war der Darm in seinem vordern Theil ziemlich leer, er 
enthielt nur etwas Gerinnsel, und man sieht hier die Wand ähnliche 
Falten bilden wie im Oesophagus (Taf. 2, Fig. 16—20 m). 

Eine Einschnürung, die sich etwa in der Mitte des Magens be- 
findet, scheint mir nicht von wesentlicher Bedeutung zu sein, wenigstens 
konnte ich, trotzdem sie einigermaassen constant aufzutreten scheint, 
keine wesentlichen Unterschiede in dem Bau der vordern und hintern 
Hälfte des Magens erkennen. Ungefähr in der Mitte der hintern 
Hälfte des Magens entspringt der Dünndarm (Taf. 1, Fig. 6 d,; 
Fig. A). Derselbe wendet sich am Boden der Leibeshöhle zunächst 
nach vorn, steigt vor der Herzkammer in die Höhe (Fig. 4, Taf. 1) 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 13 


und biegt, dicht unter dem Diaphragma liegend, nach hinten um 
(d,, Fig. 4, Taf. 1; Fig. A); er bildet so eine erste, vertical stehende 
Schleife. Dann wendet sich der Darm nach links (Fig. 4) und lauft 
am Rande der Eingeweidemasse nach vorn (Fig. 4, 6 d,), sinkt hinter 
dem Herzen in die Tiefe und verläuft parallel mit d, nach hinten 
(Fig. 6 d,), steigt hier wieder zur Dorsalseite hinauf und zieht schräg 
nach vorn unter dem Diaphragma nach der Aiteröffnung (d,, Fig. 4, 6), 
die auf der dorsalen Seite des Anallappens liegt. 
Am Darmcanal sind zwei Paare von Anhangs- 
drüsen entwickelt. 

Vorn finden sich zwei Speicheldrüsen 
(spdr), deren jede eine rundliche, gelappte Masse 
darstellt, von der der dünne Ausführgang sich 
bis zur Wand der Buccalmasse verfolgen lässt. 
Bei dem in Schnitte zerlegten Exemplar waren 
die Drüsen im Verhältniss viel mächtiger ent- 
wickelt; auf den Fig. 8—15, Taf. 1, findet man | 
sie zwischen den verschiedenen Theilen des ch 
Darmeanals eingeklemmt. Rist Ale Dern und 

In den hintern Theil des Magens miinden Herz von Siphonaria pecti- 

: FA nata. oe Oesophagus, m 
zwei Verdauungsdrüsen (Leber) von sehr wagen, d,—d, Darm, ve 
ungleicher Grösse. Die stärker entwickelte Ventrikel, at Vorhof, aa 
(hep,, Fig. 4, 6) mündet dorsal vom Ursprung PAR Giles 
des Diinndarms durch ein weites Loch in den 
Magen, ihre Hauptmasse ist auf der ersten der angeführten Figuren 
auf der Dorsalseite zu sehen, in der zweiten Figur erkennt man die 
kleinern, auf der Ventralseite gelegenen Lappen des Organs, die sich 
zwischen die Darmschlingen eindrängen. Die kleinere Drüse (hep,) 
nimmt das hinterste Ende der Leibeshöhle ein, sie mündet durch einen 
dünnen, kurzen Gang ventral in den hintersten Abschnitt des Magens; 
Fig. 4, Taf. 1, zeigt sie von der dorsalen, Fig. 6 von der ventralen 
Seite. Die Leber erscheint äusserlich aus einzelnen Lappen und 
Läppchen zusammengesetzt, ich habe versucht, auf der Zeichnung den 
Habitus, so gut es mir möglich war, wiederzugeben. Den Bau der 
Leberzellen übergehe ich hier, da ihr Conservirungszustand ein zu 
ungünstiger war. 


Die Geschlechtsorgane. 


Die Geschlechtsorgane nehmen den rechts gelegenen kleinern Ab- 
schnitt der Leibeshöhle ein, wie es Fig. 4, Taf. 1, zeigt. Man bemerkt 


14 AUGUST KOHLER, 


hinten die Zwitterdriise (gw), vor ihr, unter dem Enddarm und 
zum Theil von der Leber bedeckt, cine drüsige, aus Schleim- und 
Eiweissdrüse zusammengesetzte Masse (sd), aus der vorn der 
Spermoviduct (spov) entspringt, der in die hintere Fläche des 
vordern rechten Adductorabschnitts eindringt. Ihm dicht angelagert 
verläuft ein weit engerer Canal, der Ausführgang des Recepta- 
culum seminis (rs). Vor dem Receptaculum liegt eine abgeplattete 
Drüse von rundlichem Umriss, die Prostata (pr), die durch einen 
engen Gang in das abgerundete Ende eines hohlen, cylindrischen 
Schlauches (gel) mündet, der sich dann am Kopf, vor der Kopf und 
Fuss trennenden Furche durch die Geschlechtsöffnung nach aussen 
öffnet. Ich will ihn Genitalcloake nennen. Eine klarere Ueber- 
sicht über den Zusammenhang und die Form der einzelnen Theile des 
Geschlechtsapparats giebt Fig. 5, Taf. 1, die ihn frei präparirt und 
auseinandergebreitet zeigt. Oben in der Figur findet man die grosse 
Zwitterdriise (zw); etwa im Centrum ihrer untern Fläche entspringt 
der in der Mitte stark aufgetriebene, gewundene Zwittergang (zwg). 
Derselbe tritt, nachdem er einen seitlichen Fortsatz, die Samen- 
blase (sb), entsendet hat, in die aus Schleim- und Eiweissdrüse ge- 
bildete Genitalmasse über, deren Oberfläche vielfach durchfurcht ist 
(sd und ed). Auf der Zeichnung sieht man am untern, in Beziehung 
auf das Thier vordern Rand der Genitalmasse in der Fortsetzung eines 
solchen Wulstes den Spermoviduct (spov) entspringen. Er ist mit dem 
Gang des Receptaculums (rs) aus dem Muskel herauspräparirt, und 
man erkennt, wie er mit diesem in der Nähe des Prostataganges in 
die Genitalcloake (gel) einmündet. 

Nach dieser allgemeinen Orientirung können wir uns zur Schilde- 
rung der einzelnen Abschnitte des Genitalapparats an der Hand der 
abgebildeten Schnitte wenden. 

Der erste Schnitt (Fig. 7, Taf. 1) zeigt die Geschlechtsöffnung gö. 
Sie führt in einen schräg ins Innere vorspringenden dickwandigen, 
musculösen Schlauch, die Genitalcloake (gel), die sich scharf nach 
hinten umbiegt. Auf dem abgebildeten Präparat ist der erste Theil 
längs geschnitten, während darüber der nach hinten sich wendende 
Theil im Querschnitt getroffen ist; die Communication der beiden 
Lumina ist auf den vorangehenden Schnitten leicht nachzuweisen. Der 
Lichtdruck Taf. 5, Fig. 3, der ein Stück eines Horizontalschnittes 
durch ein anderes Exemplar, das der var. lineolata angehört, darstellt, 
zeigt ebenfalls einen Querschnitt durch den Anfangstheil der Genital- 
cloake mit seiner stark musculésen, aus quer und längs verlaufenden 


Beitrige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 15 


Muskelbündeln zusammengesetzten Wand. Das Epithel ist aus hohen, 
cylindrischen Zellen gebildet, die wahrscheinlich Wimpern tragen, der 
Conservirungszustand meines Objectes liess jedoch eine sichere Ent- 
scheidung dieser Frage nicht zu. Fig. 8 stellt einen weiter hinten 
geführten Schnitt dar. Der distale Theil der Genitalcloake ist hier 
nicht mehr getroffen, sondern nur das hintere, umgebogene Ende mit 
seinem etwas erweiterten Lumen. Ein paar Schnitte weiter biegt die 
Genitalcloake wieder nach vorn um und geht, nachdem sich ihr Hohl- 
raum etwas erweitert hat, in den auf der Figur links von ihr gelegenen, 
mit spov bezeichneten Canal, den Anfang des Spermoviducts, über. 
Die Längsfaserbündel, die ihn umgaben, verlaufen allein in der ur- 
spriinglichen Richtung nach hinten, indem sie sich bald zu einem 
Retractor der Genitalcloake vereinigen, der bis Fig. 16, Taf. 2, r 
zu verfolgen ist; dann dringen seine Fasern in die Muskelmasse des 
Adductors ein. Auf dem Lichtdruck Fig. 3, Taf. 5, ist der Retractor 
der Lange nach getroffen. Auf der ganz kurzen Strecke vom Ueber- 
gang in den Spermoviduct bis zu der Stelle, wo vorn die Biegung 
nach unten stattfindet, nimmt die Genitalcloake zwei weitere Canäle auf. 
Zunichst vorn, dicht hinter der Biegung, einen feinen, mit niederm 
Epithel ausgekleideten Canal (Fig. 7), der zunächst in der Musculatur 
eingehüllt bleibt (Fig. 8). Hinter dem Anfang des Spermoviducts aber 
tritt er nach ein paar dicht aneinander gelegten Windungen aus den 
sich zum Retractor zusammenschliessenden Lingsfasern aus und wendet 
sich medianwärts, um in die Prostata einzutreten. Diese selbst 
(pr, Fig. 8—15, Taf. 1, und Fig. 16, 17, Taf. 2) stellt einen dick- 
wandigen, in dorsoventraler Richtung abgeplatteten Schlauch dar, der 
eine mit der Spitze dorsal gewandte, im Sinne der Conchyliologen 
linksgewundene Spirale von etwa 1'/, Windung beschreibt. Bei dem 
andern ältern Exemplare, nach dem die Fig. 4 u. 5 entworfen sind, 
war jedoch die Spirale rechtsgewunden, und das dem Ausführgang 
zugekehrte Ende nach vorn umgeschlagen. Ueber den feinern Bau 
der Prostatawand kann ich nach meinen Präparaten, der ungenügenden 
Conservirung wegen, keine befriedigende Auskunft geben. Man kann 
nur leicht erkennen, dass die Wand der Prostata aus zwei Schichten 
zusammengesetzt ist, einer innern, dem Lumen zugewandten, ziemlich 
dünnen, und einer äussern, die an den meisten Stellen viel mächtiger 
ist. Letztere besteht aus Drüsenzellen von anscheinend birnförmiger 
Gestalt, mit deutlichem Kern und körnigem, sich in Carmin schwach 
färbendem Inhalt; man gewinnt an vielen Stellen den Eindruck, dass 
eine Anzahl solcher Zellen zu einem „Acinus‘ vereinigt seien. Die 


16 AUGUST KOHLER, 


innere Schicht zeigt schon bei schwacher Vergrésserung eine deutlich 
ausgeprägte radiäre Streifung, die auch auf den Uebersichtsbildern 
angedeutet ist; auf diinnen Schnitten, bei starker Vergrésserung, sieht 
man, dass sie zum grossen Theil von den halsartigen, innern Ab- 
schnitten der Driisenzellen gebildet wird, die ebenfalls mit Secret- 
körnchen erfüllt sind. Zwischen diesen scheinen sich noch dünne 
Cylinderzellen mit kleinen, länglichen Kernen zu befinden, die, nach 
vorhandenen Resten zu urtheilen, mit Wimperhaaren versehen waren; 
auch an mit Carmin gefärbten, in toto eingelegten Stücken der Prostata, 
an denen man die Wand von der äussern Fläche betrachtet, lassen sich 
ausser den grossen Kernen der Drüsenzellen, die bei hoher Einstellung 
sichtbar sind, bei tiefer Einstellung noch die kleinen Kerne unter- 
scheiden, welche an den Knotenpunkten eines nicht ganz regelmässigen, 
etwas verwaschen gezeichneten Netzwerkes liegen. Bei etwas dickern 
Schnitten sind die beiden Schichten scharf gegen einander abgegrenzt ; 
es scheint hier zwischen beiden Schichten das eben erwähnte Faser- 
netz zu liegen, Sicheres habe ich jedoch darüber nicht ermitteln können. 

Der Ursprung des zweiten Canals, des Stiels des Recepta- 
culums, ist Taf. 1, Fig. 8 abgebildet. Er entspringt aus einer Er- 
weiterung am Uebergang des Spermoviducts in die Genitalcloake, 
durchdringt den Retractor der letztern und verläuft parallel mit dem 
Spermoviduct auf seiner dorsalen Seite nach vorn (Fig. 7 rs), dann 
durch den vordern Adductor nach hinten. Fig. 15 tritt er dann unter 
dem Athemloch aus ihm heraus und lässt sich bis zum Receptaculum 
verfolgen. Fig. 18, Taf. 2, liegt er dicht am Receptaculum; ich habe 
seine Einmündung nicht besonders abgebildet, da sie schon auf den 
Fig. 4 u. 5, Taf. 1, dargestellt ist. Die Wand des Receptaculumstieles 
ist glatt; sie besteht aus einem einfachen Wimperepithel, die Musculatur 
ist nur schwach entwickelt. Das Receptaculum selbst ist eine 
dünnwandige Blase; sein Inhalt war an dem in Schnitte zerlegten 
Exemplare nicht zu bestimmen: über diese Frage und über den Bau 
der Wand werde ich bei der Beschreibung anderer Arten die nöthigen 
Angaben machen. 

Der Spermoviduct (spov) schliesst sich direct an die oben 
erwähnte Erweiterung an. Er verläuft, wie schon bemerkt, ventral 
vom Stiel des Receptaculum seminis, genau wie dieser durch den 
Adductor und stellt auf dieser Strecke ein ziemlich dickwandiges, mit 
starker Längs- und Ringmusculatur versehenes Rohr dar, dessen Lumen 
von einem etwa 6--8 Längsfalten bildenden Cylinderepithel ausgekleidet 
ist. Dieser einfache Bau erhält sich bis zum Eintritt in die Leibes- 


Beitrige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 17 


höhle (Fig. 17, 18, Taf. 2). Da verdickt sich der ganze Spermoviduct 
erheblich, und sein Lumen theilt sich in zwei Rinnen. Die Wand der 
einen gleicht in ihrem Bau vollkommen der Wand der Prostata, sie 
mag daher Prostatarinne heissen; die andere dagegen zeigt grosse 
Aehnlichkeit mit der Schleimdriise, ich nenne sie daher Schleim- 
rinne. Auch in dieser hat eine Sonderung der Zellen in Driisen- und 
Flimmerzellen stattgefunden, jedoch ohne dass erstere aus dem Kpithel 
herausgetreten wären ; es wechseln vielmehr ziemlich regelmässig grosse, 
farblose Zellen mit grobmaschigem Plasma mit ganz dünnen, faden- 
formigen ab, die an ihrem verbreiterten Ende die Wimpern tragen. 
Die Schleim- und Eiweissdrüse, sowie Zwittergang und Zwitterdriise 
habe ich bei der vorliegenden Art nicht genauer untersuchen können, 
da die Schnitte hierfür nicht tauglich waren; ich habe in den Fig. 16 
—20, Taf. 2, nur die allgemeinen Lageverhältnisse dargestellt. Man 
sieht in Fig. 17, Taf. 2, den Spermoviduct unten und links von der 
Schleimdrüse umgeben, ebenso in Fig. 18; Fig. 19 ist der Sperm- 
oviduct verschwunden, und an seiner Stelle gewahrt man Windungen 
des Zwitterganges (zg); daneben liegt links die Eiweissdrüse (ed), 
darüber und darunter die Schleimdrüse (sd). Schnitte, auf denen 
die Zwitterdrüse getroffen ist, habe ich nicht abgebildet; ich werde 
das bei der Beschreibung von Siphonaria stellata var. luzonica nach- 
holen. 


Die Blutgefässe. 


Wir wenden uns nun zur Darstellung der Blutgefässe. Werfen 
wir einen Blick auf Fig. 19, Taf. 2, so sehen wir am medialen Rande 
des Herzbeutels aus der Kammer ein starkes Gefäss entspringen, das 
gleich nach seinem Eintritt in die Leibeshöhle eine Anschwellung zeigt. 
Dicht hinter dieser Anschwellung theilt sich das Gefäss in zwei Theile, 
einen nach hinten verlaufenden, die Arteria posterior oder ab- 
dominalis, welche die im hintern Körperabschnitt gelegenen Ein- 
geweide versorgt (Taf. 2, Fig. 20 ap), und einen zweiten, die Arteria 
anterior oder cephalica, die, zunächst zwischen den Leberlappen 
eingebettet, durch die erste Darmschlinge hindurchtritt (Fig. 19 aa), 
sich dann dem Boden der Athemhöhle dicht anlagert (Fig. 18, Taf. 2) 
und so bis zum Rand der Athemhöhle nach rechts und. vorn verläuft. 
Dann wendet sie sich nach unten (Fig. 14, Taf. 1), geht rechts an 
der Visceralcommissur vorbei und tritt ventral vom Darm durch den 
Schlundring hindurch (Fig. 13, 12), um sich dort zu verzweigen. Zu- 


erst geht unter dem Receptaculum seminis (Fig. 14, Taf. 1) ein 
Zool. Jahrb. VII, Abth, f. Morph. 9 


18 AUGUST KOHLER, 


Gefäss nach links (Fig. 15, Taf. 1; Fig. 16, Taf. 2, «), das sich der 
Ventralseite des Oesophagus dicht anlagert und nach vorn verläuft 
(Taf. 1, Fig. 15—10), weiter lässt es sich nicht mit Sicherheit ver- 
folgen. Darauf gehen etwas weiter nach links zwei Gefässe (7, u. Ba) 
nach vorn ab, von denen das medial gelegene (8,) bis zu dem Schlund- 
kopf zu verfolgen ist (Fig. 12—8, Taf. 1); das laterale (#,) scheint 
schon vorher zu endigen. Ferner entspringen direct neben einander 
etwa in der Medianlinie zwei nach hinten verlaufende Gefässe (7, U. y»), 
die unter den Pedalcommissuren, dicht der Fussmusculatur angelagert, 
verlaufen (Fig. 13—15, Taf. 1). Fig. 16, Taf. 2, ist einer der letzten 
Schnitte, auf denen sie mit Sicherheit zu erkennen waren. Auf der 
lateralen Seite des Spermoviducts, am Ursprung des Anallappens, findet 
sich Fig. 17 u. 18, Taf. 2, ebenfalls ein mit Blut erfüllter Raum (0), 
der mit der Arteria cephalica communicirt, wie ich bei zwei Exem- 
plaren nachweisen konnte; ich bin jedoch trotzdem zweifelhaft, ob 
man ihn als Gefäss ansprechen darf, da ihm eine eigne Wand zu fehlen 
scheint; es ist immerhin möglich, dass er seine Entstehung einem zu- 
fälligen Riss in der Wand der Arterie verdankt, die an dieser Stelle 
recht dünn ist. 

Aus den Verzweigungen der Arterien tritt das Blut frei in die 
Leibeshöhle: es sammelt sich, nachdem es die Organe umspült hat, 
in einem Sinus, der besonders deutlich auf der linken Seite, an der 
Grenze des Athemhöhlendaches auf den abgebildeten Schnitten zu be- 
obachten ist (st Fig. 7—15, Taf. 1; Fig. 16—20, Taf. 2); ich will ihn 
Pallialsinus nennen. Von ihm treten alle in das Dach der Athem- 
höhle gehenden Gefässe aus; der Ursprung des zuführenden Kiemen- 
und des linken zuführenden Nierengefässes sind Fig. 20 durch * ange- 
deutet. Vorn am Kopf mündet in den Pallialsinus ein anderer Sinus, 
der ventral vom Pericard liegt, ich habe ihn auf Fig. 7—18 mit si 
bezeichnet. 


Das Nervensystem. 

Das Nervensystem besteht aus 2 Cerebralganglien, 2 Pedalganglien 
und 3 Ganglien der Visceralcommissur, von denen ich schon in meiner 
vorläufigen Mittheilung die beiden äussern als Pleurointestinalganglien, 
das mittlere als Abdominalganglion bezeichnet habe. Zwischen diesen 
Ganglien bestehen die typischen Verbindungen ; die Cerebralganglien (eg) 
sind dorsal vom Darm durch eine ziemlich lange Cerebralcommissur (ce) 
verbunden; sie ist auf Fig. 14, Taf. 1, zum grössten Theil dargestellt - 
ihre Lage ist allerdings wie die vieler anderer Theile des Schlund- 


Beitriige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 19 


ringes durch die starken Contractionen des Thieres und die dadurch 
bedingten Verschiebungen der benachbarten Organe ziemlich gestört, 
doch ist ihre Lage dorsal vom Oesophagus deutlich zu erkennen. 
Die Cerebralganglien sind am besten auf Fig. 10, Taf. 1, dar- 
gestellt; von dem rechten entspringt rechts auf der Ventralseite das 
Cerebropedalconnectiv (cp), das bald mit einem unter ihm ge- 
legenen, vom Pedalganglion nach vorn verlaufenden Nerven verschmilzt, 
um mit ihm gemeinsam in das vordere Ende des Pedalganglions 
einzutreten (Fig. 11, 12, Taf. 1, pg). Die nach innen und unten ge- 
richtete Spitze des linken Cerebralganglions (Fig. 10, Taf. 1) 
ist der Anfang des linken Cerebropedalconnectivs. Es liegt 
den äusserst kurzen Cerebropleural- und Pleuropedalcon- 
nectiven (Fig. 12, Taf. 1), welche die drei stark genäherten Ganglien 
mit einander verbinden, ganz dicht an. Rechts verhält sich die Sache 
ähnlich, nur ist die gegenseitige Lage der Ganglien eine etwas andere, 
indem das Pleurointestinalganglion ganz auf die Rücken- 
seite, dicht unter den Boden der Athemhöhle, verlagert ist, während 
das Cerebralganglion der ventralen Seite genähert ist. Fig. 11 zeigt 
einen kurzen, dicken, mit einer Rinde von Ganglienzellen versehenen 
Nervenstrang zwischen Pleurointestinal- und Cerebralganglion, das 
Cerebropleuralconnectiv, Fig. 12 u. 13 einen ähnlichen Strang 
zwischen Pedal- und Pleurointestinalganglion, das Pleuropedal- 
connectiv. 

Vom rechten Pleurointestinalganglion geht ein starker Nerv nach 
hinten, der Anfang der Visceralcommissur (Fig. 14 vw). Man 
sieht auf der eitirten Figur, wie er dorsal von der Arteria cephalica 
liegt, so dass diese nicht durch den von der Visceralcommissur und 
den vordern Ganglien gebildeten Ring hindurchtritt. Die folgende 
Figur (Fig. 15) zeigt den Eintritt der Commissur in das rechts ge- 
legene Abdominalganglion (ag). Dies Ganglion ist auch noch 
auf dem Taf. 2, Fig. 16 abgebildeten Schnitt getroffen; auf der me- 
dialen Seite entspringt die linke Hälfte der Visceralcommissur, die 
man Fig. 15, Taf. 1, unter dem Darm zum linken Pleurointestinal- 
ganglion verfolgen kann. Die Pedalganglien (pg) sind doppelt 
unter einander verbunden, durch eine starke vordere (Fig. 14 1 pe) 
und schwächere hintere (Fig. 16, Taf. 2, 2pc) Pedalcommissur. 
Ein paar Buccalganglien, wie gewöhnlich mit den Cerebral- 
ganglien verbunden, liegen an der Ursprungsstelle des Oesophagus 
(Fig. 8, Taf. 1, bg). 

Aus den schon in der Einleitung hervorgehobenen Gründen muss 


9%# 
Dis 


20 AUGUST KOHLER, 


ich auf eine erschépfende Darstellung der peripherischen Nerven ver- 
zichten; nur die von den Ganglien der Visceralcommissur ausgehenden 
Nerven will ich etwas eingehender schildern. Die Cerebralganglien 
entsenden eine grössere Anzahl Nerven nach vorn, in den Kopf, zu 
den Augen und in die beiden Falten, zwischen denen die Mundöffnung 
liegt; auf den Schnitten Fig. 7—9 sind diese Nerven dargestellt. Von 
den beiden Pedalganglien entspringen die Nerven zumeist auf 
der lateralen Seite; der Ursprung eines solchen vom rechten Pedal- 
ganglion, dicht hinter dem Pleuropedalconnectiv ist Fig. 14, Taf. 1, 
abgebildet; ein ähnlicher entspringt links (Fig. 13), ein anderer auf 
derselben Seite, am Hinterende des Ganglions (Fig. 16, Taf. 2). Von 
jedem Pedalganglion geht ausserdem am hintern Ende ein ziemlich 
starker Nerv gerade nach hinten (Taf. 2, Fig. 16 ff., m5, n,.). Noch 
einen Nerven muss ich erwähnen, der am vordern Ende des rechten 
Pedalganglions zugleich mit dem Cerebropedalconnectiv entspringt. 
Fig. 11 zeigt beide Nervenstränge mit einander verschmolzen, der aus 
beiden gebildete Faserstrang ist mit pg bezeichnet; ein paar Schnitte 
weiter nach vorn (Fig. 10) tritt das Cerebropedalconnectiv cp in das 
Cerebralganglion ein, während darunter der Nerv (ng) sich bis zum 
hintern Ende der Genitalcloake verfolgen lässt, wo er sich verzweigt 
(Fig. 9 ng). Das rechte Pleurointestinalganglion entsendet 
dicht neben einander drei starke Nerven, die sich zunächst gemeinsam 
nach vorn wenden, die zwei lateral gelegenen biegen dann nach rechts 
um. Der eine davon schwillt am vordern Rande des Athemloches zu 
einem Ganglion (go Fig. 9, Taf. 1) an, das in dem mit Wimperepithel 
bedeckten Wulst liegt (os), den wir schon oben als Geruchsorgan kennen 
gelernt haben. Nerven habe ich von diesem Ganglion nicht ausgehen 
sehen. Der andere Nerv ist dem eben beschriebenen, auf den zwischen 
Fig. 9 u. 10 gelegenen Schnitten dicht angelagert, er verläuft jedoch 
schon hinter dem Ganglion go nach dem Mantelrand zu, auf Fig. 9 
findet man ihn daher schon in die Mantelfalte eingetreten, über dem 
Athemloch, das der Schnitt tangirt hat (n,). Hier theilt er sich: ein 
kleinerer Ast liess sich ein kurzes Stück nach vorn in der Mantelfalte 
verfolgen, ein stärkerer Nerv verläuft über dem Athemloch nach hinten. 
Dieser ist am innern Rand der Mantelfalte auf allen Fig. 10, Taf. 1, 
bis Fig. 20, Taf. 2, abgebildeten Schnitten deutlich zu erkennen, mit 
Ausnahme der Fig. 11—15, auf denen die betreffende Partie des Körpers 
nicht mit abgebildet ist. Von Strecke zu Strecke giebt er Nerven in 
die Mantelfalte ab; ich konnte ihn bis etwa an das hintere Ende des 
Athemloches verfolgen. Der dritte Nerv (n,) liegt auf den drei ersten 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 21 


abgebildeten Schnitten (Fig. 7—8) am innern Rand der vordern Partie 
des Adductors; an dessen vorderm Ende geht er in den den Kopf 
überdeckenden Abschnitt der Mantelfalte über und löst sich dort in 
mehrere starke, nach dem Rand der Falte sich wendende Nerven 
auf. Aus dem Abdominalganglion sah ich am hintern Ende 
drei Nerven entspringen, die alle drei nach hinten verlaufen. Der 
eine verlässt das Ganglion auf der dorsalen Seite und wendet sich 
dann mit der Arteria cephalica nach links (Taf. 2, Fig. 17, 18 n,); 
ich habe ihn bis zum Herzbeutel, an die Umbiegungsstelle der Niere 
und weiter bis zum Renopericardialporus verfolgen können ‘und schliesse 
daraus, dass er Pericard und Niere versorgt. Die beiden andern ent- 
springen etwas hinter dem ersten. Der dünnere, dorsal gelegene 
(n, Fig. 17, Taf. 2) kreuzt den Spermoviduct und dringt zwischen 
ihm und dem Receptaculum in die Genitalmasse ein (Fig. 18 »;); dort 
lässt er sich noch ein kurzes Stück dem Spermoviduct entlang ver- 
folgen. Der weit stärkere, mehr ventral gelegene (n,) bleibt auf der 
rechten Seite, sendet Fig. 18 zwei Nerven nach rechts in den Anal- 
lappen, tritt unter dem Enddarm hindurch (Fig. 19, 20) und lässt 
sich hier am rechten Rand der Leibeshöhle bis in die Gegend des 
hintern Endes des Athemloches verfolgen, dann tritt er in die Seiten- 
wand des Körpers ein, wo er sich in zwei Aeste spaltet. Der lateral 
gelegene Ast wendet sich nach aussen und tritt in die Mantelfalte 
ein. Dort angelangt, verläuft er nach hinten, indem er hier eine ähn- 
liche Lage einnimmt wie der vom Pleurointestinalganglion ausgehende 
Nerv », im vordern Theil der Mantelfalte Von dem linken 
Pleurointestinalganglion entspringen zwei Nerven, einer auf 
der linken Seite und einer hinten. Der Ursprung des linken ist Taf. 1, 
Fig. 14 n, abgebildet. Er legt sich ziemlich dicht einem vom Pedal- 
ganglion kommenden Nerven an, geht mit diesem nach oben und vorn, 
um in die Musculatur einzudringen. In den Fig. 10 u. 12 abgebildeten 
Schnitten ist er zweimal getroffen, einmal in seinem Verlaufe in der 
Leibeshöhle und dann das bereits in die Musculatur eingetretene Stück. 
Er durchbohrt den Adductor und gelangt so in die Mantelfalte, wo 
er sich bis etwa in die Mitte des Körpers verfolgen lässt; Taf. 2, 
Fig. 16—18 habe ich ihn abgebildet (n,). Auf Fig. 16 liegt noch ein 
kleiner, nicht weiter bezeichneter Nerv unter ihm; es ist ein kurzer, 
nach vorn verlaufender Ast von ihm selbst. Der Verlauf des am 
hintern Ende des Pleurointestinalganglions entspringenden Nerven geht 
aus den Fig. 16—20, Taf. 2, hervor, wo er mit n, bezeichnet ist. 
Er liegt neben den Pedalnerven am Boden der Leibeshöhle und nähert 


22 AUGUST KOHLER, 


sich allmählich dem linken Rand derselben; ich konnte ihn da nicht 
weiter verfolgen. 

Die Augen liegen ziemlich weit vorn am Kopfe links und rechts 
von der Mundöffnung in der Haut. Sie sind bei conservirten Thieren 
in der Regel von aussen nicht sichtbar, da sie, wie es scheint, bei 
Contractionen des Thieres eingestiilpt werden kénnen; auf Schnitten 
sind sie jedoch stets gut zu erkennen. Fig. 44, Taf. 3, zeigt ein 
Auge auf dem Grund einer kleinen Hauteinstiilpung gelegen. Das- 
selbe hat die Form eines kleinen Bläschens. Der grösste Theil der 
Wand wird von der Retina gebildet, in der man zwei Schichten unter- 
scheiden kann, eine äussere, die Zellkerne enthält, und eine innere, 
deren feinerer Bau völlig durch das schwarze Pigment verdeckt ist. 
Dies Pigment fehlt nur auf einer ziemlich kleinen, der Haut zuge- 
wandten Stelle des Augenbläschens, wo die Retina in die aus durch- 
sichtigen Zellen gebildete „innere Cornea“ übergeht. Das Hautepithel, 
soweit es dieser ,,innern Cornea“ anliegt, ist ebenfalls dünn und durch- 
sichtig und bildet die „äussere Cornea“. Das Innere der Augenblase 
ist von einer im Leben wahrscheinlich gallertigen, im conservirten 
Auge geronnenen „Linse“ erfüllt. Die Eintrittsstelle des Sehnerven 
ist auf dem abgebildeten Schnitt nicht getroffen. 

Die Otocysten liegen in der gewöhnlichen Lage an der Innen- 
fläche der Pedalganglien; sie sind hier, wie bei den meisten andern 
Arten, die mir zur Verfügung standen, schlecht conservirt und zer- 
drückt; ich gebe deshalb hier keine Abbildung, sondern verweise auf 
die Abbildungen von Siphonaria redimiculum REEVE (Taf. 3, Fig. 35 ot), 
wo sie besser erhalten waren. Ueber Zahl und Form der Otolithen 
kann ich keine Angaben machen; sie hatten sich vermuthlich bei der 
Vorbehandlung der betreffenden Stücke mit den verschiedenen Con- 
servirungs- und Färbungsflüssigkeiten aufgelöst, ohne eine Spur zu 
hinterlassen. 

Zum Schluss noch ein paar Worte über Drüsen, die sich an 
einigen Stellen der Körperoberfläche ausgebildet haben. Soviel ich 
mit den einfachen, von mir angewandten Färbungsmethoden ermitteln 
konnte, sind diese Drüsen kurze Einsenkungen des Hautepithels, deren 
Zellen zunächst niedrig bleiben, gegen den Grund des Blindsäckchens 
aber länger werden und sich zum Theil in grosse Drüsenzellen mit 
klarem, schwach färbbarem Inhalt umwandeln. Die Kerne der Drüsen- 
zellen liegen peripher ; sie sind ziemlich gross und rundlich. Ausser 
ihnen bemerkt man noch kleinere, längliche Kerne mehr nach dem 
Lumen zu, die jedenfalls zwischen die secernirenden Elemente einge- 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 23 


schalteten Zellen angehôren, deren Form ich jedoch nicht bestimmen 
konnte. Das ganze, etwa birnförmige Organ ist von einer Hülle von 
Fasern umsponnen, die höchst wahrscheinlich musculöser Natur sind. 
Da ich über keinen zur Abbildung geeigneten Schnitt verfüge, habe 
ich eine nach verschiedenen Präparaten combinirte Zeichnung auf Taf. 2, 
Fig. 29 gegeben. Diese Drüsen finden sich in ziemlich beträchtlicher 
Anzahl in der Haut des Kopfes, in den Seitentheilen des Fusses — 
vom Rand der Sohle an bis zur Ansatzstelle der Mantelrinne — und 
auf der ventralen Fläche des Anallappens. 

Drüsen von ähnlichem Bau finden sich in der Mantelfalte, nur 
weicht ihre Form etwas ab, indem die einzelnen Drüsenzellen länger 
und schmäler sind. Die kurzen Epithelschläuche, in welche die ein- 
zelnen Driisenzellen einmünden, sind in einer Reihe dem Rand der. 
Mantelfalte entlang angeordnet, und zwischen ihnen befinden sich noch 
andere Drüsen mit stark färbbarem Zelleib; über ihren feinern Bau 
und ihre Mündungsweise habe ich jedoch nichts Sicheres ermitteln 
können. 


Siphonaria laeviuscula Sow. 


Von der Gestalt des Thieres gilt fast genau das über die vorher- 
gehende Species Gesagte, wie überhaupt fast alle Siphonarien in ihrer 
äussern Erscheinung nur wenig von einander abweichen. Der einzige, 
auch in der Form der Schale sich zeigende Unterschied ist der, dass 
das Thier im Verhältniss höher ist als Siphonaria pectinata, wie schon 
aus dem Vergleich der einander etwa entsprechenden Querschnitte 
Fig. 20 u. 25, Taf. 2, hervorgeht. Der innere Bau weist dagegen 
einige nicht unerhebliche Abweichungen auf. Da ich keine Exemplare 
secirt habe, kann ich der Beschreibung nur die Taf. 2, Fig. 22—26 
abgebildeten Querschnitte zu Grunde legen. Von einem Exemplar 
habe ich allerdings die Decke der Athemhöhle eingelegt und gefärbt, 
die Abweichungen von der vorigen Art sind jedoch hier so unbedeutend, 
dass ich auf eine Wiedergabe dieses Präparates verzichten kann. 

So ist ein sich über Dach und Boden der Athemhöhle hinziehendes 
Wimperband vorhanden, unter seinem der Decke der Athemhöhle 
zugehörigen Theil liegt das zuführende Kiemengefäss, das 
mit dem das Hinterende des Thieres umsäumenden Theil des Pallial- 
sinus durch ein Gefäss- oder besser Lacunennetz in Verbindung steht. 
Ebenso ist das Gefässnetz im vordern Theil des Athemhöhlendaches 
vorhanden, das Blut aus dem überm Kopf gelegenen Theil des 


24 AUGUST KOHLER, 


Pallialsinus in die vordere Kiemenvene leitet; auf den Uebersichts- 
bildern Fig. 22 u. 23, Taf. 2, habe ich diese Gefässe angedeutet. 

Die Kieme stimmt in ihrem Bau mit der von Siphonaria pecti- 
nata überein, ein Blick auf die Abbildungen (Fig. 25 u. 26 cé) zeigt 
jedoch, dass die Faltungen und die Anzahl der den einzelnen Blattchen 
aufsitzenden secundären Blättchen besonders in dem am Athemloche 
liegenden Theil der Kieme viel beträchtlicher sind als bei dem in Schnitte 
zerlegten Exemplar von S. pectinata. Das zuführende Kiemengefäss 
habe ich schon oben erwähnt; auch das abführende (Fig. 25 
u. 26 kv,) ist gerade wie bei der andern Art vorhanden. 

Die Niere zerfällt ebenfalls in einen grössern, dem Dach, und 
einen kleinern, dem Boden der Athemhöhle angehörenden Lappen, sie 
weicht nur darin etwas ab, dass die hintere Grenze jenes nicht von 
dem linken zuführenden Nierengefäss (len, Fig. 3, Taf. 1), 
das auch hier vorhanden ist, gebildet wird; sie erstreckt sich vielmehr 
über das Gefäss hinaus nach hinten, bis fast an den vordern Rand der 
Kieme. Auch ein rechtes zuführendes Nierengefäss ist vor- 
handen; es ist Fig. 26, Taf. 2, bei rzn mit dem „Frenulum“ abgebildet, 
und Fig. 25 stellt es in der Nierenpapille dar, an deren Basis es sich 
verzweigt. Die vordere Grenze des obern Nierenlappens wird auch hier 
von der vordern Kiemenvene gebildet, die wieder zwei Muskeln 
enthält (Fig. 24 kv,, mu). Sie nimmt auch aus der Niere kommende 
kleinere Gefässe auf; ich habe auf der angeführten Figur einige (medial- 
wärts von ihr) eingezeichnet. Die hintere Kiemenvene, Fig. 25 
u. 26 mit kv, bezeichnet, ist ein starkes Gefäss das den obern Nieren- 
lappen von links vorn nach rechts hinten durchschneidet. An der 
Mündung in den Vorhof nimmt sie ein aus dem dorsalen Nierenlappen 
kommendes Gefäss (nv, Fig. 25, Taf. 2) auf, in geringer Entfernung 
davon ein zweites, das ich jedoch nicht besonders abgebildet habe. 
Auch aus dem ventralen Nierenlappen geht ein Gefäss hervor (nv, 
Fig. 25 u. 26), das aber mit den Kiemenvenen zusammen direct in 
den Vorhof mündet; ein Theil des Blutes fliesst jedoch aus dem 
ventralen Nierenlappen in das dem dorsalen angehörende Gefäss nv, 
und durch dieses dem Herzen zu. Am Eingang der Athemhöhle, dem 
vordern Theile des Adductors angelagert, findet sich auch hier das 
Geruchsorgan (os) mit seinem Ganglion (go, Fig. 23, Taf. 2). 

Die Ernährungsorgane stimmen mit denen von Siphonaria 
pectinata überein; ob vielleicht die Radula Abweichungen zeigt, die 
für die Unterscheidung der Arten verwendbar sind, habe ich nicht 
untersucht, da dies für die Fragen, auf deren Beantwortung es mir 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 95 


zunächst ankommt, ohne Bedeutung ist. Einen Schnitt durch den 
Kiefer habe ich auf Taf. 5, Fig. 5 wiedergegeben ; die nöthigen Er- 
läuterungen habe ich schon im voraus bei der Beschreibung der voran- 
sehenden Art gegeben. Hervorheben möchte ich noch, dass die beiden 
Darmschlingen nicht ganz so weit nach vorn reichen wie bei Siphonaria 
pectinata; die erste Schlinge ist auf dem letzten der abgebildeten 
Schnitte (Fig. 26, Taf. 2, d,, d,) tangirt. Speicheldrüsen und 
Leber verhalten sich wie bei Siphonaria pectinata. 

Beträchtlichere Verschiedenheiten weist dagegen der Geschlechts- 
apparat auf. Fig. 22 zeigt einen Schnitt, der durch den vordern 
Theil der Geschlechtsöffnung gefallen ist. Von hier geht ein stark 
musculöser Schlauch mit engem Lumen nach innen und hinten: es ist 
der Penis. Aus seiner Wand treten zahlreiche Faserbündel in die 
Fussmusculatur ein, die vermuthlich einen Retractor bilden; sie sind 
Fig. 22 nur angedeutet, auf dem Lichtdruck Fig. 5, Taf. 5, r aber 
von der folgenden, nahe verwandten Art naturgetreu dargestellt. Nach 
hinten verschwindet die Musculatur; Fig. 23 ist sie nur noch auf der 
ventralen Seite mächtig entwickelt; auf der dorsalen sind zahlreiche 
Spalten (pr), Ausläufer des Prostatalumens, vorhanden, gegen das sich 
der Hohlraum des Penis an der Einmündungsstelle scharf absetzt. 
Diese selbst habe ich nicht abgebildet, sie liegt ein paar Schnitte 
hinter dem dargestellten. 

Die beiden folgenden Schnitte (Fig. 24 u. 25) fallen ganz in die 
Prostata (pr), die hier viel complicirter gebaut ist als bei der 
vorigen Art. Am übersichtlichsten ist noch der Fig. 25 abgebildete 
Schnitt. Er zeigt, dass die Drüsen (grau angelegt) hier nicht überall 
entwickelt sind. Ein Stück der dorsalen Wand ist ganz frei davon ; 
auf der in der Figur rechts, im Thier links gelegenen Seite sind sie 
sehr schwach ausgebildet, während links (in der Figur) ein starkes 
Polster und unten zwei hohe, bei x mit ihren Kanten verschmolzene 
Falten aus mächtig entwickelten Drüsen zusammengesetzt sind. Nach 
links von diesen beiden grossen gewahrt man noch eine ganz kleine, 
wie es scheint, mit Wimperepithel bekleidete Falte (p), die vorn in 
der, Fig. 24 ebenfalls mit g bezeichneten Furche entspringt und hinter 
den beiden grossen, zu einem Wulst verschmelzenden drüsigen Falten 
in die, Fig. 25 mit p, bezeichnete Furche übergeht. Sie lässt sich in 
eine kleine Aussackung verfolgen, die auf der zwischen den abge- 
bildeten Schnitten gelegenen Strecke, ungefähr an der auf Fig. 24 
mit * bezeichneten Stelle blind endet. Den feinern Bau des Drüsen- 
gewebes habe ich auch hier der ungenügenden Conservirung wegen 


26 AUGUST KOHLER, 


nicht studiren können; er scheint mir nicht wesentlich von dem der 
vorigen Art verschieden. 

Die Furche, in die der Penis mündet, setzt sich noch ein Stück 
nach hinten fort. Dort münden (Fig. 23, Taf. 2) zwei Canäle, einer 
mehr dorsal und lateral (rs), der andere mehr medial und ventral (spov). 
Ersterer hat ziemlich stark musculöse Wandungen; er durchbohrt den 
Adductor, und in Fig. 24 sieht man ihn bereits aus diesem heraus- 
treten. Fig. 25 legt er sich der Prostata an, und Fig. 26 finden wir 
ihn, ziemlich dünn geworden, unter der Eiweissdrüse. Er geht hier 
noch ein Stück gerade nach hinten und erweitert sich zum Recepta- 
culum seminis, das hier Spermatophoren enthält. Der andere | 
Canal ist der Spermoviduct. Er verläuft mit dem Stiel des 
Receptaculums durch den Adductor, tritt mit ihm in die Leibeshöhle 
ein; Fig. 25, Taf. 2, zeigt ihn unter dem letztern liegend. Er er- 
weitert sich hier, indem die Wand drüsig wird, genau in derselben 
Weise wie bei der vorigen Art, geht so bis an die Medianebene und 
biegt dann gerade nach hinten um. Auf Fig. 25 ist der quere, durch 
den Körper verlaufende Anfangstheil getroffen ; Fig. 26 zeigt einen 
(Querschnitt, auf dem man deutlich die beiden Rinnen erkennt, die sich 
wie bei der vorigen Art durch den histologischen Aufbau ihrer Wand 
unterscheiden. Am hintern Ende trennen sich die Rinnen ganz, die 
Schleimrinne (sr) geht in die Schleimdrüse (sd) über, und 
in die Prostatarinne (prr) mündet die Eiweissdrüse (ed) und 
der Zwittergang, dem seitlich die Samenblase ansitzt. Letztere, 
auf den Figuren mit sb bezeichnet, war hier nach vorn umgeschlagen, 
daher ist sie mit Stücken ihres Ausführganges schon auf dem Fig. 26 
abgebildeten Schnitt getroffen. Der Zwittergang ist mit reifen (?) 
Spermatozoen angefüllt; er sowie die Zwitterdrüse weichen nicht von 
den später zu beschreibenden entsprechenden Organen von Siphonaria 
luzonica ab, weshalb ich sie hier übergehen kann. 

Eine auffallende Abweichung bietet das Blutgefässystem in 
dem Verhalten der Aorta dar. Während Herz und Herzbeutel ganz 
die schon bei der zuerst beschriebenen Art geschilderte Lage ein- 
nehmen, weicht die Aorta cephalica durch ihren Verlauf in einem 
wichtigen Punkt ab. Während sie bei Siphonaria pectinata durch 
die erste Darmschlinge hindurchtritt, so dass deren beide Schenkel d, 
und d, sich vor ihr vereinigen, ist dies bei unserer Art nicht der 
Fall (Fig. B); die beiden Darmschenkel vereinigen sich hinter der 
Arterie, die nicht ein Stück durch die Eingeweide hindurchdringt, 
sondern längs der Pericard und Leibeshöhle trennenden Wand nach 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 7 


oben (Fig. 25 aa) und dann allerdings wie bei Siphonaria pectinata 
nach der rechten Seite hinüber verläuft. Hier verzweigt sie sich in 
ähnlicher Weise wie dort; ich habe die einzelnen Gefässe ziemlich 
genau verfolgt, muss jedoch hier auf eine eingehende Darstellung der- 
selben verzichten, da die abgebildeten Figuren dazu bei weitem nicht 
ausreichen, die Zahl der zu diesem Zweck er- 
forderlichen Figuren aber in keinem Verhältniss 

zur Bedeutung der Sache gestanden hätte. i 

Das Nervensystem zeigt, soweit ich es unter- 
suchen konnte, dieselbe Zusammensetzung wie bei 
Siphonaria pectinata; einzelne Theile sind in den 
Fig. 23—26 abgebildet. So zeigt Fig. 23 das 
schon oben erwähnte Geruchsorgan mit seinem 
Ganglion (os u. go), Fig. 24 das linke Cerebral- 
ganglion (cg) mit einem Theil der Cerebral- 
commissur, darunter das linke Pleuralgan- 

: 2 : 8 Fig. B. Darm und 
glion (plg) und die beiden Pedal ganglien (pg) ; Herz von Siphonaria lae- 
über den Pedalganglien liegt ein Stück der Visceral-  viuseula. Wegen der Be- 

: R QE 3 deutung der einzelnen 
commissur (v2), rechts in Zusammenhang mit dem heile 
Abdominalganglion (ag), von dem der Herz- 8. 13. 
beutel und Niere versorgende Nerv (n,) ausgeht. 

Auch einen der vom Abdominalganglion nach hinten verlaufenden 
Nerven habe ich Fig. 25 u. 26 abgebildet (»,). 

Hautdrüsen sind wie bei Siphonaria pectinata am Mantelrand 
und an der Seite des Fusses und des Kopfes entwickelt, ich habe 
letztere, um eine Vorstellung von ihrer Vertheilung zu geben, in die 
abgebildeten Figuren eingezeichnet (Fig. 22—26 dr). 


\ 


vergl. Fig. A, 


Siphonaria subrugosa Sow. 


Diese Art steht anatomisch der vorangehenden sehr nahe, ich gebe 
daher hier nur einige Abbildungen vom Geschlechtsapparat, die bei 
der grossen Aehnlichkeit der beiden Arten das über Siphonaria lae- 
viuscula Angegebene ergänzen können. Fig. 27 u. 28 stellt den Penis 
mit der Prostata noch im Zusammenhange mit der Geschlechts- 
öffnung einmal von aussen und einmal von innen gesehen dar; pr ist 
die Prostata, pe der Penis, von dem auch ein Querschnitt Fig. 7, 
Taf. 5, abgebildet ist. Der Penis ist ein sehr dickwandiges Rohr mit 
engem Lumen, welch letzteres mit einem bei dem vorliegenden Exem- 
plar stark macerirten Epithel ausgekleidet ist; sonst besteht die Wand 


28 AUGUST KOHLER, 


aus mehrfachen Lagen von Ringmuskeln, zwischen denen man die 
Querschnitte von mehr längs verlaufenden Faserbündeln erkennt. Das 
distale Ende des Penis war bei allen untersuchten Exemplaren ausge- 
stülpt, wie der Fig. 30 abgebildete Schnitt zeigt; es ragt als ziemlich 
umfangreiche Papille, an deren Spitze sich bei * das Lumen nach 
aussen Öffnet, in die die Ausführgänge des Geschlechtsapparats auf- 
nehmende Grube hinein. Während diese bei der vorhergehenden Art 
nur eine seichte Furche war, ist sie hier durch den ausgestiilpten 
Penis zu einem ziemlich grossen, blasenförmigen Hohlraum erweitert, 
in den ausser dem Penis hinten noch der Stiel des Receptaculums 
und der Spermoviduct einmünden (wie es Fig. 27 u. 28, Taf. 2, 
von Siphonaria laeviuscula dargestellt ist). Querschnitte durch die 
beiden letztern Canäle habe ich Taf. 5, Fig. 6 abgebildet; der obere, 
grössere ist der Stiel des Receptaculums, der darunter gelegene dünnere 
der Spermoviduct. Beide sind mit vermuthlich flimmerndem Cylinder- 
epithel ausgekleidet, das mehrere Längsfalten bildet; der Haupttheil 
der Wand wird auch hier von Musculatur gebildet, und zwar liegt 
nach innen zu eine Schicht längs verlaufender Fasern, nach aussen 
dagegen Ringfasern. An der Mündung des Spermoviducts beobachtete 
ich ein ziemlich dickes Polster von wahrscheinlich einzelligen Drüsen. 
Ausdrücklich hervorheben will ich noch, dass die Aorta cephalica 
sich hier zur ersten Darmschlinge gerade so verhält wie bei der vorher- 
gehenden, ja auch von der chilenischen Küste stammenden Art. 


Siphonaria redimiculum REEVE. 


Von dieser Art hatte ich zwei Exemplare, die ich beide Taf. 3, 
Fig. 41 u. 42 abgebildet habe. Fig. 41 ist das jüngste Exemplar, es 
war nur 2!/, mm lang; das Fig. 42 abgebildete war schon bedeutend 
älter und etwas über 8 mm lang. Zunächst fällt es auf, dass die 
Thiere in ihrer Gestalt etwas von den seither beschriebenen Arten 
abweichen, was sich auch in der Form der Schale äussert ; die Spitze 
liegt nämlich nicht nahe der Medianlinie ungefähr in der Mitte des 
Thieres, sondern links und weit nach hinten, so dass bei der Be- 
trachtung von oben ein Theil des Adductors von dem hier vorspringen- 
den Eingeweidesack verdeckt wird. Dies Verhalten ist offenbar als 
eine Andeutung einer spiraligen Aufwindung des Fingeweidesackes 
aufzufassen. 

Da ich die beiden Exemplare gern in unverletztem Zustand 
schneiden wollte, habe ich nichts präparirt; die Organe der Athemhöhle, 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 99 


die in ihrer Lage und Ausdehnung etwas von denen der andern 
Arten abweichen, habe ich daher nur insoweit darstellen können, als 
sie bei Betrachtung des Thieres von der dorsalen Seite mit Hülfe 
einer Lupe sichtbar waren. 

Das Dach der Athemhöhle zeigt im grossen Ganzen denselben 
Bau wie bei den andern Arten; die Blutgefässnetze im vordern und 
hintern Theil desselben habe ich allerdings nicht mit derselben Sicher- 
heit wie bei den andern Arten erkennen können, glaube aber nach 
einigen Beobachtungen, dass sie trotzdem vorhanden sind, sich jedoch, 
da sie blutleer sind, an den meisten Stellen der Wahrnehmung ent- 
ziehen. 

Die Kieme (ct) ist in der schon oben geschilderten Weise aus 
einzelnen Blättchen zusammengesetzt; bei dem ganz jungen Thiere 
sind es einfache, glatte Falten (Fig. 37, 38, 39, Taf. 3, ct); bei dem 
ältern sind sie gefaltet und tragen kleine, secundäre Blättchen (Fig. 43 ct). 
Am hintern Rande, unter dem Wimperband (wb), ist ein zuführen- 
des Kiemengefäss, am vordern ein abführendes (kv,) vor- 
handen. Die Gestalt der Kieme im Ganzen weicht jedoch etwas ab: 
sie ist nicht sichelförmig, sondern nur ganz schwach w-förmig ge- 
krümmt; verglichen mit der Grösse des ganzen Thieres, ist sie schwächer 
entwickelt als bei den andern Arten. Auch hinsichtlich der Verbindung 
des abführenden Kiemengefässes mit dem Vorhof findet sich bei unserer 
Art eine bemerkenswerthe Abweichung: ich konnte nämlich nur eine 
secundäre Kiemenvene nachweisen. Dieselbe ist auf den Fig. 36 
—39 u. 42 mit kv, bezeichnet; Fig. 36 zeigt auch den einen der beiden 
Muskeln, die sich hier wie bei allen untersuchten Siphonarien in diesem 
Gefässe befinden (mu). Dies Gefäss entspricht in allem der vordern 
von den beiden Kiemenvenen, die wir bei den andern Siphonarien 
finden; von der hintern konnte ich keine Spur erkennen. Es ist mir 
auch nicht wahrscheinlich, dass sie mir in Folge mangelhafter Füllung 
mit Blut entgangen sein sollte, denn ich habe bei allen andern unter- 
suchten Siphonarien die beiden Gefässe stets gleichmässig stark mit 
Blut erfüllt gefunden. Das Fehlen der hintern Kiemenvene steht viel- 
leicht in Zusammenhang mit der verhältnissmässig geringern Ent- 
wicklung des sich nach der linken Seite hinziehenden Theiles der 
Kieme. 

Der Bau der Niere war bei dem ganz jungen Exemplar ver- 
hältnissmässig noch recht einfach; einiges davon, was in etwas ver- 
schwommenen Umrissen durch das Dach der Athemhöhle durch- 
schimmerte, habe ich Fig. 41, Taf. 3, wiederzugeben versucht. Aus 


30 AUGUST KOHLER, 


dieser Figur, in Verbindung mit den Fig. 36—39 abgebildeten Quer- 
schnitten, ersieht man, dass die Niere ein einfacher Sack ist, der 
durch Falten, die grésstentheils von dem Boden bis zu der Decke 
herabreichen, in eine grosse Anzahl neben einander liegender, röhren- 
förmiger Hohlräume abgetheilt wird. Bei dem ältern Exemplar ist 
das Querschnittsbild weit complicirter. Ein grösserer, gemeinsamer 
Hohlraum, wie ihn bei dem jüngern Fig. 57 u. 38 zeigen, ist nur noch 
in der Nierenpapille nahe dem Nierenporus vorhanden, wie Fig. 43 
erläutert, die einen Querschnitt durch ein Stück des Daches der Athem- 
höhle mit der Nierenpapille und dem benachbarten Theil der Kieme 
darstellt. Der auf dieser Figur abgebildete Schnitt hat gerade den 
Nierenporus getroffen, eine einfache, rundliche Oeffnung mit wulstigen 
Rändern, in deren Nähe das Lumen der Niere mit einem cubischen 
Epithel ausgekleidet ist, das den Uebergang zwischen dem Nieren- 
epithel und dem Epithel der Athemhöhle vermittelt. Die Reno- 
pericardialpforte ist Fig. 37 von dem ganz jungen Exemplar 
abgebildet; sie stellt einen kurzen, quer verlaufenden Canal dar, der 
mit Wimperepithel ausgekleidet ist. 

Auch hier ist am Eingang der Athemhöhle ein Geruchsorgan 
entwickelt; bei dem grössern Exemplar schimmerte es durch die Decke 
der Athemhöhle durch und ist Fig. 42, Taf. 3, dargestellt; Schnitte 
durch dasselbe und das Ganglion zeigen die Fig. 33—35. 

Die Form des Darmcanals wird zunächst durch die Taf. 3 
abgebildeten Schnitte des ganz jungen Thieres erläutert. Fig. 31 zeigt 
die an der Mundöffnung gelegene Furche, in welcher der hufeisen- 
formige Kiefer (k) liegt; die beiden Schenkel des Hufeisens erscheinen 
auf dem Schnitt quer getrofien. Der folgende Schnitt fällt schon in 
die eigentliche Mundhöhle. Von hinten springen die Enden der beiden 
Stützbalken der Radula (st), die hier mit einander verwachsen sind, 
vor; über ihnen liegen die vordersten Reihen der Radulazähne. Einen 
Schnitt durch den Stützbalken der Radula bei stärkerer Vergrösserung 
habe ich Taf. 5, Fig. 8 abgebildet. Auf manchen Schnitten erinnert 
der Stützbalken stark an die Abbildung, die PLATE von dem Stütz- 
balken von Dentalium dentale giebt. Wie dort ist ein Netz von einer 
auf der Flächenansicht längsstreifig erscheinenden Substanz vorhanden. 
Einen protoplasmatischen Belag an dem Rand der Maschen habe ich 
allerdings nicht erkennen können, da die Conservirung keine tadellose 
war; dagegen sind leicht in den Maschen des Netzes Kerne zu con- 
statiren, die entweder in der Mitte der Maschen frei liegen oder dem 
Netzwerk angelagert sind. Die Maschen sind mit einer homogenen, 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 31 


oft durch die Conservirungsmittel geronnenen, farblosen Masse ange- 
füllt, in der zuweilen schwarze Körnchen auftreten. 

Betrachtet man einen Schnitt, der in senkrechter Richtung zu 
den eben beschriebenen geführt ist, wie der von mir abgebildete Taf. 5, 
Fig. 8, so wird man belehrt, dass die Aehnlichkeit mit Dentalium 
keine so bedeutende ist, wie es nach dem einen Schnitt den Anschein 
hatte. Denn während bei jenem der Stützbalken aus polyedrischen 
Zellen zusammengesetzt ist, erscheint hier die Substanz, welche auf 
dem Querschnitt das Netz bildete, in der Form von langgestreckten 
Zügen, die anscheinend die ganze Dicke des Stützbalkens durchsetzen. 
Besonders nach dem medianen Rande des Stützbalkens, wo er durch 
Muskelfasern mit dem gegenüberliegenden zusammenhängt, sind diese 
unter einander im Allgemeinen parallelen Züge gut zu erkennen. Es 
ist schwer, sich auf Grund der ziemlich unvollkommenen Präparate, 
die mir allein zur Verfügung stehen, eine Vorstellung von dem histo- 
logischen Aufbau des Stützbalkens zu machen; es ist möglich, dass 
hier ähnliche Zellen wie bei Dentaliwm vorhanden sind, nur hätten 
sie dann nicht die Gestalt eines nach allen drei Dimensionen etwa 
gleich ausgedehnten Polyeders, sondern stellten prismatische Zellen 
dar; es ist aber auch nicht auszuschliessen, dass die fein längsge- 
streiften, faserigen Massen modificirte Muskelzellen vorstellen, zwischen 
denen die eigentlichen Stützzellen mit ihrem farblosen Inhalt liegen. 
Die Untersuchung dieses eigenthümlichen Gewebes muss spätern Unter- 
suchungen vorbehalten bleiben; ich theile meine spärlichen Beobach- 
tungen hier nur mit, weil aus ihnen wenigstens das eine hervorgeht, 
dass die Stiitzbalken auch bei Siphonaria nicht aus ächtem Knorpel- 
gewebe gebildet sind. 

Oesophagus und Magen kann ich übergehen, da ich dem bei den 
vorhergehenden Arten Erwähnten nichts Neues hinzuzufügen habe; da- 
gegen sind ein paar Worte über den Verlauf des Dünndarms nöthig. 
Der grössern Anschaulichkeit halber gebe ich als Grundlage für die 
Beschreibung die nachstehenden Figuren, die, schematisch gehalten, 
den Darmcanal von Siphonaria pectinata (Fig. A) und von der vor- 
liegenden Form (Fig. C) darstellen. Erstere Figur ist nach Fig. 4 u. 6, 
Taf. 1, entworfen, Fig. C ist nach ihr, unter Berücksichtigung der 
Abweichungen, welche die Untersuchung der beiden Schnittserien er- 
kennen liess, construirt. Aus der Vergleichung der beiden Figuren 
ergiebt sich sofort, dass bei unserer Form, und zwar, wie ich aus- 
drücklich bemerke, sowohl bei dem grössern wie bei dem kleinern 
Exemplar, die zweite, nach vorn gerichtete Darmschlinge (d,, d,) fast 


32 AUGUST KOHLER, 


ganz fehlt; sie ist nur durch eine leichte, nach links gerichtete Aus- 
biegung des Darmstiickes d, angedeutet, die ich auf Fig. C mit d,, , 
bezeichne. Auf den Taf. 3 abgebildeten Querschnitten verräth sich 
das Vorhandensein dieser Ausbiegung dadurch, dass d,, das Fig. 39 
nahe der Medianlinie lag, in Fig. 40 ganz an den linken Rand gerückt 
ist. Verfolgt man die Serie weiter, so sieht man über dem Ende des 


Fig. A. Fig. C. 


Fig. A. Darm und Herz von Siphonaria pectinata. 
Fig. C. Darm und Herz von Siphonaria redimiculum. 


oe Oesophagus, m Magen, d,—d, Darm, ve Ventrikel, at Atrium, aa Arteria anterior, 
ap Arteria posterior. 


Magens auch die beiden mit d, u. d, bezeichneten Darmquerschnitte 
mit einander verschmelzen. Diese Umbiegungsstelle des Darmes liegt 
ebenso wie das blinde Ende des Magens in dem nach hinten vor- 
springenden, rudimentären Eingeweidesack. 

Die beiden Speicheldrüsen sind bei dem jüngern Thier noch 
ziemlich einfach gebaut; ich habe die Drüsenzellen, da sie sich zu 
mangelhaft conservirt hatten, nicht eingezeichnet, sondern mich auf 
die Wiedergabe der Umrisse des ganzen Organs beschränkt. Dieselbe 
Methode habe ich aus dem gleichen Grunde bei der Darstellung der 
Leber anwenden müssen; ich gebe in Fig. 39 einen Schnitt durch 
die Einmündung der grossen, links und vor der Abgangsstelle des 
Dünndarms gelegenen Leber; Fig. 40 stellt dagegen die Communication 
der kleinen, sich auf der ventralen Seite und hinter dem Pylorus in 
den Magen öfinenden Leber mit letzterm dar. 

Ueber den Geschlechtsapparat der vorliegenden Form hat 
STUDER einige Mittheilungen gemacht. Nach ihm ist eine Zwitter- 
drüse, ein Receptaculum seminis und ein Penis vorhanden, 
in dessen Ende eine Drüse mündet, die DALL als Hoden angesprochen 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 33 


hat. Von den mir vorliegenden beiden Exemplaren besass keines einen 
völlig ausgebildeten Geschlechtsapparat. Die Anlagen der einzelnen 
Theile waren im Verhältniss zu der Grösse, die sie bei den andern 
erwachsenen Siphonarien erreichen, noch ziemlich unbedeutend und 
die histologische Differenzirung auch bei dem ältern noch wenig vor- 
geschritten. Ich beginne mit der Beschreibung des jüngern Exemplars. 

Das erste, was man vom Geschlechtsapparat gewahrt, wenn man 
die Schnittserie von vorn nach hinten durchmustert, ist die Anlage des 
Penis. Sie ist eine kleine, von Cylinderepithel ausgekleidete, schlauch- 
formige Einstülpung, deren Mündung Fig. 32b pe dargestellt ist. Sie 
dringt nach vorn zu in die Musculatur ein und zeigt an ihrem blinden 
Ende eine nach innen und oben umgebogene kurze Aussackung, die 
von etwas grössern Zellen ausgekleidet ist; es wird wohl die Anlage 
der Prostata sein (Fig. 32a pr). Der zweitnächste Schnitt von diesem 
aus (Fig. 32) tangirt schon das umgebogene Ende, und auf dem darauf 
folgenden verschwindet die Anlage ganz. An die Mündung der Penis- 
anlage schliesst sich ein ganz kurzes, seichtes Grübchen an, dessen 
dorsalem Rand ein enger, mit cubischem Epithel ausgekleideter Canal 
anliegt. Sein vorderes Ende tritt dicht an das Epithel des Grübchens 
heran, ich war jedoch nicht im Stande, sicher zu entscheiden, ob er 
hier mündet oder noch blind geschlossen ist. Dieser Canal verläuft 
auf demselben Weg, den beim Erwachsenen Spermoviduct und Recepta- 
culumstiel einschlagen, durch den Adductor nach hinten und tritt unter 
dem Athemloch nach links in die Leibeshöhle. Ich will diesen Canal 
den Geschlechtsgang nennen. Auf den Figg. 33—36, die seine 
Lage zu den andern Organen erläutern sollen, habe ich ihn mit gg 
bezeichnet. Bei seinem Eintritt in die Leibeshöhle wird der Geschlechts- 
gang etwas weiter und entsendet ein kurzes Divertikel medianwärts 
(Fig. 37 d,); kurz darauf verbreitert er sich ziemlich bedeutend 
(Fig. 37a gg), und unter der Mitte seiner ventralen Fläche bemerkt 
man einen kleinen Canal (zwg), der am Beginn der Verbreiterung sich 
dicht an ihn anlegt, möglicher Weise auch mit ihm communicirt. Beide 
Canäle lassen sich so, wie es Fig. 37a darstellt, auf etwa 9 Schnitten 
(— 90 u) nach hinten verfolgen, dann endet der erweiterte Geschlechts- 
gang blind, und der kleine Canal (zwg) bleibt allein übrig (Fig. 38, 39). 
Ein paar Schnitte hinter dem Fig. 39 abgebildeten endet der Canal, 
der jedenfalls die Anlage des Zwittergangs ist, indem er sich zu 
einem Bläschen erweitert, dessen Wand eingefaltet zu sein scheint; 
ich gebe hier keine Abbildung, da das Bläschen durch den Druck der 


umliegenden Organe stark deformirt ist und deshalb auf den Schnitten 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 3 


34 AUGUST KOHLER, 


keine klaren Bilder liefert. Dies Bläschen halte ich für die Anlage 
der Zwitterdriise. Nebenstehende Figur (D) soll zum Schluss in sche- 
matischer Weise eine Uebersicht über die einzelnen Theile der Anlage 
des Geschlechtsapparats geben; die Buchstabenbezeichnungen sind die- 
selben wie auf der Tafel. Die Anlagen des Penis, sowie die der 
Zwitterdrüse und des Zwittergangs sind beim Vergleich mit den Ge- 
schlechtsorganen einer ausgewachsenen Siphonaria schon an ihrer Lage 
leicht wieder zu erkennen; die grésste Abweichung zeigt der mittlere Ab- 
schnitt des Geschlechtsapparats, der Genitalgang mit seinem verdickten 
Ende und dem seitlichen Blindsäckchen. Es fehlt nämlich das Re- 
ceptaculum, wenn nicht das eben erwahnte Blind- 
h säckchen seine Anlage darstellt, die allmählich, etwa 
\? aw durch Spaltung des Geschlechtsgangs, einen geson- 

derten Ausführgang gewinnen müsste. Das verdickte 
| Ende des Genitalgangs stellt wohl die Anlage der 

Eiweiss- und Schleimdrüse dar. Bei dem Altern 


4 2 Exemplar war das Receptaculum mit seinem Stiel, 

[9-5 ie wi h ‘den, schon vollk selb- 

| 9 wie wir unten sehen werden, schon vollkommen se 
SAPIN ständig; Zwischenstufen standen mir nicht zur Ver- 


fügung, ich muss daher die Frage nach der ersten 
Anlage des Receptaculums offen lassen; das oben 
Angedeutete soll nur eine Vermuthung sein. 


\ 
go N 
A er Fig. D. Geschlechtsapparat einer ganz jungen Siphonaria re- 
N dimieulum. zw Zwitterdrüse, zwg Zwittergang, gg Geschlechtsgaug, 
pe ee go Geschlechtsöffnung, pe Penis, pr Prostata, § Anlage des Recepta- 


culums ? 


Die Untersuchung des ältern Exemplars ergab theilweise wenig 
befriedigende Resultate. Gerade über die Schleim- und Eiweissdrüse, 
die bei dem erwachsenen Thier — abgesehen von der bei meinen Exem- 
plaren zumeist mangelhaften Conservirung und schlechten Schnittfähig- 
keit — complicirte und schwer verständliche Querschnittsbilder liefern, 
hatte ich bei dem in Rede stehenden Exemplar Aufklärung zu erhalten 
gehofft, sah mich aber in meinen Erwartungen durch den Umstand 
getäuscht, dass der Magen in seinem hintern Theil Sandkörner ent- 
hielt, die beim Schneiden an den betreffenden Stellen manches zer- 
störten. 

Die Penisanlage ist, wie man nach der Grösse des Thieres 
erwarten kann, in der Entwicklung schon beträchtlich vorgeschritten : 
sie hat an Grösse zugenommen und ist in Folge dessen aus der 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 35 


Musculatur nach dem Kopf zu in die Leibeshöhle eingetreten. Der 
distale Theil hat sich dabei ganz auf den proximalen zuriickgeschlagen, 
so dass man auf einem Querschnitt, wie ihn Fig. 9, Taf. 6, darstellt, 
beide Theile annähernd quer getroffen über einander sieht. Der äussere 
Theil hat eine stark musculése Wand gewonnen und documentirt sich 
schon dadurch als eigentliches Copulationsorgan; das Lumen engen 
einige von der musculösen Wand vorspringende Falten ein (auf unserer 
Figur ist eine derselben so getroffen, dass sie das Lumen auf dem 
Schnitt vollständig in zwei Hälften theilt). Der innere ist verhältniss- 
mässig dünnwandig geblieben und zeigt nur viele hohe, in das Lumen 
vorspringende Falten. Im Innern dieser Falten, sowie überhaupt nach 
aussen von dem Prostataepithel liegt mit Ausnahme einer dorsal ge- 
legenen Stelle, wo das Epithel selbst ziemlich niedrig ist, ein Gewebe, 
in dem man nur äusserst zahlreiche Zellkerne erkennt; die Structur 
der Wand erscheint also noch recht verschieden von der, die man 
sonst bei ausgewachsenen Siphonarien beobachtet. Eigenthümlich ver- 
hält sich der auf Fig. 9 mit x bezeichnete Theil der Prostata: er stellt 
einen Canal ohne innere Falten vor, der dicht hinter dem Uebergang 
des Penis in die Prostata entspringt und nun an der ventralen Seite 
derselben nach vorn verläuft, ohne dass er sonst nachweisbar mit dem 
übrigen Lumen communicirte. Sein blindes, etwas erweitertes Ende 
bildet den am weitesten nach hinten reichenden Theil der Prostata. 
Nur der Vollständigkeit halber, denn ich weiss nicht, wie ich ibn 
deuten soll, erwähne ich einen ganz feinen, mit Cylinderepithel ausge- 
kleideten Canal, der in der Nähe der Mündung aus dem Penis ent- 
springt und sich ein Stück weit in dessen Musculatur nach vorn ver- 
folgen lässt; dann wird er so undeutlich, dass sich sein weiterer 
Verlauf nicht mehr feststellen lässt; vielleicht kann eine anatomische 
Untersuchung des erwachsenen Thieres, zu der mir leider das Material 
nicht zu Gebote steht, über diesen Canal Aufklärung geben. 

In demselben Maasse wie bei Penis und Prostata ist auch bei 
den übrigen Theilen des Geschlechtsapparats die Entwicklung vorge- 
schritten. Am auffallendsten macht sich das, wie schon oben erwähnt, 
dadurch bemerklich, dass hinter dem Penis statt des einfachen Ge- 
schlechtsgangs zwei Canäle münden, der Spermoviduct und der 
Stiel des Receptaculums. Letzterer endet noch vor dem Ein- 
tritt des Spermoviducts in die Leibeshöhle blind, ohne eine Anschwel- 
lung und ohne dass sich eine besondere Differenzirung in seiner Wand 
nachweisen liesse; ein eigentliches Receptaculum ist also noch nicht 
zur Ausbildung gekommen. Im Spermoviduct beginnt in dem 


36 AUGUST KOHLER, 


hintern Theil seines Verlaufs im Adductor eine etwa bis in die Mitte 
des Lumens vorragende Falte; eine Verschiedenheit der Wand in den 
beiden durch die Falte getrennten Hälften lässt sich aber hier noch 
nicht nachweisen. Nach seinem Eintritt in die Leibeshöhle bemerkt 
man jedoch, dass auf der einen Hälfte unter dem Epithel sich Gruppen 
von grossen Kernen (ke) befinden, während auf der andern die Epithel- 
zellen selbst etwas grösser sind. Ich gebe Fig. 10, Taf. 6, eine Ab- 
bildung des Spermoviducts, welche die betreffenden Verhältnisse, so 
gut sie eben auf dem Präparat zu erkennen waren, veranschaulicht. 
Ich werde wohl kaum fehlgehen, wenn ich annehme, dass die grossen 
Kerne Entwicklungsstadien der Drüsenzellen der Prostatarinne (prr) 
des Spermoviducts angehören, während der übrige Theil der Wand 
die Schleimrinne (sr) umschliesst. Nach einer kurzen Strecke ver- 
schwinden diese Kerne an der Prostatarinne, und der Spermoviduct 
öffnet sich zweimal, und zwar zuerst an der Seite der Prostatarinne 
in einen mit stark in das Lumen vorspringenden Falten versehenen 
Hohlraum, den ich eben wegen dieser Verbindung mit der Prostata- 
rinne für die Anlage der Eiweissdrüse halte (Fig. 53, Taf. 4, ed); 
dann schliesst sich die Schleimrinne mit einer aus der Eiweissdrüse 
stammenden Rinne (ge) ab, um sich nach kurzem Verlauf in einen der 
Eiweissdrüse ähnlichen kleinern Hohlraum zu öffnen, der sich zum 
grossen Theil nach vorn über die Schleimrinne zurückschlägt (Fig. 54—56, 
Taf. 4, sd). Dieser Hohlraum ist vermuthlich die Anlage der Schleim- 
drüse. Unter der Schleimrinne bemerkt man die Anlage des Zwitter- 
gangs (Fig. 53—56, Taf. 4, zwg); er verläuft unter dem Spermoviduct 
bis dicht vor die Stelle, wo er sich zum ersten Mal öffnet, und biegt 
dann nach links um. Er kommt da in die Gegend, welche bei der 
Anfertigung der Schnitte aus dem schon oben genannten Grund be- 
schädigt wurde, und ist da natürlich nicht zu verfolgen; es ist wahr- 
scheinlich, dass er dort, nahe dem Ende der Prostatarinne, in den 
Hohlraum ed einmündet. Nach hinten lässt sich der Zwittergang 
gut verfolgen: er liegt da, ähnlich wie auf Fig. 38 von dem jungen 
Exemplar dargestellt, zwischen Enddarm und Magen, nur etwas weiter 
nach rechts und beginnt schon sich in Windungen zu legen. Er mündet 
dann in die Zwitterdrüse, welche links an der von den andern Arten 
her bekannten Stelle liegt und schon den typischen Bau zeigt, den 
ich bei den folgenden Arten näher schildern werde. Deutlich als Eier 
erkennbare Zellen sind aber auf diesem Stadium noch ziemlich selten ; 
die Elemente, welche den grössten Theil des Organs einnehmen, scheinen 
Entwicklungsstadien von Spermatozoen zu sein. 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 37 


Die grossen arteriellen Gefässe verhalten sich bei unserer 
Art zu der Darmschlinge nicht wie bei den beiden vorhergehenden 
Arten, sondern wie bei Siphonaria pectinata, d.h. die Arteria ce- 
phalica tritt durch die Darmschlinge hindurch, wie die Schnitte 
Fig. 37 u. 38, Taf. 3, und in schematischer Weise die Textfigur © (S. 32) 
es zeigen; sie läuft dann unter dem Boden der Athemhöhle nach rechts, 
wo sie sich in ähnlicher Weise wie bei den seither betrachteten Arten 
verzweigt. 

Nach hinten geht ausser der grossen Arteria abdominalis, die 
dicht am Herzen entspringt, noch ein ganz schwaches Gefäss weiter 
nach rechts von der Aorta ab; es verläuft links vom Magen nach hinten. 

Das Nervensystem zeigt die schon bekannte Zusammensetzung 
aus neun Ganglien, die hier bei dem ganz jungen Thier noch ziemlich 
übersichtlich angeordnet sind. Fig. 32 zeigt die beiden Cerebral- 
ganglien, das rechte oben mit dem Anfang der Cerebralcommissur, 
das linke unten mit dem Ursprung eines Nerven. Fig. 33 zeigt die 
beiden Buccalganglien (bg), einen Querschnitt durch den vordersten 
Theil des Geruchsorgans (gs), das Pleurointestinalgan- 
glion (plg) rechts und das Cerebropleuralconnectiv (cpl) links, sowie 
die beiden Cerebropedalconnective (cp). Fig. 34 hat ebenfalls noch 
das Geruchsorgan, jedoch an der Stelle, wo es ins Athemloch einbiegt, 
getroffen; dann sieht man die beiden Pleurointestinalganglien 
und die beiden Pedalganglien (pg). Der folgende Schnitt (Fig. 35) 
zeigt dieselben Ganglien; er tangirt die hintere Kante des Geruchs- 
organs, und dorsal von den Pedalganglien bemerkt man die Oto- 
cysten (ot), kleine Bläschen mit niedrigem Epithel ausgekleidet, die 
nur hier einigermaassen genügend conservirt waren. Fig. 36 endlich 
zeigt das letzte Ganglion, das Abdominalganglion (ag), und über 
dem Fuss die hintern Enden der Pedalganglien. Auch einige Nerven 
habe ich in die Schnitte eingezeichnet und, soweit es thunlich war, 
mit Bezeichnungen versehen, die mit den bei Siphonaria pectinata 
angewandten übereinstimmen; ich verweise daher, um Wiederholungen 
zu vermeiden, auf das dort Gesagte. 


Siphonaria aspera Krauss. 


Das Thier zeigt nicht die äussere Asymmetrie wie die voran- 
gehende Art, sondern nähert sich in dem Aussehen mehr Siphonaria 
pectinata L., ist jedoch nicht so stark abgeflacht. Es ist die einzige 
Art, die eine etwas lebhaftere Färbung zeigte; während bei Siphonaria 


38 AUGUST KOHLER, 


redimiculum REEVE und Siphonaria subrugosa Sow. die Färbung ein 
eintöniges Grau war, das nur am Mantelrand regelmässig alternirende 
helle Flecken unterbrachen, zeigt die vorliegende Art am Kopf und 
an den Seiten des Fusses zahlreiche unregelmässige schwarze Flecken 
auf der Grundfarbe, einem diistern Graubraun, das rein nur an der 
Ventralseite des Kopfes, auf der Fussohle und in der Mantelrinne auf- 
tritt. Auch am Mantelrand sind die schwarzen Flecken vorhanden; 
ich habe sie Fig. 45, Taf. 4, auf dem kleinen Stück der Mantelfalte, 
das über das Athemloch wegzieht, dargestellt. Man erkennt auf der 
Zeichnung, dass die farblosen Partien vorspringende Zacken bilden, 
während die pigmentirten Theile meist eingezogen sind. Es hat den 
Anschein, als ob diese Zacken mit den Rippen der Schale in Beziehung 
ständen, denn sie sind im Allgemeinen stark entwickelt bei stark ge- 
rippten und schwach entwickelt bei schwach gerippten Arten. 

Bei der Schilderung des innern Baues brauche ich nur auf zwei 
Organsysteme einzugehen, die wesentliche Abweichungen von den 
seither betrachteten Arten darbieten und die sich ähnlich bei einer 
andern Art finden, über die ich hernach noch Einiges mitzutheilen habe. 
Es ist der am Dach der Athemhöhle gelegene Organcomplex, be- 
sonders die Niere und die Geschlechtsorgane. 

Die Abweichungen des erstern sind ziemlich gering. Fig. 45, 
Taf. 4, welche das Dach der Athemhöhle, von der Innenseite 
gesehen, darstellt, zeigt beim Vergleich mit Fig. 3, Taf. 1, die ein 
entsprechendes Präparat von Siphonaria pectinata L. darstellt, dass 
der Hauptunterschied in der viel grössern Ausdehnung des dorsalen 
Nierenlappens besteht. Er tritt bei unserer Art über die vordere 
Kiemenvene hinaus beträchtlich nach vorn in den Theil des Athem- 
höhlendaches hinein, der bei den andern Arten von dem Gefässnetz 
eingenommen wird; dies ist in Folge dessen bei Siphonaria aspera 
auf einen schmalen Streifen reducirt. Nach hinten reicht die Niere, 
wie wir allerdings schon bei andern Arten, z. B. Siphonaria lae- 
viuscula REEVE, subrugosa Sow. und redimiculum ReEvE, fanden, 
bis zum abführenden Kiemengefäss. Auch bezüglich der Mündung der 
hintern Kiemenvene habe ich eine kleine Abweichung zu er- 
wähnen, die ich bei einem Totalpräparat beobachten, allerdings auf 
der Schnittserie durch ein anderes Exemplar nicht unzweifelhaft wieder- 
finden konnte; sie gabelt sich nämlich noch innerhalb der Niere vor 
dem Eintritt in das abführende Kiemengefäss. Die Nierenpapille ist 
bei unserer Art ziemlich klein, auf ihrer Spitze liegt wie gewöhnlich 
der Nierenporus (renpo). Der Theil der Niere, der auf dem Boden 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 39 


der Athemhöhle liegt, gleicht in Form und relativer Ausdehnung ganz 
dem von Siphonaria pectinata. Ebenso ist das Wimperband (Fig.51, 
Taf. 4, wb) und das Geruchsorgan vorhanden, letzteres ist jedoch 
zufällig auf keinem der abgebildeten Schnitte getroffen. 

Die Geschlechtsorgane zeigen in ihren rein männlichen 
Theilen einen von den andern Arten ziemlich abweichenden Bau. Ich 
habe die im vordern Abschnitt des Körpers gelegenen Theile Fig. 46, 
Taf. 4, schwach vergrössert dargestellt. An die Geschlechtsöffnung, 
welche die gewöhnliche Form und Lage besitzt, schliesst sich eine Art 
Atrium von ganz geringer Ausdehnung an, in das vorn ein ziemlich 
dicker Canal (pr,) einmündet, der nach längerm Verlauf zu einem 
grössern drüsigen Körper (pr) anschwillt, von dem, in der Fortsetzung 
des Canals (pr,), ein dünner Schlauch (fl) abgeht. Der Canal (pr,) 
ist der Stiel der Prostata, er besitzt auf dem Querschnitt (Taf. 4, 
Fig. 47—49) ein ziemlich complicirt gestaltetes Lumen, das durch Falten 
der Wandung eingeengt wird. Der im Lichtdruck (Taf. 6, Fig. 12) 
wiedergegebene Schnitt geht durch eine Stelle, wo der Canal gebogen 
ist, ähnlich wie Fig. 46 rechts von der Bezeichnung pr,, daher ist er 
auf dem Schnitt dreimal getroffen. Die Wand des Canals zeigt an- 
nähernd die schon bei den vorhergehenden Arten beschriebene und 
von Siphonaria subrugosa Taf. 5, Fig. 7 pr mit abgebildete Structur, 
ein Epithel und darunter ein von Fasern durchzogenes Lager von 
Drüsenzellen ; unsere Figur, die allerdings in erster Linie der Dar- 
stellung des Penis dienen soll, giebt auf der linken Seite, wo die 
Schnittrichtung günstig ist, den Habitus des Gewebes, soweit es bei 
der geringen Vergrösserung möglich ist, wieder. 

Gegen das Ende des Canals wird die Wand ventralwärts dünn 
(Fig. 49 pr,), dann mündet er in die umfangreiche Prostata. Die 
eine Rinne, die dorsale in Fig. 49, erhält sich ein Stück weit in der 
Wand der Prostata und bildet dann, indem sie sich abschnürt, den 
Anhang fl, den ich als Flagellum bezeichne, ohne damit für seine 
morphologische Bedeutung etwas präjudiciren zu wollen. Er ist mit 
Wimperepithel ausgekleidet; darüber liegt eine lockere Muskelschicht, 
deren Dicke die Höhe des Epithels nur wenig übertrifit. Zwischen 
den Muskeln liegen Zellen, die den Drüsenzellen der Prostata ähneln, 
jedoch kleiner sind. Die Prostata selbst, deren hinter dem Abgang 
des Flagellums gelegenen Abschnitt Fig. 50 im Querschnitt darstellt, 
weist im Innern ein sehr complicirtes Faltensystem auf. Das Gewebe 
der Wand ist leider recht mangelhaft erhalten; es zeigt jedoch deutlich 
den dem Lumen zugewandten gestrichelten Saum, das darunter liegende 


40 AUGUST KOHLER, 


Gewebe scheint mir aus zerfallenen Driisenzellen zu bestehen, wie ich 
sie bei den andern Arten in der Prostata beschrieben habe. Eine 
der Furchen ist besonders ausgezeichnet: ihre Wand bilden ver- 
hältnissmässig sehr grosse Zellen, deren Kerne fast ungefärbt bleiben 
und ein oder mehrere stark gefärbte Kernkôrperchen enthalten. Sie 
erinnern sehr an die von HALLER aus der Penisrinne von Siphonaria 
gigas Less. beschriebenen und abgebildeten Zellen (9, tab. 3, fig. 27 
u. 28). 

Hinter dem Prostatastiel miindet ein stark musculéser Schlauch, 
dessen Miindung in das Atrium Fig. 48, Taf. 4, bei pe dargestellt ist; 
es ist der Penis. Auf diesem Schnitt schon bemerkt man zwei ins 
Innere vorragende Falten, die noch besser auf einem genau quer ge- 
fübrten Schnitt hervortreten, den ich Fig. 12, Taf. 6, abbilde. Der 
Verlauf der Muskelfasern in der Wand und in den Falten, die das 
Lumen bis auf einen schmalen &-fürmigen Spalt einengen, ist gut sicht- 
bar; man bemerkt auch ein unten aus der Wand sich abzweigendes 
Faserbiindel, das in die Musculatur des Fusses eintritt und wahr- 
scheinlich als Retractor fungirt. Nach hinten zu wird die Wand des 
Penis diinn und bedeckt kappenartig die Enden der beiden Falten. 
Einen Schnitt nahe an diesem Ende stellt Fig. 49 dar. Vom Epithel 
waren nur sehr spärliche Reste erhalten. 

Etwas mehr nach aussen zu münden ebenfalls zwei Canäle, ein 
langer, stark gewundener von vorn, der Stiel des Receptaculums 
(rec) und ein anderer (spov), der Spermoviduct, von hinten (Fig. 46, 
Taf. 4). 

Auf dem Schnitt Fig. 47, Taf. 4, ist bei rs,, die Mündung des 
Receptaculums getroffen, von da geht der Canal im Bogen vor dem 
Prostatastiel nach oben, wo er sich mehrfach hin- und herwindet; 
diese Windungen sind Fig. 47 u. 48 mit rs,, bezeichnet. Von da tritt 
der Canal neben dem Penis herab und in den Adductor hinein 
(Fig. 48 rs,), wo er wie gewöhnlich mit dem Spermoviduct nach hinten 
verläuft. Fig. 50 zeigt ihn in der Leibeshöhle; er verläuft schräg 
nach links, um in das Receptaculum (rs, Fig. 50 u. 51) zu münden. 
Die Wand des Receptaculumstiels ist in Folge der geringern Entwicklung 
der Musculatur beträchtlich dünner als bei Siphonaria laeviuscula und 
subrugosa. Das Receptaculum selbst ist eine weite Blase, deren 
Wand stellenweise noch mit hohem Cylinderepithel bedeckt ist; ihr 
Inhalt besteht aus Spermatophoren. Diese sind länglich walzenförmige 
Körper mit langem fadenartigen Anhang. Sie sind ziemlich spröde ; 
ein Versuch, ein Knäuel derselben zu entwirren, missglückte mir des- 


Beitrige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 41 


halb. Ihre Farbe ist gelblich, nach den Schnitten, die sich überall 
auf der Serie im Receptaculum finden, ist der dickere Theil mit einer 
diinnern, der fadenartige Theil mit einer ziemlich dicken, hornigen 
Hülle versehen; letzterer hat im Querschnitt etwa die Form eines 
Linsendurchschnitts. Der Inhalt der Spermatophoren war zu einer 
krümlichen Masse zerfallen, da die Conservirungsflüssigkeit durch die 
Wand anscheinend nicht genügend hatte einwirken können. Auch im 
Stiel des Receptaculums bemerkte ich Spermatophoren. 

Der Spermoviduct tritt, wie schon oben erwähnt, von hinten 
zu der Geschlechtsöffnung; seine Mündung ist Fig. 47 mit spov be- 
zeichnet. Der ganze Raum, in den die vier Canäle einmünden, zeigt 
starke Falten, die zum Theil möglicher Weise für den Weg, den die 
Geschlechtsproducte einzuschlagen haben, von Bedeutung sind; ihre 
Untersuchung versprach jedoch bei dem Contractionszustand des Thieres, 
da jedenfalls auch andere, zufällige Falten vorhanden sind, keinen 
Erfolg. Der Spermoviduct geht zunächst mit dem Receptaculumstiel 
als enges Rohr mit musculöser Wand nach hinten bis unter das Athem- 
loch. Dann wendet er sich nach links in die Leibeshöhle und macht 
dort eine Schlinge nach vorn, so dass er Fig. 49 dreimal getroffen 
ist, einmal im Adductor und zweimal in der Leibeshöhle. Hier voll- 
zieht sich auch die Differenzirung seiner Wand und die Spaltung in 
zwei Rinnen. In dem dorsal gelegenen, nach hinten verlaufenden 
Schenkel der Schlinge haben beide Rinnen schon ihre charakteristischen 
Wandungen erhalten. Einen noch etwas weiter nach hinten geführten 
Schnitt habe ich bei stärkerer Vergrösserung auf Taf. 6, Fig. 11 wieder- 
gegeben. Schon auf den ersten Blick kann man die beiden Rinnen, 
die jetzt medial gelegene Schleimrinne (sr) und die lateral gelegene 
Prostatarinne (prr) unterscheiden. Einzelheiten des histologischen Auf- 
baues sind allerdings nicht leicht zu erkennen, da die Photographie 
eben nicht, wie die Zeichnung, schöner zu werden pflegt als das Prä- 
parat; doch wird der Leser an der Hand der Beschreibung wohl die 
gröbern Verhältnisse erkennen; auf Feinheiten einzugehen verbietet 
ohnehin die mangelhafte Conservirung. Die Schleimrinne zeigt 
einen ziemlich einfachen Bau: ihre Wand besteht aus hohen Zellen 
mit hellein Inhalt, zwischen denen man dünne Fäden bemerkt, die 
sich gegen das Ende hin verbreitern; denselben Elementen begegnen 
wir auch in der Schleimdriise; ich werde sie bei der folgenden Art, 
die besser erhalten ist, schildern. In der Prostatarinne treten die 
beiden schon mehrfach erwähnten Schichten, auf dem abgebildeten 
Schnitt besonders deutlich an der dorsalen und medialen Wand, scharf 


42 AUGUST KOHLER, 


getrennt hervor. Die innere, dem Lumen zugekehrte Schicht zeigt 
senkrecht auf der Trennungslinie stehende feine Streifen, die am freien 
Ende verbreitert sind; auf demselben sitzt, bei starker Vergrösserung 
erkennbar, ein Büschel von Wimperhaaren. Die Zwischenräume zwischen 
den Streifen sind mit einer sich schwach tingirenden, trüb erscheinen- 
den Masse erfüllt, die den grössten Theil der äussern Schicht aus- 
macht. Auf dünnen Schnitten und auf dickern beim Wechsel der Ein- 
stellung beobachtet man, dass diese Zwischenräume überall mit jener 
äussern Schicht in Zusammenhang stehen, dass also die beide trennende 
Membran siebartig durchlöchert sein muss. In Folge dessen ver- 
schwindet ja auch die scharfe Trennungslinie überall da, wo der 
Schnitt nicht genau senkrecht zur Wand geführt ist, wie es unsere 
Abbildung am obern Ende der lateralen Wand der Prostatarinne bei * 
zeigt: die vorher scharfe Grenzlinie löst sich in einzelne Fasern auf, 
was mir wahrscheinlich macht, dass sie von einem Netz von solchen 
gebildet wird. Die äussere Schicht ist sehr mangelhaft erhalten, nach 
den Befunden bei andern Arten schliesse ich, dass sie aus Drüsen- 
zellen zusammengesetzt ist; in den dunklen Punkten, welche man auf 
dem Lichtdruck sieht, erkennt man zuweilen grosse Kerne. Trotzdem 
habe ich gerade dieses Präparat zur Darstellung gewählt, weil es am 
schärfsten die Zusammensetzung der innern Schicht aus zweierlei Ele- 
menten zeigt, von denen die einen sicher in die Drüsenschicht herab- 
reichen und meiner Ansicht nach die ausführenden Theile der Drüsen- 
zellen sind, während ich die andern für Wimperzellen halte, wie sie 
auch sonst im Drüsenepithel von Mollusken beobachtet worden sind. 

Verfolgt man den Spermoviduct weiter nach hinten, so öffnet sich 
die Prostatarinne, indem sie, wie Fig. 50, Taf. 4, darstellt, mit der 
Eiweissdrüse in Communication tritt; die Schleimrinne erweitert 
sich nach der lateralen Seite hin (sd,) und setzt sich endlich in die 
Schleimdrüse fort. In das hintere Ende der Prostatarinne mündet 
der Zwittergang ein. Allem Anschein nach ist auch eine Samen- 
blase vorhanden, doch konnte ich dies leider nicht sicher feststellen, 
da in Folge der schlechten Schnittfähigkeit des Objects die Serie an 
dieser Stelle lückenhaft ist. 

Die Form der Darmwindungen ist eine ähnliche wie bei 
Siphonaria pectinata L.: es sind ebenfalls zwei nach vorn gerichtete 
Schleifen vorhanden; durch die erste (d,, d,) tritt die Arteria anterior 
(Fig. 50, Taf. 4), die Arteria posterior verzweigt sich gleich bei ihrem 
Ursprung, vielleicht sind auch zwei Eingeweidearterien vorhanden; man 
kann das auf den Schnitten durch das ganz blutleere, plattgedrückte 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 43 


Gefäss nicht entscheiden. Die zweite Darmschlinge (d,, d,) ist Fig. 51 
tangirt. Auch Speicheldriisen und Leber verhalten sich ahnlich wie 
bei Siphonaria pectinata. Die grössere vordere Leber mündet mit 
einer weiten, ausgebuchteten Oeffnung vor dem Pylorus links, die 
kleinere, hintere dagegen ganz am Hinterende des Magens durch einen 
kurzen Ausführgang. 

Den Schlundring habe ich bei einem Exemplar, so gut es an 
dem Spiritusmaterial ging, herauspräparirt; ich habe in der Anordnung 
der Ganglien keine Abweichungen von den andern Arten beobachten 
können. Bei dem in Schnitte zerlegten Exemplar waren die Ganglien 
so zerdrückt und gegen einander verschoben, dass ich die Untersuchung 
aufgab. Gut waren an dem herauspräparirten Schlundring die Oto- 
conien zu beobachten: in jeder Otocyste lag eine grössere Anzahl 
kugliger oder ellipsoidischer Körperchen, deren Durchmesser ich bei 
dem grössten runden zu 16 mw, bei den kleinern ovalen zu 11 X 9 u 
bis 9 X 6 w bestimmte. 


Siphonaria stellata HELBLING var. luzonica REEVE. 


Die Exemplare dieser Art, die mir zur Verfügung standen, waren 
in histologischer Beziehung in den meisten Organen besser erhalten 
als die im Vorhergehenden beschriebenen ; in Folge der Conservirung 
(wahrscheinlich in starkem Alcohol) waren sie jedoch ausserordentlich 
stark contrahirt, was ihre Untersuchung auf Schnittserien — präparirt 
habe ich keine — sehr erschwerte. Nach meinen Untersuchungen 
schliesst sie sich sehr nahe an die vorangehende Art an; ich kann 
mich daher in der Beschreibung kurz fassen. 

Wie bei dieser erstreckt sich die Niere nach vorn über die 
vordere Kiemenvene hinweg, in der ich aber nur den langen Muskel 
nachweisen konnte, der kurze scheint zu fehlen. An dem in sagittaler 
Richtung geschnittenen Exemplar konnte ich die Gablung der hintern 
Kiemenvene innerhalb der Niere, wie ich sie schon bei der vorher- 
gehenden Art erwähnt habe, nachweisen. Auf einer Querschnittserie 
konnte ich auch die Innervirung der Kieme, wenigstens der rechten, 
über dem Athemloch gelegenen Theils feststellen, es liessen sich zwei 
Nerven von dem unter dem Geruchsorgan gelegenen Ganglion bis in 
die Kieme verfolgen. 

Das Verhältniss der Aorta zum Darm, sowie die Art der Auf- 
windung desselben sind wie bei Siphonaria aspera; ebenso verhalten 
sich die Anhangsdrüsen des Darms, Speicheldrüsen und Leber. Auch 


44 AUGUST KOHLER, 


die bei derselben Art beschriebene doppelte Eingeweidearterie, resp. 
die Theilung der einzigen dicht hinter ihrem Ursprung konnte ich fest- 
stellen. 

Auch beim Geschlechtsapparat finden wir dieselben Theile 
wieder wie bei Siphonaria aspera, den Penis, die Prostata, deren Stiel 
allerdings bei der vorliegenden Form bedeutend kiirzer ist, so dass 
sie näher am Kopf liegt, von der Prostata entspringend ein Flagellum, 
ferner das Receptaculum mit seinem stark gewundenen Ausführgang, 
den Spermoviduct mit seinen Anhangsdriisen, Zwittergang mit Samen- 
blase und die Zwitterdrüse. Da die histologische Erhaltung hier zum 
Theil genügend war, so trage ich einiges nach, was ich bei den andern 
Arten übergehen musste. 

Zunächst gebe ich Taf. 6, Fig. 13 ein Stück eines Querschnitts 
durch die Wand der Prostata wieder. Ich habe eine Stelle ausge- 
wählt, wo dieselbe ziemlich dünn war, weil hier der Bau verständlicher 
ist als an den Stellen, wo die Wand durch die mächtige Entwicklung 
der Drüsenschicht verdickt ist. Die Abbildung zeigt, dem Lumen zu- 
gewandt, zunächst einen Saum von Wimperhaaren (wh), darunter eine 
Schicht von hier ziemlich niedrigen Zellen, deren Kerne bei & zu sehen 
sind; darunter liegen die Drüsenzellen mit ihren grossen, stark tingirten 
Kernen bei K, von erstern geschieden durch das schon mehrfach er- 
wähnte, hier im reinen Querschnitt als scharfe Linie erscheinende Netz- 
werk. Die Drüsenöfinungen sowie die Gruppirung der Drüsenzellen 
zeigt dieser Schnitt leider nicht deutlich, letzteres ist besser auf 
Schnitten durch dickere Stellen der Wand zu sehen, ich habe eine 
solche jedoch nicht besonders abgebildet. 

Auch der Bau der Schleimdrüse war hinreichend erhalten, 
so dass ich aus diesem Organ ein paar Zellen abbilden kann. Sie 
geben zugleich eine Vorstellung von dem Bau der Schleimrinne des 
Spermoviducts, die ja von den gleichen Zellen ausgekleidet ist. Fig. 52, 
Taf. 4, zeigt, dass die Drüsenzellen Cylinderzellen sind, mit farblosem 
Inhalt und basalständigem Kern, in dessen Umgebung der Inhalt ge- 
wöhnlich etwas trüb und dadurch dunkler erscheint, zwischen ihnen 
liegen andere, auf dem Schnitt fadenförmig erscheinende Zellen, die 
sich dunkler tingiren und an ihrem verbreiterten, freien Ende Wimpern 
tragen. Sie sind durch die dicken Drüsenzellen stark zusammengepresst ; 
das freie Ende erscheint auf Schnitten parallel zur Oberfläche des 
Epithels meist sternförmig im Querschnitt zwischen den secernirenden 
Elementen, und die Kerne liegen in der Regel in der Nähe dieses 
Endes. Aehnlich ist der Bau der Eiweissdrüse, doch sind hier die 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 45 


Zellen dicht mit Schollen einer sich in Carmin blass rosa farbenden 
Substanz erfüllt, und aus diesem Grund sind vielleicht die Wimper- 
zellen dazwischen nicht zu erkennen, ich glaube wenigstens nur an 
einigen Stellen etwas davon bemerkt zu haben. Fig. 14, Taf. 6, habe 
ich ein Stückchen der Eiweissdrüse abgebildet. 


Das Receptaculum war wieder mit Spermatophoren gefüllt, 
deren Inhalt sich auch hier nicht gefärbt hatte, jedoch soweit con- 
servirt war, dass man seine Zusammensetzung aus dicht zusammen- 
gepackten Fäden erkennen konnte. Die Wand der Blase zeigte an 
einigen Stellen ein schönes Cylinderepithel, dessen Zellen fast homo- 
genes Plasma und schwach färbbare Kerne mit einem kleinen Nucleolus 
besassen; an andern Stellen war die Wand ganz dünn zusammen- 
gedrückt und keine Zellen mehr zu erkennen. 


Zwittergang und Samenblase waren bei den untersuchten 
Exemplaren mit Sperma erfüllt. 


Einen Schnitt durch die "Zwitterdrüse bilde ich Fig. 15, 
Taf. 6, ab. Das Organ zeigt auf dem Durchschnitt aussen eine Rinde, 
die aus einzelnen Haufen von Eizellen besteht; nach innen zu findet 
man Spermatozoen und Bildungsstadien von solchen, durch eine sehr 
feine bindegewebige Membran zusammengehalten. Aus der Ver- 
gleichung einer grössern Reihe von Schnitten ziehe ich den Schluss, 
dass es sich gabelnde Schläuche sind, die von der Mündung des Zwitter- 
gangs aus divergiren. Sie enthalten nur die männlichen Geschlechts- 
producte; wie sich die peripheren Eihaufen zu ihnen verhalten, habe 
ich nicht feststellen können; das Wahrscheinlichste ist mir nach meinen 
Präparaten, dass sie den äussersten Enden der spermabildenden 
Schläuche aufsitzen; einen unzweifelhaften Uebergang zwischen beiden 
habe ich allerdings auf keinem Schnitt beobachten können. 


Abschnitt I. 


Ein Ueberblick über die Anatomie der im Vorhergehenden be- 
schriebenen Siphonaria-Arten, noch mehr aber die Vergleichung der 
Resultate der vorliegenden Untersuchung mit den Ergebnissen, zu denen 
Arbeiten anderer Forscher über Angehörige derselben Gattung geführt 
haben, zeigen, dass im innern Bau in manchen Punkten beträchtliche 
Abweichungen eintreten, trotz der geringen Unterschiede in der Körper- 
form — auf die Structur der Schale gehe ich hier nicht ein —, die 


46 AUGUST KOHLER, 


sich nur auf grössere oder geringere Verschiedenheiten in der Höhe 
und auf eine grössere oder geringere Abweichung des Apex der Schale 
nach hinten und links beschränkt. 

Auf den folgenden Seiten sollen die wichtigsten Organsysteme 
nach einander durch die einzelnen Arten verfolgt werden, und ich 
beginne hier mit den Organen der für die Siphonarien so charakte- 
ristischen Athemhöhle, und zwar zunächst mit den Athmungsorganen. 

Da finden wir zunächst die Kieme; doch ist das Gefässnetz, 
das in diesem Organ entwickelt ist, nicht das einzige, für das die 
Bedingungen gegeben sind, die wir bei einem respiratorischen Gefäss- 
netz voraussetzen müssen; auch der vordere Theil des Athemhöhlendachs 
enthält ein Gefässnetz, das, wie Fig. 1, Taf. 5, zeigt, sehr blutreich ist. 
Wenn auch die Gefässe nicht wie bei einer typischen Pulmonatenlunge 
in die Athemhöhle vorspringen, so steht es doch einerseits mit einem 
venöses Blut enthaltenden Pallialsinus in Verbindung, der ja auch der 
Kieme das Blut zuführt, und andrerseits mündet es in die vordere 
Kiemenvene, die arterielles Blut direct in die Vorkammer führt. Aehn- 
lich verhält es sich bei Siphonaria pectinata ausserdem noch mit dem 
zwischen der Niere und der linken Hälfte des abführenden Kiemen- 
gefässes gelegenen Theil des Athemhöhlendaches, der bei den andern 
Arten noch von der Niere eingenommen wird. Da Siphonaria nach 
den Angaben von Hurron (5) und TENISON-Woops (von HUTTON citirt, 
die Arbeit selbst, in den Transactions of the Royal Society of Tasmania, 
war mir nicht zugänglich) öfters Luft zu athmen scheint, so dürften 
wohl die namhaft gemachten Stellen auch Gelegenheit haben, ihre 
respiratorische Function auszuüben. 

Siphonaria besitzt also im vordern Theil des Athemhöhlendaches 
ein als Lunge fungirendes, wenn auch nicht ganz in der typischen 
Form ausgebildetes Organ, obgleich der Theil, den frühere Beobachter 
der Lunge angesprochen haben, jetzt als Niere erkannt worden ist. 


Die Kieme. 

Wir wenden uns jetzt zur Kieme. Sie zeigte bei den Siphonarien, 
die meiner Untersuchung zu Grunde lagen, wenig Verschiedenheiten. 
Was zunächst Gestalt und Ausdehnung der Kieme als Ganzes angeht, 
so zieht sie stets in querer Richtung in einem nach vorn offenen Bogen 
vom Athemloch nach dem gegeniiberliegenden Rand der Athemhöhle 
(Taf. 1, Fig. 3; Taf. 4, Fig. 45); nur Siphonaria redimiculum weicht 
insofern etwas ab, als der Bogen nur sehr flach ist und die Kieme 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 47 


mehr die Gestalt eines S-förmig schräg von vorn nach hinten ziehenden 
Streifens bekommt (Taf. 3, Fig. 41 u. 42). Der Vergleich der letztern 
Figur mit den beiden oben eitirten lehrt, dass der Unterschied haupt- 
sächlich durch eine viel schwächere Entwicklung des linken, nach vorn 
umbiegenden Theils der Kieme bedingt ist; bei Siphonaria redimiculum 
macht er etwa nur '/, des ganzen Organs aus, während er bei den 
andern Arten etwa t/, darstellt. Bei dem ganz jungen Exemplar von 
S. redimiculum scheint er noch gar nicht ausgebildet zu sein (Fig. 41), 
denn die Kieme endet eine ziemliche Strecke vom linken Rand der 
Athemhöhle entfernt (Fig. 39, Taf. 3, stellt bei cé ihr linkes Ende dar). 
Sehr stark gebogen ist die Kieme nach HALLEr bei Siphonaria gigas 
Less. (9, tab. 2, fig. 11 u. 14); dabei ist ihre Breite im Verhältniss 
zu ihrer Länge viel unbedeutender als bei den von mir untersuchten 
kleinern Arten. Bei Siphonaria ionasi Dxr. ist die Kieme nach NOBRE, 
soweit ich seine Beschreibung ohne Abbildung verstehe, wohl ähnlich 
wie bei S. pectinata. Siphonaria tristensis Sow. schliesst sich, nach 
der Zeichnung Darr’s zu urtbeilen, in der Form der Kieme wohl am 
nächsten an Siphonaria redimiculum an, das ganze Organ hält sich 
jedoch dichter an dem Adductor und scheint ausserdem im Verhältniss 
zur Grösse des Thieres bedeutender entwickelt zu sein; allerdings 
scheint mir die Figur dafür nicht ganz maassgebend, da das theilweise 
abgelöste Dach der Athemhöhle im Verhältuiss zur Grösse des übrigen 
Thieres etwas zu gross gezeichnet ist. 

Bedeutender weichen die Angaben Hurron’s über Siphonaria 
australis Quoy & GAIMARD ab, wonach zwei Kiemen vorhanden sein 
sollen, eine an der Decke und eine am Boden der Athemhöhle. Erstere 
stimmt nach Beschreibung und Abbildung (5, tab. 15, fig. 2) ungefähr 
mit der von Siphonaria aspera Krauss überein, sie ist nur schwächer 
gebogen. Eine zweite, am Boden der Athemhöhle gelegene Kieme, 
die allerdings weniger entwickelt sein soll als die erste, ist meines 
Wissens ausser von Hurron noch von keinem andern Beobachter ge- 
sehen worden. Es scheint mir- deshalb nicht unmöglich, dass eine 
Täuschung durch das ventrale Wimperband vorliegt; es wäre jedoch 
auch möglich, dass die Kieme ebenso wie die Niere und das Wimper- 
band auf die ventrale Fläche der Athemhöhle übergeht; ohne eine er- 
neute Untersuchung der von Hurron beobachteten Species wird sich 
die Sache kaum sicher entscheiden lassen. Auf der Abbildung von 
Siphonaria dimensis Quoy & GAIMARD (1, tab. 25, fig. 6) ist die Kieme 
als schmales, fast gerades und quer durch die Athemhöhle verlaufendes 
Band dargestellt; die Biegung ist also noch viel schwächer als bei 


48 AUGUST KOHLER, 


der eben erwähnten Art. Auffallender als dies wäre eine Eigen- 
thiimlichkeit in der relativen Lage von Niere und Kieme; als erstere 
betrachte ich nämlich ein hinter der Kieme gelegenes, als „Organ de 
viscosité‘ bezeichnetes Organ. Ich glaube, dass es den durch das 
Dach der Athemhöhle durchschimmernden ventralen Nierenlappen vor- 
stellt, dessen hinteres Ende über die Kieme hinausragt. Auffallend 
ist auch, dass LACAZE-DUTHIERS (6, p. 89) die Kieme „au dessus du 
corps renal“ liegen lässt, nach der bei uns üblichen Orientirung des 
Thieres, also vor der Niere, während sie in Wirklichkeit dahinter 
liegt; es ist vielleicht ein Druckfehler, „au dessus“ statt „au dessous“. 

Die Structur der Kieme ist bei allen Siphonarien die gleiche, sie 
ist aus grössern und kleinern, etwa dreieckigen Blättchen zusammen- 
gesetzt, die gefaltet sind und mehr oder weniger stark entwickelte 
secundäre Lamellen an den Seiten tragen. Bei den ganz jungen Thieren 
stellen sie einfache, ungefaltete und unverzweigte Lamellen dar (Taf. 3, 
Fig. 37,38 1239): 

Die Grösse der Blättchen variirt ziemlich bedeutend, am kleinsten 
sind sie im Allgemeinen am linken Ende der Kieme; sie nehmen von 
da an Grösse zu, dann in der Nachbarschaft der Nierenpapille wieder 
ab, um in dem vor dem Athemloch gelegenen Theil der Kieme wieder 
eine beträchtliche Grösse zu erreichen. Ausserdem sind überall zwischen 
den grössern ein oder mehrere kleinere Blättchen eingeschaltet. Die 
einzelnen Blättchen stehen am dichtesten am rechten Ende der Kieme; 
grösser werden die Zwischenräume zwischen ihnen nach dem linken 
zu. Jedes Blättchen trägt, wie auch HALLER für seine Art angiebt 
und fig. 14, tab. 2, und fig. 25, tab. 3, abbildet, an dem vordern Rand 
ein abführendes, am hintern ein zuführendes Gefäss; erstere münden 
alle in ein am Vorderrand der Kieme verlaufendes abführendes 
Kiemengefäss, und letztere stammen aus einem am Hinterrand 
befindlichen zuführenden Kiemengefäss. Was ich als ab- 
führendes Kiemengefäss bezeichne, setzt sich nach HALLEr’s Nomen- 
clatur aus drei Theilen zusammen, dem rechts gelegenen Theil der 
vordern Kiemenvene und den beiden Aesten der hintern Kiemenvene 
(9, fig. 11 u. 14, tab. 2); ich habe aber aus practischen Gründen für 
das Gefäss eine einheitliche Bezeichnung gewählt und auch den Namen 
„sammelgefäss“, den ich in meiner vorläufigen Mittheilung gebraucht 
hatte, fallen lassen. Das abführende Kiemengefäss war bei allen von 
mir untersuchten Siphonarien deutlich zu erkennen, nur in der Nach- 
barschaft der Nierenpapille schien es immer etwas undeutlich. Auch 
die übrigen Beobachter haben es, soweit sie ihr Augenmerk auf die 


— 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 49 


Kiemengefässe richteten, beschrieben und abgebildet, so DALL bei Sipho- 
naria tristensis Sow. (2, fig. 7, tab. 5) und Hurron bei Siphonaria 
australis (5, fig. 3 u. 4, tab. 15). 

Das abführende Kiemengefäss steht mit der Vorkammer des Herzens 
in der Regel durch zwei Gefässe in Verbindung, die vordere und 
hintere secundäre Kiemenvene, wie ich sie jetzt nennen will 
(„abführende Kiemengefässe“ in meiner vorläufigen Mittheilung). Die 
vordere liegt bei Siphonaria pectinata, laeviuscula, subrugosa und 
redimiculum am vordern Rand der Niere; ebenso verhält sich Sipho- 
naria gigas Less. nach HALLER. Bei Siphonaria aspera Krauss und 
stellata HELBLING var. luzonica REEVE durchsetzt sie die Niere quer. 
Charakteristisch für das Gefäss waren bei allen von mir untersuchten 
Arten Muskelfaserbiindel, die aus der Vorhofsmusculatur stammen und 
eine Strecke weit in dem Gefäss verlaufen. Es sind meist zwei vor- 
handen; beide inseriren an der dorsalen Wand der Niere, der eine 
ziemlich nahe dem Herzen, der andere auf der rechten Seite des 
Thieres, nicht sehr weit vom Ende des Gefässes. Bei Siphonaria 
stellata HELBLING fand ich nur einen Muskel. Von den andern Be- 
obachtern wird er nicht erwähnt. Wie sich das in Rede stehende 
Gefäss bei den übrigen Siphonarien verhält, konnte ich aus den 
Angaben der schon mehrfach citirten Beobachter nicht ersehen, 
da die vordere Kiemenvene selbst da, wo das abführende Kiemen- 
gefäss erwähnt oder abgebildet wird, nicht mit Sicherheit zu er- 
kennen ist. 

Die hintere Kiemenvene durchsetzt bei den Arten, wo sie 
überhaupt nachzuweisen ist, stets die Niere und entspringt etwa in 
der Mitte des abführenden Kiemengefässes, so bei Siphonaria pectinata, 
laeviuscula, subrugosa, aspera und stellata var. luzonica; ebenso ver- 
hält sich Siphonaria gigas (9, tab. 2, fig. 14 hkv) nach HALLER und 
Siphonaria tristensis nach Dau (2, tab. 5, fig. 7). Hurron (5) erwähnt 
weder im Text noch in der Tafelerklärung die Gefässe; auf seiner 
fig. 3, tab. 15, scheint er das hintere dargestellt zu haben, vielleicht 
auch beide; ich kann das, da ich die Art aus eigner Anschauung 
nicht kenne, aus der Figur nicht sicher entnehmen. 

Bei Siphonaria redimiculum habe ich keine hintere Kiemenvene 
gesehen; ich halte es auch, wie schon erwähnt, nicht für wahrschein- 
lich, dass ich sie tibersehen haben sollte, weil sie blutleer war, denn 
die schwächere Entwicklung der linken Hälfte der Kieme lässt das 
Fehlen eines ihr Blut aufnehmenden Gefässes verständlich erscheinen; 


die vordere genügt dann eben für die ganze Kieme. 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 4 


50 AUGUST KOHLER, 


Bei einer Art (S. luzonica) konnte ich die Innervirung eines Theils 
der Kieme und zwar des rechten Endes beobachten: es waren zwei 
Nerven vorhanden, die von dem unter dem Geruchsorgan gelegenen 
Ganglion ausgehen. 

Besteht in den Angaben über den Bau der Kieme eine ziemlich 
erfreuliche Uebereinstimmung bei den verschiedenen Autoren, so weichen 
sie doch in ihren Ansichten über die morphologische Bedeutung des 
von uns seither einfach als „Kieme“ bezeichneten Organs weit von ein- 
ander ab. Eine Entscheidung zwischen den verschiedenen Ansichten, 
die für die Beurtheilung der verwandtschaftlichen Beziehungen von 
Siphonaria zu andern Gastropoden von der grössten Bedeutung ist, 
muss sich vorwiegend auf vergleichend anatomische Betrachtungen 
stützen, das ist jedoch nicht möglich, wenn wir uns, wie wir es hier 
zu thun beabsichtigen, auf die Gattung Siphonaria beschränken: bei 
der Einförmigkeit des Baus, den die Kieme bei den Siphonarien auf- 
weist, finden wir von dem Weg, auf dem das Organ seine jetzige 
Gestalt erreicht hat, fast nichts als den einen Endpunkt, an dem 
alle Arten angelangt sind, und ein Punkt genügt nicht, um die Richtung 
einer Linie festzulegen. Ich muss daher jetzt auf die Erörterung der 
morphologischen Bedeutung der Kieme verzichten, da ich den Zu- 
sammenhang nicht durch Vorführung von Material, das andere Gastro- 
poden uns liefern, unterbrechen kann; im folgenden Abschnitt werde 
ich Gelegenheit haben, diesen Gegenstand ausführlicher zu behandeln. 
Ich gehe jetzt zur Betrachtung der Niere über. 


Die Niere. 


Die Niere ist stets aus zwei Lappen zusammengesetzt, von denen 
der eine das Dach, der andere den Boden der Athemhöhle einnimmt; 
an der Stelle, wo der Herzbeutel in die Athemhöhle vorspringt, gehen 
sie ohne scharfe Grenze in einander über. Der ventrale Lappen zeigt 
in Form und Ausdehnung kaum Unterschiede zwischen den einzelnen 
Arten, ich habe ihn nur von Siphonaria pectinata abgebildet, ungefähr 
die gleiche Gestalt und Lage hat er bei den andern Arten. Ebenso 
verhält sich nach Dau Siphonaria tristensis; bei Siphonaria australis 
ist er auf Hurron’s Zeichnung (5, tab. 15, fig. 3) ziemlich klein dar- 
gestellt, ebenso bei Quoy u. GAIMARD (1, tab. 25, fig. 6 e), wo sein 
hinteres Ende, hinter der Kieme durch das Dach der Athemhöhle 
hindurchschimmernd, dargestellt ist. LAcAzE-DUTHIERS (6) erwähnt 
den untern Lappen nicht; NoBre (7) vergleicht den ventralen Lappen, 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 51 


den er irrthümlich für die ganze Niere halt, mit einer Lanzenspitze; 
was er für den Ausführgang hält, ist jedenfalls die ventrale Hälfte 
des Wimperbands. Bei der von HALLER untersuchten Siphonaria 
gigas ist der untere Lappen verhältnissmässig ausgedehnt (9, tab. 2, 
fig. 12 In). 

Hat über die Deutung des untern Nierenlappens kaum je ein 
Zweifel bestanden, so ist der obere um so mehr Gegenstand der Con- 
troverse gewesen. Bei den von mir untersuchten Exemplaren hatte 
der obere Nierenlappen eine ziemlich verschiedene Ausdehnung. Am 
kleinsten war er bei Siphonaria pectinata, wo er noch nicht einmal 
den von der Kieme und der vordern Kiemenvene eingeschlossenen 
Raum ganz einnahm (Taf. 1, Fig. 3); bei Siphonaria laeviuscula und 
subrugosa war dies dagegen der Fall, ebenso bei Stphonaria redi- 
miculum, wo der zur Verfügung stehende Raum in Folge der geringern 
Grösse der Kieme allerdings auch kleiner ist (Taf. 3, Fig. 42); am 
weitesten dehnt er sich aus bei Siphonaria aspera und stellata, wo 
er sich vor der vordern Kiemenvene noch über einen Raum ausbreitet, 
der etwa halb so gross ist wie der zwischen Kieme und vorderer 
Kiemenvene eingeschlossene (Fig. 45, Taf. 4). Stets liegt an dem dem 
Athemloch genäherten Ende der Kieme bei den erwachsenen Sipho- 
narien eine Papille, die bei Siphonaria aspera verhältnissmässig klein 
ist; auf ihrer Spitze findet sich der Nierenporus. Diese Nieren- 
papille ist stets durch eine Falte, das Frenulum, das zwischen den 
Kiemenblättern an der Decke der Athemhöhle entspringt, an dieser 
befestigt; das Frenulum gleicht ganz einem mittelgrossen Kiemenblatt, 
nur trägt es an seinem Rand ein starkes Gefäss, das sich in der Niere 
verzweigt, das rechte zuführende Nierengefäss. Ein zweites zuführendes 
Nierengefäss fanden wir ganz links, wo es gemeinsam mit dem zu- 
führenden Kiemengefäss aus dem Pallialsinus entspringt. Die ab- 
führenden Nierengefässe waren schwieriger nachzuweisen; sie münden, 
wie ich bei der Beschreibung der einzelnen Arten mitgetheilt habe, 
in die Kiemenvenen und das abführende Kiemengefäss. Stets konnte 
ich eine entwickelte Renopericardialpforte nachweisen; sie 
liegt hinter der Mündung der Kiemenvenen, senkrecht zur Längsaxe 
des Körpers. 

Quoy u. Gararp (1[?]), Dar (2) und, soweit ich seine Aus- 
führungen verstehe, auch Nopre (7) betrachten den obern Nierenlappen 
als Lunge, eine Ansicht, die schon Hurron (5) und LAcAzE-DUTHIERS (6) 
widerlegt haben. Ganz abweichend würde sich Siphonaria gigas Less. 
verhalten. Bei dieser Art glaubt HALLER eine vollständige Trennung 


52 AUGUST KOHLER, 


des obern Lappens in zwei Halften beobachtet zu haben, von denen 
die rechts gelegene eine rechte, die linke mit dem untern Lappen eine 
von ersterer völlig getrennte linke Niere bilden soll. Bei der Wichtig- 
keit, die der Sache zukommt, citire ich hier die uns interessirenden 
Stellen wörtlich. Zunächst lesen wir p. 11: „Die rechte Niere ist eine 
schöne acinöse Drüse mit einem kurzen Ausführungsgange. Dieser 
spaltet sich nach hinten zu und geht in die zwei Lappen der rechten 
Niere über (fig. 11, 14 rn). Der eine dieser Lappen endet nach hinten 
an jener Stelle, wo die hintere Kiemenvene in die der Kieme an- 
liegende Anastomose übergeht. Dieses ist der längere Lappen. Der 
vordere, nach links dem Pericard zuziehende Lappen stösst beinahe 
an das Pericard, und zwar zwischen dem Austritt der beiden Kiemen- 
venen (fig. 13 rechts). Eine Mündung in das Pericard, einen Nieren- 
trichter, habe ich an der rechten Niere nicht auffinden können. Doch 
wäre es immerhin möglich, dass eine solche unter dem Austritt der 
beiden Kiemenvenen sich in reducirtem Zustand befindet. Wenigstens 
sehe ich dort zwei kleine Oeffnungen.“ Ueber die Mündung der rechten 
Niere sagt HALLer: „Man wird da (d. h. auf der citirten fig. 14, 
tab. 2) erkennen, dass an jener Stelle, wo in der Nähe des rechts- 
seitigen Endes der Kiemenreihe die grössten Kiemen liegen, unter der 
Kiemenreihe sich ein kleiner, jedoch sehr deutlicher Höcker vorfindet 
(fig. 14 a), bis zu welchem der Ausführungsgang der rechten Niere 
zu verfolgen ist. Dieser Höcker verbindet sich dann durch eine Falte 
(fig. 14 6), welche zwischen den Einzelkiemen gelegen ist, mit der 
Kiemenarterie: Querschnitte liessen deutlich erkennen, dass eine der 
grössten venösen Lacunen zwischen denen, welche zwischen den Acinis 
der rechten Niere so zahlreich lagern, durch diesen queren Gang mit 
der Kiemenarterie direct in Verbindung steht (fig. 34 v) und somit 
das venöse Blut aus dieser Niere direct in die Kiemenarterie entleert 
wird. Ein Querschnitt weiter nach rechts zeigt, dass der Nierengang 
(fig. 34 ng) durch jene beschriebene Papille (fig. 33 w), welche aus 
Nierengewebe gebildet wird, nach aussen mündet.“ Der Abschnitt über 
die linke Niere lautet (p. 12): „Anders verhält sich die linke Niere. 
Diese besteht aus einem compacten untern, nach hinten der ganzen 
untern und hintern Pericardwand sowie dem Kiemenhöhlenboden auf- 
liegenden Lappen (fig. 12, 13 Int) und dem schon beschriebenen obern 
Nierenlappen (fig. 11, 14 nl). Diese beiden Lappen hängen an der 
hintern Pericardwand mit einander zusammen; hier vereinigen sich 
ihre Sammelgänge. Der Ausführgang mündet in Form eines kurzen, 
kräftigen Fortsatzes an der linken Seite des Pericardiums, überdeckt 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 53 


von einem Muskelbiindel (welches auf fig. 13 m durchschnitten wurde), 
in die Kiemenhöhle. Führt man durch dieses Mündungsstück, welches 
am Kiemenhöhlenboden fest angewachsen ist, Sonden ein, so wird man 
bei vorsichtiger Behandlung die eine (a) in das Lumen der linken 
Niere, die andere in die Mündung der Niere in das Pericard (b) leicht 
einzuführen im Stande sein. Somit ist der Gang des Nierentrichters 
der linken Niere sehr kurz und zweigt sich vom Endgang der Niere 
ab. Die Trichtermündung befindet sich in der linken Ecke des Peri- 
cards, unweit von der Herzkammer entfernt.“ Das Resultat seiner 
Untersuchungen fasst HALLER in den Worten zusammen: „Aus 
diesen Untersuchungen resultirt somit, dass S. gigas 
paarige Nieren besitzt, wenngleich es sich auch nicht 
leugnen lässt, dass die rechte Niere in Rückbildung 
begriffen ist.“ 

Das Ergebniss der Arbeit HALter’s steht somit in Widerspruch 
mit den Resultaten meiner Untersuchungen, welche die Existenz einer 
einzigen Niere lehrten, wie es auch alle andern frühern Untersucher 
angenommen hatten. 

Form und Lage der Niere von Siphonaria gigas stimmt allerdings 
ganz mit dem überein, was ich bei Siphonaria laeviuscula beobachtete; 
auch die Nierenpapille mit ihrem Frenulum hat HALLER beschrieben 
und abgebildet (fig. 14, tab. 2 « und £); die auf ersterer gelegene 
Oeffnung kommt nach ihm allerdings nur der rechten Niere zu. Eine 
weitere wichtige Uebereinstimmung besteht in dem Verhalten des Ge- 
fässes, das durch die Falte @ aus der Kiemenarterie (nach meiner 
Nomenclatur zuführendes Kiemengefäss) in die Niere eintritt; es ist 
offenbar die von mir als rechtes zuführendes Nierengefäss beschriebene 
Ader. Harrer hält es für ein abführendes Gefäss, und ich neigte 
Anfangs auch zu dieser Ansicht, ich habe sie aber aufgegeben, denn 
es scheint mir nicht wahrscheinlich, dass das Blut in diesem Gefäss 
eine andere Richtung haben soll als in den dicht daneben entspringen- 
den zuführenden Gefässen der Kiemenblättchen; ausserdem habe ich 
ja andere Gefässe beschrieben, die in die Kiemenvenen zum Theil dicht 
an ihrem Uebergang in das Atrium münden und somit sicher Blut 
aus der Niere herausführen; directe Beobachtungen hat natürlich 
HALLER so wenig wie ich anstellen können. Nach meiner Auffassung 
würde also nur ein Theil des Bluts die Kieme passiren, ein anderer 
durch die Niere dem Herzen zuströmen; ein dritter Theil des Blutes 
kann noch ausserdem durch das Gefässnetz im vordern Theil der 
Athemhöhle gehen, ohne Kieme oder Niere zu passiren. Auch die 


54 AUGUST KOHLER, 


pericardiale Oeffnung der von mir beschriebenen Renopericardialpforte 
scheint HALLER gesehen zu haben, halt sie jedoch fiir reducirt, eine 
Ansicht, zu der man bei der von ihm angewandten Untersuchungs- 
methode leicht kommen kann, da der Canal immer sehr eng und der 
Trichter nur klein zu sein scheint. Soweit lassen sich unsere beider- 
seitigen Befunde ganz gut vereinigen, anders aber ist es mit der 
Oeffnung und dem Renopericardialporus der „linken“ Niere und mit 
der Trennung der Nieren durch die hintere Kiemenvene. Ich habe 
die Gegend, wo die linke Nierenôffnung nach HALLER liegen soll, auf 
meinen sämmtlichen Serienschnitten wiederholt sorgfältig durchgesehen, 
ohne eine in die Athemhöhle führende Mündung der Niere anzutrefien. 
Ich habe auch einige Präparate von dem Dach der Athemhöhle ge- 
macht, und da habe ich allerdings ein Loch vor dem linken Ende der 
Kieme gefunden, durch das man wenigstens in die obere Niere ge- 
langen konnte; es führt aber nicht in das Lumen, sondern in Blut- 
räume und ist der gemeinsame Ursprung des linken zuführenden 
Nierengefässes und des zuführenden Kiemengefässes ; selbstverständlich 
mündet es nicht in die Athemhöhle, sondern in den Pallialsinus. 
Ebensowenig konnte ich den von HALLER angegebenen linken Reno- 
pericardialporus finden. Was die Trennung der Niere durch die hintere 
Kiemenvene anlangt, so könnten allerdings einzelne Schnitte (wie Fig. 26, 
Taf. 3) den Anschein erwecken, als theile das Gefäss das Nierengewebe 
vollständig, andere Schnitte, wie Fig. 19, 20 u. 25, Taf. 2, zeigen 
dagegen unzweifelhaft, dass das Nierengewebe über dem Gefäss in 
innigem Zusammenhang steht. Die hintere Kiemenvene trennt die 
Continuität des obern Nierenlappens hier ebensowenig, wie es die 
vordere bei Siphonaria aspera und stellata thut, wo sich ja bekanntlich 
die Niere über sie hinweg nach vorn erstreckt. Bei Siphonaria re- 
dimiculum liess sich sogar die hintere Nierenvene gar nicht nachweisen, 
und bei dem ganz jungen Thier lässt sich auf der Schnittserie ohne 
Schwierigkeit feststellen, dass die Niere ein einheitliches Lumen besitzt. 
Wären zwei Nieren vorhanden, so müssten sie, da sie ja den primitiven 
Zustand darstellen, gerade bei jungen Thieren mit aller Deutlichkeit 
zu beobachten sein. Es war mir leider nicht möglich, Siphonaria gigas 
zur Nachuntersuchung zu erhalten, obgleich Herr Graf HALLER sich 
in liebenswürdigster Weise bereit erklärt hatte, mir Exemplare dieser 
Art zur Verfügung zu stellen, falls sich solche noch unter dem von 
der Corvette ,,Vittor Pisani“ gesammelten Material finden sollten; zu 
meinem Bedauern war dies jedoch nicht der Fall. Dass die Wider- 
sprüche in unsern beiderseitigen Angaben in der specifischen Ver- 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 55 


schiedenheit der von HALLER und mir untersuchten Formen begründet 
sein sollten, will mir nicht wahrscheinlich diinken, denn solche fun- 
damentalen Unterschiede dürften wohl kaum innerhalb einer Gattung 
vorkommen, die gerade mit Bezug auf die Organe der Athemhöhle 
eine gewisse Einförmigkeit zeigt. Ich fürchte, dass der verdiente 
Anatom hier das Opfer einer Täuschung geworden ist: die „Aus- 
führgänge“ der beiden Nieren erinnern in ihrem Verlauf verdächtig 
an die von mir beschriebenen zuführenden Nierengefässe. 

Am hintern Rand der Kieme, das zuführende Gefäss bedeckend, 
verläuft ein aus hohem Flimmerepithel gebildetes Wimperband; 
ganz links schlägt es sich hinter dem Pericard auf den Boden der 
Athemhöhle um und zieht, auf einer ziemlich starken Falte liegend, 
dem hintern Kiemenrand entlang wieder nach dem Athemloch zu, wo 
es in der Nähe des Afters endet. Der einzige von den frühern Be- 
obachtern, der die am Boden der Athemhöhle liegende Hälfte wenigstens 
richtig erkannt hat, ist HALLER; HuTToNn zeichnet etwas an den hintern 
Rand der ventralen Kieme, was man darauf beziehen kann, wenn nicht 
die ganze ventrale Kieme in Wirklichkeit nur ein stark entwickeltes 
Wimperband ist. NoBrE hat die Falte für den Ausführgang der 
Niere gehalten. 


Die Circulationsorgane. 


Das Herz liegt in dem geräumigen Herzbeutel auf der linken 
Seite des Körpers. Ich fand stets den Vorhof nach rechts oben und 
vorn, die Kammer nach unten und hinten gerichtet. DALL zeichnet 
bei Siphonaria tristensis das Herz mit seiner Längsaxe parallel dem 
Körper (2, tab. 5, fig. 7 h) den Vorhof nach vorn und die Kammer 
nach hinten; HALLER giebt für seine Art an, dass der Vorhof rechts, 
die Kammer links liegt, aus der Zeichnung geht ferner hervor, dass 
der Vorhof etwas nach vorn liegt. In die Vorkammer münden die 
beiden Kiemenvenen aus dem Dach der Athemhöhle und mit ihnen 
Gefässe aus dem obern und untern Nierenlappen; der Ventrikel legt 
sich der Medialwand des Herzbeutels an und entsendet von dort aus 
seine Gefässe in den Körper. Die Anordnung dieser Gefässe war bei 
den von mir untersuchten Arten etwas verschieden. Bei Siphonaria 
pectinata entsprangen zwei Gefässe mit ziemlich stark erweiterter ge- 
meinsamer Wurzel aus dem Ventrikel, eine Arteria posterior, 
die nach hinten in die Eingeweide geht, und eine Arteria anterior, 
die sich nach links wendet. Ebenso verhalten sich Siphonaria lae- 


56 AUGUST KOHLER, 


viuscula und subrugosa. Bei Siphonaria redimiculum beobachtete ich 
ausser der Arteria posterior noch ein kleines, von der Arteria anterior 
nach hinten dem Magen entlang verlaufendes Gefäss. Bei Siphonaria 
aspera und stellata theilt sich die Arteria posterior gleich bei ihrem 
Ursprung, so dass zwei Eingeweidearterien vorhanden sind. Von 
Siphonaria australis hat Hurron die vordere Arterie gezeichnet; NOBRE 
giebt eine Abbildung des Herzens (fig. 6) mit einer starken Arterie, 
von der zwei schwachere nach hinten abgehen, ein Verhalten, das sich 
dem bei Siphonaria aspera beschriebenen nähert. Bei Siphonaria 
gigas erwähnt HALLER zwei Arterien, die aus einem gemeinsamen er- 
weiterten Abschnitt, den er als Bulbus arteriosus bezeichnet, ent- 
springen. 

Einige interessante Thatsachen ergeben sich, wenn wir die Lage 
der Arterien, besonders der Arteria cephalica zu andern Organen ins 
Auge fassen. Aus der Beschreibung der einzelnen Arten ist dem Leser 
schon bekannt, dass der Darm nach seinem Abgang von dem Magen 
eine nach vorn gerichtete Schlinge beschreibt. Bei Siphonaria pectinata, 
redimiculum, aspera, stellata, sowie nach Hurron bei Siphonaria 
australis geht nun die Kopfarterie unter dem dorsalen, zuriicklaufenden 
Schenkel der Schlinge hinweg, so dass sie durch die Schlinge nach 
der rechten Seite hinübertritt, wie am besten Fig. A und ©, 8. 32 
illustriren; bei Siphonaria laeviuscula und subrugosa dagegen geht 
sie dicht vor dem vordern Ende der Schlinge nach rechts hinüber, 
ohne also die Schlinge zu durchsetzen (Fig. B, S. 27). Wie sich die 
andern Arten in dieser Beziehung verhalten, geht aus der Literatur 
nicht hervor. 

Der zweite Punkt betrifft die Beziehungen des vordern Theils der 
Aorta anterior zum Nervensystem. Zuerst hat v. JHERING diesem 
Gegenstand seine Aufmerksamkeit geschenkt. Er giebt (3, p. 204) für 
Siphonaria lineolata!) p’ Ors. an, dass die Pedalarterie zwischen Pedal- 
und Parapedalcommissur, über letzterer, hindurchzieht. Dann hat 
Bouvier (8, p. 3) eine nicht näher bestimmte Siphonaria untersucht und 
gefunden, dass die Arteria anterior wie bei Limnaeus unter der Visceral- 
commissur und über den beiden Pedalcommissuren hinwegzieht. Ich 
habe die Angaben des französischen Forschers bei den von mir unter- 
suchten Arten bestätigt gefunden; das Gefäss geht zwischen Abdominal- 


1) Diese Art ist möglicher Weise mit der auch von mir untersuchten 
S. pectinata var. lineolata Krauss identisch, die Beschreibung der Ge- 
schlechtsorgane passt allerdings wieder nicht. 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 57 


und Pleurointestinalganglion ventral von dem beide verbindenden Stiick 
der Commissur nach links und dann über das rechte Pedalganglion 
nach vorn. An dem direct vor den Pedalganglien gelegenen Theil 
entspringen stets zwei kleine Gefässe, die unter den Pedalganglien 
nach hinten verlaufen, ich habe sie mit y, und y, bezeichnet (Taf. 1, 
Fig. 13—15; Taf. 2, Fig. 24; Taf. 3, Fig. 34). 


Die Ernährungsorgane. 


Der Darmcanal gliedert sich in Schlundkopf, Oesophagus, Magen, 
Dünndarm und Enddarm. Auf eine Vergleichung der wichtigsten Theile 
des Schlundkopfs, des Kiefers und der Radula gehe ich hier nicht ein, 
weil die Unterschiede des erstern bei den einzelnen Arten, soweit ich 
sie kenne, nur sehr geringfügig sind; die eingehende Behandlung der 
Radula hätte aber nur systematisches Interesse und würde hier zu 
weit führen. Ein paar Worte will ich nur über die beiden Speichel- 
drüsen bemerken. Ihre Form war auf den von mir untersuchten Arten 
eine sehr wechselnde, selbst die einzelnen Individuen einer Art gleichen 
einander in dieser Hinsicht nicht. Es kommt dies daher, dass die 
einzelnen Theile der beiden Drüsen meist überall in die Zwischen- 
räume zwischen den benachbarten Organen eingedrungen und bei den 
Contractionen des Thieres deformirt worden sind. Bei Siphonaria 
pectinata habe ich sie in situ abgebildet, sie waren hier rundlich; als 
mehr oder weniger längliche Gebilde stellen sie Quoy u. GAIMARD, DALL, 
Hurron und HALLER dar. 

Als Oesophagus fasse ich das kurze, meist stark gewundene 
Rohr auf, das vom Schlundkopf aus nach dem Boden der Leibeshöhle 
herabsteigt. Dort geht es in einen weiten, etwas hinter der Mitte 
leicht eingeschnürten Sack über, den ich als Magen bezeichne; an 
dessen hinterm Ende münden die beiden Mitteldarmdrüsen ein, und 
hinter der Mündung der linken entspringt der Darm. Ich habe diese 
Theile des Darmcanals auf Taf. 1, Fig. 6 von Siphonaria pectinata 
abgebildet; die andern Arten verhalten sich im Wesentlichen ebenso. 
Auch Huron schildert diesen Theil des Darms von Siphonaria australis 
ähnlich. Dart und HALLeEr finden bei den von ihnen untersuchten 
Arten im Ganzen ähnliche Verhältnisse, nur liegt nach Dart und mehr 
noch nach HALLER die Einschnürung viel weiter nach hinten, als ich 
es bei meinen Arten gefunden habe; sie deuten auch ihre Befunde 
etwas anders und fassen nur den kleinen, hinter der Einschnürung 
gelegenen Theil als Magen auf, während sie den davor gelegenen Theil 


58 AUGUST KOHLER, 


als eine besondere Differenzirung des Vorderdarms betrachten. Aehn- 
lich sieht NoBRE die Verhältnisse bei Siphonaria jonasi DER. an; nach 
seiner Zeichnung war der vor der Einschniirung gelegene Theil leer 
und wohl in Folge davon so diinn. Ich habe zwischen beiden Ab- 
theilungen nie einen Unterschied in der Structur der Wand nachweisen 
können; beide hatten auch stets den gleichen Inhalt, der aus Resten 
von Algen und Diatomeen, häufig mit Sand vermischt, bestand, ich 
hielt es deshalb für richtiger, den ganzen erweiterten Darmtheil als 
Magen zu bezeichnen. 

Der eigentliche Darm ist ziemlich eng. Er entspringt stets auf 
der linken Seite und übertrifft das Thier an Länge bedeutend, weshalb 
er sich in Schlingen legt. Bei den meisten Arten sind zwei Schlingen 
vorhanden (vergl. die schematischen Figg. B, S. 27, und C, S. 32). Der 
Darm wendet sich vom Pylorus aus nach vorn (d,), in der Nähe des 
Vorderendes des Magens biegt er nach oben und hinten um und verläuft 
über die Leber hinweg bis zum Enddarm nach hinten (d,), dann wendet 
er sich wieder nach links und vorn (d,), ehe er jedoch soweit wie 
das erste Mal vorgedrungen ist, kehrt er wieder um (d,) und erreicht, 
am Boden der Leibeshöhle verlaufend, den Enddarm (d,), in den er 
allmählich ohne scharfe Grenze übergeht. So verhielten sich von 
meinen Arten Siphonaria pectinata, laeviuscula, subrugosa, aspera und 
stellata. Genau ebenso verhalten sich nach Hurron Siphonaria australis 
und nach Nopre Siphonaria jonasi; bei Siphonaria tristensis ist nach 
Dart die erste Darmschlinge d,, d, ziemlich kurz. Complicirter sind 
die Windungen bei Siphonaria gigas, indem der Darm sich von dem 
Pylorus aus nicht gleich nach vorn wendet, sondern zunächst ein 
Stiick gerade nach hinten geht; dann bildet der Darm auf der von 
mir mit d, bezeichneten Strecke, kurz vor dem Uebergang in den 
Enddarm, noch eine in die Leber eingeschlossene, nach hinten offene 
Schleife. Auch der Enddarm weicht bei dieser Art, abgesehen von 
seiner eigenthiimlichen Pigmentirung, durch seine Form und Verbindung 
mit dem übrigen Darm ab. Einfacher ist dagegen der Darm von 
Siphonaria redimiculum: hier fehlt die zweite Darmschlinge, resp. sie 
ist nur durch ein kurzes, S-förmig gebogenes Stück angedeutet (Fig. C, 
S. 32). Noch einfacher ist der Darm bei Siphonaria diemenensis nach 
QuoY u. GAIMARD; hier scheint der Zeichnung nach der Enddarm 
genau quer zu verlaufen und schliesst sich gleich vorn an das vordere 
Ende der von mir mit d, bezeichneten Darmstrecke an; die ganze 
Zeichnung (1, tab. 25, fig. 4) macht mir übrigens den Eindruck, als 
ob sie etwas schematisch gehalten sei. 


u 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 59 


Die Leber ist von allen frühern Beobachtern gesehen und richtig 
gedeutet worden; Angaben über ihre Mündung finde ich jedoch nur 
bei Hurron, der von mehreren „hepatic ducts‘ spricht, und HALLER, 
der die Mündung der linken grössern, aus einem grössern und einem 
kleinern Lappen zusammengesetzten, und der rechten, ebenfalls aus 
zwei Lappen bestehenden Leber genau beschreibt. Ich hatte in meiner 
vorläufigen Mittheilung irrthümlich die linke Leber als die einzige an- 
gegeben, habe jedoch nachträglich bei meinen sämmtlichen Arten auch 
die zweite kleinere nachweisen können. Ihre Mündung liegt jedoch 
mehr ventral und weiter nach hinten, als es bei Siphonaria gigas der 
Fall ist, so dass ihre Lage auf der rechten Seite nicht so klar hervor- 
tritt. 


Die Fortpflanzungsorgane. 


Eine unerwartete Verschiedenheit zeigte der Geschlechtsapparat 
bei den einzelnen Arten. Allen gemeinsam ist der Besitz einer 
Zwitterdrüse. Von den frühern Beobachtern haben Quoy u. 
GAIMARD die Zwitterdrüse beobachtet, aber für das Ovarium gehalten ; 
Dart scheint mir die Zwitterdrüse ganz übersehen zu haben — was 
bei der Präparation von ungenügend conservirtem Spiritusmaterial 
leicht möglich ist, da sie dann fest mit der Leber verklebt ist und 
sich von ihr auch im Aussehen kaum unterscheidet — denn was er 
als ,,ovary“ bezeichnet (0, fig. 3, tab. 5), ist sicher die Schleim- und 
Eiweissdriise; die „small spiral mucus gland“ am hintern Ende ist 
wahrscheinlich ein Stück des Zwittergangs. Zuerst haben v. JHERING, 
bald darauf auch STUDER und Hurron nachgewiesen, dass der ver- 
meintliche Eierstock Eier und Sperma zugleich producirt, also eine 
echte Zwitterdrüse ist. Auch HALLER wies bei Siphonaria gigas eine 
Zwitterdrüse nach und bildet einen Schnitt durch das Organ (tab. 2, 
fig. 22) ab. Nach ihm sind getrennte Follikel vorhanden, die Eier 
resp. Sperma produciren. Ich habe bei Siphonaria stellata ähnliche 
Bilder auf Schnitten bekommen wie HALLER, aber nicht mit Sicherheit 
entscheiden können, ob die weiblichen getrennt von den männlichen 
in den Zwittergang münden oder ob sie etwa nur periphere Aus- 
sackungen der letztern bilden. NoBr& stellt sich, jedenfalls mit Un- 
recht, wieder auf den von Quoy u. GAIMARD vertretenen Standpunkt. 

Aus der Zwitterdrüse geht ein stark gewundener, oft strotzend 
mit Sperma gefüllter, ziemlich dünnwandiger Zwittergang ab, den 
auch Quoy u. GAIMARD, Hurron, NOBRE und HALLER abbilden; auch 
Dart hat ihn wohl, wie ich oben äusserte, gesehen und als Schleim- 


60 AUGUST KOHLER, 


drüse beschrieben. Drüsen, wie sie Hatter abbildet, konnte ich bei 
meinen Arten nicht finden; die gelben Concretionen in den Zellen habe 
ich allerdings an einigen Stellen auch gefunden. 

Bei den von mir untersuchten Arten konnte ich auch eine am 
Zwittergang ansitzende Samenblase nachweisen; ausser bei v. JHE- 
RING, der eine Vesicula seminalis erwähnt, finde ich jedoch in der 
Literatur nichts darüber. Sie ist môglicher Weise bei allen Arten 
vorhanden, aber, weil sie meist in der Schleimdrüse eingebettet liegt, 
bei der Präparation seither übersehen worden. 

Der Zwittergang mündet dann bei allen Siphonarien in ein mehr 
oder weniger rundliches, drüsiges Organ, das von verschiedenen Be- 
obachtern verschieden gedeutet worden ist. Quoy u. GAIMARD bilden 
es ab und bezeichnen es als Uterus (J, fig. 5, tab. 25); Datu hat es 
ebenfalls gesehen und als Ovarium gedeutet; v. JHERING erwähnt eine 
Eiweissdrüse und meint damit wohl jedenfalls das in Frage stehende 
Organ. Hurron unterscheidet in ihm zwei Theile, einen hinter der 
Mündung des Zwittergangs gelegenen, „albumen gland“ (g, fig. 2, 
tab. 15), und einen davor befindlichen, den er als ,,swollen portion of 
oviduct“ bezeichnet (f, fig. 2, tab. 15). Auch auf Nopre’s Abbildung 
der „weiblichen Geschlechtsorgane“ ist ein Körper gezeichnet, den man 
für diese Drüsenmasse halten muss. HALLER konnte bei Siphonaria 
gigas ebenfalls diesen Abschnitt nachweisen; er unterscheidet darin 
eine Eiweissdrüse mit einem eigenthümlichen Anhang, über sie ver- 
läuft in zwei Schlingen der ‚weibliche Geschlechtsgang“, der sich dann 
vor der Eiweissdrüse noch einmal stark verdickt und zusammen- 
knäuelt. Am Beginn der verdickten Stelle mündet die Eiweissdrüse 
in den weiblichen Gang. Der verdickte Theil desselben zeigt ein 
hohes Cylinderepithel (fig. 36 ep.), darunter liegen lange, nach aussen 
hin zusammengeschlängelte, tubulöse Drüsen, in denen zwei Arten von 
Zellen, nach HALLEr’s Ansicht verschiedene Secretionsstadien, beobachtet 
wurden. 

Ich konnte bei meinen Arten, soweit sie ausgebildete Geschlechts- 
organe hatten, drei Theile unterscheiden: 1) den drüsigen Theil des 
Spermoviducts, 2) die Eiweissdrüse und 3) die Schleimdrüse. 

Der Spermoviduct ist ein ziemlich gerade von vorn nach 
hinten verlaufender Canal (nur bei Siphonaria pectinata war er etwas 
gewunden), dessen Lumen durch eine starke, von der dorsalen Seite 
herabhängende Falte in zwei Rinnen geschieden wird. Die beiden 
Rinnen unterscheiden sich wesentlich durch den Bau ihrer Wand, wie 
ich des nähern bei der Beschreibung von Siphonaria aspera dargelegt 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 61 


habe; ich nannte die eine, weil ihre Wand die grésste Aehnlichkeit 
mit der Wand der Prostata hat, Prostatarinne, die andere, weil 
sie sich ähnlich zur Schleimdrüse verhält, Schleimrinne. An ihrem 
hintern Ende geht diese Schleimrinne in die Schleimdriise iiber, ein 
Organ, das aus stark abgeplatteten, wie die Blätter eines Buchs neben 
einander liegenden Tubulis zu bestehen scheint, deren Wand mit einem 
charakteristischen, bei Siphonaria stellata näher beschriebenen Epithel 
bedeckt ist. 

Die Eiweissdrüse ähnelt in den gröbern Verhältnissen ihres 
Baues der Schleimdrüse sehr, besonders auf Schnitten sind sie nur 
an der Verschiedenheit der zelligen Elemente, wie ich ebenfalls bei 
Siphonaria stellata geschildert habe, zu unterscheiden. Sie mündet 
von der Seite der Prostatarinne in den Spermoviduct. 

An der vordern Seite der Drüsenmasse wendet sich der Sperm- 
oviduct nach rechts, um in den Adductor einzutreten. Dabei verliert 
er die Falte, die sein Lumen in zwei Rinnen theilte und in Verbindung 
damit schwinden auch die Drüsenzellen, um einem einfachen Epithel 
Platz zu machen. Man kann ihn, da seine Wand jetzt vorwiegend 
von Muskelfasern gebildet wird, als musculösen Theil dem drüsigen 
gegenüberstellen. Aehnliches haben, soweit sich aus ihren Angaben 
ersehen lässt, QuoY u. GAIMARD bei Siphonaria diemenensis und NOBRE 
bei Siphonaria jonasi gefunden, doch giebt keiner dieser Autoren an, 
dass der Canal eine Strecke weit im vordern Theil des Adductors 
verläuft; DALL zeichnet ihn sogar deutlich ausserhalb (fig. 3, tab. 5). 
Auch Hurron hat bei Siphonaria australis die ,,swollen portion of 
oviduct“ sich in einen Gang von ähnlicher Gestalt und Lage wie der 
Spermoviduct meiner Arten umwandeln und in die Musculatur ein- 
treten sehen; da er jedoch ein besonderes Vas deferens beschreibt, 
so deutet er ihn als Oviduct. Bei Siphonaria gigas, die nach HALLER 
ebenfalls ein Vas deferens besitzt, setzt sich der dicke, driisige Theil 
des Geschlechtsgangs, der nach seiner Lage offenbar dem Spermoviduct 
der von mir untersuchten Formen entspricht, bis zur Miindung in die 
Geschlechtsöffnung fort. 

Gewöhnlich mündet der Spermoviduct neben dem Copulationsorgan 
in die gemeinsame Geschlechtsöffnung auf der rechten Seite, bei Sipho- 
naria tristensis dagegen mündet der Spermoviduct mit dem Stiel des 
Receptaculums zusammen in eine kleine, von der Geschlechtsöffnung 
aus nach hinten gerichtete Aussackung, die Datu als Uterus be- 
zeichnet. Bei den Arten, die ein besonderes Vas deferens besitzen 
sollen, verhält sich die Mündung des Oviducts ähnlich wie im ersten 


62 AUGUST KOHLER, 


Fall; so öffnet sich der Oviduct bei S. australis nach Hurron in die 
gemeinsame Geschlechtsöffnung. Der weibliche Geschlechtsgang bei 
Siphonaria gigas mündet nach HALLER an derselben Stelle, nur scheint 
die Grube, welche die beiden Geschlechtsöffnungen sonst einschliesst, 
hier kaum ausgebildet zu sein. Bei Siphonaria lineolata D’ORB. sind 
nach v. JHERING „die Leitungswege eine Strecke weit getrennt, treten 
schliesslich aber wieder in einer Geschlechtscloake zusammen“. 

Ich will hier gleich das Receptaculum anschliessen. Es be- 
steht aus einem längern und kürzern Stiel und einer Blase, in der 
ich in einigen Fällen Spermatophoren nachweisen konnte. Der Stiel 
verläuft in seinem distalen Ende parallel neben dem Spermoviduct, 
ebenfalls im Adductor. Gewöhnlich ist er dünner und weniger musculös 
als der Spermoviduct, nur bei S. laeviuscula und subrugosa verhält 
er sich umgekehrt. Nach meinen Untersuchungen mündet er bei 
Siphonaria laeviuscula, subrugosa, redimiculum, aspera und stellata 
direct in die gemeinsame Geschlechtsöffnung, bei den drei zuerst ge- 
nannten Arten hinter der Mündung des Penis, neben dem Sperm- 
oviduct, bei den beiden letzten aber vor dem Spermoviduct, nachdem 
er zuvor mehrere Windungen in der Leibeshöhle beschrieben hat. 
Aehnlich wie ich beschreiben Quoy u. GAIMARD und Hurron das 
Receptaculum, erstere als ,,vessie propre à plusieurs mollusques pul- 
mones“. Dau zeichnet es auffallend kurzgestielt, STUDER und 
V. JHERING erwähnen nur seine Existenz, ohne es zu beschreiben. 
Die von HALLER untersuchte Art soll auch hier von den andern 
abweichen; das Receptaculum ist eine ganz kurz gestielte Blase, die 
in den dicken drüsigen Theil des Geschlechtsgangs dicht vor seinen 
Windungen einmündet. 

Ganz abweichend verhält sich Siphonaria pectinata. Allerdings 
geht auch hier der Spermoviduct mit dem Stiel des Receptaculums 
durch den Adductor hindurch auf die Geschlechtsöffnung zu, beide 
Canäle treten aber wieder in die Leibeshöhle hinein und vereinigen 
sich zu einem einzigen Schlauch, der eine sehr starke Längs- und 
Ringmusculatur erhält und durch einen nach hinten verlaufenden 
Retractor unter dem Athemloch am rechten Rand der Leibeshöhle an 
dem Adductor befestigt wird. Diese Genitalcloake, wie ich sie 
nannte, mündet an der Stelle, wo auch bei andern Arten die Ge- 
schlechtsöffnung liegt, aus. 

Auch in den rein männlichen Theilen des Genitalapparats herrscht 
eine gewisse Verschiedenheit. Die einfachsten Verhältnisse beobachtete 
ich bei Siphonaria laeviuscula, subrugosa und vielleicht redimiculum. 


Beitriige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 63 


Hier mündet am vordern Rand der gemeinsamen Geschlechtsöffnung 
ein Schlauch mit sehr stark musculösen Wänden, der Penis, der ge- 
wissermaassen den Ausführgang einer Prostatadrüse mit sehr com- 
plieirt gestaltetem Lumen darstellt. Die Wand der Prostatadrüse 
zeigt einen sehr charakteristischen Bau, den ich mehr oder weniger 
deutlich bei allen von mir untersuchten Arten wiederfand. Von Sipho- 
naria redimiculum habe ich allerdings keine geschlechtsreifen Thiere 
vor mir gehabt, ich bin aber geneigt, aus der Anlage zu schliessen, 
dass die in das Ende des Penis mündende Drüse, die auch STUDER 
erwähnt, bei dem ausgebildeten Thier nicht sehr viel von der bei 
den andern Arten beschriebenen abweichen wird. Den kleinen, vom 
Lumen des Penis aus in dessen Wand eindringenden Canal, den ich 
schon oben erwähnt habe, müssen wir allerdings hier ausser Betracht 
lassen, ich finde auch bei keiner andern Art etwas ähnliches beschrieben. 
Nach der Abbildung, die Dat giebt, zu urtheilen, könnte auch Sipho- 
naria tristensis hierher gehören, doch stimmt mir die Beschreibung 
nicht recht, selbst wenn ich davon absehe, dass DALL offenbar irr- 
thümlich die Prostata als Hoden angesprochen hat, denn es soll ein 
„very large and stoute penis“ vorhanden sein, der eingeschlossen ist 
in ein „preputium, consisting of two spirally coiled muscular layers“. 
Etwas Derartiges habe ich aber bei keiner meiner Arten gesehen, auch 
sonst in der Literatur keine ähnliche Angabe gefunden; die Sache 
scheint mir daher doch einer erneuten Untersuchung bedürftig. 

Eine höhere Differenzirung zeigen Siphonaria aspera und stellata 
var. luzonica. Das Copulationsorgan besteht hier aus zwei getrennten 
Theilen, einem rein musculösen und einem drüsigen, die neben ein- 
ander gemeinsam in die Geschlechtsöffnung ausmünden. Der rein 
musculöse, den ich als Penis bezeichne, hat im Innern zwei einander 
gegenüber stehende musculöse Falten, der drüsige dagegen zerfällt in 
3 Theile, den Stiel, die eigentliche Prostata und das Flagellum. Sie 
zeigen alle in ihrer Wand die subepithelialen Drüsen, ein Abschnitt 
der eigentlichen Prostata war jedoch durch besonders grosse, eigen- 
thümliche Zellen ausgezeichnet, über die ich aber wegen mangelhafter 
Erhaltung leider keine nähern Angaben machen kann. Ganz ähnlich 
ist wohl das Copulationsorgan von S. diemenensis zusammengesetzt, 
wenn man die jedenfalls zutreffende Annahme macht, dass die von 
Quoy u. GAmarn als Hoden und Vas deferens bezeichneten Theile 
in Wirklichkeit Prostata resp. Stiel sind. Das Flagellum würde aller- 
dings dann fehlen, aber die Figuren können doch im grossen Ganzen 


64 AUGUST KOHLER, 


richtig sein, und nicht ,,figures, which, seem to owe a good deal to 
the imagination of the artist“, wie DALL meint. 

Bei den bis jetzt angeführten Arten ist kein Vas deferens vor- 
handen, fiir zwei wird ein solches aber in der Literatur angegeben: 
zuerst von Hutton für Siphonaria australis und dann für Siphonaria 
gigas von Hater. Bei der erstern Art soll es von der ,,swollen 
portion of the oviduct’ entspringen und in die Prostata einmünden. 
Ich muss gestehen, dass mir letztere Angabe etwas verdachtig scheint 
und mich vermuthen lässt, dass vielleicht eine Verwechslung mit dem 
Flagellum vorliegt, dessen Ende manchmal bei meiner Siphonaria 
stellata der Driisenmasse fest anliegt, ohne dass jedoch eine Com- 
munication der Lumina stattfände. Was mich allerdings an dieser 
Annahme wieder irre machen könnte, ist der Umstand, dass es, der 
Zeichnung nach zu urtheilen, mit Spermoviduct und Receptaculumstiel 
durch die Musculatur zu verlaufen scheint, was ich bei dem Flagellum 
nie beobachtet habe, doch bei der verschiedenen Lage, in der ich es 
sonst angetroffen habe, nicht für unmöglich erklären darf. Bei Sipho- 
naria gigas entspringt es aus dem „weiblichen Gang“, ehe er die 
Windungen auf der Eiweissdrüse macht und verläuft direct nach der 
männlichen Geschlechtsöffnung, wo es neben dem verhältnissmässig 
kleinen Penis mündet (fig. 19, tab. 2). Diesen ‚männlichen Gang“ 
hat HALLER nicht auf Schnitten untersucht, dagegen hat er den Penis 
genau beschrieben und abgebildet. Er ist in seinem dicksten Theil 
ein wesentlich drüsiges Organ, wie der abgebildete Querschnitt (fig. 27, 
tab. 3) lehrt, seine Wand ist zum Theil dünn, zum Theil stark ver- 
dickt. Der verdickte Abschnitt der Wand begrenzt theilweise eine 
Rinne, die ,,Penisrinne“ r, die mit ausserordentlich grossen Zellen aus- 
gekleidet ist; daran schliesst sich die nach dem Lumen zu concav 
vorspringende drüsige Wand des Penis, die aus tubulösen, unter einem 
Cylinderepithel gelegenen Drüsen zusammengesetzt ist, ähnlich wie 
die Wand des „weiblichen Geschlechtsgangs“. Nach der Spitze er- 
streckt sich die Penisrinne nicht, sie hört vorher plötzlich auf; nach 
der Mündung zu verstreicht sie allmählich, ebenso wie die drüsige 
Wand, die sich jedoch andrerseits bis zur Spitze des Penis erstreckt. 
Der der Mündung zugewandte Theil des Penis ist nach dem Ver- 
schwinden der Rinne und der Drüsenwand nur mit Cylinderepithel 
ausgekleidet. 

’ Die Discussion dieser von den verschiedenen Beobachtern über 
den Geschlechtsapparat der einzelnen Arten gemachten Angaben ist 
kein sehr viel Erfolg versprechendes Unternehmen. Ausser HALLER, 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonuria. 65 


der aber eine Form untersucht hat, die von den andern vielleicht 
gerade in diesem Organsystem weit abweicht, hat keiner meiner Vor- 
ginger Angaben tiber den Bau der einzelnen Abschnitte gemacht, was 
für eine sichere Identificirung derselben von der grössten Wichtigkeit 
wäre, und dann scheint mir selbst die Darstellung der gröbern ana- 
tomischen Verhältnisse nicht über jeden Zweifel erhaben. Ich habe 
ja auf den vorhergehenden Seiten schon an verschiedenen Stellen meine 
Bedenken geäussert, womit ich allerdings keinen weitern Vorwurf 
gegen die betreffenden Autoren erheben will, hat doch mich selbst 
mancher missglückte Versuch belehrt, dass die kleinen Siphonaria- 
Arten in conservirtem Zustand für die Präparation sehr ungünstige 
Objecte sind, deren Untersuchung ohne Anwendung der Schnittmethode 
kaum weit führen kann. 

Zwitterdrüse, Zwittergang und vielleicht auch die Samen- 
blase kommen wohl allen Siphonarien zu, dann fangen aber die 
Verschiedenheiten an. Zunächst ist Siphonaria gigas auszuscheiden, 
wo sich der Zwittergang in zwei Theile spalten soll, einen männlichen 
und einen weiblichen Gang. Bei den andern mündet der Zwittergang 
in den drüsigen Theil des Spermoviducts, der Schleim- 
und Eiweissdrüse aufnimmt und mit ihnen die compacte Drüsen- 
masse bildet. Aus dieser geht der musculöse Theil des Sperm- 
oviducts neben dem Stiel des Receptaculums zur Geschlechts- 
öffnung. Das einfachste und wohl auch primitivste Verhalten scheint 
mir das bei Siphonaria laeviuscula, subrugosa und vielleicht auch 
redimiculum zu sein, wo beide Canäle neben einander hinter dem 
Copulationsorgan ausmünden, das hier in zwei hinter einander gelegene 
Abschnitte, einen musculösen Penis und eine Prostatadrüse, 
differenzirt ist. Bei Siphonaria aspera und ähnlichen ist insofern 
eine höhere Entwicklungsstufe erreicht, als beide Abschnitte sich fast 
vollkommen von einander getrennt haben und nur an ihrer Mündung 
zusammenhängen. Wie der Befund bei Siphonaria pectinata zu er- 
klären sein wird, lässt sich schwer sagen; die Genitalcloake kann 
dadurch entstanden sein, dass der Endabschnitt eines der neben ein- 
ander mündenden Canäle sich mächtig entwickelt und die Mündungen 
der andern, eventuell unter Rückbildung der äussern Theile, aufge- 
nommen hat; vielleicht ist aber auch die Genitalcloake eine völlige 
Neubildung, die von der gemeinsamen Geschlechtsöffnung aus ent- 
standen ist; wir können diese Frage nicht sicher beantworten, da 


uns Zwischenformen fehlen, die vielleicht verwandte Arten oder Jüngere 
Zool. Jahrb, VII, Abth, f, Morph, 5 


66 AUGUST KOHLER, 


Entwicklungsstadien aufweisen; das eine glaube ich aber bestimmt 
annehmen zu diirfen, dass das Verhalten kein primitives ist. 


Noch weniger passt Siphonaria gigas zu den tibrigen. Wenn man 
auch nach der Lage annehmen darf, dass der ,,weibliche Geschlechts- 
gang‘‘ dem Spermoviduct und das von HALLER als Penis bezeichnete 
Organ der sonst als Prostata gedeuteten Driise entspricht, so sind 
doch andrerseits im feinern Bau der Wand beider Organe Unterschiede 
vorhanden, über die man sich nicht so ohne weiteres hinwegsetzen 
kann. Eine erneute Untersuchung des Geschlechtsapparats der Sipho- 
narien an auch fiir feinere histologische Untersuchungen ausreichend 
conservirtem Material scheint mir sehr wünschenswerth zu sein, da 
auch mein Material in dieser Hinsicht den Anforderungen nicht geniigte. 


Aus der Entwicklung der Geschlechtsorgane habe ich zwei Stadien 
untersuchen kénnen und schon oben ausführlich beschrieben; es ist 
leider eine Art, von der mir keine erwachsenen Thiere zu Gebote 
standen, Siphonaria redimiculum. Ich habe auch dort gleich die 
Deutung der einzelnen Theile versucht, so dass ich hier nicht mehr 
darauf zuriickzukommen brauche; allgemeinere Schliisse aus den dort 
niedergelegten wenigen Beobachtungen zu ziehen, scheint mir nicht 
rathsam. 


Das Nervensystem. 


Die Angaben über das Nervensystem sind in der Literatur recht 
spärlich. Die beste Beschreibung und Abbildung verdanken wir HALLER, 
der die grosse Siphonaria gigas untersucht hat. v. JHERING hat das 
Nervensystem von Siphonaria lineolata beschrieben, aber nicht abge- 
bildet; eine ziemlich schematische Abbildung giebt Hurron; die Be- 
schreibungen der andern Autoren sind so allgemein gehalten, dass ich 
sie hier übergehen kann. Die Mittheilung Bouvier’s über das Ver- 
halten der Arteria anterior zu Visceralcommissur und Schlundring 
habe ich schon oben berücksichtigt. 


Ich habe bei meinen Arten das Nervensystem nur auf Schnitt- 
serien untersuchen kénnen, da ich fiir diesen Zweck nicht soviel 
Material opfern konnte, wie bei der Schwierigkeit der Präparation an 
den kleinen, stark gehärteten Thieren erforderlich gewesen ware. 
Diese von mir angewandte Untersuchungsmethode ist aber sehr zeit- 
raubend und fiihrt trotzdem in manchen Fallen nicht einmal zum Ziel, 
da die Nerven und Ganglien durch die Contractionen der absterbenden 
Thiere fast stets verlagert, an einander gepresst oder sonst unkenntlich 


Beitriige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 67 


gemacht werden. Ich habe daher nur die wichtigsten Nerven, die von 
den Ganglien der Visceralcommissur ausgehenden, verfolgt. 

Der Schlundring besteht aus drei Paaren von Ganglien, den 
Cerebral-, den Pedal- und den Pleurointestinalganglien 
(Commissuralganglien, v. JHERING ; Pleuralganglien, HALLER). Dieselben 
sind durch die bekannten Commissuren resp. Connective verbunden, 
die Pedalganglien durch zwei, eine vordere und eine hintere, die Pedal- 
und die Parapedalcommissur. Zwischen den beiden Pleurointestinal- 
ganglien liegt die kurze Visceralcommissur, die rechts ein Abdo minal- 
ganglion (hinteres Eingeweideganglion) enthält. v. JHERING hat das 
Abdominalganglion nicht gefunden, Hurron hat die Cerebropleural- 
connective übersehen, ebenso die zweite Pedalcommissur, auch be- 
schreibt er nur zwei ,,parieto-splanchnic ganglia“, beide auf der rechten 
Seite; es sind offenbar rechtes Pleurointestinal- und Abdominalganglion : 
das linke erwähnt er nicht, hat es aber gezeichnet. Wie gewöhnlich 
sind auch zwei Buccalganglien (vordere Eingeweideganglien, 
HALLER) vorhanden, von denen zwei Connective zu den Cerebral- 
ganglien fiihren; aus der sie verbindenden Commissur entspringt nach 
HALLER und v. JHERING ein Nerv. 

Ich gehe nun zu den peripherischen Nerven über und werde mich 
hier auf diejenigen beschränken, die ich selbst auf meinen Schnitten 
habe untersuchen können, im Wesentlichen die von der Visceral- 
commissur und ihren Ganglien ausgehenden Nerven. Das rechte 
Pleurointestinalganglion entsendet drei Nerven, von denen 
einer den vordern und einer den hintern Theil des Mantels versorgt. 
Der dritte ist nur kurz und endet unter dem Geruchsorgan am 
Eingang der Mantelhéhle mit einem ziemlich grossen Ganglion, von 
dem ich einige Nerven zur Kieme verfolgen konnte. 

HALLER beschreibt nur zwei Nerven, einen vordern und einen 
hintern. Ersterer innervirt den Mantel und den vordern Theil des 
Genitalapparats, der hintere die Kieme und den Vorhof des Herzens. 
Die Abweichungen zwischen unsern Angaben sind jedoch hier nicht 
so gross, wie sie scheinen: der zum Geruchsorgan gehende und der 
hintere Mantelnerv, die ich beschrieben habe, liegen nämlich so dicht 
an einander, dass man sie erst auf Schnitten trennen kann; sie beide 
stellen wohl zusammen das vor, was HALLER als den hintern Nerven 
bezeichnet. Auch der p. 22 erwähnte, mit Ganglienzellen versehene 
„Nerv. trunc.“ unter einer Falte (x), die er wie ich für das Geruchs- 
organ hält, ist wohl nichts anderes als dieser hintere von beiden 
Nerven, wenn es auch aus der Beschreibung nicht ganz klar hervor- 


m 


5 ES 


68 AUGUST KOHLER, 


geht. Nur beziiglich des vordern besteht eine Verschiedenheit; ich 
habe zu den Geschlechtsorganen gehende Aeste nicht finden können. 
Von dem Abdominalganglion sah HALLER wie ich drei Nerven 
abgehen, die, wie ich ebenfalls fand, Geschlechtsorgane, Niere und 
Enddarm versorgen; ausserdem sollen sie nach HALLER Theile der 
Leber versorgen, was ich nicht habe nachweisen können, doch für 
wahrscheinlich halte. Dagegen sah ich einen Ast in den hinter der 
Athemhöhle gelegenen Theil der Mantelfalte eintreten, wo er nach 
hinten verlief. Vom linken Pleuralganglion sah ich zwei 
Nerven entspringen, einen am linken Rand, der einem Pedalnerven 
dicht anlagert und nach dem Mantelrand verläuft — es ist offenbar 
der von HALLER mit s bezeichnete Mantelnerv — und einen andern 
am hintern Ende, der neben dem Pedalnerven am Boden der Leibes- 
höhle nach hinten und links verläuft; ich kann ihn in, keinem der 
von HALLER beschriebenen Nerven wiedererkennen. Von den bei 
Siphonaria gigas beschriebenen eigenthümlichen Darmnerven habe ich 
bei meinen Arten keine Spur finden können. 

Von Sinnesorganen konnte ich an der Innenfläche der Pedal- 
ganglien ein paar Otocysten mit zahlreichen Otoconien nachweisen ; 
auch HALLER, NOBRE, HUTTON und y. JHERING erwähnen sie. Ferner 
sind deutliche Augen wohl bei allen Arten vorhanden und nur wegen 
ihrer versteckten Lage von einigen Autoren wie HUTTON, TENISON- 
Woops (nach Hurron) und NOBRE übersehen worden; ich konnte bei 
Siphonaria laeviuscula auch den Opticus nachweisen. 

Ueber frühe Entwicklungsstadien hat Hurron einige Angaben ge- 
macht, bezüglich deren ich auf das Original verweise; als besonders 
wichtig hebe ich hervor, dass ein freischwimmendes Veligerstadium 
mit nautiloider Schale und Deckel vorhanden ist. Das Thierchen wird 
auf diesem Stadium durch einen links gelegenen Adductor in der 
Schale festgehalten ; bei der weitern Entwicklung soll die Schale ab- 
geworfen werden. 


Abschnitt II. 


Wir kommen jetzt zur Erörterung der letzten und wichtigsten 
Frage, der nach den Verwandtschaftsbeziehungen und der davon ab- 
hängenden systematischen Stellung der Siphonarien. Es ist gegen- 
wärtig kein Zweifel, dass die Verwandten von Siphonaria nur bei den 
Pulmonaten oder bei den Tectibranchien zu suchen sind; zu 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 69 


diesem Resultat ist jeder der neuern Beobachter, die das Thier unter- 
sucht haben, gekommen, und das geht aus seiner ganzen Organisation 
auch so klar hervor, dass eine nähere Begründung überflüssig ist. Als 
wesentlichster Unterschied zwischen den Tectibranchien und den Pul- 
monaten, speciell den Basommatophoren, die hier zunächst in Betracht 
kommen, ist aber die Thatsache anzusehen, dass erstere in der Athem- 
höhle, die mehr oder weniger weit geöffnet ist, ein Ctenidium, eine 
typische Kieme, besitzen, während bei diesen das Ctenidium fehlt und 
auf der Wand der Athemhöhle ein respiratorisches Gefässnetz zur 
Entwicklung kommt. Dabei ist noch die Athemhöhle bis auf eine 
kleine, meist auch verschliessbare Oeffnung abgeschlossen. 

Wir haben also zunächst nach dem morphologischen Werth der 
Kieme von Siphonaria zu fragen. Darüber finden wir drei verschiedene 
Ansichten vertreten: 1) die Kieme von Siphonaria ist der Mollusken- 
kieme, dem Ctenidium, nicht homolog, sondern eine Neubildung, 
entstanden durch die Anpassung an eigenthümliche Lebensbedingungen ; 
2) die Kieme von Siphonaria entspricht einer Reihe von Ctenidien, 
und jedes der „Kiemenblättchen‘ ist einem ganzen Ctenidium homolog ; 
3) die ganze Kieme von Siphonaria entspricht einem einzigen 
Ctenidium, wie wir es bei den übrigen Prosobranchiern und den 
meisten Tectibranchien unzweifelhaft in der Kiemenhöhle finden. 

Für die erste Annahme hat sich von den Autoren, die Siphonaria 
als Pulmonaten in Anspruch nehmen — das sind Quoy u. GAIMARD, 
DALL, STUDER, Hurron, LACAZE-DUTHIERS, NOBRE und BOUVIER — nur 
Hurron direct ausgesprochen, indem er (5, p. 342) schreibt: „evidently 
they (d. i. die Kiemen) are adaptive in origin and not homologous with 
the gills of other Mollusca“; auch Datu ist dieser Meinung, ganz un- 
zweifelhaft geht dies auch aus einem an mich gerichteten Brief hervor, 
in dem er kurz seine Meinung über diese Frage darlegt; dass LACAZE- 
DUTHIERS dieser Ansicht ist, schliesse ich daraus, dass er Siphonaria 
mit Gadinia zusammenstellt und ihre Kieme als „premiere ébauche 
d’une branchie‘ bezeichnet; die andern Autoren treten dieser Frage 
überhaupt nicht näher. 

Die zweite Ansicht ist erst kürzlich von HALLER aufgestellt worden, 
der Siphonaria mit Umbrella und Thylodina zusammengestellt und 
diesen Formen, wie überhaupt allen Pleurobranchien, eine Kiemenreihe 
ähnlich derjenigen der Chitonen zuschreibt. 

Für die dritte Möglichkeit hat sich zuerst v. JHERING entschieden, 
indem er Siphonaria zu den Steganobranchien stellte, direct neben 
die Pleurobranchiden, und auch ich habe diese Ansicht über die Kieme 


70 AUGUST KOHLER, 


in meiner vorläufigen Mittheilung, ohne sie allerdings näher zu be- 
gründen, aufgestellt. Ehe ich die Begründung hier versuche, möchte 
ich zuerst einige Bemerkungen über die Pallialorgane der Tecti- 
branchien überhaupt vorausschicken, die ich durch einige Zeichnungen 
auf Tafel 4 näher erläutere; dieselben machen keineswegs Anspruch 
auf Vollständigkeit, sondern sollen nur einige Thatsachen vorführen, 
die mir für die Vergleichung mit Siphonaria von besonderer Wichtig- 
keit zu sein scheinen; vielleicht kann ich bei einer andern Gelegenheit 
die Athemhöhle der Tectibranchien einmal ausführlicher bearbeiten. 

Zum Ausgangspunkt wähle ich das Dach der Athemhöhle von 
Bulla striata BruG. Ich habe dasselbe abpräparirt und von der 
Innenseite in Fig. 60, Taf. 4, dargestellt. In der vordern linken (auf 
das Thier bezogen) Ecke liegt das Herz in dem Herzbeutel, der 
Ventrikel (ve) nach unten und vorn, das Atrium (at) nach oben und 
hinten gerichtet. Hinter dem Herzen liegt die Niere (ren); sie besitzt 
einen trapezförmigen Umriss, die kürzere Grundlinie liegt dem Herz- 
beutel, die längere dem Hinterrand der Athemhöhle an. Am rechten 
Schenkel der Niere erhebt sich eine Membran, welche bis zum Herzen 
nach vorn verläuft und sich dann schräg nach rechts und vorn wendet; 
sie trägt die Kieme (ct), die, wie schon VAYSSIERE, allerdings bei einer 
andern Art (14), richtig beschreibt, aus Falten dieser Membran besteht, 
die bald nach der einen und bald nach der andern Seite vorspringen. 
Der nach vorn gerichtete, zum grössten Theil festgewachsene Rand 
der Kieme trägt die Kiemenvene, der nach hinten gerichtete das 
zuführende Kiemengefäss; letzteres habe ich auch an meinen 
Präparaten gut ohne Injection erkennen können und daher eingezeichnet. 
Die Nierenöffnung hat VAyssıkrE nicht beschrieben ; sie liegt, 
wie aus meiner Fig. 60 hervorgeht, auf einer kleinen Papille, die an 
der hintern rechten Ecke der Niere hinter der Kieme vorspringt. 

Ganz ähnlich verhalten sich die Organe des Pallialcomplexes bei 
Scaphander lignarius, nur erscheinen sie, wie ein Vergleich unserer 
Fig. 59 mit 60 zeigt, in der Richtung von hinten nach vorn mehr 
zusammengeschoben, so dass alle Organe im Verhältniss zur Breite 
viel kürzer sind als bei Bulla. Die Kieme ist wieder ähnlich gebaut 
wie bei Bulla; um eine Vorstellung von der complicirten Faltung zu 
geben, bilde ich Fig. 18, Taf. 6, einen Schnitt ab, der senkrecht zu 
den Falten etwa durch die breiteste Stelle der Kieme geführt ist. Die 
Nierenöffnung liegt auch am rechten Nierenrand hinter der Kieme 
nahe dem zuführenden Kiemengefäss; ich habe sie Fig. 19, Taf. 6, 
auf einem Querschnitt abgebildet. 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 71 


Etwas abweichend verhält sich Acera bullata. Während Kieme 
und Herz sich im Allgemeinen wie bei den beiden andern Arten ver- 
halten, hat sich die Niere über die Insertion des abführenden Kiemen- 
rands hinaus weit nach rechts ausgebreitet, so dass sie bis nahe an 
den Mantelrand reicht (Fig. 62). Die Nierenöffnung liegt wie bei den 
beiden andern Arten hinter der Kieme auf einem kleinen, sich auf 
dieselbe erstreckenden Fortsatz (Fig. 62 u. 61 renpo). 

Die Anatomie von Gastropteron meckeli hat VAYSSIÈRE in einer 
schönen Monographie ausführlich beschrieben, und ich würde mich auf 
die Anführung seiner Angaben hier beschränken können, wenn nicht 
ein eigenthümlicher Zufali den französischen Gelehrten bei dem Auf- 
suchen des Nierenporus auf falsche Bahn geleitet hätte. VAYSSIÈRE 
fand nämlich einen schwarzen Punkt vor dem After, dorsal von 
der Kieme, der direct der Wand des BoJanus’schen Organs aufsass; 
nach längerer Maceration glaubte er darin Oeffnungen zu erkennen, 
und es lag nahe, den schwarzen Punkt für die Nierenöffnung zu halten. 
Ich habe die Sache auf Schnittserien nachuntersucht und dabei fest- 
stellen können, dass der schwarze Punkt mit der Niere nichts weiter 
zu thun hat; es ist ein kleines Bläschen mit schwarz pigmentirter 
Wand, das durch einen äusserst engen Canal mit der Epidermis in 
Verbindung steht (Fig. 17, Taf. 6); was es eigentlich bedeutet, habe 
ich noch nicht ermitteln können. Die Nierenöffnung liegt ganz 
hinten in dem Winkel, den die Membran, welche die einzelnen Kiemen- 
blättchen trägt, mit der Körperwand bildet; sie kann daher erst sicht- 
bar werden, wenn man den freien Theil der Kieme nach oben klappt. 
Bei meinen conservirten Exemplaren war sie bei der Betrachtung von 
aussen kaum zu erkennen, dagegen lässt sie sich auf Schnitten sehr 
gut nachweisen (Fig. 57, Taf. 4, renpo), Die Kieme ist, wie VAYSSIÈRE 
zutreffend beschreibt, halb gefiedert. Auf einer Membran, die vorn 
die Kiemenvene, hinten das zuführende Kiemengefäss trägt, sitzen ge- 
faltete Lamellen, in denen das Blut circulirt; ich habe Fig. 58 einen 
senkrecht zu den einzelnen Kiemenblättern geführten Schnitt abge- 
bildet, der die Membran (me) und die darauf sitzenden Blätter (bl) 
schön zeigt; letztere tragen an ihrem freien Rand die abführenden 
Gefässe (kv), die weiter vorn in die Kiemenvene münden; das hintere 
Ende dieses Gefässes ist schon bei kv getroffen. 

Doppelt gefiederte Kiemen kennen wir von den Pleurobran- 
chiden. Nach Lacaze-Durnrers (11) bildet die Kieme hier eine 
horizontale, dreieckige Membran, deren Basis am Körper befestigt ist, 
während die Spitze frei bleibt; auf ihrer obern und untern Seite ent- 


12 AUGUST KÖHLER, 


springen dann die Lamellen, die wieder secundäre tragen. Der hintere 
freie Rand der Membran trägt einen zuführenden Canal. In der an- 
gewachsenen Basis ist ebenfalls ein zuführendes Netzwerk vorhanden, 
während am vordern freien Rand, den ich kurz den abführenden nennen 
will, die Kiemenvene zum Herzen verläuft (fig. 1, tab. 9). Die An- 
ordnung der Lamellen zeigt sehr schön ein der Sagittalebene des 
Thieres paralleler Schnitt durch die Kieme; ich bilde Taf. 6, Fig. 16 
einen solchen durch die Kiemenspitze eines kleinen Oscanius ab. Die 
Niere mündet nach LAcAzE vorn, unter der Basis der Membran 
(li. tab. 10, 52.25). 

Aehnlich gebaut ist nach VAyssıkrz (16) die Kieme von Thylodina, 
nur scheint sich, wie ich aus den Abbildungen schliesse, der bei Pleuro- 
branchus nach aussen gerichtete abführende Rand nach oben ge- 
wandt zu haben, so dass jetzt die Lamellen nicht mehr eine dorsale 
und eine ventrale, sondern eine mediale und eine laterale Reihe bilden. 

Fast genau ebenso verhält sich der hintere Theil der Kieme von 
Umbrella nach Moqutn-Tanpon (1 2), doch ist, vorn wenigstens, der 
abführende Rand ventral gewandt (tab. 1, fig. 6), und ausserdem setzt 
sich die laterale Reihe der Kiemenblättchen kopfwärts bis über die 
Medianlinie des Körpers in der zwischen Fuss und Mantel gelegenen 
Furche fort (tab. 4, fig. 3). Auch an diesem Theil liegt das zuführende 
Gefäss dorsal, das abführende, die Kiemenvene, ventral. An der Stelle, 
wo der freie, doppelt gefiederte Theil der Kieme in den einfach ge- 
fiederten übergeht, münden beide Kiemenvenen in den Vorhof. Etwas 
hinter dieser Stelle mündet unter der Kieme die Niere aus (12, tab. 1, 
fig. 6 a). 

Vergleicht man diese verschiedenen Arten mit einander, so zeigt 
sich in der Gestalt der Kieme eine ziemlich beträchtliche Variation, 
doch lässt sie sich, wie auch BERNARD (19) hervorhob, stets als eine 
gewöhnlich etwa dreieckige Falte des Integuments auffassen, die mit 
einer Seite, der Basis, von der Körperwand entspringt und am vordern, 
kopfwärts gerichteten Rand die in den Vorhof mündende Kiemenvene, am 
hintern, analwärts gewandten das zuführende Kiemengefäss trägt. Die 
Insertionsstelle dieser Falte beschränkt sich jedoch nicht allein auf 
die Basis, sondern dehnt sich auf den abführenden (Bulla, Scaphander, 
Acera) oder zuführenden (Gastropteron, Pleurobranchiden, Umbrella, 
Thylodina) Rand aus, wie auch in den schematischen Figuren E (Bulla) 
und H (Gastropteron oder Plewrobranchus) durch eine punktirte Linie 
angedeutet ist. Auch die Gefässvertheilung entspricht daher in Wirklich- 
keit nicht genau dem angenommenen Schema, indem die Kiemenvene 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 73 


beim Austritt aus dem Herzen sich gabelt (Fig. E); wie dieses Verhalten 
phylogenetisch zu erklären ist, müssen spätere Untersuchungen lehren: 
es kann in der Ausbildung einer zweiten Kiemenvene an der Nieren- 
basis seinen Grund haben, ebenso gut aber auch durch eine Ver- 
schiebung des Herzens dem Verlauf der Kiemenvene entlang zu Stande 
kommen. Bei Gastropteron und den Pleurobranchiden ist es das zu- 
führende Kiemengefäss, das ein ähnliches Verhalten zeigt. Auch die 


Fig. E. Fig. F. Fig. 6. 


Fig. K. 


Fig. E. Anordnung der Pallialorgane, Herz, Niere und Kieme bei Bulla. 

Fig. F. Querschnitt durch die Gegend der Nierenmündung bei Pleurobranchiden. 

Fig. G. Desgl. bei Umbrella, es ist der hintere freie Theil der Kieme getroffen. 

Fig. H. Anordnung der Pallialorgane bei Gastropteron. Denkt man sich die Nieren- 
öffnung weiter nach vorn gerückt und die Kieme doppelt gefiedert, so hat man die An- 
ordnung der betreffenden Organe bei den Pleurobranchiden. 

Fig. J. Schnitt durch die Gegend der Nierenmiindung bei Gastropteron. 

Fig. K. Schnitt durch den vordern, in der Mantelfurche angewachsenen Theil der 
Kieme bei Umbrella. 

at Vorhof, f Fuss, ka zuführendes Kiemengefäss, kv abführendes Kiemengefiiss, 
1, 1, Kiemenblättehen, mf Mantelfalte, ren Niere, renpo Nierenporus (wegen Mangel an 
Raum nur in Fig. F eingetragen), ve Ventrikel. Für alle Querschnitte ist derselbe 
Umriss zu Grunde gelegt, ohne Rücksicht auf die verschiedene Ausbildung des Fusses 
bei den verschiedenen Formen, 


74 AUGUST KOHLER, 


Art und Weise, wie die Vergrösserung der den Gasaustausch ver- 
mittelnden Oberfläche in beiden Fällen erreicht wird, ist eine ver- 
schiedene: bei Bulla, Scaphander etc. ist die ganze Membran zwischen 
den beiden Gefässen, wie wir oben sahen, abwechselnd nach unten und 
oben gefaltet; bei den Pleurobranchiden dagegen bleibt sie ziemlich 
glatt und ist auf ihren beiden Seiten mit alternirenden Fiederblättchen 
besetzt. Auch Gastropteron zeigt den letztern Typus, jedoch mit der 
Abweichung, dass nur auf der nach aussen und oben gewandten Fläche 
der Membran die Lamellen zur Ausbildung kommen, und die Lamellen 
sind ihrerseits nicht gefiedert wie bei Pleurobranchus, sondern nur 
gefaltet. 

Beide Arten der Oberflächenvergrösserung, die „Fiederung“ 


wie die „Faltung“, lassen sich leicht als Modificationen der einen 


gemeinsamen, schon oben angenommenen Anlage erklären. Die Haut- 


Fig. L. Fig. M. 


9 2 


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3 1 3 


Fig. L. Schema der gefiederten Kieme. 

Fig. M. Schema der gefalteten Kieme. 

a, b die beiden Blätter der die Kieme bildenden Hautduplicatur, welche die Bluträume 
einschliessen ; 1, 2, 3 die sogenannten Kiemenblättchen. 


falte, welche die Kieme, im Grund genommen, darstellt, besteht ja 
als solche aus zwei Blättern, a und b, Fig. L und M, zwischen denen 
die Blutflüssigkeit circulirt. Dies findet, wie auch BERNARD ausführt, 
in der Weise statt, dass an den Kanten des Blattes je ein grösserer 
Blutraum die Zu- resp. Abfuhr des Blutes übernimmt, während sich 
zwischen ihnen ein Netz von kleinern Bluträumen ausbildet, das den 


— 7 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 75 


eigentlich respiratorischen Theil vorstellt. Die Leistungsfähigkeit des 
Organs steht nun in geradem Verhältniss zur Grésse der Oberfläche, 
welche die in dem respiratorischen Theil der Kieme enthaltene Blutmasse 
dem sauerstoffhaltigen Medium darbietet, und diese kann bei geringer 
Entwicklung der die Bluträume durchsetzenden Trabekel der Summe 
beider Oberflächen des respiratorischen Theils gleichgesetzt werden. 
Kine Vergrésserung der mittlern, die respiratorische Oberfläche bilden- 
den Theile der beiden Blätter ohne gleichzeitige Verlängerung der 
zu- und abführenden Gefässe, welche die Höhe der Leistung nicht oder 
gar ungünstig beeinflusst, hat aber zur Folge, dass sich in der Mitte 
Falten ausbilden und zwar, soweit mir bekannt, meist so, dass die 
von beiden Blättern gebildeten Falten mit einander alterniren. Drei 
derartige Falten zeigt die schematische Figur L, die den einfachsten 
Fall des bei Pleurobranchus ausgebildeten Typus darstellt. An einer 
solchen Kieme kann man dann zwei Reihen von Falten oder Lamellen 
(Kiemenblättchen) unterscheiden, die den beiden Seiten einer 
dünnen Membran, der Axe aufsitzen. 

Steht die Axe in horizontaler Richtung von dem Körper ab (Fig. F), 
so dass die Kiemenblattchen auf beiden Seiten gleichen Raum zur Ver- 
fügung haben, so ist ihre Zahl auf beiden Seiten gleich, wie man aus 
Vayssızre’s Angaben über die Pleurobranchiden des Marseiller Golfes 
entnehmen kann (17); neigt sie sich dagegen in einer oder der andern 
Richtung, so dass sich eine Seite mehr oder weniger der Körperwand 
anlegt, so ist auf letzterer die Zahl der Kiemenblättchen eine geringere, 
wie z. B. bei Thylodina, sie können sogar auf der letztern ganz fehlen, 
wie bei Gastropteron. 

Der Kieme von Thylodina entspricht nach Lage und Bau voll- 
kommen der hinter der Mündung der Kiemenvenen gelegene Theil der 
Kieme von Umbrella; für den vordern Theil der Umbrella-Kieme aber 
finden wir bei Thylodina kein entsprechendes Gegenstück. Er scheint 
dadurch als eine Neubildung entstanden zu sein, dass die laterale 
Reihe der Kiemenblättchen sich über den vordern Rand der eigent- 
lichen Kieme auf den Boden der Mantelrinne ausgedehnt hat, und in 
Verbindung damit hat sich eine- besondere, von vorn in das Herz ein- 
tretende Kiemenvene ausgebildet. Diese Annahme scheint mir wenigstens 
mit Rücksicht auf das Verhalten von Thylodina plausibler als die, 
dass im vordern Theil die Kiemenaxe nach Rückbildung der medialen 
Kiemenblättchenreihe mit der Seitenwand des Körpers in grösserer 
Ausdehnung verwachsen sei; diese Auffassung würde die Lage des 
fraglichen Kiemenabschnitts vor dem Herzen und die Ausbildung der 


76 AUGUST KÔHLER, 


zweiten Kiemenvene nicht erklären, falls man nicht noch ausserdem 
eine Verlagerung des Herzens nach hinten annehmen wollte. 

Ohne auffällige Veränderung der Form, Anzahl und Grösse der 
Falten einer doppelt gefiederten Kieme kann eine wesentliche Ver- 
grösserung der Oberfläche erreicht werden, wenn sich an der Bildung 
einer respiratorischen Lamelle nicht nur das eine Blatt, z. B. auf Fig. L 
das Blatt b, an der Bildung der Lamelle 1 betheiligt, sondern jede 
Lamelle durch die gleichmässige Faltung beider Blätter gebildet wird, 
wie Fig. M (S. 74) zeigt; es ist dies in schematischer Darstellung das 
Verhalten, das wir bei Bulla, Scaphander und Acera gefunden haben 
und dem wir, wie ich in Bestätigung einer Angabe von BERNARD hier 
nachtragen will, auch bei Aplysia begegnen. Von einer Axe kann 
hier nicht mehr die Rede sein, der ganze respiratorische Theil ist 
eine gefaltete Membran. Das hat BERNARD (19, p. 249) mit Recht 
hervorgehoben; er geht jedoch zu weit, wenn er die Existenz einer 
Axe, eines „support branchial‘‘ überhaupt bei Tectibranchien leugnet, 
denn bei Gastropteron und den Pleurobranchiden ist er sicher vor- 
handen, wie ich selbst bestätigen konnte, ebenso nach VAYSSIÈRE’S 
und Moguin-Tanpon’s Beschreibung bei Umbrella und Thylodina. 
Diese Axe kann allerdings ihrerseits noch gefaltet sein, wie wenigstens 
meine Schnitte von Gastropteron zeigen, und ebenso kénnen sich die 
einzelnen Lamellen verhalten. 

Wir kommen nun zur Kieme von Siphonaria. Sie besteht aus 
einer Reihe von gefalteten, häufig secundäre Lamellen tragenden Blatt- 
chen, die in ihrem Bau und ihrer Lage zwischen dem zuführenden 
und abführenden Gefäss ganz den Kiemenblättchen von Umbrella oder 
Pleurobranchus entsprechen. Sie entspringen allerdings nicht von einer 
Axe, sondern direct von dem Dach der Athemhöhle, ähnlich wie die 
vordern Kiemenblättchen von Umbrella von der Seite des Körpers. 
Meines Erachtens ist dieser Unterschied aber nicht schwer zu erklären: 
die Kieme von Siphonaria lässt sich z. B. aus der doppeltgefiederten 
Kieme leicht ableiten, wenn man eine Reduction der Kiemenblättchen 
auf einer Seite der Axe und Verlöthung der letztern mit der Unter- 
lage annimmt. 

Uebrigens besitzt auch ein anderer Opisthobranchier, Lobiger, 
nach MAZZARELLI eine ähnliche kammförmige Kieme wie eine junge 
Siphonaria. 

Lässt sich so die Kieme von Siphonaria nach ihrem Bau leicht 
an die Kieme der Pleurobranchiden resp. Umbrellen anschliessen, so 
ist andrerseits ihre Lage eine ganz ähnliche wie bei den Tectibranchien 


Beitrige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. rer 


mit gut ausgebildeter Athemhöhle, wie besonders eine Vergleichung 
des Daches der Athemhöhle von Bulla (Fig. 60, Taf. 4) mit einem 
entsprechenden Präparat von Siphonaria zeigt (vergl. aspera, Fig. 45, 
Taf. 4). Diese Aehnlichkeit ist noch etwas grösser bei Siphonaria 
redimiculum, wo das linke Ende der Kieme nicht so stark entwickelt 
ist. Besondere Erwähnung scheint mir hier die Uebereinstimmung in 
der Lage der Kieme zur Niere, speciell der Nierenmündung bei Sipho- 
naria und diesen Opisthobranchiern zu verdienen. Geht man von 
dem Mantelrand aus, so liegt der Nierenporus stets dicht hinter der 
Kieme, bei Formen mit ausgebildeter Athemhöhle, wo beide Organe 
in dem Dach derselben liegen, also links von der Kieme, so bei Bulla, 
Acera, Scaphander (Fig. 59—62, Taf. 4; Fig. 19, Taf. 6), sonst unter 
derselben, so bei Gastropteron (Fig. 57, Taf. 4), Umbrella (12, fig. 6, 
tab. la), Pleurobranchus (11, fig. 2, tab. 10 y). Bei Acera und Bulla 
liegt die Nierenmündung sogar auf einer kleinen Papille, die sich über 
die Kieme hinüberlegt (Fig. 61 u. 62), ganz ähnlich wie bei Siphonaria, 
wo dieselbe ja einem Kiemenblättchen anliegt. Die Unterschiede in 
der Anordnung der das Dach der Athemhöhle einnehmenden Organe 
bei Siphonaria einerseits und den meisten Cephalaspideen andrerseits 
scheinen mir hauptsächlich in einer Verlagerung des Herzens nach 
links und einer Verlängerung der Kieme nach derselben Seite zu be- 
stehen. Der Abstand des Vorhofs von der Kieme wird dadurch ver- 
grössert, und in Folge dessen hat eine Sonderung der das Blut dem 
Herzen zuführenden Gefässe in der Weise stattgefunden, dass sich 
jetzt zwei Abschnitte unterscheiden lassen, einer, der vom Herzen 
vor oder in der Niere nach dem ausführenden Rand der Kieme hin 
verläuft und bei allen Siphonarien durch die secundären Kiemenvenen 
gebildet wird, und einer, der am ausführenden Rand selbst liegt, das 
ausführende Kiemengefäss. Als ein Zeugniss für diese Wanderung 
des Herzens nach links ist es vielleicht aufzufassen, dass sich der 
Vorhofsmusculatur angehörende Muskelfasern in der vordern Kiemen- 
vene befinden. Diese Verschiebung des Herzens scheint mir bedingt 
durch den mit der eigenthümlichen Lebensweise verknüpften, relativ 
vollständigen Abschluss der Athemhöhle nach aussen; der den Porus 
tragende Theil der Niere musste im Interesse der Function in die 
Nähe des Athemlochs rücken, während das Herz eher in dem ent- 
fernteren Theil der Athemhöhle liegen konnte. Die Entstehung zweier 
secundärer Kiemenvenen scheint, wie ein Vergleich von Siphonaria 
redimiculum mit den andern Arten lehrt, in der zunehmenden Aus- 
bildung der patelloiden Form begründet zu sein, denn dabei dehnte 


78 AUGUST KÖHLER, 


sich die Athemhöhle besonders nach hinten und links aus, und in 
dieser Richtung verlängert sich auch der links von der Nierenpapille 
gelegene Theil der Kieme, dessen Blut speciell von dem hintern Gefäss 
dem Herzen zugeführt wird. 

Die Ausdehnung der Niere am Dach der Athemhöhle scheint mir 
für die Vergleichung von keiner besondern Wichtigkeit zu sein, da 
sie sowohl bei den verschiedenen Siphonarien als auch bei den ver- 
schiedenen Tectibranchien mannigfachen Variationen unterliegt; ich 
erinnere nur an Siphonaria pectinata und aspera, sowie Bulla striata 
und Acera bullata (Fig. 1, Taf. 1; Fig. 45, Taf. 4; Fig. 60 u. 61, 
Taf. 4). Grössere Beachtung verdient vielleicht der Umstand, dass 
ein Theil der Niere auf dem Boden der Athemhöhle liegt, was ich 
bei keiner der andern Formen gefunden habe. 

Die Uebereinstimmung, welche die Kieme von Siphonaria be- 
sonders mit Bezug auf ihre Lage zu den andern Organen der Athem- 
höhle mit den Kiemen der Tectibranchien zeigt, scheint mir den 
Schluss zu rechtfertigen, dass wir es hier mit homologen Organen zu 
thun haben, eine Ansicht, die noch unterstützt wird durch die Art 
der Innervirung; sie ist bei Siphonaria die gleiche wie bei den meisten 
Tectibranchien: die Nerven entspringen von dem am Eingang der 
Athemhöhle gelegenen Ganglion (Kiemenganglion, Ganglion 
olfactorium), das mit dem ersten Ganglion der Visceralcommissur 
in Verbindung steht und von einem charakteristischen Sinnesepithel 
bedeckt wird. 

Es erhebt sich nun die Frage, wie die Kieme in beiden Fällen 
zu deuten sei. Meines Wissens ist noch kein begründeter Zweifel 
darüber erhoben worden, dass die Kieme der Bulliden eine echte 
Kieme, ein Ctenidium sei und somit der Prosobranchierkieme homolog. 
Das beweist ihre Innervirung von einem Kiemenganglion aus, das 
VAYSSIERE in seiner Arbeit tiber die Bulliden genauer untersucht hat; 
bald darauf wiesen SPENGEL (15) und später BERNARD (19) nach, dass 
über diesem Ganglion sich ein Sinnesepithel befinde. SPENGEL deutete 
das Ganglion mit dem Epithel darüber als Geruchsorgan und erklärte 
es fiir homolog den bei den verschiedensten Mollusken verbreiteten, 
mit der Kieme in Verbindung stehenden Sinnesorganen, der Pseudo- 
branchie der Monotocardier und den „Kiemenganglien“ 
der Diotocardier, wenn wir uns auf die Prosobranchier be- 
schränken wollen. BERNARD dagegen giebt nur die Homologie mit 
den Kiemenganglien der Diotocardier zu, dem die Pseudo- 
branchie nicht direct homolog sein soll. Es ist hier nicht der Ort, 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 79 


auf diese Frage näher einzugehen; für unsern Zweck genügt es, dass 
feststeht, dass die Kieme der Cephalaspideen ebenso von einem 
„Branchial“-Ganglion und Geruchsorgan innervirt wird wie die Kiemen 
der niedern Prosobranchier, es beweist das, dass sie ebenso gut wie 
jene ein Ctenidium ist. 

Etwas anders liegen die Dinge bei Umbrella und den Pleuro- 
branchen. Hier weicht die Kieme in ihrem Bau etwas ab, und es 
fehlt auch das Geruchsorgan bezw. das Kiemenganglion, doch ist bei 
Umbrella am ausführenden Kiemenrand ein Nervengeflecht entwickelt, 
das von einem Nerven versorgt wird, der vom rechten Ganglion der 
Visceralcommissur entspringt, das in seinem vordern Theil jedenfalls 
dem Pleurointestinalganglion von Siphonaria entspricht. Von diesem 
Nervennetz konnte BERNARD Fasern zu kleinen, zerstreuten Epithel- 
inseln verfolgen, die wie das Epithel des Geruchsorgans aus Sinnes- 
und Wimperzellen bestanden. BERNARD halt, wie mir scheint mit Recht, 
dieses Nervennetz mit den Epithelinseln fiir ein gewissermaassen diffuses 
Geruchsorgan. Dieses Verhalten der Innervirung gestattet allerdings 
keinen sichern Entscheid in der Frage, die durch HALLER (9) aufge- 
worfen wurde, ob nämlich Umbrella und die Pleurobranchiden eine 
einzige Kieme oder eine Kiemenreihe, ähnlich wie die Chitonen, besitzen. 
Ich habe aber schon oben bei der Vergleichung der Kiemen der ein- 
zelnen Tectibranchier unter einander nachzuweisen gesucht, dass eine 
principielle Uebereinstimmung in dem Bau ihrer Kiemen besteht und 
dass trotz der anscheinend grossen Verschiedenheiten die doppelt ge- 
fiederten Kiemen der Pleurobranchen und die gefalteten der Bulliden 
sich unter Annahme eines in beiden Fallen nur wenig verschiedenen 
Entwicklungsprocesses, einer Faltenbildung, aus der gleichen Anlage 
ableiten lassen. Ferner konnte ich die bei allen Tectibranchiern im 
Wesentlichen, gleiche Lage der Kieme in Bezug auf andere Organe, 
speciell die Nierenmündung, feststellen, und aus diesen Gründen 
schliesse ich, dass das Respirationsorgan der in Frage stehenden 
Formen ein einziges Ctenidium ist. 

Diese Erwägungen gelten in noch höherm Grade für Siphonaria, 
wo wir ja noch ein wohlausgebildetes Geruchsorgan in typischer Lage 
finden; ich halte mich also zu dem Schluss berechtigt, dass die Kieme 
von Siphonaria ein echtes Ctenidium ist und nicht eine secundäre 
Neubildung in Anpassung an die eigenthiimliche Lebensweise. Dadurch 
scheint mir aber eben der Beweis erbracht, dass Siphonaria ein 
Opisthobranchier ist und kein Pulmonate. 

Andere Organsysteme sind für die Beurtheilung der Verwandt- 


80 AUGUST KOHLER, 


schaft nicht so gut zu verwerthen, da sie keine für die Ordnungen 
besonders charakteristischen Merkmale liefern oder unsere Kenntnisse 
dariiber noch nicht so ausgebreitet und gesichert sind, dass sich eine 
ausführliche Vergleichung verlohnte, ich will deshalb hier nur auf das 
Nervensystem und die Geschlechtsorgane eingehen. 

Das Nervensystem steht, worauf HALLER mit Recht aufmerk- 
sam macht, dem Nervensystem der Umbrellen, besonders Thylodina, 
am nächsten, nur ist die Verkürzung der Commissuren und Connective 
nicht so weit vorgeschritten. Es sind wie dort zwei Cerebral-, zwei 
Pedal- und zwei Buccalganglien sowie drei Ganglien der Visceral- 
commissur vorhanden. Die beiden Cerebralganglien sind bei Thylodina 
allerdings durch eine der Pedalcommissur angelagerte Subcerebral- 
commissur verbunden, die bei Siphonaria nicht nachgewiesen werden 
konnte, dagegen ist bei beiden eine zweite Pedalcommissur (Parapedal- 
commissur) vorhanden und zwischen den beiden Buccalganglien geht 
ein Nerv von der Commissur ab. Auch die Uebereinstimmung zwischen 
den Ganglien der Visceralcommissur ist recht gross, wie sich bei der 
Vergleichung der von ihnen abgehenden Nerven zeigt. Das rechte 
Ganglion von Thylodina entspricht dem Pleurointestinalganglion von 
Siphonaria, es versorgt wie dieses die rechte Seite des Körpers mit 
der Kieme; ein „Kiemenganglion“ wie bei Siphonaria ist allerdings 
von VAYSSIERE (16, 17) nicht beobachtet worden und wird wie bei 
Umbrella fehlen. Das mittlere Ganglion versorgt die Geschlechts- 
organe, wie das Abdominalganglion von Siphonaria; Nerven, die in 
die rechte Seite des Körpers eintreten, und solche, die Herz und 
Niere versorgen, werden nicht angegeben. Das linke Ganglion, dem 
linken Pleurointestinalganglion der Siphonarien entsprechend, entsendet 
wie dieses Nerven in die linke Seite des Körpers. 

Finden wir im Nervensystem eine grosse Uebereinstimmung mit 
den Umbrellen, so zeigen die Geschlechtsorgane Anklänge an die 
Bulliden. Eine Vergleichung im Einzelnen kann ich allerdings hier 
nicht durchführen, da wir, trotz der schönen Untersuchungen von 
MAZZARELLI und Anderen, den Geschlechtsapparat bei zu wenigen 
Formen genau genug kennen; ich muss mich deshalb auf die Ver- 
gleichung der gröbern anatomischen Verhältnisse beschränken, zumal 
es hier nicht meine Aufgabe sein kann, ohne eingehende eigne Unter- 
suchungen in eine Discussion dieser ziemlich verwickelten Frage ein- 
zutreten. 

Wie bei den Cephalaspideen und Anaspideen zerfällt der aus- 
führende zwittrige Theil des Geschlechtsapparats in zwei Theile, 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 81 


einen engen Zwittergang und einen weitern Theil, der die Schleim- und 
Eiweissdrüse aufnimmt. Dieser letzte Theil ist bei den Bulliden sehr 
kurz (,,cloaque sexuel“, VAYSSIùRE), bei Siphonaria dagegen stellt er 
den langen Spermoviduct vor und besitzt eine driisige Wand; in dieser 
Hinsicht erinnert Siphonaria an Acera bullata und die Aplysien, bei 
welchen dieser Abschnitt („grande condotto ermafrodisiaco“, Mazza- 
RELLI [21, 22]) ebenfalls sehr lang ist. Das Receptaculum seminis 
scheint mir nach Bau und Function der „poche copulatrice“ (VAYSSIÈRE) 
oder der SwAMMERDAM’schen Blase (MAZZARELLI) der übrigen Tecti- 
branchien zu entsprechen, sein Inhalt, Spermatophoren, deuten 
wenigstens darauf hin. Wie es sich jedoch mit den Homologien der 
von mir beschriebenen Samenblase verhält, kann ich nicht sicher an- 
geben; vielleicht entspricht sie dem bei Philine und Doridium vor- 
handenen Anhang des Zwitterganges. 

Ohne engern Zusammenhang mit dem übrigen Geschlechtsapparat 
ist das Copulationsorgan, mit alleiniger Ausnahme von Sipho- 
naria gigas und pectinata. Es besteht wie bei der Mehrzahl der 
Opisthobranchier aus einem musculösen und einem drüsigen Abschnitt, 
der erstere zerfällt aber nicht, wie es bei den Bulliden Regel ist, in 
einen eigentlichen, vom Ausfiihrgang der Prostata durchbohrten Penis 
und eine Penisscheide, sondern er stellt entweder ein einfaches muscu- 
löses Rohr dar, in das sich die Prostata öffnet, oder er mündet als 
musculöser Schlauch neben dem ausführenden Abschnitt der Prostata. 
Auf die eigenthümlichen Abweichungen einzelner Arten, die meines 
Erachtens einen ziemlich beträchtlich modificirten Zustand darstellen, 
brauche ich hier nicht noch einmal einzugehen. 

Ein weiterer Unterschied gegen die Bulliden ist der, dass eine 
deutliche Flimmerrinne fehlt, da beide Geschlechtsöffnungen dicht neben 
einander, am Boden einer Furche liegen. 

Das Verhalten der eben betrachteten beiden Organsysteme spricht 
auch für die Zugehörigkeit der Siphonarien zu den Tectibranchiern, 
aber weiter gehen und insbesondere ihre Stellung so präcisiren, wie 
es HALLER gethan hat, möchte ich nicht. Zunächst kann ich Sipho- 
naria nicht für einen der ältesten Opisthobranchier halten, denn 
die Hauptgründe, auf welche HALLER seine Ansicht stützt (9, p. 27), 
scheinen mir zum Theil wenigstens nicht stichhaltig. HALLER führt 
zunächst das Nervensystem an: dasselbe zeigt allerdings einzelne 
Eigenschaften, die schliessen lassen, dass es primitiver sei als das 
der Umbrellen, z. B. die längern Connective und das Osphradium, aber 
die phylogenetische Entwicklung der Umbrellen selbst ist noch nicht 


Zool. Jahrb, VII. - Abth. f. Morph. 6 


82 AUGUST KOHLER, 


festgestellt; dann das Vorhandensein doppelter Nieren, solche 
sind aber bei keiner Siphonaria ausser gigas gefunden worden, und 
es ist mir nicht unwahrscheinlich, dass bei dieser Form ein Be- 
obachtungsfehler vorliegt. Der Geschlechtsapparat, auf den 
HALLER weiter hinweist, ist aber im Allgemeinen nicht einfacher als 
der der Cephalaspideen gebaut. Auch dafiir, dass die Kieme wirklich 
einer Ctenidienreihe entspricht, scheint mir kein Beweis erbracht, ich 
habe vielmehr oben bei Besprechung der Athemhöhle den Nachweis 
geführt, dass sie sich ohne Schwierigkeit als ein einziges Ctenidium 
auffassen lässt. Was endlich die Kiemenvenen anlangt, so ist ihre 
Existenz durch die Entfernung des Herzens von der Kieme bedingt, 
und ich glaube nicht, dass hier ein primäres Verhalten vorliegt, es 
scheint vielmehr, wie ich schon oben ausführte, gerade ein erworbener 
Zustand zu sein. 

Dann möchte ich die Siphonarien nicht so nahe, wie es HALLER thut, 
mit den Umbrellen vereinigen, denn wenn auch Schale, Körperform und 
Nervensystem dies rechtfertigen könnten, so sprechen doch der Besitz 
einer wohl ausgebildeten Athemhöhle mit Osphradium und der Bau der 
Geschlechtsorgane, der sich dem bei den Cephalaspideen herrschenden 
Typus anschliesst, dagegen. 

Dazu kommt noch ein drittes, nämlich gewisse Beziehungen, die 
vielleicht zu Formen bestehen, die man zu den Pulmonaten, speciell 
zu den Basommatophoren rechnet. Es sind Gadinia, Auricula und 
Amphibola. Am ähnlichsten, schon durch die äussere Form, ist 
Gadinia. Auch die Athemhöhle zeigt nach Dati (13) und LaAcAzE- 
DuTHiErs (6) eine gewisse Uebereinstimmung mit der von Siphonaria. 
Sie breitet sich allerdings nicht so weit aus, sondern lässt, wie ich bei 
Gadinia peruviana constatiren konnte, den rechten, hintern Theil frei, 
die Niere ist auf das Dach der Athemhöhle beschränkt, an dem auch 
der Herzbeutel grösstentheils liegt; ein typisches Osphradium ist aller- 
dings nicht vorhanden. An dem Dach der Athemhöhle, vor der Niere, 
ist aber ein ähnliches Gefässnetz entwickelt wie bei Siphonaria, 
übrigens ist aber nicht allein diese Stelle der Athemhöhlenwand ge- 
fässreich, sondern auch auf dem Boden derselben und ausserhalb, im 
Mantelrand (nach LAcAZE-DUTHIERS), findet man zahlreiche Bluträume. 
Die Organe der Leibeshöhle, besonders die Geschlechtsorgane, deren 
durch LACAZE-DUTHIERS gegebene Beschreibung ich bei meiner vor- 
läufigen Untersuchung bestätigt finde, weichen aber ziemlich stark 
von Siphonaria ab. Die beiden andern Gattungen sind noch nicht 
gründlich unter Anwendung der neuern Methoden untersucht worden ; 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 83 


ich halte es deshalb für das Gerathenste, von einer Discussion der 
Beziehungen, die sich eventuell zwischen Siphonaria und diesen Pul- 
monaten auf Grund der vorliegenden Beobachtungen vermuthen lassen, 
abzusehen und weitere Untersuchungen abzuwarten, vielleicht wird es 
in einiger Zeit mir selbst möglich sein, durch Untersuchung des mir 
gegenwärtig zur Verfügung stehenden Materials, zwei Exemplare von 
Gadinia peruviana und zwei Exemplare von Ampullarina fragilis, die 
ich der Liberalität des Berliner Museums verdanke, etwas zur Lösung 
dieser Frage beizutragen. 

Das eine scheint mir aber jetzt schon sicher zu stehen: die hier 
nachgewiesenen Beziehungen von Siphonaria zu den Tectibranchien 
werden bei der Beurtheilung der systematischen Stellung dieser Gattung 
stets in erster Reihe in Rücksicht gezogen werden müssen. 


Nachtrag. 


Während des Drucks der vorliegenden Arbeit habe ich in Neapel 
durch die Güte des Herrn Dr. SCHIEMENZ zwei Exemplare der von 
HALLER untersuchten Siphonaria gigas erhalten. Ich habe einstweilen 
den Geschlechtsapparat und die Niere genauer untersucht und will 
hier nur kurz die von mir beobachteten Thatsachen mittheilen. 

Was zunächst die Niere anlangt, so habe ich keine wirkliche 
Trennung des obern Nierenlappens durch die hintere secundäre Kiemen- 
vene (hintere Kiemenvene, HALLER) beobachten können, auf manchen 
Querschnitten erscheint vielmehr das Gefäss völlig in die Nieren- 
substanz eingebettet, ohne dass dorsal oder ventral von ihm eine 
scharfe Grenze zwischen den rechts und links gelegenen Theilen der 
Niere zu erkennen wäre. Ebensowenig ist es mir gelungen, einen 
zweiten Nierenporus und die damit in Verbindung stehende Reno- 
pericardialpforte zu finden: die von HALLER gezeichnete Oeffnung ist 
ein Kunstproduct, wahrscheinlich dadurch entstanden, dass er beim 
Ablösen der Decke der Athemhöhle das linke zuführende Nierengefäss 
von dem Sinus, aus dem es entspringt, abgeschnitten hat; ein prä- 
formirter, das Nierenlumen mit der Mantelhöhle in Verbindung setzender 
Porus ist es sicher nicht. 

Auch Harrer’s Darstellung des Geschlechtsapparats muss ich in 
zwei Punkten entgegentreten: erstens ist nämlich kein Vas deferens 

6* 


84 AUGUST KOHLER, 


vorhanden (ich habe die distalen Theile des Geschlechtsapparats in toto 
herauspraparirt, geschnitten, und bei der Durchsicht der Serie hatte 
mir ein Vas deferens nicht entgehen können), und zweitens sitzt das 
Receptaculum nicht mit einem kurzen Stiel auf dem Spermoviduct 
auf, sondern mündet durch einen langen, neben dem genannten Canal 
verlaufenden Gang neben Spermoviduct und Penis aus. Die Geschlechts- 
organe sind also im Wesentlichen denen der beiden von mir unter- 
suchten südamerikanischen Arten ähnlich gebaut. Auf diese kurze 
Mittheilung muss ich mich einstweilen beschränken, weil sich eine 
ausführliche Darstellung nicht ohne Abbildungen geben lässt; bei der 
Beschreibung einer Anzahl anderer, ebenfalls von der Reise des Vettor 
Pisani stammender Siphonarien, die mir Herr Graf HALLER gütigst 
zur Bearbeitung überliess, werde ich das Fehlende nachholen. 

Ebenfalls erst nach Abschluss der Arbeit an andern Opistho- 
branchiern (z. B. Actaeon und Scaphander) angestellte Untersuchungen 
machen es mir wahrscheinlich, dass auch hinsichtlich eines hier nicht 
weiter discutirten Organs, nämlich des Wimperbandes, zwischen den 
Siphonarien und den genannten Arten eine Uebereinstimmung besteht, 
die auch Zeugniss von der Verwandtschaft der genannten Formen 
ablegt. 


Literaturverzeichniss. 


a) Literatur über Siphonaria. 


1) Quoy et Gamarp, Voyage de l’Astrolabe, Zoologie, Tome 2, 3, 
Paris 1832 —1835. 

2) W. H. Dati, Remarks on the anatomy of the genus Siphonaria 
with a description of a new species, in: Amer. Journ. of Conch., 
Vol. 6, Philadelphia 1870/71. 

3) v. JHERING, Vergleichende Anatomie des Nervensystems und Phylo- 
genie der Mollusken, Leipzig 1877. 

4) Sruper, Vortrag über die Anatomie von Siphonaria redimiculum 
ReEEvE, in: Mitth. der Nat. Ges. zu Bern aus dem Jahre 1880, 
Bern 1881. 

5) F. W. Hurron, Notes on the structure and development of Sipho- 
naria australis Quoy et GAIMARD, in: Ann. and Mag. of Nat. History 
(5), Vol. 9, London 1882. 

6) H. pe Lacaze-Durniers, Anatomie du Gadinia Garnoti, in: Compt. 
Rend. Acad. Paris, Tome 100, 1885. 


7) 


8) 


9) 


10) 


Beitriige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 85 


Aveusro Nogre, Contribuiçôes para a anatomia das Siphonarias, 
in: Revista de Sciencias naturaes e sociaes, orgäo dos trabalhos 
da Sociedade Carlos Ribeiro, Vol. 1, No. 3, Porto 1889. 

E. L. Bouvier, Recherches anatomiques sur les Gastéropodes pro- 
vehant des campagnes du Yacht L’ Hirondelle. Premiére note, in: 
Bull. Soc. Z. France, Tome 16, Paris 1891. 

B. Hauer, Die Anatomie von Siphonaria gigas Less., eines opistho- 
branchen Gastropoden, in: Arbeiten a. d. Zool. Institut zu Wien, 
Bd. 10, Heft 1, Wien 1892. 

A. Könter, Beiträge zur Anatomie von Siphonaria. Vorläufige Mit- 
theilung, in: 29. Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- 
und Heilkunde, Giessen. 


b) Literatur über andere Gastropoden. 


H. pe Lacaze-Duruiers, Histoire anatomique et physiologique du 
Pleurobranche orangé, in: Ann. Sc. Nat. Zool. (4), Tome 11, 1859. 
Moguin-Tanpon, Recherches anatomiques sur ’Ombrelle de la 
Méditerranée, in: Ann. Sc. Nat. Zool. (5), Tome 14, 1870. 

W. H. Dat, Materials towards a Monograph of the Gadiniidae, in: 
Am. Journ. of. Conch., Vol. 6, 1870—1871. 

A. Vayssıere, Recherches anatomiques sur les mollusques de la 
famille des Bullidés, in: Ann. Sc. Nat. Zool. (6), T. 9, 1879—1880. 
J. W. SrENGEL, Die Geruchsorgane und das Nervensystem der 
Mollusken, in: Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. 35, 1881. 

A. Vayssıöre, Recherches anatomiques sur les genres Pelta et 


-Thylodina, in: Ann. Sc. Nat. Zool. (6), T. 15, 1883. 


— — Recherches zoologiques et anatomiques sur les mollusques 
opisthobranches du Golfe de Marseille, in: Ann. du Musée @ Hist. 
Nat. de Marseille, Zoologie, T. 2, 1885. 

H. pe Lacaze-Dutsiers, Le système nerveux et les formes em- 
bryonnaires du Gadinia Garnoti, in: Compt. Rend. Acad. Paris, 
Tome 100, 1885. 

F. Bernarp, Recherches sur les organes palléaux des Gastéropodes 
prosobranches, in: Ann. Sc. Nat. Zool. (7), T. 9, 1890. 

R. Perrier, Recherches sur l’anatomie et l’histologie du rein des 
Gastéropodes prosobranches, in: Ann. Sc. Nat. Zool. (7), T. 8, 1889. 
G. F. Mazzareti1, Richerche sulla morfologia e fisiologia dell’ 
apparato riproduttore nelle Aplysie del Golfo di Napoli, in: Atti 
Accad. Napoli, Vol. 4, Serie 2a, Append. No. 5, 1891. 

— — Intorno all’ apparato riproduttore di alcuni Tectibranchi 
(Pleurobranchaea, Oscanius, Acera), in: Zool. Anz., Jahrg. 14, 1891. 
— — Richerche sulla morfologia delle Oxynoidae, in: Soc. Ital. 
d. Scienze (detta dei XL), T. 9, No. 1, 1892. 


86 AUGUST KOHLER, 


Erklirung der Abbildungen. 


Die sämmtlichen Querschnitte von Siphonarien sind so gezeichnet, 
dass ihre dem Kopfende zugekehrte Fläche dem Beschauer zugewandt 
ist, ebenso sind die meisten andern Querschnitte gezeichnet, mit Aus- 
nahme derjenigen, deren Nummer mit einem * bezeichnet ist. 


Folgende Bezeichnungen haben für alle Figuren Gültigkeit: 


aa Arteria anterior. 

ad Adductor. 

ad, Theil des Adductors vor dem 
Athemloch. 

af After. 

ag Abdominalganglion. 

ah Athemhôhle. 

al Anallappen. 

alo Athemloch. 

ap Arteria posterior, Eingeweide- 
arterie. 

bg Buccalganglion. 

cc Cerebralcommissur. 

cg Cerebralganglion. 

cp Cerebropedalconnectiv. 

cpl Cerebropleuralconnectiv. 

ct Kieme. 

d,—d, Darmcanal. 

dah Dach der Athemhühle. 

ed Eiweissdrüse. 

jl Flagellum. 

gcl Genitalcloake. 

go Ganglion olfactorium, Kiemen- 
ganglion. 

hep, linke Leber. 

hep, rechte Leber. 


k Kiefer. 

ka zuführendes Kiemengefäss. 

kv, vordere secundäre Kiemenvene. 
kv, hintere secundäre Kiemenvene. 
kv. abführendes Kiemengefäss. 
lzn linkes zuführendes Nierengefäss. 
m Magen. 

mf Mantelfalte. 

mh Mundhöhle. 

mu Muskel in der Kiemenvene. 

n Nerven. 

nv abführende Nierengefässe. 

oc Auge. 

oe Oesophagus. 

os Geruchsorgan. 


' ot Otocyste. 


pe Pericard. 

pe Penis. 

1 pec 1. Pedalcommissur. 

2 pec 2. Pedalcommissur. 

pg Pedalganglion. 

plg Pleurointestinalganglion. 

pr Prostata. 

pr, Prostatastiel. 

prr Prostatarinne 
oviducts. 


des Sperm- 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 87 


r Radula. 

ren Niere. 

renp Nierenpapille. 

renpo Nierenporus. 

rp Renopericardialpforte. 

rs Receptaculum. 

rs, Stiel des Receptaculums. 

rt Radulatasche. 

rzn rechtes zuführendes Nieren- 
gefäss. 

sb Samenblase. 

sd Schleimdrüse. 


si Pallialsinus. 

spdr Speicheldrüse. 

spov Spermoviduct. 

sr Schleimrinne desselben. 

st Stützbalken der Radula. 

ve Ventrikel. 

vi Visceralcommissur. 

wb Wimperband. 

zw Zwitterdrüse. 

zwg Zwittergang. 

a, 6, y Blutgefasse (Aeste der 
Arteria anterior). 


- 


Wate) 1 
Alle Figuren dieser Tafel beziehen sich auf Siphonaria pectinata L. 


Fig. 1. Das Thier nach Entfernung der Schale von der rechten 
Seite gesehen. mf Mantelfalte, 7 Ansatzlinie der Mantelfalte zwischen 
den Vorderenden des Adductors. Vergr. 3. 

Fig. 2. Dasselbe von der Bauchseite gesehen, f Fuss, 
u« Spalte, an deren Boden die Mundöffnung liegt. Vergr. 3. 

Fig. 3. Das Thier von der Riickenseite gesehen. Die Decke der 
Athemhéhle ist rechts, vorn und hinten abgelöst und nach links hinüber- 
geschlagen. Auch der Herzbeutel ist zum Theil eröffnet. Vergr. 6. 

Fig. 4 Dasselbe. Das Dach der Athemhöhle ist ganz entfernt, 
ebenso der Boden, so dass die Leibeshöhle eröffnet ist. Vergr. 71/5. 

Fig. 5. Die Geschlechtsorgane aus dem Thier herauspräparirt und 
von der Bauchseite gesehen. Der Theil der Genitalcloake, der in der 
Fussmusculatur steckt, ist abgeschnitten, ebenso der Retractor. Ver- 
grösserung 61/,. 

Fig. 6. Darm, Leber und Herz von der ventralen Seite gesehen, 
der Schlundkopf ist nicht mit dargestellt. Vergr. 8. 

Fig. 7. Querschnitt eines jüngern Exemplars durch die Gegend 
der Geschlechtsöffnung. rs, Stiel des Receptaculums, spov Spermoviduct, 
gel Genitalcloake, mh hinteres Ende der Mundhöhle, in den Schlundkopf 
eingebettet, spdr die Ausführgänge der beiden Speicheldrüsen, ah vorderer 
Theil der Athemhöhle. Vergr. 22. 

Fig. 8. Desgl. weiter nach hinten. Ausser den im Vorhergehenden 
genannten Organen zeigt der Schnitt noch os das Geruchsorgan, pr, den 
Prostatagang und die Mündung des Receptaculumstiels rs,. oe Oeso- 
phagus, bg Buccalganglien. Vergr. 22. 

Fig. 9. Desgl. Der Schnitt hat den Vorderrand des Athemlochs 
tangirt (alo). r Retractor der Genitalcloake, pr vorderes Ende der 
Prostata, ng Genitalnerv. Vergr. 28. 

Fig. 10. Desgl. Der Schnitt fällt wie die folgenden durch das 
Athemloch. plg rechtes Pleurointestinalganglion, cg rechtes und linkes 
Cerebralganglion. Vergr. 28. 


k Kopf, 


88 AUGUST KOHLER, 


Fig. 11. Stück aus einem dicht auf den vorhergehenden folgenden 
Schnitt. Zwischen cg und plg rechtes Cerebropleuralconnectiv, pg vor- 
derste Spitze des Pedalganglions. Vergr. 33. 

Fig. 12. Schnitt dicht hinter dem vorhergehenden. Er hat alle 
Ganglien des Schlundrings und den grüssten Theil der Cerebralcom- 
missur cc getroffen. m Vorderende des Magens. Vergr. 33. 

Fig. 13. Stück aus dem nächstfolgenden Schnitt. pg Pedalganglion 
mit Pleuropedalconnectiv. Vergr. 33. 

Fig. 14. Querschnitt etwas weiter nach hinten. vw rechte Hälfte 
der Visceralcommissur, aa Arteria cephalica, 1 pec erste Pedalcommissur, 
pe Pericard. Vergr. 28. 

Fig. 15. Desgl. ag Abdominalganglion, vi linke Hälfte der Visce- 
ralcommissur, plg linkes Pleurointestinalganglion. Vergr. 28. 


Ma fel 72! 


Die Figuren 16—21 beziehen sich auf Siphonaria pectinata L., die 
Figuren 22—25 auf Siphonaria laeviuscula Rerve und die Figuren 
27—29 auf Siphonaria subrugosa Sow. 


Fig. 16. Querschnitt durch die Gegend des Athemlochs hinter den 
auf der vorangehenden Tafel dargestellten. kv, rechtes Ende des ab- 
führenden Kiemengefässes, aa Arteria cephalica, 2 pec zweite Pedal- 
commissur. Vergr. 22. 

Fig. 17. Desgleichen. cé rechtes Ende der Kieme, ren oberer 
Nierenlappen, kv, Ursprung der vordern Kiemenvene, d, d, erste Darm- 
schlinge, spov Spermoviduct, sd Schleimdriise. Vergr. 22. 

Fig. 18. Desgl. etwa t/,, mm hinter dem vorangehenden. renp 
Nierenpapille, af Atrium in Verbindung mit der vordern Kiemenvene kv,, 
rs Receptaculum seminis und Stiel, die sich in einem der folgenden 
Schnitte vereinigen. Vergr. 22. 

Fig. 19. Desgl. etwa durch die Mitte des Athemlochs. ka zu- 
führendes Kiemengefäss, kv, hintere Kiemenvene, renp Nierenpapille, 
d, Enddarm, in den Anallappen al eintretend, ed Eiweissdrüse (durch 
den gekörnelten Ton von der Schleimdrüse unterschieden), sb Samen- 
blase, zwg Zwittergang. 

Fig. 20. Desgl. durch das hintere Ende des Athemlochs. rzn 
rechtes zuführendes Nierengefäss mit dem „Frenulum“ fre, durch * ist 
der Ursprung des linken zuführenden Nierengefässes und des zuführenden 
Kiemengefässes aus dem Pallialsinus bezeichnet. ap Arteria posterior, 
d, d, zweite Darmschlinge. Vergr. 22. 

Fig. 21. Einige Radulazähne. Die über den einzelnen Zähnen 
stehenden Zahlen bedeuten ihren Platz in einer Querreihe; der Median- 
zahn ist mit O bezeichnet, der zweite von ihm aus mit 2 etc. Ver- 
grösserung 190. 

Fig. 22. Querschnitt durch den Kopf von Siphonaria laeviuscula 
Reeve. Er entspricht Fig. 7, Taf. 1. pe Penis. Vergr. 15. 


Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria, 89 


Fig. 23. Desgl. weiter nach hinten. rs, Mündung des Recepta- 
culumstiels, spov Mündung des Spermoviducts, pr Prostata. Der Schnitt 
entspricht sonst etwa Fig. 9, Taf. 1. Vergr. 15. 

Fig. 24. Desgl. durch das vordere Ende des Athemlochs. In der 
Prostata pr ist die Drüsensubstanz hell angelegt, das Epithel durch eine 
dunklere Linie bezeichnet. Wegen der innerhalb der Prostata angebrachten 
Bezeichnungen muss ich auf den Text S. 25 verweisen. Vergr. 15. 

Fig. 25. Desgl. durch den vordern Theil der Kieme, Nierenpapille 
und Herz. Er entspricht etwa Fig. 17. 

Fig. 26. Desgl. ungefähr durch die Mitte des Athemlochs. Das 
rechte Ende der Kieme ist etwa an der Stelle getroffen, wo die Blättchen 
am höchsten und ihre Faltung und Verzweigung am stärksten sind. Der 
Ventrikel ve in Verbindung mit dem Anfang der Arterien a. Vergr. 15. 

Fig. 27. Penis und Prostata von Siphonaria subrugosa Sow. von 
aussen und oben gesehen. 

Fig. 28. Desgl. von innen und unten. 

Fig. 29. Querschnitt, der die Geschlechtsöffnung getroffen hat. 
pe Vorderende des Penis, der zum Theil vorgestülpt ist, seine Mündung 
ist bei * tangirt. Vergr. 11. 

Fig. 30. Schema einer Hautdrüse von Siphonaria. d Drüsenzellen, 
k Kerne der dazwischen liegenden Zellen, mus Muskelfasern, ep Epi- 
dermis des Thieres. | 


Tate led: 


Die Figuren 31—43 beziehen sich auf Siphonaria redimiculum Resve 
und zwar Fig. 31—41 auf ein ganz junges, Fig. 42 u. 43 auf ein 
älteres Exemplar. Fig. 44 bezieht sich auf Siphonaria pectinata L. 


Fig. 31. Querschnitt durch die Mundöffnung. % Kiefer, oc Auge. 
Vergr. 74. 

Fig. 32. Querschnitt durch den Kopf, 18 Schnitte (à 10 w) hinter. 
dem vorangehenden. F' Vorderrand des Fusses, pe Penis, pr Prostata- 
anlage. Vergr. 74. 

Fig. 32a. Stück eines um 30 u weiter nach hinten gelegenen Quer- 
schnitts mit Penis und Prostataanlage. Vergr. 150. 

Fig. 32b. Desgleichen aus einem Schnitt, der 20 w hinter dem 
Fig. 32a abgebildeten liegt. gö Geschlechtsöffnung. Vergr. 150. 

Fig. 33. Querschnitt, 210 uw hinter dem vorangehenden, er ent- 
spricht etwa Fig. 8, Taf. 1. gg Geschlechtsgang. Vergr. 74. 

Fig. 34. Desgleichen 70 w hinter dem vorhergehenden, entspricht 
mit Ausnahme der Ganglien etwa Fig. 9, Taf. 1. 

Fig. 35. Desgl. 40 u hinter dem vorigen. Vergr. 74. 

Fig. 36.- Desgl. 110 w hinter dem vorigen. Vergr. 74. 

Fig. 37. Desgl. 170 u hinter dem vorigen. Vergr. 74. 

Fig. 37a. Ende des Geschlechtsgangs gg und Anfang des Zwitter- 
gangs zwg, aus einem Querschnitt 70 w hinter dem vorangehenden. 
Vergr. 340. 


90 AUGUST KOHLER, 


Fig. 38. Desgleichen 100 w hinter dem vorigen. Vergr. 74. 

Fig. 39. Desgl. 270 u hinter dem vorigen. Vergr. 74. 

Fig. 40. Desgl. 340 u hinter dem vorigen. Vergr. 74. 

Fig. 41. Das ganz junge Exemplar von Siphonaria redimiculum 
Reeve nach Entfernung der Schale vom Riicken gesehen. Vergr. 19. 

Fig. 42. Das ältere Exemplar derselben Art, ebenso. Vergr. 5. 

Fig. 43. Nierenpapille und Nierenporus renpo aus einem Quer- 
schnitt durch das altere Exemplar. Vergr. 58. 

Fig. 44. Auge von Siphonaria pectinata L., aus einem Quer- 
schnitt durch das Thier. ep Epidermis, ac äussere Cornea, ic innere 
Cornea, re Retina, pi Pigment, 2 Linse. 


Taste ke 143 


Die Figuren 45—51 beziehen sich auf Siphonaria aspera Krauss, in 
Betreff der übrigen vergleiche die einzelnen Nummern. 


Fig. 45. Decke der Athemhöhle von Siphonaria aspera, von innen 
gesehen. Vergr. 11. 

Fig. 46. Vorderer Theil des Geschlechtsapparats von derselben Art. 

Fig. 47. Rechte Hälfte eines Querschnitts durch den Kopf. Ver- 
grösserung 15. 

Fig. 48. Rechte Hälfte eines Querschnitts durch die Gegend der 
Geschlechtsöffnung. Vergr. 15. 

Fig. 49. Querschnitt durch den vordern Theil des Athemlochs, 
entspricht ungefähr Fig. 25, Taf. 2. Vergr. 15. 

Fig. 50. Desgl. etwa durch die Mitte des Athemlochs. Vergr. 15. 

Fig. 51. Desgl. hinter dem Athemloch. ap, ap, die Eingeweide- 
arterien. Vergr. 15. 

Fig. 52. Schnitt durch die Wand der Schleimdrüse von Siphonaria 
stellata var. luzonica. sz Schleimzellen, wz Wimperzellen. Vergr. 190. 

Fig. 53—56. Schnitt durch die Anlage der Schleim- und Eiweiss- 
drüse von Siphonaria redimiculum Rv. o aus der Eiweissdrüse in die 
Schleimdrüse führende Rinne. 

Fig. 57*. Schnitt durch den Nierenporus von Gastropteron meckeli 
Kosse. Der Schnitt ist kein reiner Querschnitt durch das Thier, sondern 
geht schräg von oben nach hinten und unten, etwa parallel dem hintern 
Rand der Kieme. mr Mantelrand, sh Schalenhöhle, ren Niere, d End- 
darm, renpo Nierenöffnung, ka zuführendes Kiemengefäss, ct Kieme. 
Vergr. 15. 

Fig. 58%. Schnitt aus derselben Serie, etwas weiter nach vorn. 
bl Kiemenblättchen, kv Spitze der Kiemenvene, kv, abfiihrendes Gefäss 
am Rand der einzelnen Blättchen; die übrigen Bezeichnungen wie oben. 
Vergr. 15. 

Fig. 59. Decke der Athemhöhle von Scaphander lignarius von 
innen gesehen. mr Mantelrand, ct Kieme, ar abführender Rand der- 
selben, ka zuführendes Gefäss, ren Niere, renpo Nierenöffnung, 
at Atrium, ve Ventrikel. Natürl. Grösse. 


Beitrige zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 91 


Fig. 60. Desgleichen von Bulla striata. renpo Nierenöffnung, 
sonst die Bezeichnungen wie oben. Vergr. 3. 

Fig. 61. Desgl. von Acera bullata. Die Bezeichnungen wie oben. 

Fig. 62. Querschnitt durch das Dach der Athemhöhle von Acera 
bullata. ct Hinterende der Kieme, m Mantel, sonst sind die Be- 
zeichnungen wie oben. 


Mate D: 


Fig. 1. Dorsaler Nierenlappen von Siphonaria pectinata, Stück 
eines Querschnitts. » Nierenlumen, rzn rechtes zuführendes Nieren- 
gefäss. 

Fig. 2. Querschnitt durch den vordern Theil der Athemhöhle von 
derselben Art. dah Dach der Athemhöhle mit den Bluträumen 8, 
pr Prostata, spdr Speicheldrüse, oe Oesophagus. 

Fig. 3. Vorderer rechter Theil eines Horizontalabschnitts durch 
Siphonaria pectinata var. lineolata. gel Genitalcloake, r ihr Retractor, 
spov Spermoviduct, rs, Receptaculumstiel. 

Fig. 4 Kiefer von Siphonaria striatocostata Dxr., Westafrika, 
einer der Siphonaria aspera nahestehenden Form. ep Epithel, cu Cuti- 
cula, sé Stäbchen des Kiefers, sé, den Epithelzellen aufsitzende Stäbchen, 
po Muskelpolster. 

Fig. 5. Stiick eines Querschnitts von Siphonaria laeviuscula, der 
den vordern Rand des Kiefers getroffen hat. ep Epithel, sé Stäbchen, 
cu Cuticula. 

Fig. 6. Querschnitt durch den musculösen Theil des Spermoviducts 
und den Stiel des Receptaculums von Siphonaria subrugosa. spov Sperm- 
oviduct, rs, Stiel des Receptaculums. 

Fig. 7. Stück eines Querschnitts von derselben Art. pe Penis, 
y Retractoren, pr ein Stück der Prostata, oe Oesophagus: 

Fig. 8. Zungenbalken von Siphonaria redimiculum. k Kerne, 
f Fasern. 


Tafel‘ 6. 


Fig. 9. Stück eines Querschnitts von Siphonaria redimiculum. 
pe Penis, pr, x Theile der Prostata, m Magen. 

Fig. 10. Schnitt durch die Anlage des Spermoviducts von der- 
selben Art. prr Prostatarinne, sr Schleimrinne, f Falte, ke Kerne der 
Drüsenzellen, m Epithel des Magens, a Epithel der Athemhöhle. 

Fig. 11. Querschnitt durch den Spermoviduct von Siphonaria 
aspera. prr Prostatarinne, sr Schleimrinne. 

Fig. 12. Stück eines Querschnitts, der zwischen den Fig. 48 u. 49, 
Taf. 4, abgebildeten Schnitten liegt, von Siphonaria aspera. pr, Prostata- 
stiel, pe Penis, r Retractor. 

Fig. 13. Stück eines Schnitts durch die Wand der Prostata von 
Siphonaria stellata. wh Wimperhaare, 4 Kerne des Wimperepithels, 
K Kerne der Drüsenzellen. 


92 AUGUST KOHLER, Beiträge zur Anatomie der Gattung Siphonaria. 


Fig. 14. Stück eines Schnitts durch die Schleim- und Eiweissdrüse 
von derselben Art. ed Eiweissdrüse, sd Schleimdrüse. 

Fig. 15. Schnitt durch die Zwitterdrüse von derselben Art. 
spg Spermatogonien, sp Spermatozoen, o Eier. 

Fig. 16. Kieme von einem jungen Oscanius, der Schnitt ist senk- 
recht zur Axe der Kieme, ungefähr parallel der Medianebene des Thiers. 
a Axe, fi gefiederte Kiemenblättchen. 

Fig. 17. Schnitt durch den „point noir“ von Gastropteron meckeli. 
ep Epidermis, ag Ausführgang, pi pigmentirte Wand des Bläschens. 

Fig. 18. Kieme von Scaphander lignarius, aus einem Querschnitt 
durch das Dach der Athemhöhle. % Kieme, ren Niere, mr Mantelrand. 

Fig. 19*. Nierenöffnung von Scaphander lignarius. Stück aus 
einem ähnlich gerichteten, aber weiter nach hinten geführten Schnitt, 
wie Fig. 18. mr Mantelrand, ren Niere, renpo Nierenporus, bg Blut- 
gefäss der Niere, ka Kiemenarterie, zuführendes Kiemengefäss. 


— 


Nachdruck verboten. 
Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 
II. Die Oncidiiden. 


Ein Beitrag zur Stammesgeschichte der Pulmonaten. 


Von 
Dr. Ludwig H. Plate, 


Privatdocent der Zoologie in Marburg i./H. 


Hierzu Tafel 7—12. 


Einleitung. 


Nachdem ich im ersten Theile (19) !) dieser Studien gezeigt habe, 
dass die Opisthopneumonie — der medicinisch gebildete Leser verzeihe 
diesen Ausdruck — bei den Testacellen eine secundäre Erwerbung 
darstellt, gebe ich im Folgenden eine eingehende Untersuchung einer 
andern Pulmonatengruppe, bei der jene Lagerungsweise der Athem- 
kammer mit grosser Wahrscheinlichkeit als ein primitives Verhältniss 
gedeutet werden darf. Es sind die Oncidiiden, jene namentlich im 
Indo-pacifischen Oceane so ausserordentlich artenreiche Familie, die 
seit ihrer Entdeckung durch BucHANAN und seit Cuvier’s classischer 
Monographie die Aufmerksamkeit der Zoologen besonders wegen ihrer 
amphibischen Lebensweise auf sich gezogen hat. Der einleitungsweise 
ausgesprochene Gedanke, der mich zur Ausführung dieser Unter- 
suchungen veranlasst, und von dessen Richtigkeit ich mich im Laufe 
derselben mehr und mehr überzeugte, ist nicht neu, sondern findet 
sich zuerst in der grossen, ideenreichen, leider aber hinsichtlich 


1) Die Zahlen verweisen auf das Literaturverzeichniss am Schlusse 
der Abhandlung. 


94 LUDWIG H. PLATE, 


des Beobachtungsmaterials nicht überall zuverlässigen Arbeit von JHE- 
RING’s (13) über das Nervensystem und die Phylogenie der Mollusken. 
VON JHERING gebührt das Verdienst, zuerst auf manche Uebereinstim- 
mungen in der Organisation der Oncidiiden mit den Opisthobranchiern 
hingewiesen und betont zu haben, dass sie die Brücke von diesen zu den 
zwittrigen Lungenschnecken schlagen. Da ich in vielen wichtigen Punkten 
seinen Ausfiihrungen im Folgenden entgegenzutreten haben werde, ist es 
mir angenehm, gleich in dieser Einleitung meine Uebereinstimmung mit 
ihm in dieser Fundamentalfrage hervorheben zu können. Seine Nach- 
folger BERGH (2, 3) und Semper (4) gelangten auf diesem theoretischen 
Gebiete zu ganz entgegengesetzten Anschauungen; sie stellen die 
Oncidiiden nicht an den Anfang, sondern an das Ende der phyletischen 
Entwicklungsreihe der Pulmonaten, und was für vON JHERING ar- 
chaistische Charaktere sind, das deuten sie als zufällige Convergenz. 
Leider begründen SEMPER und BERGH ihre Ansichten über die Ver- 
wandtschaftsbeziehungen der in Rede stehenden Organismen nicht mit 
der Ausführlichkeit, welche einer vergleichend-anatomischen Abhandlung 
allein Saft und Kraft verleiht, und dies gilt in noch weit höherem 
Maasse von JOYEUX-LAFFUIE (1), welcher die kleine nordeuropäische 
Oncidiella celtica eingehend bearbeitet hat. Während SEMPER und 
BerGu das Hauptargument der von JHERING’schen Nephropneusten- 
Theorie, dass die Lunge der Oncidiiden ein umgewandelter Ureter sei, 
durch den Nachweis zu entkräften suchten, dass die Niere von dem 
Athemgewebe vollständig getrennt und, wie bei allen übrigen Pulmonaten, 
dem Dache der Mantelhöhle eingelagert sei, stellte sich JoYEUX-LAFFUIE 
auf die Seite von JHERING’s. Nach ihm sollen in der That Niere 
und Lunge bei Oncidiella identische Organe sein. Alle diese diver- 
girenden Meinungen über eine principiell so wichtige Familie liessen 
weitere Untersuchungen als wünschenswerth erscheinen, und so mögen 
denn die folgenden Blätter ein wenig zur Klärung der Thatsachen 
und der aus ihnen sich ergebenden Schlüsse beitragen. Die letztern 
gipfeln in den Sätzen, dass die Oncidiiden zwar archaistische, aber 
in mancher Hinsicht auch secundär umgewandelte Formen sind, dass 
sie den Basommatophoren näher stehen als den Stylommatophoren 
und dass sie auf die Tectibranchier als phyletischen Ausgangspunkt 
hinweisen. — Zur Ausführung der Untersuchung stand mir ein reiches 
Material zur Verfügung, das ich dem freundlichen Entgegenkommen 
der Directoren des Berliner, Kieler, Frankfurter (a. M.) und Britischen 
Museums sowie den Herren Prof. SPENGEL, Generalconsul v. MÖLLEN- 
DORFF und Dres. SARASIN, STRUBELL, SIMROTH und VorgT verdanke. 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 95 


Allen diesen Herren sei hiermit mein herzlichster Dank ausgesprochen. 
Da die Systematik der Oncidiiden noch wenig bearbeitet ist — fast 
jedes grüssere Museum besitzt noch novae species — so habe ich 
auch diesem Gebiete einige Aufmerksamkeit zugewandt. Die Durch- 
sicht des grössten Theils der Semper’schen Originale, die sich in 
Berlin befinden, war mir hierbei eine sehr wesentliche Hilfe. Um 
zukünftigen Bearbeitern das Studium nach dieser Richtung hin zu 
erleichtern, sei bemerkt, dass auch die Originale der im Folgenden 
zuerst beschriebenen 17 neuen Arten mit den wichtigsten Präparaten 
über Penis, Penisdrüse und Radula Eigenthum des Berliner Museums 
geworden sind. Herrn Prof. von Martens danke ich bestens für 
einige biologische Notizen, die mehrere von ihm gesammelte Arten 
betreffen. 

Ich gliedere die folgende Abhandlung in drei Capitel; das erste 
wird die Anatomie, das zweite die Systematik, das dritte die Ver- 
wandtschaftsbeziehungen der Oncidiiden behandeln. 


Erster Abschnitt. 


Die Anatomie der Oncidiiden. 


Capitel I. 
Die äussern Gestaltungsverhiltnisse der Oncidiiden. 


Im Habitus gleichen sich die verschiedenen Species dieser Familie 
ganz ausserordentlich, so dass es häufig selbst demjenigen, der sich 
schon längere Zeit mit der Gruppe beschäftigt hat, schwer fällt, ein- 
zelne Arten, die in der innern Organisation erheblich von einander 
abweichen, bei äusserer Betrachtung zu unterscheiden. Es gilt dies 
freilich nur für die Species einer und derselben Gattung, da die fünf 
Genera, welche ich statt der einen bis jetzt gebräuchlichen glaube 
aufstellen zu müssen, auch im Habitus charakteristische Merkmale 
erkennen lassen. Ehe ich zu der Schilderung dieser äussern Gattungs- 
unterschiede übergehe, schicke ich eine kurze allgemeine Beschreibung 
der Gestalt und der verschiedenen für die Systematik wichtigen Körper- 
regionen voraus, obwohl ich hierbei fast nur Bekanntes zusammen- 
zustellen vermag. 

Die Oneidiiden sind nackte, schalenlose Gastropoden von ovaler 
(Fig. 4, 6, 10), lang-ovaler (Fig. 5, 8, 9) oder seltener rundlicher 
(Fig. 2, 3, 7) Körperform, von meist ziemlich unscheinbarer Färbung 


96 LUDWIG H. PLATE, 


und von einer Grösse, die zwischen wenigen Millimetern und 10 cm 
schwankt. An jedem Thier lässt sich eine Dorsal- und eine Ventral- 
fläche unterscheiden. 


Die Dorsalfläche erscheint durchaus einheitlich und wird 
daher in ihrer Totalität als Rücken oder — weniger correct — als 
Mantel bezeichnet. Sie zeichnet sich durch sehr verschiedenartige 
Sculpturverhältnisse, nach denen vornehmlich die einzelnen Arten ab- 
gegrenzt werden können, aus, indem sie bald glatt, bald mit Erhebungen 
bedeckt ist, welche die ganze Scala von winzigen, nur mit der Lupe 
wahrnehmbaren Wärzchen bis zu kiemenartigen Bäumchen (Fig. 96, 99) 
durchlaufen. Diese letztern sind unter den Oncidiiden übrigens keines- 
wegs weit verbreitet; sie kommen nur bei einer Gattung, Oncidium, 
und auch innerhalb dieser nur bei fünf Arten vor, während in der 
Regel nur rundliche oder kegelförmige Tuberkel in wechselnder Grösse, 
Zahl und Anordnung sich über den Rücken vertheilen. Als zusammen- 
gesetzt bezeichne ich diese Papillen dann, wenn sie (Fig. 99 c) selbst 
wieder auf ihrer Oberfläche mit kleinern Körnern bedeckt sind; sie 
leiten durch Auswachsen der letztern (Fig. 99 b) direct zu den Jugend- 
formen der Kiemenbäumchen hinüber. — Wie SEMPER zuerst gezeigt 
hat, finden sich bei vielen Oncidiiden eigenartige, durch die inverse 
Lage der Stäbchen an die Wirbelthiere erinnernde Augen in grösserer 
Anzahl auf dem Rücken. Es sind kleine schwarze Punkte, die fast 
immer auf dem Scheitel der grössern Papillen (Fig. 99c) sitzen und 
bald einzeln (Fig. 7), bald in Gruppen (Fig. 99 c) auftreten. Manch- 
mal sind sie nicht leicht zu finden, weil sie von einem sphincterartigen 
Ringwall umzogen sein können, der sich im contrahirten Zustande über 
sie hinüberlegt. Aber in solchen Fällen entsteht auf der Papille ein 
kleines Grübchen und markirt so diejenigen, welche mit Sehorganen 
versehen sind. Die Zahl und Vertheilung der Rückenaugen ist für 
die Systematik von Wichtigkeit. Man kann folgende Regel in dieser 
Hinsicht aufstellen. Sehr zahlreiche Augen zerstreuen sich ohne Gesetz- 
mässigkeit über den ganzen Rücken und treten auch bis dicht an den 
Mantelrand heran (Fig. 7); wird die Zahl geringer, so beschränken 
sie sich auf das „Mittelfeld“, das vielfach durch die Eingeweide buckel- 
förmig hervorgetrieben wird oder sich in der Färbung auszeichnet. 
Sind nur ganz wenige, etwa 2—4, vorhanden, so sitzen sie auf dem 
höchsten Punkte des Mittelfeldes, dem „Scheitel“, der ja für ein Seh- 
organ besonders geeignet sein muss. Das Mittelfeld hat ungefähr die 
halbe Länge und Breite des Rückens, aber es ist keine scharf abge- 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 97 


grenzte Region, sondern nur ein zur Erleichterung der Beschreibung 
eingefiihrter Begriff. 

Die Ventralfläche des Kürpers zerfällt, wie die Betrachtung 
von Fig. 2—4 lehrt, in drei scharf von einander abgesetzte Regionen‘ 
in die Kriechsohle des Fusses, in den vor diesem gelegenen Kopf und 
in eine Zone (hyp), welche ringförmig jene beiden umgiebt und als 
Unterseite des Rückens angesehen werden kann, da sie mit diesem 
in der scharfen Kante, welche die Contour des Körpers bestimmt, zu- 
sammenstisst. Diese Region ist für die Familien der Oncidiiden und 
der Vaginuliden sehr charakteristisch, kommt aber sonst bei keiner 
andern Pulmonatengruppe vor. Sie gliedert sich in zwei breite Streifen 
zu beiden Seiten des Fusses und in je eine schmälere vor dem Kopfe 
und hinter dem Fusse, die aber alle vier continuirlich zusammen- 
hängen und sich äusserlich nicht von einander absetzen. Durch ihre 
wechselnde Breite, Farbung und zuweilen auch durch ihre Sculptur 
sind diese Abschnitte fiir die Systematik von grosser Bedeutung, und 
wir geben ihnen daher eine besondere Bezeichnung und nennen sie 
Hyponota. Dieser Ausdruck ist bequemer als der von SIMROTH für 
die Vaginuliden angewandte gleichwerthige: Hyponotaeum. Ich ver- 
stehe unter Hyponotum (Hyp) im Folgenden jeden der links und rechts 
neben dem Fuss gelegenen Theile der Unterseite des Riickens; die in 
der Mediane gelegenen Abschnitte werde ich hingegen als Kopf- resp. 
als Fusshyponotum bezeichnen. Das Kopfhyponotum legt sich über 
den Kopf kapuzenförmig hinüber, ist aber sehr verschieden stark 
bei den einzelnen Arten entwickelt, so dass bei den in Alcohol con- 
servirten Thieren der Kopf bald frei hervorragt (Fig. 1, Peronina 
alta), bald — und dies gilt fiir die Mehrzahl — vollstandig von ihm 
verdeckt wird (Fig. 2, 3, 4). Aber auch im letztern Falle scheinen 
die lebenden Thiere immer im Stande zu sein, die Fühler so weit 
auszustrecken, dass sie unter dem Kopfhyponotum hervorragen. 
Das Hyponotum entspricht, da es Rücken und Fuss mit einander 
verbindet, eigentlich den Körperseiten der übrigen Schnecken. Ab- 
weichend an ihm ist vornehmlich seine Stellung, dass es in der 
Fussebene liegt oder nur wenig geneigt zum Boden getragen wird, 
wodurch die flache, wenig gewölbte Körperform der Oncidiiden bedingt 
wird. Die lebenden Thiere pflegen das Hyponotum der Unterlage direct 
anzuschmiegen. Nur in einzelnen Fällen steigt das Hyponotum mehr 
oder weniger steil zum Rücken empor (Fig. 1), und dann wird der 
Körper höher und der Habitus schneckenähnlicher. Für die Systematik 


kommt vornehmlich das Verhältniss der Breite der Sohle zur Breite 
Zool. Jahrb, VIL Abth. f. Morph. 7 


98 LUDWIG H. PLATE, 


des Hyponotums in Betracht, und wir werden dieses im zweiten Ab- 
schnitt bei den einzelnen Arten kurz mit Hyp = = S bezeichnen. 


Es schwankt Hyp zwischen !/, und 11/, S, was natürlich ein sehr 
verschiedenes Aussehen der Körperunterseite bedingt. An conservirten 
Exemplaren fällt dieses Verhältniss beim Vergleich einer grössern An- 
zahl von Individuen oft ziemlich ungleich aus, je nachdem das Thier 
beim Absterben den Fuss oder den Mantelrand mehr contrahirte. 
Man wird sich dann damit begnügen müssen, das durchschnittliche 
Verhältniss oder die Grenzwerthe anzugeben; jedenfalls darf diese 
Bestimmung bei Aufstellung einer neuen Art nie fehlen, da ohne dieses 
Hülfsmittel eine Uebersicht über die zahlreichen Arten gar nicht zu 
gewinnen ist. 

Der Kopf trägt auf der Stirnfläche zwei Ommatophoren, die ge- 
wohnlich wie bei den Stylommatophoren eingestülpt werden können, 
während sie bei Oncis montana und Oncidina australis nur die Spitze 
gegen die Basis einzuziehen vermögen. Die Mundöfinung wird links 
und rechts eingefasst von einem grossen „Lippensegel‘“, einer lappen- 
artigen Verbreiterung des untern Kopfrandes, wie sie auch sonst mehr- 
fach bei Land- und Süsswasserpulmonaten (Limnaea, Glandina) be- 
obachtet wird. Die Grösse des Kopfes ist bei den einzelnen Arten 
oft ziemlich ungleich (vergl. Fig. 1 u. 2). Der Kopf trägt immer die 
Oefinung des Penis, und zwar entweder auf der rechten Stirnhälfte 
oder am rechten Aussenrande. 

Der Fuss erscheint bei allen nicht ganz schlecht conservirten 
Thieren durch zarte Längs- und Querfurchen in zahllose kleine Felder 
getheilt (Fig. 93, 94). Prof. v. MARTENS beobachtete, dass beim 
Kriechen bogenförmige Wellenlinien über den Fuss laufen. Die Sohle 
endet vorn hinter dem Kopfe immer quer abgestutzt, hinten ver- 
schmälert sie sich und läuft in eine abgerundete Spitze aus. Die 
Seitenränder sind sehr niedrig, so dass die Kriechfläche und die seit- 
lichen Hyponota fast in einer Ebene liegen. Wo der Fussrand der 
rechten Seite mit dem Hyponotum zusammentrifft, wird er von einer 
tiefen Furche, der „Fussrinne“ (Fig. 1), begleitet, welche bei der weib- 
lichen Geschlechtsöffnung beginnt und sich nach vorn, wie SEMPER 
zuerst nachgewiesen hat, bis zu der Mündung der Fussdrüse in den 
zwischen Kopf und vorderem Fussrand gelegenen Querspalt verfolgen 
lässt. Diese Furche ist nach ihrer Lage offenbar homolog der bei 
den Aplysien und Bulliden vorkommenden Flimmerrinne, durch welche 
das Sperma dem Begattungsorgan zugeführt wird. Bei den Oncidiiden 


| 
À pa 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 99 


läuft das Vas deferens in seinem mittlern Abschnitte unmittelbar neben 
jener Rinne in der Fussmusculatur hin und kann daher wohl als ein 
abgeschniirter Theil derselben angesehen werden, obwohl der ent- 
wicklungsgeschichtliche Beweis hierfiir noch nicht erbracht ist. In 
diesem Punkte weist die einzige Arbeit, welche wir über die Ent- 
wicklung der Oncidiiden durch JovEuUx-LAFFUIE (1) besitzen, eine em- 
pfindliche Lücke auf. Es fragt sich nun noch, welche Function die 
Fussrinne der Oncidiiden gegenwärtig versieht. Zu einem rudimentären 
Organ scheint sie durch jene Abschnürung nicht degradirt worden 
zu sein, denn sie ist überall gut ausgebildet anzutreffen. Die Fuss- 
drüse steht schwerlich in functioneller Beziehung zu ihr, wenigstens 
ist es wenig wahrscheinlich, dass ihr Secret dadurch dem rechten 
Hyponotum zugeführt wird und dieses schlüpfrig erhält; es müsste 
sich in diesem Falle eine grössere Beweglichkeit der rechten Körper- 
seite nachweisen lassen. Ich vermuthe daher, dass die Rinne auch 
jetzt noch ab und zu als Samenrinne functionirt, um eine Selbst- 
befruchtung zu ermöglichen. Ich habe an einer andern Stelle (19, p. 613) 
darauf hingewiesen, welche Rolle die Vesicula seminalis bei der Selbst- 
befruchtung, deren Vorkommen für die Zwitterschnecken sicher er- 
wiesen ist, wahrscheinlich spielt. Diese männliche Samenblase ist nun 
bei den Oncidiiden, abgesehen von Oncidiella maculata und reticulata, 
immer vorhanden und nicht selten von ausserordentlicher Grösse und 
ausserdem bei ausgewachsenen Thieren immer mit Sperma gefüllt. 
Bietet sich nun zur Zeit der weiblichen Geschlechtsreife, welche bei 
den Pulmonaten immer auf die männliche folgt, keine Gelegenheit zur 
Begattung, so wird jenes aufgespeicherte Sperma auf dem gewöhn- 
lichen Wege in den Penis befördert, dieser stülpt sich hervor und 
überträgt dasselbe in die Rinne, welche er vermöge seiner Länge immer 
zu erreichen vermag und in der nun die Samenfäden bis zur weib- 
lichen Geschlechtsöffnung wandern. Da das Seewasser die Spermato- 
zoen abtödtet, muss die Rinne vollständig geschlossen werden können ; 
daher finden wir überall die Furche von zwei vorspringenden Falten 
begrenzt, die sie zu einem Canal abzuschliessen vermögen. 

Für die Systematik ist endlich die Lage der Oeffnungen 
verschiedener innerer Organe von Wichtigkeit. Hinter der Fusspitze, 
und von dieser bald verdeckt, bald frei hervorragend — dies scheint 
nur von dem jeweiligen Contractionszustande des Fusses abzuhängen 
— liegt, genau in der Mediane, die Afterpapille (Fig. 1,3 an). Hinter 
derselben durchbricht eine zweite Oeffnung, das Athemloch (Fig. 1—4 ail), 
die Fläche des Hyponotums. In der Regel ist auch sie median gelagert, 

7* 


100 LUDWIG H. PLATE, 


bei fiinf Arten hingegen (Oncis glabra, montana, semperi; Oncidina 
australis; Oncidium vaigiense) ist sie etwas nach rechts verschoben 
(Fig. 3). Das Athemloch liegt bald mehr dem Anus, bald mehr der 
Peripherie des Hyponotums genähert. Dieses wechselnde Verhältniss 
lässt sich am leichtesten dadurch ausdriicken, dass man sich eine 
Linie vom After durch das Athemloch bis zum Rande des Hyponotums 
gezogen denkt, ihre Linge gleich 1 setzt und nun den Abstand beider 
’ Oeffnungen als Bruchtheil dieser Einheit angiebt. Es bedeutet also 
z. B. im Folgenden: Entfernung des Athemloches = '/, = 1 mm, 
dass die Lungenhöhle sich 1 mm hinter dem Anus und 2 mm vor 
dem Körperrande öffnet. Die weibliche Geschlechtsöffnung schwankt 
nur sehr wenig in ihrer Lage. Sie befindet sich meist dicht neben 
und rechts von dem After, und nur in seltenen Fällen (Peronina alta 
[Fig. 1], Oncis semperi, Oncidium multinotatum, aberrans und tenerum 
STOL.) rückt sie etwas weiter nach vorn. Die männliche Geschlechts- 
öffnung liegt stets am Kopfe, bei den Gattungen Oncidium und Oncis 
nach vorn und innen vom rechten Tentakel, bei Oncidiella, Oncidina 
und Peronina nach aussen von demselben, in der vom Kopf und 
Hyponotum gebildeten Rinne. Das Genus Peronina nimmt eine 
Sonderstellung ein, indem diese Oeffnung doppelt ist, da die Penis- 
drüse nicht in den Penis, sondern dicht neben ihm ausmündet (Fig. 1 
pe u. pdr). 


Das Charakteristisch im Habitus der Gattungen der 
Oncidiiden lässt sich in den folgenden Befunden erblicken : 


A. Männliche Geschlechtsöffnung nach vorn und innen 
vom rechten Fühler. 


I. Oneidium. Hyponota schmäler als die Fussohle (Fig. 93, 94). 
Kopf meist gross, so dass er am lebenden Thiere ohne Zweifel frei 
hervorragt. Gestalt oval oder lang-oval. Körper gewölbt. Mantelrand 
nicht gekerbt, ohne grosse, vielzellige Drüsen. Rücken zuweilen mit 
Kiemenbäumen, meist mit Rückenaugen, die in Gruppen angeordnet 
sind. 


II. Oneis. Hyponota so breit oder breiter als die Sohle (Fig. 2, 3). 
Kopf klein, fast immer weit überragt von dem breiten Kopfhyponotum. 
Gestalt breit-oval, rundlich. Körper plattgedrückt, schildförmig. Mantel- 
rand nicht gekerbt, ohne vielzellige Drüsen. Rücken nie mit Kiemen- 
bäumen, häufig mit Augen, die dann einzeln stehen. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 101 


B. Männliche Geschlechtsöffnung nach aussen vom 
rechten Fühler. 


II. Oncidiella. Gestalt oval. Körper gewülbt. Mantelrand 
fein gekerbt oder gelappt (Fig. 4, 100, 101), vielfach auch mit kurzen, 
radialen Rippen besetzt, mit grossen, vielzelligen Drüsen, welche auf 
der Spitze der grössern Kerblappen ausmünden. Kopf klein. Von 
den Tentakeln bis zum Athemloch läuft jederseits neben dem Fuss- 
rande und auf der rechten Seite etwas nach aussen von der Fussrinne 
eine zarte Längsfalte (Fig. 4 a), die „Hyponotallinie“, welche das 
Hyponotum in eine breite, fein gekörnelte Aussenzone und in eine 
schmale, glatte Innenzone sondert. Die Fussrinne setzt sich nach 
hinten bis zum After fort, und ihre Falten gehen in den Randwulst 
des Anus über. Keine Rückenkiemen und Rückenaugen. 


IV. Oneidina. Gestalt lang-oval, nicht besonders stark gewölbt. 
Mantelrand glatt. Kopf mittelgross. Keine Hyponotallinie. Keine 
Kiemen und Rückenaugen. Die Fühler können nicht vollständig ein- 
gestülpt werden. Athemloch rechts vom After. 


V. Peronina. Gestalt oval. Die Hyponota steigen steil vom 
Fuss zum Rücken empor. Mantelrand nicht in viele Kerblappen ge- 
sondert. Rücken mit einigen wenigen Augen, ohne Kiemen. Weib- 
liche Geschlechtsöffnung um !/, der Körperlänge nach vorn verschoben, 
männliche doppelt, eine für den Penis und eine für die Penisdrüse. 


Historisches. In seiner Abhandlung über den Bau und die 
Entwicklung des Oncidium (Oncidiella) celticum Cuv. hat JoYEUX- 
LAFFUIE in übersichtlicher Weise die allmähliche Vervollkommnung 
unserer Kenntnisse von den Oncidien geschildert und mit Recht die 
verschiedenen Versuche getadelt, die von frühern Autoren gemacht 
worden sind, die Gruppe ohne vorheriges gründliches Studium in 
Gattungen zu zerlegen. 

Von diesen Bestrebungen eines BLAINVILLE, FERUSSAC, GRAY und 
Anderer legen die von ihnen eingeführten Namen, Peronia, Oncis 
Oncidiella, Zeugniss ab. Da ich im Folgenden zwei derselben eben- 
falls gebrauchen werde, will ich hier auseinandersetzen, welche Gattungs- 
begriffe von jenen Autoren diesen Namen beigelegt wurden, und ob die- 
selben überhaupt in dem ursprünglichen Sinne aufrecht erhalten werden 
können; dies erscheint um so nothwendiger, als sich BERGH (2, p. 128) 
gegen eine weitere Zerspaltung der Gattung Oncidium ausgesprochen 
hat, während Semper (4) nur zwei Gattungen, Oncidiwm und Oncidina, 
beibehalten will. 


102 LUDWIG H. PLATE, 


BucHANAN (5) war der erste, der ein hierher gehöriges Thier 
fand und unter dem Namen Onchidium typhae in die Wissenschaft 
einführte. Seine Genusdiagnose lautete freilich ungenügend: ,,Brachia 
(d. h. die Lippensegel) duo ad latera capitis. Tentacula duo. Os an- 
ticum. Anus posticus, infra“. Dafür aber war die Schilderung der 
äussern Gestaltverhältnisse um so ausführlicher und wurde von guten 
Abbildungen begleitet. Ueber die innere Organisation gab zuerst 
Cuvier (6) in einer grundlegenden Abhandlung Aufschluss, die noch 
jetzt zu dem Besten gehört, was über diesen Gegenstand geschrieben 
worden ist. Die Thiere, welche er untersuchte, waren durch den 
Forschungsreisenden PÉRON gesammelt worden und wurden daher 
diesem zu Ehren als Onchidium peronii bezeichnet. DE BLAINVILLE (7) 
brachte zuerst Verwirrung in die Nomenclatur. Da Cuvier viel tiefer 
in seinen Stoff eingedrungen war als BUCHANAN, so hatte er ver- 
schiedene Irrthümer des letztern, z. B. dass die Thiere getrennt- 
geschlechtlich sein sollten, berichtigt. Obwohl DE BLAINVILLE die 
Oncidien nicht aus eigner Anschauung kannte und daher eigentlich 
gar nicht urtheilsfähig war, glaubte er doch aus der Verschiedenheit 
der Angaben jener Forscher schliessen zu dürfen, dass es sich um 
zwei verschiedene Gattungen handle. Deshalb schuf er (8, 9) für die 
von CuVIER secirte Form den Namen Peronia mauritiana; Onchidium 
BucHANAN sollte getrenntgeschlechtlich 1) sein, eine Cloake besitzen, 
auf dem Lande leben und zu den Pulmonaten gehören, Peronia BLAIN- 
VILLE hingegen ein hermaphroditischer Meeresbewohner sein, dessen 
nächste Verwandte unter den Dorididen zu suchen wären, und keine 
Cloake aufweisen. Da aber BLAINVILLE sich auf einem Irrwege befand, 
indem Onchidium typhae und Onchidium peroni sich ganz nahe stehen, so 
ist die Gattung Peronia BLAINVILLE zu cassiren. — Zu diesem Schlusse 
gelangte schon SToLICZKA (11); trotzdem ist der Gattungsname Peronia 
von spätern Autoren mehrfach angewandt worden, aber im andern 
Sinne als von DE BLAINVILLE. GRAY, ADAMS (27, p. 233) und neuer- 
dings auch FISCHER (28, p. 494) verwenden ihn für die mit kiemen- 
artigen Rückenanhängen versehenen Formen ; aber, wie SEMPER richtig 
bemerkt, ist dieser Unterschied ganz irrelevant, da ganz nahestehende 
Arten hierin differiren. Der Gattungsname Peronia lässt sich also 
auch in diesem Sinne nicht aufrecht erhalten und ist definitiv zu 
streichen. Um aber die Erinnerung an den Forschungsreisenden, der 


1) In dem Manuel de Malacologie bezweifelt pm BLAINvizze selbst 
die Richtigkeit dieser Angabe, giebt sie aber nicht auf. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 103 


zuerst diese Thiergruppe nach Europa brachte, wach zu erhalten, habe 
ich einer neuen Gattung den Namen Peronina beigelegt. — Die von 
GRAY zuerst mit einer ganz ungenügenden Diagnose aufgestellte Gattung 
Oncidiella umfasst die heterogensten Elemente; H. und A. Apams 
rechnen hierher eine Anzahl Arten, die vornehmlich aus Neu-Seeland 
stammen und durch gekerbten Mantelrand und grosse Manteldrüsen 
ausgezeichnet sind. Diese bilden in der That eine natürliche Gruppe, 
wie FISCHER u. Crosse (21, p. 694) zuerst ausführlich dargethan 
haben, und auf diese Formen ist daher die Gattung Oncidiella zu be- 
schränken. — Frrussac spaltete von denjenigen Oncidien, welche wie 
Oncidium typhae im Brackwasser leben, die eigentlichen marinen Formen 
mit der Bezeichnung Oncis ab. Da die letztere Gattung jeder morpho- 
logischen Diagnose entbehrt, so ist sie natürlich ganz unhaltbar und 
auch nie praktisch verwandt worden. Ich werde diesen Namen für 
eine der Gattung Oncidium nahestehende Gruppe von Arten verwenden. 


Capitel II. 
Der Darmeanal der Oncidiiden. 


Ueber den Darmcanal der Oncidiiden liegen ausfiihrlichere Mit- 
theilungen vor von Cuvier (6, O. peroni), von R. BERGH (2, O. peroni 
und ©. verruculatum) und von JOYEUX-LAFFUIE (Oncidiella celtica) ; 
vereinzelte Angaben verdanken wir SEMPER (4). Dieses Organsystem 
verhalt sich in allen fiinf Gattungen ziemlich gleichartig und ist in 
allen wesentlichen Verhältnissen schon von den genannten Forschern 
erkannt worden. 

Das Mundrohr (Fig. 11—14 mr) ist kurz und steigt, je nach 
dem Contractionszustande des Thieres, senkrecht oder schräg von der 
Mundöffnung nach oben, um sich dann zu dem Schlundkopf (Pharynx) 
zu erweitern. Seine Wandung ist dick und musculés, wie man am 
besten auf einem Querschnitte sieht (Fig. 85), das innere Epithel 
längsgefaltet (Fig. 11) und von einer derben Chitincuticula bedeckt, 
die bei den grossen Arten schon unter der Lupe erkannt werden kann. 

Der Schlundkopf, Pharynx, welcher in seinem Innern den 
Zungenapparat birgt, ist bei den Gattungen Oncidium (Fig. 12, 15, 17), 
Oncis und Oncidiella 1—11/, mal so lang und ungefähr ebenso hoch, 
wie seine grösste Breite am Hinterende beträgt; bei Oncidina australis 
(Fig. 13) ist seine Längsaxe mehr entwickelt, und er erscheint daher 
gestreckter, während diese bei Peronina alta (Fig. 14) stark verkürzt 


104 LUDWIG H. PLATE, 


ist, wodurch der Pharynx ein gedrungenes und höheres Aussehen er- 
halt. Ueberall lassen sich die seitlichen Hinterbacken (hb) und die 
median zwischen ihnen liegende und höckerartig nach aussen vor- 
springende Radulapapille (pap) leicht unterscheiden. Diese Papille, 
welche am hintersten Ende die Odontoblasten enthält, ragt bei den 
verschiedenen Species sehr ungleich weit aus der medianen Furche 
hervor. Bei Oncidiella accrensis hob sie sich äusserlich überhaupt 
nicht ab; Oncidium vaigiense, marmoratum, aberrans, Oncis lata, coeca 
und Peronina alta zeigten sie nur als ganz kleinen, kaum bemerkbaren 
Vorsprung. Hingegen sind Oncidium multinotatum, nigrum, tonganum, 
Oncis inspectabilis, Oncidiella pachyderma, reticulata und Oncidina 
australis durch eine relativ weit vorspringende Zungenscheide ausge- 
zeichnet. So finde ich sie z. B. bei einem Exemplar von Oncidina 
australis (Fig. 15) von !/, der Länge des Schlundkopfes ; bei Oncidium 
peroni mass die Basis des Pharynx 15 mm in der Langsaxe, während 
die Papille 5 mm weit vorragte. Je nach dem Contractionszustande 
der Schlundkopfmusculatur zeigen natiirlich auch die Individuen der- 
selben Art kleine Differenzen hinsichtlich dieser Verhältnisse. — Der 
Pharynx wird durch ein complicirtes System von Muskeln, die sich 
um den Mund herum, am Nacken und an der Fussfläche inseriren, 
in Bewegung gesetzt. Ich habe dieselben nur bei Uncidium verru- 
culatum (Fig. 15 von der Seite, Fig. 12 schräg von oben auf den 
etwas zur Seite geneigten Pharynx gesehen) und Oncidium peroni 
naher untersucht, aber bei den übrigen Arten den Eindruck gewonnen, 
dass auch bei ihnen gleiche oder ganz ähnliche Verhältnisse obwalten. 
Die meisten dieser Muskeln laufen nach vorn und dienen als Pro- 
tractoren zum Ausstülpen der Radula. Sie zerfallen in folgende 
Gruppen: 

1) 2 Protractores dorsales laterales (pr. dors. lat.), welche an der 
Basis des Oesophagus entspringen und über das Mundrohr 
hinweg zur Mundregion ziehen; 

2) jederseits 2 oder mehrere starke Biindel, Prot. ventrales et 
posteriores (pr. post.), die an den Hinterbacken entspringen und 
unter dem Schlundkopf (resp. wenn er beim contrahirten Thiere 
aufgerichtet ist [Fig. 15], hinter demselben) nach vorn laufen; 

3) 2 kleine Bündel, Prot. dorsales et anteriores (pr. dors. ant.), die 
von der Dorsalseite des Mundrohres entspringen ; 

4) 2 kleine Bündel, Prot. ventrales et anteriores (pr. vent. ant.), die 
in gleicher Weise von der Ventralfläche des Mundrohres ent- 
springen und sich an der Haut der Mundregion inseriren. 


Studien über opisthopneumone Lungenschuecken. 105 


Als Retractoren fungiren: 

1) 2 starke dorsale Muskeln (ret. dors.), die dort entspringen, wo 
das Mundrohr in den Pharynx übergeht; sie sind grösser als 
irgend einer der andern Buccalmuskeln und fallen daher am 
leichtesten ins Auge. Sie ziehen schräg nach oben zum Nacken 
und beim vorgestülpten Schlundkopf nach hinten. ; 

2) 2 seitliche Muskeln (ref. lat), die sich an die Fussfläche an- 
heften, nachdem sie sich zwischen die Protractores posteriores 
hindurchgeschoben haben. 

Die Beschreibung, welche BERGH (2, p. 133) von diesen Muskeln 
entwirft, ist etwas zu knapp gehalten, um eine klare Vorstellung zu 
erwecken; doch scheint er sie alle mit Ausnahme der Prot. dors. lat. 
und der Retr. lat. gesehen zu haben. Beim Einstülpen der Radula 
wirkt ohne Zweifel auch der elastische Zug etwas mit, welchen die 
an die Unterfläche der Radulapapille tretende Arteria pharyngealis 
ausübt, da diese nach hinten mit den grossen Gefässen am Ganglien- 
ring fest vereinigt ist (Fig. 11 a. phar.). 

Hinsichtlich des innern Baues des Schlundkopfes ist nur 
die Radula mehrfach Gegenstand der Untersuchung gewesen. Ueber 
die Weichtheile besitzen wir die Angaben von JOYEUX-LAFFUIE über 
Oncidiella celtica, die noch leicht erweitert werden können, da sie an 
einer sehr kleinen Art gewonnen wurden und nicht frei sind von Irr- 
thümern. Die folgenden Beobachtungen sind an Oncidium verruculatum 
und peroni gewonnen worden; sie gelten aber im Wesentlichen auch 
für alle andern Arten. — Die Wandung des Schlundkopfes ist muscu- 
löser Natur, wobei der Verlauf der Fasern in den verschiedenen Re- 
gionen wechselt. Hinter dem Mundrohr und an der Ventralseite des 
Pharynx wird die Musculatur ganz besonders stark und bildet hier 
zwei über einander liegende mächtige Polster (Fig. 11 mu!, mu?), welche 
der Hinterwand des Mundrohres eng sich anschmiegen. Sie dienen 
einmal dem löffelförmigen Stützbalken der Radula (stb) zur Unterlage, 
der auf ihnen wie auf einem Federkissen ruht, und gewähren ausser- 
dem einigen bei der Bewegung der Raspel thätigen Muskeln (mb, protr) 
einen festen Anheftungspunkt, gegen den sie sich zusammenziehen. 
Der Stützbalken hat wie gewöhnlich die Form eines Lôffels oder einer 
Rinne, deren Seiten vorn in einander übergehen und hinten nach aussen 
auseinanderweichen und so mit getrennten Hinterenden in die Hinter- 
backen eintreten, mit deren Wandung sie verwachsen. Im hintern 
Abschnitt der Rinne und zwischen den divergirenden Schenkeln liegt 
ein dicker, bindegewebiger und von Epithel überkleideter Strang 


106 LUDWIG H. PLATE, 


(ko Fig. 11, 11a), wie der Kolben in einem Pumpenrohr, der sich 
nach hinten in die Radulapapille fortsetzt und den ich deshalb den 
Kolben der Zungenscheide nennen will. Er wird dadurch in seiner 
Lage gehalten, dass er mit der Hinterwand der Papille (Fig. 11a) und 
ausserdem mit dem Dache des Pharynx in einer Weise verwächst, die 
am leichtesten aus dem Querschnitt (Fig. 11b) zu ersehen ist. Das 
Lumen des Schlundkopfes verschmälert sich nach hinten einmal zu 
einem Canal, der über dem Kolben verläuft und in diesen sich rinnen- 
förmig einsenkt (cav. phar. Fig. 11 u. 11b), und bildet ferner einen auf 
dem Querschnitt U-förmigen Raum um den Kolben herum (cav. phar.!), 
die Zungenscheidenspalte, in welcher das Hinterende der Radula ruht. 
Der Kolben verwächst daher mit Ausnahme seines vordersten Endes 
längs zweier Längslinien mit dem Dache des Pharynx und kann als 
ein Längswulst desselben angesehen werden, der in cav. phar.! hinab- 
hängt, selbst aber den Blindsack (cav. phar.) des Pharynxlumens auf- 
nimmt. In Fig. 11 war der Schnitt nicht genau median, sondern etwas 
nach links ausgefallen; man sieht daher ein kleines Stückchen dieser 
linken Verwachsungszone bei a. — Die Radula wird von Zellen aus- 
geschieden, die im Hintergrunde der Zungenscheide, in der Papille 
ihren Sitz haben. Diese Odontoblasten sind hier, wie es scheint, in 
grosser Zahl (Fig. 11a od) vorhanden und unterscheiden sich durch 
ihre hohe cylindrische Gestalt von den niedrigen Zellen, welche sonst 
das Epithel der Zungenscheide bilden und für das weitere Wachsthum 
der Zähne von Bedeutung sind. Die Zähne sitzen einer gemeinsamen 
Chitinlamelle auf, die in der Scheide nach vorn zu allmählich dicker 
wird, indem das Epithel der Aussenwand der Scheide ihr neue Substanz- 
massen auflagert (Fig. 11a). Das Epithel, welches den Kolben über- 
zieht, bildet zahlreiche kleine Fortsätze, die sich zwischen die Zähne 
einschieben und durch Chitinabsonderung deren Heranwachsen be- 
wirken. Diese Fortsätze finden sich aber nicht mehr am Vorderende 
des Kolbens (Fig. 11b), so dass in dieser Höhe die Zähnchen schon 
ihre definitive Gestalt erlangt haben. Man kann also sagen, die Raspel 
wird angelegt von den Odontoblasten im Hintergrunde der Zungen- 
scheide, deren übriges Epithel das weitere Wachsthum der Basalplatte 
und der Zähnchen bedingt. Ich schliesse mich hiermit ganz derjenigen 
Anschauung über Bildung und Grössenzunahme der Radula an, welche 
RössLer (16) zuerst näher begründet hat, nur ist es mir nicht ge- 
lungen, einige wenige, besonders grosse Odontoblastenzellen, welche 
nach jenem Autor für die Pulmonaten und Opisthobranchier charakte- 
ristisch sind, zu finden. .Ich erblicke hinter den jüngsten Zähnen nur 


7 ee ie > 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 107 


eine grosse Anzahl hoher schmaler Zellen, die demnach mit den Odonto- 
blasten der Prosobranchier übereinstimmen würden. — In der Scheide 
muss die Radula eine rinnenförmige Gestalt annehmen (Fig. 11 b); ihre 
obern Längsränder (bei a) stülpen sich, mit Ausnahme der Vorder- 
region der Scheide, noch einmal nach innen und unten um, senken 
sich also gleichsam mitsammt dem zugehörigen Raum der Radula- 
tasche in die Substanz des Kolbens ein, wie dies auf Fig. 11 ange- 
deutet ist. Nachdem die Radula die Scheide verlassen hat, tritt sie 
in die von dem Stützbalken gebildete Rinne ein und schlägt sich vorn 
und seitlich über dessen Kanten hinüber; sie bekleidet also in der 
eigentlichen Pharynxhöhle auch die Aussen- und die Ventralfläche des 
Stützbalkens (Fig. 11a). Wo sie aufhört, geht das unter ihr liegende 
Epithel direct in das Epithel des Schlundkopfes über. — Zum Zungen- 
apparat gehören endlich noch folgende Muskeln. Von den Aussen- 
flächen des Stützbalkens ziehen in seiner hintern Hälfte eine Anzahl 
von Muskeln quer zur Pharynxwand und befestigen ihn an dieser 
(mu Fig. 11a, 11b). Als Retractoren der Radula fungiren Muskel- 
bündel, welche von der Hinterwand des Schlundkopfes entspringen und 
vorn in die dünne Muskelschicht unter der Basallamelle auslaufen 
(reir Fig. 11 u. 11a). Ihre Antagonisten, die Protractoren (protr Fig. 11), 
entspringen von dem dicken Polster (mw!) und inseriren an der ven- 
tralen Randlinie der Radula. Ueber den Bau der Radula lasse ich 
weiter unten noch einige Bemerkungen folgen. 

Das Epithel des Schlundkopfes wird überall von einer derben 
Cuticula bedeckt, die nach den Entdeckungen von JOYEUX-LAFFUIE 
und Dau (17, p. 135, und 18, p. 162) bei Oncidiella celtica und 
borealis sich zu einem echten Kiefer verdickt. Ich kann diese Angaben 
bestätigen, gebe aber Semper darin völlig Recht, dass in diesem Be- 
funde nichts Auffälliges liegt, da der Kiefer eben nur eine besondere 
Differenzirung der Cuticula darstellt. 

Auf eine andere Bildung, die physiologisch wohl einem Kiefer 
entspricht, hat BERGH zuerst aufmerksam gemacht. Er erwähnt 2 „pa- 
latal plates“. Ich habe diese Cuticularverdickung bei allen grössern 
Oncidium-Arten angetroffen. Wie man aus Fig. 11 u. 16 (pal) ersieht, 
liegt diese Platte hinter dem Eingange zum Oesophagus, und bei 
Oncidium verruculatum springt sie manchmal (ob immer?) wie ein 
echter Kiefer faltenförmig vor. Stets aber ist sie unpaar und macht 
sich durch etwas dunklere Färbung bemerkbar. Zwischen vier etwas 
hin und her gewundenen Längslinien, die je zu zweien an beiden 
Seiten verlaufen, können noch zartere Längsfalten, und eventuell auch 


108 LUDWIG H. PLATE, 


quere Linien auftreten. Auf einem Horizontalschnitt (Fig. 20) fallen 
nur vier niedrige Chitinleisten (c) auf; die Cuticula zwischen denselben 
ist nicht besonders verdickt. Aehnliche verdickte Streifen habe ich 
bei Oncidium peroni auch an der Vorderwand des Schlundkopfes be- 
obachtet. Jene Platte kann wegen ihrer Lage hinter dem Oesophagus 
nicht als Rudiment eines Kiefers gedeutet werden. — Fiir den Histo- 
logen ist an dem Schlundkopf der Stiitzbalken und der Kolben der 
Zungenscheide von besonderem Interesse. Man begegnet in der Mol- 
luskenliteratur zahlreichen Angaben, welche diesen Organen eine Zu- 
sammensetzung aus Knorpelgewebe zuschreiben. Einige derselben habe 
ich in dem ersten Theile dieser Studien namhaft gemacht (19, p. 534) 
und zugleich nachgewiesen, dass wenigstens bei Daudebardia und 
Testacella echte Knorpelelemente nicht angetroffen werden, sondern 
dass nur Muskelfasern und Bindegewebszellen jene Stützgebilde auf- 
bauen. Für die Oncidien liegen die Verhältnisse ganz ähnlich. Joyeux- 
LAFFUIE (1, p. 251) unterscheidet bei Oncidiella celtica einen „carti- 
lage de support“ und einen „cartilage producteur“ de la radula; 
ersterer ist identisch mit dem Stützbalken der Raspel, letzterer mit 
dem Kolben der Zungenscheide. Der cartilage producteur soll die 
Radula erzeugen (,,donne naissance‘‘), wovon natürlich nach dem oben 
Gesagten nicht die Rede sein kann, und sich auf feinen Schnitten dar- 
stellen „avec des caracteres qui le feraient volontiers prendre pour 
un fibrocartilage de vertebre“. Obwohl die mir zur Verfügung stehen- 
den Exemplare von Oncid. celtica nicht besonders für histologische 
Zwecke conservirt waren, liessen sie doch deutlich erkennen, dass der 
Kolben aus einfachem faserigen Bindegewebe (Fig. 11a ko) sich zu- 
sammensetzt. Die Fasern sind einer homogenen Grundsubstanz ein- 
gebettet, die an manchen Stellen, namentlich am Aussenrande, so 
überwiegt, dass die Fasern weit auseinanderliegen ; kleine helle Partien 
dieser Grundsubstanz, in denen auch Zellen liegen können, kommen 
zahlreich zwischen den eng zusammengedrängten Fasern vor und können 
dadurch den Anschein von Faserknorpel erwecken. Ebensowenig kann 
ich die Knorpelnatur des Stützbalkens zugeben. Dieser besteht, wie 
bei Daudebardia und Testacella, aus Muskelfasern und Bindegewebs- 
zellen, die aber hier viel mächtiger und zahlreicher entwickelt sind 
als bei jenen Gattungen. Schnitte, die horizontal oder transversal 
(Fig. lla, 11 b) geführt sind, geben das gleiche Bild, das ich in Fig. 11¢ 
wiederzugeben versucht habe. Zu äusserst liegt eine bindegewebige, 
faserige Hülle (bi). Die Muskeln (mu) spannen sich quer und parallel 
zu einander zwischen der Innen- und Aussenwand des Balkens aus 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 109 


und stehen auf diesen senkrecht. Zu jedem Muskel scheint nur ein 
Kern zu gehören. An dem Vorderende des Balkens liegen sie so eng 
zusammen, dass die Bindegewebszellen zwischen ihnen fast völlig 
zuriicktreten. Ueberall sonst aber sind sie massenhaft entwickelt und 
erfüllen als grosse polygonale Blasen (z) alle Zwischenräume zwischen 
den Muskeln. Sie scheinen im Innern von einer wasserklaren Flüssig- 
keir oder Gallerte erfüllt zu sein. Die Zellmembranen sind zart, aber 
doch sehr deutlich. Der runde oder ovale, scheibenförmige Kern 
schmiegt sich der Membran eng an; ebenso wird derselben ohne 
Zweifel eine Protoplasmaschicht anliegen, die aber sehr zart sein muss, 
da ich sie selbst mit einer Wasserimmersionslinse nicht wahrzunehmen 
vermochte. Es sind dies offenbar die gleichen Zellen, wie ich sie für 
den Stützbalken der Dentalien (20) ausführlich geschildert habe, nur 
mit dem Unterschiede, dass bei diesen die Zellwände sehr viel dicker 
sind und dass sie allein, ohne die Betheiligung von Muskeln, die Unter- 
lage der Radula aufbauen. Man kann also nach dem histologischen 
Verhalten drei verschiedene Arten von Stiitzbalken der Raspel bei 
den Gastropoden unterscheiden: 1) sie bestehen ausschliesslich aus 
grossen, blasigen, mehr oder weniger dickwandigen Bindegewebszellen 
(Dentalium); 2) sie setzen sich zusammen aus blasigen Bindegewebs- 
zellen und Muskeln, und keins von diesen beiden Elementen tiberwiegt 
in erheblicher Weise (Oncidien); 3) die Muskeln bilden die Haupt- 
masse des Stiitzbalkens, gegen sie treten die Bindegewebszellen ganz 
zurück. Es lassen sich diese drei Typen kurz als der bindegewebige, 
der gemischte und der musculöse einander gegenübersetzen, selbst 
wenn bei einer vergleichenden Untersuchung vieler Schnecken Ueber- 
gänge von dem einen zum andern nachgewiesen werden sollten. 

Die Radula ist schon von verschiedenen Oncidien-Arten (1, 2, 
4, 21, 25) untersucht worden. Da ihr Bau für die Systematik vieler 
cephalophoren Molluskengruppen ein ausgezeichnetes Hülfsmittel ab- 
giebt, hegte ich von vornherein die Hoffnung, wenigstens generische 
Charaktere aus ihr ableiten zu können. Meine Erwartungen sind auch 
eingetroffen, wenn auch nicht in dem Maasse, wie es bei dieser arten- 
reichen und dabei äusserlich so gleichförmigen Gruppe wünschens- 
werth wäre. Die Gattungen Oncidiella, Peronina und Oncidina sind 
leicht zu unterscheiden; zwischen Oncidiwm und Oncis, die ja auch 
sonst mannigfache Uebereinstimmungen darbieten, sind die Unter- 
schiede geringfügiger, und bei ihnen ist eine Sonderung nicht immer 
‘möglich, wenn man auch immer erkennen kann, dass die betreffende 
Art einem der beiden Genera angehört. Jede Querreihe der Radula 


110 LUDWIG H. PLATE, 


besteht aus einem Rhachiszahn und aus zahlreichen Pleuralzähnen, 
von denen der erste noch ziemlich klein ist, während die übrigen mit 
Ausnahme der äussersten grésser sind. An jedem Pleuralzahn kann 
man folgende Theile unterscheiden, deren verschiedene Ausbildung fiir 
die Systematik von Wichtigkeit ist: den „Sockel“ (so Fig. 21a, bei 
seitlicher Betrachtung des Zahns), welcher sich nach hinten in eine 
dünne Platte, die „Basalplatte“, verlängert, den Hauptzahn (hz) und 
das nach aussen von diesem gelegene „Seiten- oder Nebenzähnchen“ (sz), 
welche beide dem Sockel aufsitzen. Durch den Sockel und die Basal- 
platte ist der Zahn an der subradularen Chitinmembran (ch. m) be- 
festigt. Der Hauptzahn ist plattenförmig, in der Mitte verdickt und 
an den Seiten dünner (Fig. 21, 8). Der Rhachiszahn ist immer sehr 
klein, dreispitzig und dadurch ausgezeichnet, dass sich die Basalplatte 
auch nach vorn von dem Sockel ausbreitet und hier mit ihren Seiten- 
rändern in die Seitenzähnchen übergeht (Fig. 21 0). Die charakte- 
ristischen Kennzeichen der Gattungen sind nun folgende: 

Oneidiella. 1) Die Basalplatten einer Querreihe (Fig. 22 bas) 
laufen mit geraden, einander parallelen Rändern nach hinten. Zwischen 
je zwei benachbarten Rändern entsteht so eine seichte Rinne, die bei 
schwächerer Vergrösserung wie eine Linie erscheint; diese geraden 
und in der Längsrichtung des Körpers verlaufenden Linien geben der 
Radula ein in die Augen fallendes Gepräge, vornehmlich in der äussern 
Hälfte. Bei Oncidiella maculata, borealis und reticulata sind die 
Innenränder der Basalplatten verdickt, wodurch diese Linien noch 
deutlicher werden. 

2) Die Hauptzähne nehmen von innen nach aussen an Grösse ab; 
sie sind meist im ganzen äussern Drittel jeder Querreihenhälfte sehr 
klein, so dass ein breiter Spalt zwischen den Querreihen geschaften 
wird. ; 

Oncidina (Fig. 24). Die Zähne sind ungewöhnlich gross, in 
den innern zwei Dritteln von gleicher Grösse, im äussern nach aussen 
kleiner werdend; die Hauptzähne kurz und breit, dreieckig, die Seiten- 
zähne nur als Höcker ausgebildet. 

Peronina (Fig. 25). Die Zähne sind sehr klein (Fig. 24 u. 25 
sind bei der gleichen Vergrösserung gezeichnet) und nehmen von innen 
nach aussen an Grösse zu, so dass die äussersten lange schmale, 
linealförmige Hauptzähne aufweisen. Die Seitenzähne sind stark ent- 
wickelt und fehlen nur an den äussersten Pleuralzähnen. 

Oncidium und Oneis (Fig. 21, 21a, 23, 23a, 24a). Die Basal- 
platten der Pleuralzähne verschmälern sich nach hinten, so dass die 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 111 


zwischen ihnen liegenden Rinnen einen spitzen Winkel bilden. Die 
Hauptzähne erreichen gewöhnlich in der Mitte oder jenseits der Mitte 
jeder Querreihenhälfte ihr Maximum und nehmen dann nach aussen 
an Grösse ab; zuweilen sind sie überall ziemlich von gleicher Grösse 
(Oncidium marmoratum, nigrum, multinotatum, Oncis inspectabilis). 
Bei allen Oncis-Arten, mit alleiniger Ausnahme von Oncis inspectabilis, 
sind die Hauptzähne (Fig. 23, 23a) kurz, halbkreisförmig, und dies 
gilt auch fiir Oncidiwm amboinae, eine Art, die auch in der Gestalt 
der Lungenhöhle und Niere mit den Oncis-Species übereinstimmt. Bei 
Oncidium und bei Oncis inspectabilis hingegen sind die Hauptzähne 
viel länger als breit (Fig. 21, 24a). Ein anderer, ebenfalls nicht ganz 
scharf durchzuführender Unterschied besteht darin, dass bei der 
Gattung Oncis und bei Oncidium amboinae, vaigiense und luteum der 
Sockel sich als ein dunkler, gebogener Längsstreifen in die Basalplatte 
fortsetzt (Fig. 23, 23a), während bei der Mehrzahl der Oncidium- 
Arten der Sockel scharf abgesetzt erscheint und ein solcher Fortsatz 
fehlt. 

Die Speicheldrüsen treten bei den Oncidiiden in zwei gering- 
fügigen Modificationen auf. Die eine, welche als die compacte be- 
zeichnet werden kann, kommt den Gattungen Oncidium, Oncis, Oncidina 
und Peronina zu, die andere findet sich bei Oncidiella und ist durch 
ihre gestreckte Form ausgezeichnet. Im erstern Falle ist das Organ 
(Fig. 12, 14, 17, 29, 31a sal) eine rundliche, compacte Masse, indem 
die Endschläuche und -lappen der baumförmig verästelten Drüse 
grösstentheils eng neben einander liegen und höchstens auf der Ober- 
fläche faserig auseinanderstehen. Die beiden Drüsen liegen den Seiten 
des Pharynx auf und steigen diesen angeschmiegt zur Fussfläche herab, 
um hier in der Nähe der Gehirnganglien die Arteriae salivales (Fig. 85 4) 
aufzunehmen; sie sind nicht durch Bindegewebe oder durch diese 
Gefässe direct an den Ring der Nervencentren befestigt. Der von Seiten- 
zweigen und Drüsenlappen freie Theil des Ausführungsganges ist nur 
kurz und mündet an der gewöhnlichen Stelle neben der Wurzel des 
Oesophagus in den Pharynx. Es findet sich also hier das bei Pul- 
monaten sehr seltene, sonst nur noch bei den Vaginuliden wieder- 
kehrende Verhalten, dass die Speicheldrüsen vor dem Ganglienringe 
liegen und ihr Ausführungsgang diesen daher nicht durchbohrt. Die 
Grösse der Drüsen schwankt etwas bei den einzelnen Arten. Nach BERGH 
soll bei Oncidium peroni (2, p. 134 u. 143) die rechte Drüse kleiner 
sein als die linke, was ich nach Untersuchung von mehreren Exem- 
plaren als sicheres Criterium nicht anerkennen kann. Peronina alta 


112 LUDWIG H. PLATE, 


(Fig. 14), die durch den auffallend kleinen Pharynx ausgezeichnete 
Form, besitzt auch sehr kleine Speicheldrüsen. 

Bei Oncidiella maculata entsprechen die Speicheldrüsen ganz den 
Angaben, welche JoyEux-LAFFuIE (1, p. 254) für Oncidiella celtica 
gemacht hat, und die hier vorliegenden Abweichungen von den übrigen 
vier Gattungen sind vermuthlich dem ganzen Genus eigenthümlich, da 
ich sie noch für sechs andere Arten habe nachweisen können. Sie 
bestehen darin, dass die Drüsen langgestreckt, bandförmig sind, dass 
ihre Drüsenlappen nicht dicht zusammensitzen und dass ihre Hinter- 
enden direct durch Bindegewebe an die Cerebralcommissur ange- 
heftet sind. 

Der Oesophagus (Fig. 17, 11, 13, 14, 15, 18 oes) entspringt 
der Dorsalfläche des Pharynx, biegt sich, diesem aufliegend, zum Boden 
der Leibeshöhle herab, um hier den von den Nervencentren gebildeten 
Ring zu durchbohren und sich mit einem weitern, ungefähr ebenso 
langen Abschnitt bis zum Magen fortzusetzen. Er ist innen längs- 
faltig und einfach cylindrisch, wenn er keine oder nur wenig Nahrung 
resp. Sandmassen beherbergt. Sehr häufig aber enthält er grosse 
Mengen der letztern und kann dann im ersten Abschnitt (Fig. 14) 
oder noch gewöhnlicher im zweiten stark magenartig!) erweitert sein. 
JOYEUX-LAFFUIE (1, p. 254, 255) hält diese Anschwellung bei Oncidiella 
celtica für eine constante Bildung, was ich nach den an andern Arten 
dieses Genus gemachten Erfahrungen bestätigen kann, dieser Sack 
erreicht häufig eine ganz bedeutende Grösse — bei Oncidiella accrensis 
bildete er einmal !/, der gesammten Eingeweidemasse — und liegt 
immer quer hinter dem Pharynx und vor den vordern Leberportionen 
(Fig. 32). Gegen den Magen ist der Oesophagus äusserlich (Fig. 17) 
nicht scharf abgesetzt, aber innerlich sind dieselben durch eine Quer- 
falte (Fig. 18), an der die Längsleisten des Schlundrohres ihr Ende 
erreichen, deutlich geschieden. 

Der Magen mit seinen complicirten Verhältnissen ist von 
Cuvier (6) knapp und exact geschildert worden, und BERGx (2) hat 
diese Beschreibung im Einzelnen vervollständigt, während die Angaben 
von JOYEUX-LAFFUIE (1, p. 255) und neuerdings von v. JHERING 


1) Bei einem Exemplar von Oncidina australis war diese Erweite- 
rung viel grösser als der Muskel- und Chylusmagen zusammengenommen. 
Bei Oncidium vaigiense traf ich ihn so angeschwollen, dass er sich vom 
Boden der Leibeshöhle zwischen Ober- und Unterleber bis zur Dorsal- 
fläche des Eingeweideknäuels erhob und bei der Eröffnung des Thieres 
sofort sichtbar war. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 113 


(12, p. 204) ungeniigend und fehlerhaft sind. Die verschiedenen 
Gattungen weichen im Bau dieses Theiles des Verdauungscanals nur 
unwesentlich von einander ab. Ich schildere zunächst die Verhältnisse 
von Oncidium verruculatum (Fig. 18). 

Man kann hier an dem Magen 3 oder noch besser 4 Abschnitte 
unterscheiden (s¢’—st’), von denen der dicke, rundliche Kaumagen 
(st) und der links vor ihm liegende trichterförmige Chylusmagen 
(st!!!) wegen ihrer Grösse zuerst ins Auge fallen. Sie hängen beide 
durch ein schlauchförmiges Verbindungsstück, den Magenschlauch 
(st!), mit einander zusammen. Endlich schiebt sich zwischen Chylus- 
magen und eigentlichen Darm ein kurzes, doppeltheiliges Rohr ein, 
das BERGH schon zum Darm rechnet, das ich aber mit Cuvier als 
Endabschnitt des Magens (si’F)) aus gleich zu schildernden Gründen 
ansehen will. Der Oesophagus wird durch die oben erwähnte Quer- 
falte vom Cardialtheil des Magenschlauches gesondert; gleich hinter 
derselben ôfinen sich die beiden vordern Leberportionen, auf der dor- 
salen Seite der Ausführgang der obern Leber (d. hep!), auf der ventralen 
derjenige der untern Leber (d. hep”), von denen der erstere, der Grösse 
der zugehörigen Drüse entsprechend, der grössere ist. Beide Gänge 
sind im Innern mit Längsfalten bedeckt, und ihre Oeffnungen sind so 
geräumig, dass die Sandmassen häufig bis tief in die Leber eindringen. 
Von jeder Leberöffnung gehen zwei Falten, die eine Rinne zwischen 
sich fassen, aus, vereinigen sich nach kurzem Verlauf und bilden so 
eine gemeinschaftliche Gallenrinne (ri), die durch den ganzen Magen- 
schlauch und Chylusmagen bis in die vordere Hälfte des Endabschnittes 
hineinzieht (Fig. 18). Ihre Wände sind so hoch, dass sie sich zu 
einem vollständigen Canal zusammenlegen können, der das Gallen- 
secret fast bis zum Darm befördert. Vermuthlich dient demnach die 
Hinterleber, welche sich im Hintergrunde des Kaumagens (Fig. 18 d. hep?) 
öffnet, vornehmlich dazu, mit ihrem Secret die im Kau- und Chylus- 
magen befindlichen Nahrungsmassen zu durchtränken, während Ober- 
und Unterleber in vielen Fällen die Galle direct in den Darm ergiessen. 
Bei Peronina alta läuft die Gallenrinne etwas anders aus. Als eigent- 
liche Rinne, die von zwei Falten gebildet wird, erstreckt sie sich nur 
durch die hintere Hälfte des Endabschnitts des Magens; in die vordere 
setzt sich nur eine Falte fort in Gestalt eines grossen dreieckigen 
Lappens. — Die geschilderte Gallenrinne, welche allen Oncidien zu- 
kommt, ist bis jetzt übersehen worden; nur Beran (2, p. 144) scheint 
ihr letztes Ende beobachtet zu haben, denn er erwähnt bei Oncidium 


peroni zwei Falten, die aus dem Chylusmagen sich 9 mm weit in 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 8 


114 LUDWIG H. PLATE, 


den Anfangstheil des Darms fortsetzen und sich hier vereinigen. Das 
Dasein dieser Faltenbildung scheint mir dafiir zu sprechen, dass der 
Endabschnitt (Fig. 18 st!) noch zum Magen gerechnet werden muss. 
Hierauf weist auch der Verlauf der iibrigen Falten hin. Im Chylus- 
magen sind dieselben bekanntlich ausserordentlich stark entwickelt (s#/1), 
füllen fast das ganze Lumen desselben aus und machen sich schon, ehe 
man ihn aufgeschnitten hat, in einer feinen Längsstreifung auf der 
äussern Oberfläche bemerkbar. Wie man aus dem Querschnitt Fig. 26 
ersieht, ist die musculöse Wandung des Chylusmagens nur dünn und 
besteht vornehmlich aus Ringfasern. Die hohen Falten (a) verstreichen 
nach vorn hin allmählich. Sie sind dicht besetzt mit Reihen von 
niedrigeren Falten, und ebensolche (b) finden sich auch in grosser Zahl 
zwischen den Hauptfalten. Dieselben sind überall von einem mässig 
hohen Cylinderepithel bedeckt, an dem ich (vielleicht nur wegen des 
Erhaltungszustandes) Cilien nicht zu entdecken vermochte. Diese 
Falten des Chylusmagens werden im Innern von einem zarten, binde- 
gewebigen Maschenwerk, das vom Blute durchströmt wird, erfüllt und 
sind also wegen ihrer grossen Oberfläche zur Aufnahme flüssiger und 
gelöster Nahrung sehr geeignet. Zwischen gewöhnlichen Bindegewebs- 
zellen kommen einzelne grössere (c) vor, die sich mit Hämatoxylin 
intensiv blau färben und die ich für Drüsenzellen halten würde, wenn 
ich einen Ausführgang an denselben hätte bemerken können. — Die 
Hauptfalten des Chylusmagens, deren Zahl etwa 6—8 beträgt, setzen 
sich direct fort in die niedrigen Leisten des Endabschnittes und werden 
in der vordern, ampullenartig erweiterten Hälfte desselben wieder etwas 
höher als sie Anfangs waren und Jaufen hier fein gegabelt aus (Fig. 18). 
Die feinen, viel niedrigeren Falten des Darmes sind deutlich von diesen 
Gabelästen getrennt, meist liegt zwischen beiden eine kleine, völlig 
glatte Zone, und hierhin haben wir daher die Vordergrenze des Magens 
zu verlegen. Eine solche glatte Zone kann sich auch zwischen die 
beiden Hälften des Endabschnittes einschieben, wie ich dies z. B. bei 
einem Exemplar von Oncidium peroni beobachtet habe. 

Ueber den dicken Kau- oder Muskelmagen mögen hier einige 
histologische Angaben folgen. Cuvier hat zuerst auf die beiden 
Sehnenplatten aufmerksam gemacht, welche den dorsalen und ventralen 
Pol des rundlichen Gebildes stark abplatten (Fig. 29, 17, 18 pl) und 
durch ihr bläulichweisses, glattes Aussehen auffallen. An sie setzen 
sich die dicken Muskellagen an, welche die linke und rechte Seiten- 
wand des Kaumagens bilden (Fig. 27 pl). Diese Zeichnung, welche 
einen Querschnitt durch die hintere Region des Magens darstellt, lässt 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 115 


den Unterschied in der Dicke zwischen der Sehnenplatte (pl, pl’) und 
der Seitenwand deutlich erkennen. Bei den grossen Arten fallt dieser 
Unterschied in der Dicke besonders auf. So waren bei einem Exemplar 
von Oncid. peroni die Sehnenplatten !/, mm, die Vorder- und die Hinter- 
wand 1 mm, die Seitenwände in der Mitte 8 mm stark. BERGH hat gezeigt, 
wie die letzteren aus abwechselnden Schichten von Ring- und Längs- 
(Aequatorial- und Meridional-)fasern zusammengesetzt sind; aber dies 
gilt nur für die an den Magenschlauch anstossende und für die mittlern 
Regionen des Muskelmagens. Im hintern Drittel, also im Fundus des 
Magens, besteht die Wandung fast ausschliesslich aus Ringfasern (Fig. 27), 
zwischen denen gefässartige Blutlacunen verlaufen (bl). Zwischen den 
Muskelzügen liegen hier und da grosse, unregelmässig gestaltete Zellen, 
von denen jede eine ganze Anzahl kleiner Kerne (b) aufweist (Wander- 
zellen ?). Auch die Sehnenplatten sind rein musculös, und es ist daher 
diese Bezeichnung nur ihrer Function entlehnt. Die Muskeln sind 
aber viel zarter und schliessen viel enger an einander als in der 
Seitenwandung, und dadurch wird ihre grössere Festigkeit und ihr 
anderes Aussehen bedingt. Jede Platte wird an der Peripherie (pl’) 
nach aussen zu immer zarter und läuft hier schliesslich unmerklich 
aus. — Das Epithel, welches den Muskelmagen auskleidet und die 
ausserordentlich dicke Chitincuticula ausgeschieden hat, bildet auf den 
Schnitten (Fig. 27, 28) zahlreiche wellenförmige Erhöhungen. Die 
Zellen sind cylindrisch, mässig hoch, mit kleinem, basalständigem Kern. 
Sie werden nicht durch eine Basalmembran zusammengehalten, sondern 
stossen nach aussen direct an eine bindegewebige Zone von geringer 
Dicke (0,084 mm, Fig. 28 bi), die aus Fasern und Zelien besteht und 
den Uebergang zur Musculatur bildet (mu). Die Cuticula ist an den 
den Wellenthälern entsprechenden Stellen ca. 0,17 mm dick, vor den 
Wellenbergen nur ungefähr halb so stark. Sie setzt sich aus ebenso- 
viel Chitinsäulen zusammen, wie Epithelzellen vorhanden sind, und 
erscheint daher schon bei schwächerer Vergrösserung deutlich radial 
gestreift. Eine viel zartere horizontale Streifung deutet an, dass jede 
Chitinsäule durch Uebereinanderlagerung zahlreicher dünner Schichten 
von ihrer Epithelzelle gebildet worden ist. Unerklärlich in ihrer Ent- 
stehung und Bedeutung sind mir kleine Hohlräume (Fig. 28 a) ge- 
blieben, die in der Cuticula hier und da vorkommen und nicht selten 
vor den Epithelthälern reihenartig angeordnet sind. Sie enthalten 
einen kugligen oder scheibenförmigen Chitinpfropf, der bald homogen, 
bald etwas bröcklig erscheint und im Jetztern Falle wie eine Zelle aus- 
sehen kann; bei Anwendung von Farbstoffen bleiben diese Gebilde 
8 *# 


116 LUDWIG H. PLATE, 


aber völlig farblos, so dass ich glaube, dass sie aus derselben Substanz 
wie die umgebende Cuticula bestehen. 


Die vorstehenden Angaben beziehen sich zunächst nur auf den 
Magen von Oncidium verruculatum; aber sie gelten in allen wesent- 
lichen Punkten für sämmtliche Oncidiiden, da diese nur in dem Grössen- 
verhältniss der einzelnen Theile zu einander abweichen. Es ist daher 
nicht richtig, wenn JoyEux-Larruie (1, p. 255) nur den Kaumagen 
erwähnt und Cuvier’s ganz correcte Behauptung, dass der Magen 
dreitheilig!) sei, in Zweifel zieht, zumal schon FISCHER u. Crosse (21) 
die Verhältnisse für Onc. celtica ganz richtig geschildert hatten. 
Bei allen (mir bekannten) ÖOncidiella- Arten sind die vier Magen- 
abschnitte in typischer Ausbildung vorhanden, aber der Chylusmagen 
ist verhältnissmässig sehr klein (Fig. 32 st!!!) so dass er, namentlich 
wenn er leer ist, leicht übersehen werden kann. Um den Endabschnitt 
zu erkennen, muss man das Organ aufschneiden, da er sich äusserlich 
nicht abhebt; nur bei Oncidiella celtica (ob auch andere Oncidiellen ?) 
ist der Endabschnitt sehr kenntlich, weil er nämlich ein kleines Di- 
verticulum besitzt, das FISCHER u. CROSSE ganz richtig hervorheben, 
während JovEux-LAFFUIE es übersehen zu haben scheint. Auch bei 
Oncidina australis ist der Chylusmagen sehr klein, noch nicht halb 
so gross wie der Kaumagen. Die Abbildung, welche v. JHERING kürz- 
lich (12, tab. 4, fig. 6) von dem Magen des Oncidium verruculatum 
veröffentlicht hat, ist ganz mangelhaft, wie der Leser sofort erkennen 
wird, wenn er sie mit meiner Fig. 17 vergleicht ?). Wenn er im Text 
sagt, der Magen setzt sich aus einem dünnhäutigen Abschnitt und 
dem Muskelmagen zusammen, so ist diese Charakterisirung zwar wenig 
genau, aber nicht gerade falsch, da in der That Magen I, III und IV 
viel zartere Wandungen haben als II. 


1) Cuvier betrachtet den Magenschlauch, obwohl er ihn abbildet, 
nicht als besondern Magenabschnitt wie BerGH und ich; daher nennt 
er den Magen drei- anstatt viertheilig. 


2) Wozu nach den weit bessern Zeichnungen von Cuvier und BERGH 
die Literatur noch um eine solche Abbildung bereichern! An dem 
Schlundkopf ist alles verkehrt eingetragen, die Radulapapille liegt vor 
anstatt hinter den Buccalganglien, und der Oesophagus läuft nicht über 
diese hinweg, sondern entspringt hinter ihnen. Von den Magenkammern 
ist nur der Kaumagen zu erkennen. Der Chylusmagen und der End- 
abschnitt sind gar nicht angedeutet. Eine solch flüchtige Zeichnung 
ist geeignet, den nicht mit dem Material aus eigener Anschauung be- 
kannten Leser vollständig zu verwirren ! 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. eed 


Die Leber zerfällt in drei Portionen, die gesondert einmiinden 
und die wir kurz nach ihrer Lage als Ober- (hep'), Unter- (hep?) und 
Hinterleber (hep?) unterscheiden wollen. Die erstere breitet sich über 
dem Oesophagus und Magenschlauch aus (Fig. 29 hep'), nimmt einen 
Theil der Darmschlingen zwischen ihren Lappen auf und mündet links- 
seitig und etwas von oben (Fig. 17, 18 d.hep') in den Cardialtheil 
des Magenschlauches ein. Die Unterleber liegt unter dem Oesophagus 
und Magenschlauch und ist daher bei der Eröffnung des Thieres zu- 
nächst nicht sichtbar. Ihr Gallengang liegt demjenigen der Oberleber 
gegenüber (Fig. 17, 18 d.hep?). Bei den Oncidiellen ist die Lage 
der beiden vordern Leberportionen etwas anders. Man bezeichnet sie 
hier anstatt als Ober- und Unterleber richtiger als rechte und linke 
Drüse, da sie beide in gleicher Höhe sich zu beiden Seiten des ersten 
Darmabschnittes ausbreiten (Fig. 32). Es hängt dies mit der mehr 
medianen Lage des Magens zusammen, der bei den übrigen Gattungen 
ganz nach links gerückt ist, wodurch hep? nach dem Boden der Leibes- 
höhle hingedrängt wird. Die Hinterleber liegt hinter dem Kaumagen 
(Fig. 29 hep?), links neben und theilweise über den Geschlechtsorganen ; 
sie mündet am Hinterrande der dorsalen Sehnenplatte des Kaumagens 
in diesen ein (d. hep*). Das Grössenverhältniss der drei Leberabschnitte 
unterliegt manchen Schwankungen. Bei den meisten Arten ist die Ober- 
leber weitaus am grössten (d. h. massigsten), während Unter- und 
Hinterleber gleich gross sind oder nur wenig differiren. Die Ab- 
weichungen von dieser Regel und die nähern Einzelheiten ergeben 
sich aus folgender Zusammenstellung, in der die relative Grösse der 
Leberportionen durch die Anzahl der beigesetzten * angedeutet wird. 
OL, UL, HL = Ober-, Unter-, Hinter-Leber. 


i 
1), OL"? Ul nie: 
Oncidium nigrum, aberrans, marmoratum. 
Oncis lata, coriacea, martensi, inspectabilis. 
Oncidiella accrensis, maculata, bei denen HL von sehr geringer 
Grösse ist. 


2) OL = oder nur wenig grösser als UL**: 

HL* nur wenig kleiner als diese: Oncidiella celtica, pachyderma. On- 
cidium multinotatum. 

HL* sehr klein: Oncidiella reticulata. Peronina alta. 


118 LUDWIG H. PLATE, 


3) (OLAS = Hit: 
Oncidium verruculatum, vaigiense, amboinae, griseum, tumidum, branchi- 
ferum. 
Oncis semperi, coeca. 


II. 
4) UL***, OL**, HL*: 
Oncidina australis. 
Oncidiella borealis, obscura, bei denen HL ganz klein ist. 


IH. 
DH), E00 SUR 
Oncidium peroni, nebulosum, bei denen der Unterschied zwischen HL 
und OL nicht erheblich ist. 


Bei Aufstellung dieser Uebersicht habe ich die Grösse der Leber- 
lappen nur mit dem Auge abgeschätzt, eine natürlich nicht ganz zu- 
verlässige Methode. Da ausserdem individuelle Schwankungen, die 
vielleicht auch auf verschiedenen Contractionszuständen beruhen, nicht 
selten beobachtet werden, so giebt jene Liste nur ein ungefähres Bild 
der bei den Oncidiiden vorkommenden Variationen. Immerhin zeigt sie, 
dass alle drei Leberportionen das Maximum an Volumen und Masse 
aufweisen können und dass der artenreichsten Gattung (Oncidium) auch 
die grösste Verschiedenartigkeit zukommt. 

Besonders variabel ist die Hinterleber, welche in Gruppe III das 
Maximum repräsentirt, dagegen bei mehreren Oncidiellen und Peronina 
alta so klein wird, dass man sie rudimentär nennen könnte, wenn sie 
nicht in Färbung und histologischem Aufbau ganz unverändert wäre 
und daher offenbar noch functionirte. Nach Joyeux-LAFFuIE (1, p. 256) 
sollen die beiden vordern Leberportionen bei O. celtica in den Oeso- 
phagus eintreten, was ich schon oben berichtigt habe; ihre beiden 
Gallengänge sollen sich ferner vor ihrer Einmündung vereinigen, was 
ich bestätigen kann, wenn auch manchmal das gemeinsame Stück des 
Ausführganges so verschwindend klein ist, dass man richtiger nur 
von einer gemeinsamen Mündung spricht. Bei den übrigen Oncidiellen 
scheint das gewöhnliche Verhalten vorzuliegen, doch muss ich gestehen, 
auf diesen Punkt aus Vergesslichkeit nicht besonders geachtet zu 
haben. 

Der Darm der Oncidiiden hat, wie bei allen sandfressenden 
Thieren, eine ansehnliche Länge und verläuft unter Bildung mehrerer 
Windungen, die eine ganz constante Lagerung haben. BERGH giebt 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 119 


seine Grésse bei einem 6,5 cm messenden Oncidium peroni (2, p. 136) 
auf 14 cm an; bei einem Exemplar von Oncidium verruculatum fand 
ich ihn 31/, mal so lang wie den Körper. Die Länge des Darms ist 
bei den einzelnen Gattungen etwas ungleich, was eine verschiedene 
Lage der Darmschlingen zur Folge hat. Man kann vier Typen der- 
selben unterscheiden. 

Der erste (Fig. 29) ist für Oncis semperi und für die Gattung 
Oncidium charakteristisch, bei deren sämmtlichen Arten, mit Ausnahme 
von vieren (Onc. amboinae, griseum, luteum und multinotatum), er an- 
getroffen wird. Nachdem der Darm vom Endabschnitt des Magens 
zunächst eine kurze Strecke am Boden der Leibeshöhle sich nach vorn 
gewandt hat, biegt er nach rechts um, legt sich quer über den Oeso- 
phagus hinüber und gelangt so zur rechten Körperwand; an dieser 
steigt er empor zur dorsalen Fläche des Eingeweideknäuels und be- 
schreibt hier zwischen den Lappen der Oberleber (hep!) eine ganz 
charakteristische Figur, deren man sofort bei Eröffnung des Thieres 
vom Rücken her ansichtig wird. Der Darm (Fig. 29 int!) bildet zu- 
nächst eine oberflächliche S-förmige Schlinge, steigt dann etwas herab 
und kehrt nun in einem grossen Bogen (int?), dessen Lage aus der 
Figur zu ersehen ist, ungefähr zu derselben Stelle zurück, an der er 
seine dorsale Lagerung begann. Von hier zieht er, scharf umbiegend, 
neben der rechten Körperwand und unter den Geschlechtsorganen 
gerade nach hinten zum After. 

Der zweite Typus in der Anordnung der Darmschlingen findet sich 
bei allen Oncis-Species mit Ausnahme von Oncis semperi, bei Oncidina 
auslralis, Peronina alta und bei Oncidium amboinae, griseum, luteum 
und multinotatum. Ein Vergleich zwischen Fig. 30, welche diesen 
Situs von Oncis coriacea darstellt, und Fig. 29 lässt den Unterschied 
sofort erkennen. Der Darm ist hier etwas länger geworden und be- 
schreibt daher eine Schlinge mehr. Nachdem er Anfangs wie beim 
ersten Typus am Boden der Leibeshöhle quer entlang gezogen ist, 
betritt er bei imt! die dorsale Oberfläche des Eingeweideknäuels. Er 
beschreibt nun nach vorn einen grossen Bogen, welcher dem rück- 
läufigen Abschnitte nt (= int? der Fig. 29) eng anliegt, wendet sich 
mit einer grossen Schlinge (nt?) nach hinten, zieht rechtsseitig, von 
der Leber verdeckt und daher in Fig. 30 nicht sichtbar (zwischen 
int und int?‘), wieder nach vorn, um dann in ini* überzugehen. Mit 
Typus I verglichen ist also der Darm vermehrt worden um die Strecke 
int? bis int’, die eine nach hinten gekehrte Schlinge bildet, wie dies 
noch deutlicher aus Fig. 31 erhellt, da auf ihr der ganze Verlauf des 


120 LUDWIG H. PLATE, 


Darms frei zu übersehen ist. Sie wurde entworfen nach einem In- 
dividuum, das mir mit der Etiquette „Oncidium tumidum SEMP., 
SEMPER’Sches Originalex., Singapore“ vom Berliner Museum überwiesen 
worden war und das zu SEMPER’sS Schilderung auch vollständig passte, 
so dass ich annahm, ausnahmsweise auf eine Oncidium-Species mit 
dem Darmtypus II gestossen zu sein. Später untersuchte ich 5 Exem- 
plare aus Ponape, die auch völlig mit der Semper’schen Diagnose von 
Onc. tumidum übereinstimmten, die aber sämmtlich den Darmtypus I 
aufwiesen. Dieser letztere ist, wie wir schon hervorhoben, für die 
Gattung Oncidium besonders charakteristisch, denn von 16 unter- 
suchten Arten fehlte er nur bei fünfen, und er ist daher auch wohl als 
der ursprüngliche anzusehen, woraus dann folgen würde, dass bei 
Oncidium tumidum eine Varietät mit längerem, nach Typus II an- 
geordnetem Darm vorkommt und dass dieser letztere sich aus Typus I 
entwickelt hat. Der Leser könnte vielleicht die Vermuthung hegen, 
dass die Lage der Darmschlingen nicht ganz constant sei und bei 
demselben Thiere aus dem einen in den andern Typus übergehen 
könne. Eine derartige Umlagerung ist ausgeschlossen, weil der Darm 
durch zahlreiche Bindegewebsfäden !) (Fig. 29 bi) an die benachbarten 
Organe und die Haut befestigt ist, so dass er sich nicht verschieben 
kann; mögen die Exemplare einer Art daher auch noch so ausgestreckt 
oder noch so contrahirt sein, sie stimmen in diesem Punkte stets 
überein. Von Oncidium amboinae und griseum untersuchte ich je 3, 
von Oncidium luteum 2, von Oncidium multinotatum 1 Individuum. 
Der Typus II war bei allen ganz rein ausgesprochen. Bei ersterer 
Art war die Strecke von int? bis int? (Fig. 31) nach vorn umgebogen, 
so dass die Kuppe des Bogens den Punkt int! berührte. 

Oncidium nigrum (Fig. 3la) ist durch eine noch ausgiebigere 
Verlängerung des Darms  charakterisirt; in Folge dessen sind die 
Spiralwindungen noch zahlreicher geworden und nehmen einen solchen 
Raum ein, dass der Chylusmagen und ein beträchtlicher Theil 
des Muskelmagens und der Oberleber von ihnen verdeckt werden. 
Im Vergleich mit Typus II (Fig. 31) zeigt diese neue, dritte Form 
des Situs intestinalis noch zwei vollständige Kreisschlingen des Darms 
mehr. Er tritt bei int! (Fig. 31a) auf die Rückenfläche des Ein- 
geweideknäuels über, beschreibt bis ini? den ersten, bis ni? den 


1) Zu diesen gehören auch die zwei „tendinous cords“, welche 
BEerGx besonders aufgefallen sind und die Muskel- und Chylusmagen 
an einander heften, 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. al 


zweiten Kreis; es folgt nun die bekannte c-fôrmige Schlinge, welche 
in die zwei rückläufigen Spiralwindungen überführt. Dieser dritte 
Typus stellt die höchste Differenzirungsstufe dar, welche überhaupt 
bei den Oncidiiden angetroffen wird; ich bin demselben nur bei dieser 
einen Art begegnet. 

Bei dem vierten und letzten Typus ist der Darm kürzer als bei 
den vorhergehenden. Er ist charakteristisch für die Gattung Oncidiella, 
welcher er, soweit ich nach der Untersuchung von 7 Arten urtheilen 
kann, ausnahmslos zukommt. Der Darm (Fig. 32, Onc. celtica) läuft 
vom Endabschnitt des Magens an der Dorsalfläche des Eingeweide- 
knäuels annähernd median nach vorn (int!), wobei er die Oberleber 
(hep!) auf der rechten, die Unterleber (hep?) auf der linken Seite hat. 
Diese beiden Leberportionen sind hier also, wie schon oben bemerkt 
wurde, etwas anders orientirt als bei den übrigen Oncidiiden, so dass 
‘die Bezeichnung. Ober- und Unterleber nicht zutreffend ist. Der 
Darm windet sich nun um das Vorderende der Oberleber herum, wobei 
er auf eine kurze Strecke durch diese verdeckt wird, verläuft dann 
in einem mehr oder weniger stark ausgeprägten Bogen nach innen 
und endlich ziemlich gerade nach hinten und frei über die Geschlechts- 
organe hinweg, so dass er bis ganz in die Nähe des Afters sichtbar 
bleibt. Dieser letzte Abschnitt hat häufig (Oncidiella maculata) eine 
ungefähr mediane Lage, oder er ist auch, wie bei One. celtica und 
andern Arten, etwas nach rechts verschoben. Ich habe diesen vierten 
Typus, obwohl der Darm hier besonders einfach verläuft, nicht zuerst 
geschildert, weil es mir unmöglich erscheint, Typus I (und damit auch 
Typus II und III) direct von ihm abzuleiten. Es fehlt dem Typus IV 
jenes Anfangsstück des Darmes, welches dem Boden der Leibeshöhle 
aufliegt, indem der ganze Darm der Dorsalfläche des Eingeweide- 
knäuels angehört. Vielleicht hängt dies mit der Anwesenheit einer 
Oesophaguserweiterung bei den Oncidiellen zusammen, die ja häufig 
durch Sand so colossal aufgetrieben wird, dass sie den ganzen Raum 
unter den vordern Leberportionen einnimmt, so dass hier kein Ab- 
schnitt des Darmes mehr Platz findet. 

Der Darm behält überall bis zum After (Fig. 17) das gleiche 
Kaliber bei, und man kann daher auch nicht von einem besonders 
abgesetzten Enddarm reden; nur bei wenigen Arten erweitert er sich 
auf seiner letzten Strecke ampullenartig (alle Oncis-Species, Oncidium 
vaigiense, amboinae, luteum, multinotatum, marmoratum, aberrans, 
nigrum) und trägt dann immer am Vorderende dieser Ampulle einen 
schlauchförmigen Anhang, die von SEMPER zuerst gesehene Rectal- 


122 LUDWIG H. PLATE, 


drüse. Ausser bei den genannten Arten findet sich diese auch bei 
Oncidina australis, wo sie, dem Enddarm eng angeschmiegt, zunächst 
gerade nach vorn läuft und dann plôtzlich in spitzem Winkel nach 
der entgegengesetzten Richtung umknickt. Bei den 7 untersuchten 
Oncis-Arten und aus der Gattung Oncidium bei den oben erwähnten 
Species und Oncidium steenstrupi ist die Driise viel länger und knäuel- 
förmig aufgewunden. Die hier genannten Arten sind die einzigen, bei 
denen die Drüse bis jetzt beobachtet wurde. Sie scheint danach bei 
der Gattung Oncis immer vorzukommen, während sie bei Oncidium 
nur vereinzelt auftritt und bei Oncidiella und Peronina fehlt. Sie 
findet sich, wie gesagt, in der Regel zusammen mit einer Enddarm- 
erweiterung, oberhalb deren sie dann einmündet; nur bei Oncidina 
australis — über Onc. steenstrupi fehlen noch Untersuchungen nach 
dieser Richtung hin — wird sie ohne dieselbe angetroffen. Wahr- 
scheinlich dient die Rectaldrüse dazu, mit ihrem Secret die Sandmassen 
des Rectums zu durchtränken und schlüfrig zu machen, so dass sie 
leicht durch die Afterpforte herausgepresst werden Können; sie wird 
also vornehmlich für jene Arten Bedürfniss sein, welche den Sand in 
einer Enddarmampulle periodisch aufstauen. 

Der Darm sieht bei allen Oncidiiden in ganzer Länge äusserlich 
fein parallelstreifig aus (Fig. 17, 19); es sind niedrige Längsfalten 
(Fig. 18), welche in das Lumen hineinragen und nach aussen durch 
die dünne Darmwand hindurchschimmern. Sie sind ganz charakte- 
ristisch .angeordnet, indem sie nämlich im spitzen Winkel längs einer 
Linie zusammentreffen, so wie dies Fig. 19 veranschaulicht. Diese 
Linie verläuft in der Mediane des Darmes, und die Falten stehen 
daher schräg zur Längsaxe des Darmes (Fig. 17). — Nachdem der 
Darm in die Fussohle eingetreten ist, die er fast senkrecht durchsetzt, 
nimmt er den kurzen Ureter auf und muss demnach in seinem äussersten 
Abschnitte als Cloake bezeichnet werden. 


Capitel III. 
Lunge und Niere. 


Die meisten Oncidiiden führen eine amphibische Lebensweise. Sie 
finden sich an den Meeresküsten innerhalb der Gezeitenzone, bald über, 
bald unter der Wasseroberfläche, und diesem wechselnden Aufenthalte 
entspricht die Athmung, die im ersteren Falle durch eine Lunge, im 
letztern vermittelst der im Mantel gelegenen Blutgefässe (Hautathmung) 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 123 


unterhalten wird. Die Oncidiiden fiihren also eine Existenz, wie wir 
sie theoretisch fiir die tectibranchiaten Stammformen der Lungen- 
schnecken bei ihrem Uebergange aus dem Meere an das Land voraus- 
setzen müssen. Herrn Prof. v. MARTENS verdanke ich die Mittheilung, 
dass Oncis martensi, welche er lebend bei Singapore beobachtete, 
ausserhalb des Wassers sich herumbewege und, ins Wasser gesetzt, 
aus diesem herauskrieche. Dieses Thier scheint also schon den Land- 
aufenthalt zu bevorzugen. Bei einzelnen Oncidiiden hat sich dieser 
Wechsel des umgebenden Mediums schon vollständig vollzogen; für 
Oncis montana (siehe im zweiten Abschnitt) ist es unzweifelhaft, dass 
sie das feuchte Element fiir immer verlassen hat, und für Oncidium 
aberrans, typhae und steenstrupi ist das Gleiche wahrscheinlich, da 
sie bis jetzt nur auf dem Lande ausserhalb der Gezeitenzone ange- 
troffen worden sind. Die Vermuthung, dass bei diesen Arten die Lunge 
besonders entwickelt sei, hat sich nicht bestätigt; die zwei zuletzt 
genannten Species standen mir zwar nicht zur Verfügung; da aber 
STOLICZKA und SEMPER von keiner ungewöhnlichen Enthaltung des 
Lungengewebes berichten und da dieses auch bei Oneis montana und 
Oncidium aberrans ganz normal ist, so scheint es ausgeschlossen zu 
sein, dass die reinen Landbewohner eine höhere Difterenzirungsstufe 
der Lunge als ihre amphibisch lebenden Verwandten aufweisen. Es 
giebt unter den Oncidiiden nur eine kleine, von 2 Species der Gattung 
Oncidiella gebildete Gruppe, die hinsichtlich der Ausbildung der Lunge 
eine Sonderstellung einnimmt; bei Oncidiella celtica und maculata ist 
das Lungengewebe ganz reducirt, so dass offenbar die Gaserneuerung 
im Blute fast ausschliesslich durch die Hautathmung besorgt wird. 
Hiermit stimmt auch gut überein, was wir über die Lebensweise 
der Oncidiella celtica wissen. JOYEUX-LAFFUIE, der diese Thiere in 
der Freiheit und im Aquarium sorgfältig beobachtet hat, berichtet 
(1, p. 237 u. 278), dass sie in feuchten Felsenspalten leben und diese 
zur Zeit der Ebbe nur verlassen, um Nahrung zu suchen; bei be- 
decktem Himmel und feuchtem Wetter bleiben sie viel länger — mehrere 
Stunden — ausserhalb ihrer Zufluchtsorte als bei Sonnenschein und 
trockener Witterung und kriechen nur so lange umher, wie die Rücken- 
fläche noch feucht ist. Sobald diese anfängt trocken zu werden, flüchten 
sie wieder in ihre nassen Schlupfwinkel zurück, und gelingt es ihnen 
nicht, diese rechtzeitig zu erreichen, so trocknet der Mantel ein und 
sie gehen rasch zu Grunde. Offenbar athmen sie also auch ausserhalb 
des Wassers genau so wie in demselben durch die Haut des Rückens. 
Ob daneben durch das von Zeit zu Zeit geöffnete Athemloch auch die 


124 LUDWIG H. PLATE, 


Lunge an der Respiration sich betheiligt, lässt sich gegenwärtig nicht 
entscheiden, jedenfalls kann dies nur in untergeordneter Weise ge- 
schehen. Wahrscheinlich findet die Athmung ausschliesslich durch die 
Haut statt, da Joyrux-Larruiz die Thiere länger als einen Monat 
völlig untergetaucht am Leben erhalten konnte. Die fünf übrigen von 
mir untersuchten ÖOncidiella- Arten verhalten sich hinsichtlich des 
Lungengewebes ganz normal wie die Gattung Oncidium. 

Im Folgenden will ich die Mantelhöhle mit dem Lungengewebe 
und der Niere nur vom descriptiven Standpunkte aus behandeln; wie 
wir diese Athemkammer zu deuten haben, ob sie morphologisch gleich- 
werthig der Pulmonatenlunge ist oder ob sie eine Bildung sui generis 
darstellt, soll erst später erörtert werden. Gegen den Terminus 
Mantelhöhle ist jedenfalls von vorn herein nichts einzuwenden, da wir 
die ganze Rückenfläche als Mantel bezeichneten und diese mit ihrem 
hintern Abschnitt das Dach der Höhle bildet; ebenso ist der Ausdruck 
Lungenhöhle gerechtfertigt, denn mit Ausnahme jener zwei Oncidiella- 
Arten fungirt sie zweifellos überall als Lunge. 

Die Lungenhöhle tritt uns bei den Oncidiiden in dreifacher 
Gestalt entgegen; in den Gattungen Oncidium (Fig. 33), Oncidiella 
und Peronina ist sie links und rechts von der Mediane gleich ausge- 
bildet, ist also völlig symmetrisch; bei dem Genus Oncis (Fig. 34) 
dehnt sie sich rechterseits noch einmal soweit nach vorn aus wie links, 
welche Differenzirung wir als halbsymmetrisch bezeichnen wollen; 
endlich bei Oncidina (Fig. 35) ragt sie nach links nur ganz wenig 
über die Mediane hinaus, und ihre Hauptmasse liegt asymmetrisch 
auf der rechten Seite. Den Uebergang von der Mehrzahl der Oncis- 
Arten zu Oncidina bildet Oncis montana, deren linker Lungenhôhlen- 
schenkel nur wenig grösser ist als bei Oncidina. In allen Fällen 
stösst die Athemkammer, wie bekannt, mit ihrem rechten Vorderende 
an den Herzbeutel hinan (Fig. 33, 34 per), ist von sichelförmiger 
Gestalt und wird von einer vordern und einer hintern Wand begrenzt, 
die beide in ihrem medianen Theile so gekriimmt sind, dass die Con- 
cavität nach vorn gekehrt ist. Diese beiden Wände sind sehr ver- 
schieden von einander. Die vordere, welche wir als Diaphragma 
bezeichnen wollen (Fig. 33, 34 dia), trennt die Lunge von der 
Leibeshöhle; sie ist dünn, von hellgelblichem oder weisslichem Aus- 
sehen, wird nicht von Lungengewebe überzogen (Fig. 33, 34, 37, 38, 
39 dia) und erscheint daher glatt und glänzend. Die Hinterwand ist 
ein Theil des Mantels und daher wie dieser sehr dick; ihre Innen- 
fläche ist — mit Ausnahme jener zwei Oncidiella-Arten — ganz über- 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 125 


zogen von dem stark entwickelten Gefässnetz der Lunge, welches 
genau denselben Anblick gewährt wie das Respirationsorgan einer Pul- 
monate !), nur dass hier die Gefässe noch viel höher vorspringen, die 
Crypten zwischen ihnen noch viel tiefer sind als es bei den meisten 
Lungenschnecken, z. B. bei unsern gewöhnlichen Helix-Arten, der Fall ist. 
Die Lunge dieser periodischen Wasserathmer macht also keineswegs, 
wie man vermuthen könnte, den Eindruck, als ob sie ein im ersten 
Entstehen begriffenes, noch wenig ausgeprägtes Organ sei. Das Lungen- 
gewebe überzieht auch die Niere allseitig (Fig. 33), so dass ihre Ober- 
fläche einem zarten Maschenwerk gleicht. Obwohl das Diaphragma, 
namentlich in seinem medianen Abschnitt, eine gewölbte Fläche dar- 
stellt, kann man doch sagen, dass es im Allgemeinen senkrecht zur 
Fuss- und zur Rückenfläche steht. Daher stösst es dorsalwärts nach 
Art eines gothischen Gewölbes mit der Hinterwand der Athemkammer 
zusammen, und es fehlt eine scharf abgegliederte Dachfläche. Das 
Lungengewebe erstreckt sich an der Hinterwand bis zur Spitze des 
Gewölbes und greift hier auch etwas auf die anstossende Region des 
Diaphragmas über. Wo Vorder- und Hinterwand ventralwärts zu- 
sammenstossen, ist das Bild in den Seitenflügeln der Lungenhöhle 
gleich dem eben geschilderten; im mittlern Abschnitte aber findet sich 
ein deutlicher horizontaler Boden, gebildet von dem hinter der Fuss- 
spitze gelegenen Theile des Hyponotums. Dieser Boden ist ebenso 
dick und musculös und ebenso dicht von Lungengewebe überzogen 
wie die eigentliche Hinterwand, als deren nach vorn umgeschlagener 
Ventralrand er anzusehen ist. Nur eine Region desselben ist glatt, 
nämlich die Umgebung des Athemloches, wodurch ein häufig schon 
durch die hellere Färbung sich abhebendes und nach vorn bis zum 
Diaphragma reichendes Feld abgegrenzt wird. Auf die verschiedene 
Lage des Athemloches bin ich schon im ersten Capitel eingegangen 
und komme daher hier nicht darauf zurück. 

Dagegen bleibt noch Einiges über den Verlauf der Hauptgefässe 
der Lunge und deren histologischen Aufbau hinzuzufügen. Die Haupt- 
masse des venösen Blutes gelangt in die Leibeshöhle und von hier 
durch reihenartig angeordnete Spalten (Fig. 33 0, 0’, 0“) in grosse Sinus, 
die in der Fussohle und der seitlichen Körperwandung gelegen sind 
und das Blut nach hinten in das Gefässnetz der Lunge leiten. Das 
Blut, welches so dem Maschenwerk des Bodens zugeführt wird und 


1) Schon Cuvier sagte von ihr: „... ressemble pour le fond à celui 
de la limace terrestre et du colimacon des jardins“. 


126 LUDWIG H. PLATE, 


hier seine Gaserneuerung erfahrt, tritt in mehrere starke Gefasse, 
die parallel zu einander und senkrecht zur Fussfläche auf der rechten 
Halfte der Hinterwand angeordnet sind (Fig. 30) und in einen grossen, 
hinter dem Herzen gelegenen Sinus (Fig. 36, 43 sin) einmiinden, 
welcher das Blut direct dem Atrium zuführt. Diese grossen parallelen 
Pulmonalvenen (Fig. 50 gef) geben der Lunge ein sehr charakte- 
ristisches Aussehen; sie stehen auch mit den Blutlacunen in Ver- 
bindung, welche die rechte Hälfte der Niere umspinnen. Der eben 
erwähnte Sinus zieht sich nach links in ein Gefäss aus, welches 
äusserlich nicht hervortritt und das Blut aus der ganzen linken Hälfte 
der Athemkammer sammelt, und ausserdem münden die Gefässe des 
Daches der Mantelhöhle direct in ihn ein, so dass durch diesen Sinus 
das gesammte Blut der Lunge dem Herzen zugeleitet wird. 
Betrachtet man einen Horizontalschnitt durch die Lungenhöhle 
bei stärkerer Vergrösserung (Fig. 41, von Oncidium verruculatum), 
so lässt sich Folgendes feststellen: Das dünne Diaphragma (dia) ist 
rein musculös; es setzt sich der Hauptmasse nach aus horizontal und 
dorsoventral verlaufenden Fasern zusammen, die aber einzelne Blut- 
lacunen zwischen sich beherbergen. Gegen die Lungenhöhle zu schliesst 
das Diaphragma mit einem niedrigen Epithel ab, während seine der 
Leibeshöhle zugekehrte Fläche von einer zarten, epithelartigen Schicht 
tiefschwarzer Pigmentzellen bedeckt wird (pig). Dass die Binde- 
gewebszellen, welche die Leibeshöhle überal) mit einer feinen Pseudo- 
peritonealmembran auskleiden, schwarz pigmentirt sind, gilt nicht für 
alle Oncidium-Arten und wird sonst nur noch bei einigen Arten der 
Gattung Oncidiella beobachtet, während bei den drei andern Gattungen, 
soweit meine Kenntnisse reichen, das Peritoneum ungefärbt ist. Das 
Pigment findet sich an der Innenfläche von Rücken und Seitenwandung 
(nie auf der Sohle) bei folgenden Arten: Oncidium verruculatum, 
nangkauriense, palaense, simrothi, luteum und nigrum; Oncidium 
peront und nebulosum zeigen unter dem Rücken einen leichten, dunklen 
Anflug, der auch fehlen kann. Oncidiwm tumidum ist in der Jugend 
nur ganz gering pigmentirt, je älter und grösser die Thiere aber 
werden, um so mehr häuft sich der Farbstoff an. Eine schwärzliche 
Auskleidung der Leibeshöhle finde ich ferner bei zwei Oncidiella- 
Arten (One. celtica, borealis). Das Lungengewebe an der Hinterwand 
(Fig. 41 hi) der Athemkammer ist von der musculösen Hauptmasse 
nicht scharf geschieden, aber dennoch heben sich beide Zonen sehr 
deutlich gegen einander ab, zumal wenn sich Pigmentzellen (pig‘) 
zwischen beide Schichten einschieben, wie dies bei einzelnen Arten 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 127 


stellenweise vorkommt. Das Gewebe wird gegen die Höhle zu von 
einem sehr zarten Plattenepithel begrenzt, dessen man erst bei starker 
Vergrösserung ansichtig wird. Darunter folgen netzartig angeordnete, 
sehr feine Bindegewebsfibrillen, in deren Maschen Zellen liegen. Die 
Zellen liegen eng bei einander, und ihre Kerne geben der betreffenden 
Region bei schwächerer Vergrösserung (Fig. 41) ein dicht punktirtes 
Aussehen. Die Blutlacunen erstrecken sich vielfach unmittelbar unter 
der Epithelmembran, deren Zartheit den Gasaustausch wesentlich be- 
günstigen muss (bl), oder sie liegen etwas nach aussen. Die Fibrillen 
müssen contractil sein, denn bei einzelnen Individuen sind die Schnitte 
durch die Lungenhöhle fast ohne alle Gefässe, während sie bei andern, 
die im erschlafften Zustande abstarben, weit klaffen. 

Das im Vorstehenden über Ausdehnung und Bau des Lungen- 
gewebes Gesagte bezieht sich auf die Gattungen Oncidium, Oncis, 
Oncidina, Peronina und auf die Gattung Oncidiella mit Ausnahme 
von zwei sehr abweichend gebauten Arten (0. celtica und maculata), 
zu deren Schilderung ich jetzt übergehe. 

Die hier vorliegenden Verhältnisse lassen sich nur auf Schnittserien 
deutlich erkennen, und hätte Joyeux-Larrure solche angefertigt, so 
wäre er nicht in denselben Fehler wie v. JHERING verfallen und würde 
nicht Niere und Lungenhöhle zusammengeworfen haben. Ein derartiger 
Irrthum ist freilich bei Oncidiella celtica und maculata — aber auch 
nur bei diesen Arten — sehr leicht erklärlich, denn das Eigenthümliche 
im Bau ihrer Mantelhöhle besteht in Folgendem: 1) ist die Niere so 
ausserordentlich gross, dass sie jenen Raum fast vollständig erfüllt 
und das Lumen der Athemkammer auf ein Minimum beschränkt, und 
2) ist auch das Lungengewebe stark reducirt, die Wände der Lungen- 
höhle erscheinen glatt, faltenlos und erst auf Schnitten erkennt man, 
dass auch hier dicht unter dem Epithel Blutgefässe, wenn auch in 
beschränkterer Zahl, entlang ziehen und eventuell einen Gasaustausch 
vermitteln können. Hierzu kommt 3) — wie ich vorweg bemerken 
will — dass die Niere nicht den gewöhnlichen lamellösen Bau der 
Pulmonatenniere zeigt, sondern einen weiten, schlauchförmigen Sack 
mit geringer Fältelung der Innenfläche darstellt. Oeffnet man nun 
die Mantelhöhle unter der Präparirlupe in der gewöhnlichen Weise, 
so reisst man unvermeidlich auch den Nierensack auf und kann dann 
leicht dazu kommen, die niedrigen Falten des letztern als Lungen- 
gewebe zu deuten. 

Einige Zeichnungen mögen das Gesagte weiter erläutern. Die 
Figg. 43—46 stellen Horizontalschnitte dar, welche in der Richtung 


128 LUDWIG H. PLATE, 


vom Rücken gegen den Fuss hin auf einander folgen. Die Niere ist 
mit rothen Contouren eingetragen, und man erkennt, dass die Lungen- 
höhle (cav. pul) neben derselben fast überall nur als schmaler, spalt- 
förmiger Raum auftritt und nur im rechten Schenkel über dem Boden 
(Fig. 45, 46) eine etwas grössere Ausdehnung annimmt. Die Niere 
hingegen ist von ungewöhnlicher Grösse. Der linke und rechte Flügel 
der Lungenhöhle dehnen sich gleich weit nach vorn aus, wie bei der 
symmetrischen Mantelhöhle von Oncidium und Peronina. Die Figg. 47 
—49 sind nach Querschnitten entworfen und folgen auf einander von 
hinten nach vorn; auf dem hintern (Fig. 47) ist die Athemkammer 
noch ziemlich gut entwickelt, auf dem mittlern tritt sie schon sehr 
gegen die Niere zurück, und auf dem vordern ist sie überhaupt nicht 
mehr getroffen, sondern nur noch die Niere, weil diese die Lungen- 
höhle nach vorn überragt. — Obwohl die Wände beider Organe sich 
vielfach eng an einander legen und mit einander verwachsen, sind sie 
doch immer deutlich zu unterscheiden. Die Mantelhöhle wird überall 
von einem ganz niedrigen Plattenepithel ausgekleidet, das man nur 
an den etwas über das Niveau vorspringenden Kernen erkennen kann, 
das Nierenepthel hingegen ist cylindrisch oder cubisch. Die Gefässe 
unter dem Epithel sind nur ganz schwach entwickelt. 

Die Niere der Oncidiiden durchzieht als ein langgestrecktes, 
schlauchförmiges Organ die ganze Lungenhöhle, von der rechten 
Vorderecke unmittelbar hinter dem Herzbeutel bis in den äussersten 
Winkel der linken Spitze, und wir können daher wie bei der Mantel- 
hôhle eine symmetrische (Gattung Oncidium, Oncidiella und 
Peronina, Fig. 33 re), eine halbsymmetrische (Gattung Oncis, 
Fig. 34 re) und eine asymmetrische (Gattung Oncidina, Fig. 35 re) 
Lagerung resp. Gestalt derselben unterscheiden. Sie ist von so an- 
sehnlicher Grösse und hebt sich — abgesehen von Oncidiella celtica 
und maculata — so scharf von der Lungenhöhle, in die sie bruch- 
sackförmig hineinragt, ab, dass ich nicht begreife, wie v. JHERING sie 
hat übersehen und beide Organe hat zusammenwerfen können, um 
dann auf einer so flüchtig gewonnenen Grundlage seine Theorie des 
verschiedenen phyletischen Ursprungs der Nephro- und der Branchio- 
pneusten aufzubauen. 

Ich beginne mit der Schilderung des Excretionsorgans der Gattung 
Oncidium, da dieses die grösste Mannigfaltigkeit aufweist. Die Niere 
tritt uns hier in zweifacher Differenzirung entgegen, nämlich 1) als 
ein überall mit ganz dicht stehenden, hohen Lamellen versehenes 
Organ, von dessen Lumen sich eben wegen dieses Blätterwerkes nur 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 129 


wenig erhalten hat, und 2) mit niedrigen, unregelmässig gestellten 
Falten und geräumigem Lumen. — Der lamellöse Typus ist 
innerhalb der Gattung fast ausschliesslich herrschend; er findet sich 
nämlich bei allen Oncidiwm-Arten mit Ausnahme einer einzigen (One. 
amboinae). Die Niere beginnt hier in der rechten Vorderecke der 
Lungenhöhle als ein kurzer, hinten verschmälerter Schlauch, der am 
Boden liegt und so vollständig von dem Athemgewebe überzogen ist, 
dass er meistens äusserlich gar nicht hervortritt. Diese Strecke, welche 
nach vorn bis an den Herzbeutel heranzieht, möge als „rückläufiger 
Schenkel“ bezeichnet werden (Fig. 40 re. rec.). Die Niere steigt nun 
senkrecht nach oben, bis zum Dache der Lungenhöhle, biegt sich aber 
schon etwas unterhalb desselben mit ihrer Hauptmasse nach hinten 
und links rechtwinklig um (Fig. 36—40 stellen diesen senkrecht 
stehenden Nierenschlauch [re, «| auf Horizontalschnitten, die von oben 
nach unten einander folgen, dar). Die Fig. 33 ist so gezeichnet, dass 
man von oben in die Lungenhöhle sieht. Man sieht daher nur das 
obere verschmälerte Ende dieses senkrecht aufsteigenden Schenkels 
(re, «), während das untere durch den horizontal nach links ziehenden 
Abschnitt (re, ?) verdeckt wird. Dieser Theil re,? ist der am 
meisten entwickelte des ganzen Organs (Fig. 37); er liegt der Hinter- 
wand der Athemkammer streckenweise eng an, so dass das Lungen- 
gewebe auf ihn übertreten und so die ganze Niere überziehen kann. 
Weiter nach links verschmälert sich das Organ etwas (re, y Fig. 33, 37) 
und schmiegt sich noch enger an die Hinterwand an, um dann diese 
zu verlassen und quer durch das Lumen der Höhle hindurch sich bis 
zur linken Bodenfläche und unter dem daselbst befindlichen Gefässnetz 
bis zum vordersten Winkel der Kammer fortzusetzen (Fig. 33, 38, 
39 re,d). Hier an diesem letzten Abschnitt, etwas hinter der am 
meisten nach links vorgeschobenen Spitze der eigentlichen Niere ent- 
springt der kurze, glattwandige Ureter (Fig. 39, 42 ur), der sich in 
die Fussmusculatur einsenkt und innerhalb derselben in den Enddarm 
einmündet (Fig. 40). Die Nebennieren, welche v. JHERING (14, p. 18) 
als isolirte kleine Lappen bei Oncidium verruculatum gesehen haben 
will, habe ich nie finden können und bin überzeugt, dass sie gar 
nicht existiren, ebensowenig wie Harnconcremente in der eigentlichen 
Lungenwand. Wahrscheinlich hat v. Juerıng den rückläufigen Schenkel 
der Niere, welcher ja ganz vom Lungengewebe überzogen wird, falsch 
interpretirt. 

Wie schon gesagt, kann man den Bau der Niere als lamellös be- 


zeichnen. Auf der Wand sitzen überall zahllose dünne Lamellen und 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 9 


130 LUDWIG H. PLATE, 


springen gegen das Lumen vor, von dem sie nur einen centralen, canal- 
artigen Raum frei lassen (Fig. 36—40). Complicirt wird dieses Faltenwerk 
dadurch, dass die Lamellen vielfach unter einander verwachsen (Fig. 41) 
und so Nischen bilden. Auch die innern Kanten der Lamellen hangen 
grösstentheils durch eine Membran unter einander zusammen (Fig. 37), 
wodurch streckenweise der Eindruck hervorgerufen werden kann, als 
habe der Centralcanal seine eigene Wandung. Es handelt sich aber 
hier nur um eine an vielen Stellen fensterartig durchbrochene Membran, 
die durch Verwachsung der ursprünglich freien (Fig. 41 a) innern 
Kanten der Lamellen entstanden ist. — Die Renopericardialpforte hat 
Bercu (2, p. 138, Anm.) zuerst gesehen, während die übrigen Autoren 
ihrer nicht gedenken. Er fand sie bei Oncidium tumidum „at the 
upper attachment of the atrium of the heart“; an anderer Stelle 
(3, p. 180) fügt er ergänzend hinzu, sie liege „unterhalb des Grundes 
der Vorkammer, ein wenig links“. In der That ist sie überall vor- 
handen, auch bei Oncidiella (Fig. 46 nsp), wo JOYEUX-LAFFUIE sie 
vergeblich gesucht hat. Sie liegt stets an derselben Stelle, neben 
und nach innen von der Basis der Vorkammer, und verläuft als kurzer, 
flimmernder Canal (Fig. 41 nsp), annähernd parallel zur Fussfläche, 
so dass sie auf Horizontalschnitten fast in ganzer Länge übersehen 
werden kann. Bei grossen Arten (Oncidium peroni, verruculatum, 
tumidum) ist die pericardiale Oeffnung schon unter dem Präparir- 
mikroskop sehr deutlich zu erkennen. 

Das histologische Verhalten der Niere habe ich nur bei Oncidium 
verruculatum näher untersucht, so gut dies bei dem für derartige 
Zwecke nicht ganz genügenden Conservirungszustande möglich war. 
Die eigentliche Niere trägt überall Secretionszellen, auch auf der 
Membran, welche den Centralcanal begrenzt. Die Zellen sind nur 
mässig hoch, 0,017—0,021 mm oder noch niedriger, von cubischer 
oder cylindrischer Gestalt auf dem Schnitt (Fig. 41, 42). Ihr Inhalt 
erscheint als eine klare, nur von wenigen Körnchen durchsetzte Flüssig- 
keit. Der kleine runde Kern hat seinen Sitz in der basalen Hälfte; 
in der distalen liegt noch ein zweites Korn — zuweilen auch mehrere 
— von ungefähr gleicher Grösse wie der Kern oder noch etwas massiger 
(Durchmesser 0,002 — 0,004 mm), welches das Hämatoxylin ebenso 
intensiv wie der Nucleus aufspeichert; ich halte diese Gebilde, auf 
welche v. JHERING zuerst aufmerksam gemacht hat‘), für harnsaure 


1) Ich bedaure, dass ich durch ein Versehen in meiner vorläufigen 
Mittheilung (23) die Angabe gemacht habe, dass diese Coneremente fehlten. 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 131 


Concremente. Die Epithelzellen haben iiberall das gleiche Aussehen ; 
Cilien habe ich nirgends angetroffen. Zwischen den beiden Epithel- 
schichten einer Lamelle ruht eine zarte, bindegewebige Membran. — 
Im Ureter nimmt das Epithel eine etwas andere Beschaffenheit an. 
Die Zellen sind viel niedriger (Fig. 42) (etwa 0,004 mm), ihr Proto- 
plasma ist sehr dichtkörnig, der Kern sehr gross, so dass er fast die 
Halfte der ganzen Zelle einnimmt. Cilien liessen sich auch hier nicht 
erkennen, obwohl ein zartes Gerinnsel, das den Zellen iiberall auflag, 
darauf hinzuweisen schien, dass sie urspriinglich vorhanden waren. 

Die Niere mündet zunächst in eine Papille (Fig. 42 wr’) hinein und 
öffnet sich durch diese erst in den eigentlichen Ureter (wr). Die 
Papille durchsetzt wie ein Septum den Anfangstheil des Ureters und 
theilt diesen dadurch in zwei Kammern (Fig. 39, 42). Der Harnleiter 
ist viel breiter als die kleine Oeffnung, durch die er mit dem End- 
darm communicirt (Fig. 40). Ueber die Lage der Uretermiindung liegen 
schon einige Angaben vor, obwohl keiner der frühern Untersucher sie 
wegen ihrer versteckten Lage beobachtet hat. Joyeux-LAFFUuIE sieht 
das Athemloch als Nierenporus an, da nach ihm Niere und Lungen- 
höhle dasselbe Organ sind. v. JHERING vermuthet und SEMPER sagt 
direct, das Excretionsorgan münde in die Lunge (4, p. 253), ohne die 
Lage dieser Oeffnung näher zu bezeichnen. BERGH (3, p. 186) schliesst 
sich dieser Auffassung an. Die Nierenpore soll nach ihm „am hintersten 
Theile der obern Wand der Lungenhöhle“ gelegen sein. Obige Be- 
merkungen sind nicht richtig, da in allen 5 Gattungen der Enddarm 
das Nierensecret aufnimmt (Fig. 46 wr, rec) und dadurch zur Cloake 
wird. 

Ein etwas einfacheres Bild gewährt, wie schon bemerkt wurde, 
die Niere von Oncidium amboinae. Die Lungenhöhle und die Niere 
sind zunächst dadurch bemerkenswerth, dass sie ausnahmsweise inner- 
halb der Gattung Oncidium halbsymmetrisch gestaltet sind. Die letztere 
besitzt einen rückläufigen Schenkel wie die vorige Gruppe. Ihr cha- 
rakteristisches Merkmal besteht darin, dass die hohen Lamellen fehlen. 
Die centrale Urinkammer ist sehr geräumig, indem die Wand nur mit 
niedrigen Leisten, die netzförmig, unregelmässig angeordnet sind, be- 
deckt ist. Statt der tiefen Spalten und Nischen finden sich hier nur 
seichte Alveolen. 

Die Niere der übrigen Gattungen lässt sich leicht auf eins der 
zwei Stadien von Oncidium zurückführen. Bei Oncis ist sie stets 
lamellös gebaut und halbsymmetrisch gestaltet (Fig. 34). Die ein- 
fachste Form ohne rückläufigen Schenkel repräsentirt Oncis montana 


9% 


132 LUDWIG H. PLATE, 


und ferner auch, wie hier eingefiigt sein mag, Peronina alta. Bei 
allen übrigen Oncis-Arten ist der rückläufige Abschnitt vorhanden und 
reicht ungefähr so weit nach hinten, wie die linke Vorderecke der 
Lungenhöhle nach vorn. — Bei Oncidina australis liegt die lamellöse 
Niere asymmetrisch fast ganz auf der rechten Seite des Körpers, ent- 
sprechend der asymmetrischen Gestalt der Lungenhöhle (Fig. 35); ein 
rückläufiger Schenkel fehlt ebenfalls. 

Wie bei Oncidium amboinae die Niere durch die geringe Entwicklung 
der Falten charakterisirt war, so gilt dies in gleicher Weise auch für 
die meisten Oncidiella-Species, nämlich für die Arten: accrensis, pachy- 
derma, borealis und obscura. Die Niere hat hier dieselbe Gestalt wie 
bei Oncidium, also auch einen am Boden liegenden rückläufigen 
Schenkel, und steht auch in demselben Verhältniss zur Ausdehnung 
der Lungenhöhle. Die Lamellen, welche von der Wandung in das 
Lumen der Niere vorspringen, stehen weit auseinander und bilden 
ein unregelmässiges Wabenwerk. Oncidiella reticulata verhält sich 
darin abweichend, dass ein unterer rückläufiger Schenkel fehlt. Es 
verläuft nämlich die Niere in ganzer Länge dicht am Boden der 
Lungenhöhle, steigt aber dann, wie gewöhnlich, am Herzbeutel senk- 
recht nach oben und biegt sich nun zu einem kurzen, rückläufigen 
Schenkel nach hinten um, der aber über dem Hauptnierenschlauch 
liegt und daher als oberer Ramus recurrens zu bezeichnen ist. 

Ganz eigenartig ist endlich die Niere von Oncidiella maculata 
und celtica modifieirt. Sie ist hier so enorm ausgedehnt, dass sie die 
Lungenhöble fast vollständig ausfüllt, während die Falten der Wandung 
auf ein Minimum reducirt sind. Dieses gilt besonders für Onc. maculata 
(Fig. 43—49 re), ja es erscheint mir überhaupt noch zweifelhaft, ob 
die Niere der letztern nicht richtiger als glattwandig und faltenlos 
bezeichnet werden muss, denn die niedrigen Leisten, weiche unregel- 
mässig auf den Wänden sich vertheilen, brauchen nicht constante 
Bildungen zu sein, sondern wurden vielleicht erst durch Contractions- 
erscheinungen beim Absterben des Thieres hervorgerufen. Auf die 
ungewöhnliche Grösse des Nierenschlauches und seine Beziehungen zur 
Lungenhöhle bin ich oben schon eingegangen. Zum Verständniss der 
Abbildungen sei noch Folgendes bemerkt: der rückläufige Schenkel ist 
mit re!, der darauf folgende, gleich hinter dem Herzbeutel senkrecht 
in die Höhe steigende Abschnitt mit re? bezeichnet worden; hieran 
schliesst sich re?, horizontal im Bogen nach hinten und links ziehend ; 
wo dieses in den am Boden des linken Flügels der Mantelhöhle 
liegenden Abschnitt re* übergeht, entspringt (Fig. 46) der ganz kurze 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 133 


Ureter. Vergleicht man die Lage desselben mit derjenigen von Oncidium 
verruculatum (Fig. 39, 40 ur), so erkennt man sofort den Unterschied. 
Bei Oncidiella sind Niere und Lungenhöhle zwar auch wie bei Oncidiwm 
symmetrisch gestaltet, aber die beiden seitlichen Schenkel sind länger, 
und da der After stets median gelagert und der Ureter immer sehr 
kurz ist, so liegt dieser weit von der linken Nierenspitze ab. Nach 
dem Gesagten wird der Leser aus den Abbildungen Fig. 34 u. 35 er- 
sehen können, wie sich in dieser Hinsicht die Gattungen Oncis und 
Oncidina verhalten. 


Bei Oncidiella celtica sind die secretorischen Falten etwas stärker 
ausgeprägt als bei Onc. maculata, aber ihre Zahl ist gering, und nur 
wenige ragen weit in das Lumen hinein. JOYEUX-LAFFUIE zeichnet 
auf tab. 16, fig. 1 u. 2 seiner Abhandlung die Falten viel zu reich 
entwickelt; ich gebe daher in Fig. 49a noch die Abbildung eines 
Querschnittes durch den linken und rechten Nierenschenkel und füge 
hinzu, dass auf den meisten Schnitten die Falten noch weniger hervor- 
treten. 


Capitel IV. 


Die Geschlechtsorgane. 


Die zur Fortpflanzung dienenden Organe der Oncidiiden sind mehr 
als irgend ein anderes Organsystem von den frühern Forschern unter- 
sucht worden; trotzdem aber sind wir nur über einen Theil derselben, 
über die Begattungsorgane, vornehmlich durch SEMPER gut unterrichtet, 
während die eigentlichen Sexualorgane, die an conservirtem Material 
ihres bröckligen Zustandes wegen fast immer nur sehr schwer aus- 
einanderzulegen sind, noch dringend weiterer Aufklärung bedürfen. 
Namentlich die accessorischen Drüsen (Eiweiss- und Schleimdrüsen) 
sind bis jetzt zu wenig beachtet worden, weil sie in der Regel innig 
mit einander verkleben und dann schwer zu unterscheiden sind; auch 
mir ist es nicht gelungen, zu ganz zweifellosen Resultaten über ihren 
Bau und ihre Lagerung zu gelangen, und es wird dies auch wohl erst 
demjenigen Forscher möglich sein, der Gelegenheit hat, frisches Material 
zu untersuchen. Bis jetzt ist nur Joyeux-LAFFUIE in dieser ange- 
nehmen Lage gewesen, aber wenn seine Angaben richtig sind, so sind 
gerade die Geschlechtsorgane der Oncidiella celtica einfacher gebaut 
als die irgend einer andern Oncidiide. 


134 LUDWIG H. PLATE, 


1, Die eigentlichen Geschlechtsorgane, 


Ich beginne mit der Schilderung der in der hintern Hälfte der 
Leibeshöhle (Fig. 29) gelegenen eigentlichen Geschlechtsorgane des 
Oncidium verruculatum (Fig. 50a). Die verschiedenen Lappen der 
Zwitterdrüse (herm) sitzen an zarten Ausführgängen, die sich mit ein- 
ander vereinigen und so einen gemeinsamen Canal, den Zwittergang (29) 
bilden. Derselbe wird, gleich nachdem er diese Gabeläste aufgenommen 
hat, dicker, erhält eine drüsige Wandung und verläuft unter korkzieher- 
artigen Windungen. Sein Caliber verschmälert sich darauf wieder, und er 
trägt hier eine colossal entwickelte Vesicula seminalis (Ves. sem), einen 
schlauchförmigen Anhang von 19 mm Länge und 2—3 mm Breite, der 
trotz seiner Grösse bis jetzt übersehen worden ist. — Es folgt nun 
derjenige Abschnitt, dessen Einzelheiten zur Zeit noch ganz unge- 
nügend bekannt sind. Er besteht aus einem grossen, sackförmigen 
Gebilde, dem Spermoviduct (spov), dessen männlicher Halbcanal gegen 
den faltenreichen weiblichen an Grösse sehr zurücktritt, so dass man 
das ganze Gebilde auch als Uterus bezeichnet hat; er ist leicht daran 
kenntlich, dass an seinem einen verschmälerten Ende zwei Ausführ- 
gänge, der Oviduct (ov) und das Vas deferens (vdf), entspringen. Um 
den Spermoviduct herum liegen Drüsenmassen, die in der Regel so 
aufgequollen sind, dass man sie kaum isoliren kann; ich hoffe nicht 
zu irren, wenn ich an ihnen einen „Spiralgang“ (spi) und zwei Eiweiss- 
drüsen (a/b) unterscheide. Der Spiralgang ist ein weisslicher, dicker, 
zu einer dichten Spirale aufgewundener Canal, der leicht in mehrere 
Portionen zerfällt und dann den Eindruck macht, als ob zwei oder 
mehrere spiralige Drüsenschläuche vorhanden seien. Ich glaube mich 
aber von seiner einheitlichen Natur überzeugt zu haben. Dieser Spiral- 
gang stellt die Fortsetzung des Zwittergangs dar und geht mit seinem 
hintern Ende in den Uterus über, nicht weit von der Ursprungsstelle 
des Oviducts und des Vas deferens. Der Spiralgang nimmt dort, wo 
er mit dem Zwittergang zusammenhängt, die zarten Ausführgänge der 
viellappigen Eiweissdrüsen auf. An dem Uterus springt eine Portion 
wie ein Anhang (app) besonders vor; hier sind die Falten im Innern 
so hoch und zahlreich entwickelt, dass sie schon von aussen durch 
eine zarte Strichelung der Oberfläche sich bemerkbar machen. 

Der Oviduct ist kurz und verläuft ziemlich gerade zur weiblichen 
Geschlechtsöffnung; er trägt in der distalen Hälfte das grosse (Durch- 
messer bis zu 10 mm), rundliche und kurzgestielte Receptaculum 
seminis (Rec. sem), das mit einer krümligen, zum Theil braunroth 


u pe ] 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 135 


gefärbten Masse unbekannter Natur und mit Spermatozoen gefüllt ist. 
Neben dem Oviduct erstreckt sich das etwas dünnere Vas deferens (vdf), 
tritt zusammen mit demselben in die Fussmusculatur, öffnet sich aber 
dann nicht sofort nach aussen, sondern zieht, wie SEMPER zuerst ge- 
zeigt hat, in dem Fussgewebe verborgen nach vorn in den Kopf, bricht 
hier wieder in die Leibeshöhle durch und verbindet sich mit dem 
Penis. Jene in die Fussmusculatur eingesenkte Strecke liegt dicht neben 
der Fusswimperrinne und zeichnet sich durch ein sehr enges Lumen 
aus. — Die Behauptung SEMPER'S (34, p. 222), dass das Receptaculum 
seminis dauernd durch einen Canal mit dem Spermoviduct in Ver- 
bindung stehe, wie dies als constante oder als pathologische Bildung 
von einzelnen Stylommatophoren und den Vaginuliden bekannt ist, ist 
durchaus irrig. Die Oncidiiden sind daher nicht triaul im Sinne 
v. JHERINGS (12, 15), und die von letzterm aus der Triaulie abge- 
leiteten Schlüsse sind daher hinfällig, — Auch mit Brren’s Schilde- 
rung (2) kann ich mich nicht ganz einverstanden erklären; er unter- 
scheidet 1) eine „albuminiparous gland‘ von weisslicher Farbe, die 
wohl mit meinem Spiralgange identisch ist, da sie „with finer windings“ 
versehen sein soll; 2) spricht er von einer „mucous gland“, deren 
Ausführgang die Samenblase trägt, und die daher meinem Uterus- 
Spermoviduct entspricht. Die Eiweissdrüsen, welche ausser dem Spiral- 
gange existiren, hat demnach BERGH übersehen oder diese Gebilde 
zusammengeworfen und auch darin geirrt, dass er den Uterus als eine 
Anhangsdrüse auffasst. Der Zwittergang soll sich gabeln und sein 
kurzer, weiblicher Ast sich „near the albuminiparous gland“ öffnen, 
eine Ausdrucksweise, die so unbestimmt gehalten ist, dass man sofort 
erkennt, dass auch BErGH über die Verhältnisse sich nicht klar ge- 
worden ist; der männliche geht nach demselben Autor in das Vas 
deferens über. Brrcu verlegt also unrichtiger Weise die Spaltung 
in Ei- und Samenleiter an das Ende des Zwitterganges, über dessen 
Ausdehnung wir übereinstimmen, während sie in Wahrheit, wie bei 
den Stylommatophoren, erst am Ende des Spermoviducts eintritt, was 
schon aus der Cuvier’schen Abbildung der Geschlechtsorgane zu er- 
sehen ist. 

Ueber den histologischen Bau der besprochenen Organe sei Folgen- 
des bemerkt. Die Zwitterdrüse wird nach aussen umhüllt von einer 
dünnen Membran (Fig. 55 a), in der Kerne und wirr sich kreuzende 
Faserbündel unterschieden werden können. Die kegelförmigen Acini 
werden nach aussen von einer bindegewebigen Membran begrenzt, die 
an der Spitze des Kegels in den Ausführgang mit niedrigem Epithel 


136 LUDWIG H. PLATE, 


übergeht. An dem untersuchten Exemplar fanden sich grosse Epithel- 
zellen nur in der peripheren Hälfte der Acini (ov), während sie in der 
centralen fehlten; hier waren sie offenbar durch successive Theilungen 
in die zahlreichen kleinen Samenmutterzellen übergegangen, welche 
das Lumen der Acini erfüllten und theilweise schon in reife Spermato- 
zoen verwandelt waren. Die grossen peripheren Epithelzellen machten 
den Eindruck heranreifender Eier, so dass ich hieraus schliesse, dass 
die weiblichen Zeugungsstoffe aus der äussern, die männlichen aus 
der innern Hälfte der Acini hervorgehen. Die Samenfäden bestehen 
aus einem leicht sichelförmig gebogenen Kopfe und einem langen 
Schwanzfaden. — Die lange Vesicula seminalis hat verhältnissmässig 
dünne Wände (0,01 mm), die die gewöhnliche Zusammensetzung aus 
Ringmuscularis und niedrigem Epithel erkennen lassen. Ich fand sie 
voll gepfropft von wirr sich kreuzenden Spermatozoen, während diese 
in den Acini büschelweise angeordnet waren. 

Ausser dem Oncidium verruculatum, dessen Geschlechtsorgane im 
Vorstehenden geschildert wurden, habe ich noch 15 andere, zu der- 
selben Gattung gehörige Arten untersucht, von denen freilich manche 
so ungenügend conservirt waren, dass nicht viel an ihnen zu erkennen 
war. Es kommen danach folgende Modificationen des geschilderten 
Typus vor: 

1) Die drüsige Verdickung des Zwitterganges greift in einzelnen 
Fällen auf die Gabeläste erster und zweiter Ordnung, also auf die 
Ausführgänge der Acini, über, so bei Oncidium multinotatum, aberrans 
und nigrum. Meistens hingegen ist sie auf den eigentlichen Zwitter- 
gang beschränkt. 

2) Die Vesicula seminalis ist in der Regel sehr gross, schlauch- 
förmig, an der Basis stielförmig verjüngt. Bei Oncidiwm nigrum hin- 
gegen (Fig. 53) ist es eine ovale, an dem einen Ende spitz ausgezogene 
gestielte Blase, während sie bei Oncidiwm branchiferum kegelförmig 
gestaltet und ungestielt ist. Verhältnissmässig klein finde ich sie bei 
Oncidium marmoratum, nämlich noch nicht 1 mm lang und am freien 
Ende etwas angeschwollen. 

3) Der Spiralgang und die 2 Eiweissdrüsen sind immer vorhanden. 
Bei Oncidium nigrum scheinen aber noch zwei accessorische, ebenfalls 
spiralig gedrehte Drüsenschläuche vorzukommen. Wie aus Fig. 53 
ersichtlich ist, münden der Zwittergang und die Eiweissdrüsen dicht 
neben einander in -den Spiralgang (spir), der sich über jene Stelle 
hinaus zu einem Blindsack (sp!) verlängert. Er nimmt ausserdem 
die beiden Anhänge sp? und sp? auf, die sich um einander herum- 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 137 


winden und wohl nicht genau das gleiche Secret liefern, denn sp* 
zeigt ein dunkleres Aussehen als das weissliche sp?. 

4) Der faltige Uterusanhang ist bei den verschiedenen Arten ver- 
schieden stark ausgeprägt. Bei Oncidiwm nigrum (Fig. 53 app) hebt 
er sich schon durch seine schwärzliche Farbung besonders ab. 

5) Der Oviduct ist immer kurz und verläuft daher ohne Knäuel- 
bildung ziemlich gerade zur Vulva. Eine Ausnahme hiervon macht 
nur Oncidium nangkauriense (Fig. 84 ov), wo der Oviduct sehr lang 
und zu einem Knäuel zusammengedrängt ist. Besondere Erwähnung 
verdient ferner dieser Canal von Oncidiwm aberrans (Fig. 54): er 
zerfällt hier nämlich in zwei Abschnitte von ziemlich gleicher Länge ; 
der vordere ist dünn und geht an der Einmündungsstelle des Recepta- 
culum seminis plötzlich in den noch einmal so starken (1 mm Durch- 
messer) hintern über. — Bei Oncidium multinotatum ist die weibliche 
Geschlechtsöffnung etwas nach vorn verschoben und liegt 5!/, mm vor 
dem After. Dies macht sich auch in der Lage des Oviducts bemerkbar, 
insofern derselbe nicht, wie gewöhnlich, in den hintersten Winkel der 
Leibeshöhle eindringt, sondern etwäs vor diesem den Fuss durchbohrt. 
Das Vas deferens folgt ihm in seinem Verlaufe und ist daher ebenfalls 
etwas nach vorn verlagert. 

Der Oviduct trägt immer eine sehr grosse, rundliche Anhangs- 
blase das Receptaculum seminis. Ich finde dieses stets entweder sitzend 
oder ganz kurz gestielt. Dies gilt auch für Oncidium peroni, dem 
BERGH (2, p. 145) irrthümlicher Weise eine Samenblase von 10 mm 
Durchmesser und mindestens zweimal so langen Ausführgang zuschreibt. 
Bei Oncidium griseum ist das Receptaculum seminis eine sehr grosse, 
rundliche Blase von ca. 8 mm Durchmesser, die an einem !/, mm 
langen Stiele sitzt. Sie hat die Eigenthümlichkeit, dass die Wand 
der distalen Calotte in einer Ausdehnung, die ungefähr mit der Polar- 
zone einer Globuskugel verglichen werden kann, sehr viel zarter ist 
als an den übrigen Theilen. Da sie in der Regel mit den Nachbar- 
organen verklebt ist, so wird sie beim Präpariren gewöhnlich abge- 
rissen, und die Samenblase erscheint dann offen. 

6) Das Vas deferens ist in seinem ersten Abschnitt, von seinem 
Ursprung am Spermoviduct bis zum Eintritt in die Fussmusculatur, 
immer kurz und verläuft ziemlich gerade, bildet wenigstens nie einen 
Knäuel. 

Die Geschlechtsorgane von Peronina alta haben mit denjenigen 
von Oncidium grosse Aehnlichkeit. Ein Spiralgang ist vorhanden. 
Der Oviduct und der Anfangstheil des Vas deferens verlaufen gerade, 


138 LUDWIG H. PLATE, 


ohne Schlängelung. Receptaculum seminis sehr gross, sehr kurz ge- 
stielt. Dagegen ist die Vesicula seminalis eine kurzstielige, 31/, mm 
lange, eiförmige Blase, und die drüsige Erweiterung des Zwitterganges 
greift auch auf die Gabeläste erster Ordnung über. 

Dasselbe Verhalten zeigt auch der Zwittergang der Gattung Oncis, 
für die im Uebrigen Folgendes charakteristisch ist. Ein Spiralgang ist 
vorhanden. Die Vesicula seminalis ist eine gestielte Blase. Der 
Oviduct ist kurz, gerade; das Vas deferens (Anfangsabschnitt) hin- 
gegen ist länger, hin und her gewunden (0. lata) oder zu einem Knäuel 
zusammengelegt (O. coriacea, semperi, martensi, inspectabilis, coeca). 
Das Receptaculum ist eine grosse, runde Blase, die kurz gestielt oder 
sitzend ist; nur bei O. semperi ist der Stiel länger. 

Die Gattungen Oncidina und Oncidiella stimmen in dem Besitz 
einer schlauchförmigen Oviductdrüse (Fig. 51, 52 gl), die sonst nicht 
beobachtet wird, und in dem Mangel eines Spiralganges überein. 
Ferner zieht sich bei beiden der Uterus in einen besonders grossen 
seitlichen Anhang, der im Innern hohe Falten trägt, aus (app). Bei 
Oncidiella celtica soll dieser Blindsack nach JoyEUX-LAFFUIE spiralig 
hin und her gewunden sein. Im Uebrigen differiren beide Genera in 
folgender Weise: 

Oncidina australis (Fig. 51): Gabeläste des Zwitterganges mit 
Ausnahme der letzten Endzweige drüsig erweitert. Vesicula seminalis 
klein, gestielt. Oviduct lang, etwas gewunden verlaufend und all- 
mählich dicker werdend. Vas deferens — Anfangstheil sehr lang und 
zart, im distalen Abschnitt ein Knäuel bildend. Receptaculum gross, 
der ersten Hälfte des Oviducts ohne Stiel ansitzend. 

Oncidiella (Fig. 52): Gabeläste des Zwitterganges einfach, nicht 
verdickt. Die Vesicula seminalis fehlt der One. reticulata vollständig, bei 
Onc. maculata ist sie nur durch eine kleine, linsenförmige Erweiterung 
des Zwitterganges angedeutet, während sie bei Onc. celtica, borealis 
und obscura zwar auch noch sehr klein ist, aber doch schon einen 
selbständigen Anhang darstellt. Als ein noch etwas grösseres, schlauch- 
förmiges Gebilde treffen wir sie bei Onc. accrensis und pachyderma an. 
Der dicke Oviduct und der dünne Anfangstheil des Vas deferens kurz. 
Receptaculum seminis sehr gross und langgestielt. — Spiralgänge 
scheinen bei Oncidiella ganz zu fehlen. JoYEUx-LAFFUIE gedenkt ihrer 
nicht, sondern erwähnt nur zwei langgestreckte Eiweissdrüsen, und 
auch bei den 7 von mir untersuchten Oncidiellen habe ich sie ver- 
geblich gesucht. Man kann hier (Fig. 52) den Zwittergang direct bis 
in den Spermoviduct (spov) verfolgen, der dicht daneben zwei lange, 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 139 


lockere oder zu einem dicken Packet verknäuelte Schläuche (alb), die 
Eiweissdrüsen, aufnimmt. 

Wie man aus vorstehender Schilderung ersieht, stimmen die eigent- 
lichen Geschlechtsorgane der Oncidiiden in den verschiedenen Gattungen 
zwar in allen Grundzügen mit einander überein, lassen aber doch 
generische Unterschiede erkennen, die aus dem Verhalten des Zwitter- 
ganges, der Samenblasen, des Oviducts und des Vas deferens sich er- 
geben. Eine weitere Bestätigung würde dieser Satz wahrscheinlich 
erfahren, wenn es gelänge, tiefer in den Bau der Spiralgänge und 
Eiweissdrüsen einzudringen, eine dankbare Aufgabe für denjenigen 
Forscher, dem frisches Material zur Verfügung steht. Ich stelle zum 
Schlusse die wichtigsten Unterschiede hier noch kurz einander 
gegenüber. 


A. Geschlechtsorgan mit Spiralgang und ohne 
Oviductdrüse: 


Die Gabeläste des | Receptaculum | Vas deferens 
Zwitterganges sind seminis (Anfangstheil) 


I. Oncidium: | in der Regel nicht | sitzend oder | kurz, nicht ver- 
verdickt kurz gestielt knäuelt 


II. Peronella: | verdickt £ n 


III. Oneis: = x lang, hin und her 
gewunden oder 
verknäuelt 


B. Ohne Spiralgang, mit Oviductdrüse: 


IV. Oncidina: | verdickt | sitzend | lang, hin und her 
gewunden 
V. Oncidiella: | nicht verdickt lang gestielt | kurz 


2. Die Copulationsorgane. 


Auf die grosse Mannigfaltigkeit, welche den Oncidiiden in dem 
Bau der Begattungsorgane zukommt, hat SEMPER zuerst hingewiesen 
und sie durch Wort und Abbildung ausfübrlich erläutert. Ich kann 
seine Schilderung fast in allen Punkten bestätigen, in einzelnen auch 
erweitern. Die Complication im Endapparat des Vas deferens beruht 


140 LUDWIG H. PLATE, 


theils darauf, dass eine mehr oder weniger entwickelte Penisdrüse 
sich mit dem Samengange verbindet oder auch fehlt, theils darauf, 
dass der erigirbare Abschnitt im Innern von einer harten Gewebe- 
masse ausgekleidet wird, die fiir den Histologen interessant ist. Wir 
werden ihren Bau weiter unten auseinandersetzen; hier sei nur be- 
merkt, dass SEMPER sie als Knorpel bezeichnet und daher einen Penis 
mit resp. ohne „Knorpelrohr‘“ unterscheidet, während BERGH mit Recht 
hervorhebt, dass diese Bildungen so eigenartig sind, dass sie nicht 
einfach ,,knorplig“ genannt werden können, da dieser Ausdruck eine 
sanz bestimmte histologische Bedeutung besitzt. Die Schwierigkeit 
lässt sich offenbar nur durch Einführung eines neuen Wortes aus dem 
Wege räumen, und so sei denn dieses Gewebe als ‚„chondroides‘“ im 
Folgenden bezeichnet. 

SEMPER unterscheidet im Bau der Copulationsorgane 6 ver- 
schiedene Gruppen, die ich alle mit Ausnahme einer einzigen (On- 
cidium cinereum) aus eigner Anschauung kenne; diesen würden sich 
die Begattungsorgane von Oncidina und Peronina als zwei weitere 
Gruppen anreihen. Ich halte es jedoch für zweckmässiger, Oncidium 
cinereum mit zur dritten Gruppe zu ziehen, so dass ich nur 7 Kategorien 
der Begattungsorgane unterscheide. Zwei grössere Abtheilungen lassen 
sich ferner aufstellen, je nachdem die männliche Geschlechtsöffnung 
nach innen oder nach aussen vom rechten Fühler gelegen ist. Es 
ergiebt sich hieraus folgende Uebersicht über die bislang beobachteten 
Differenzirungen. 


A. Die männliche Sexualöffnung nach innen vom rechten Fühler: 


Oncidium und Oncis. 


I. Mit Penisdrüse und mit Chondroidgewebe im Penis. 


Dies ist die weitaus grésste Unterabtheilung, denn sie umfasst, 
soweit unsere jetzigen Kenntnisse reichen, nicht weniger als 17 On- 
cidiiden; 16 derselben sind Species der Gattung Oncidium, während 
eine Art zu Oncis gehört. Das Chondroidgewebe, welches die Aufgabe 
hat, dem Begattungsorgan Festigkeit zu verleihen, tritt uns innerhalb 
des Penis in zweifacher Form entgegen, einmal in Gestalt von kleinen 
Zahnchen, die zugleich als Reizapparat wirken, und zweitens als ein in 
der Wandung des Penis liegendes Rohr. Der Penis beginnt nach meiner 
Auffassung an der Ursprungsstelle seines Retractors (Fig. 56, bei 0) 
und geht vorn (bei a) in einen musculösen Endsack (pens) über, der 
direct an die vordere Geschlechtsöffnung (o. ge) anschliesst. Bei der 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 141 


Begattung wird der Penis durch den Endsack und durch die Genital- 
öffnung nach aussen vorgestülpt, ragt auch in der Ruhe häufig mehr 
oder weniger weit in den Endsack hinein (Fig. 56). Denkt man sich 
den Penis völlig eingestülpt, so nehmen die Chondroidzähnchen sein 
vorderes Ende ein, während das unbezahnte Chondroidrohr den ganzen 
hintern Abschnitt erfüllt und, wenn es überhaupt ausgebildet ist, stets 
bis zum Retractor reicht. In vielen Fällen sind nun aber diese beiden 
Abschnitte, der bezahnte und der zahnlose, nicht gleichzeitig vorhanden, 
und daraus ergeben sich folgende Untergruppen innerhalb dieser Ab- 
theilung. 


1) Penis vorn mit Chondroidzähnen, hinten mit Chondroidrohr. 
1. Oncidium vaigiense Q. G. 
2. 3 steenstrupi >. 
3 A) multinotatum n. sp. 
4 # marmoratum LESS. 
5: x aberrans >. 
6. 3 nigrum n. Sp. 
7 4 typhae Bucn. 
8. “3 ambiguum S. 
9. Oncis montana n. sp. 
10. _,, glabra S. 


2) Penis vorn mit Chondroidzähnen, hinten weich, ohne Chondroid- 


elemente. 
11. Oncidium peroni. 
12. M nebulosum. 
13. 5 branchiferum. 
14. 5 verruculatum Cuv. 


19. a tumidum S. 
16. à savignyi >. 

3) Penis vorn glatt, ungezahnt, hinten mit Chondroidrohr. 
17. Oncidium amboinae n. sp. 


Il. Mit Penisdrüse und ohne Chondroidgewebe. 
18. Oncidium samarense S. 
19. 7 multiradiatum S. 
20. 3 trapezoideum 8. 
21: 2 dämeli S. 
22. ar griseum n. sp. 


142 LUDWIG H. PLATE, 


II. Ohne Penisdrüse und mit Chondroidelementen. 


1) Nur mit Chondroidzähnen. 
23. Oncidium graniferum S. 


2) Vorn mit Chondroidzähnchen, hinten mit Chondroidrohr. 
24. Oncidium luteum S. 
25. Oncis coriacea S. 
26. 4,  semperi n. Sp... 
27. 4, martensi n. sp. 
28. ,, inspectabilis n. sp. 


3) Vorn weich, ohne Zähne, hinten mit Chondroidrohr. 
29. Oncis lata n. sp. 
30. ,, coeca n. sp. 


4) Ohne Zähne, ohne Chondroidrohr, aber mit ,,knorpliger“ Penis- 
papille. 
31. Oncidium cinereum Q. G. 

SEMPER’S Angaben über diese Form sind zu wenig ausführlich. 
Der hintere Theil des Penis soll von einem dünnen, knorpelharten, 
aber keine Knorpelzellen aufweisenden Rohr durchzogen sein, welches 
vorn in eine lange, undurchbohrte Papille übergeht, die „knorplig“ zu 
sein scheint. 

Es gehören in diese Abtheilung alle bekannten Oncis-Species mit 
Ausnahme von Oncis montana und glabra. 


IV. Ohne Penisdrüse und ohne Chondroidelemente. 
32. Oncidium palaense S. 
33. N papuanum 8. 
34. > ovale 8. 

Bs nangkauriense N. SP. 

5 simrothi n. sp. 


B. Die männliche Sexualöffnung nach aussen vom rechten Fühler: 
Peronina, Oncidina und Oncidiella. 


V. Mit Penisdrüse, Chondroidzähnen und 
Chondroidrohr. 
37. Peronina alta n. sp. 


VI. Ohne Penisdrüse, aber mit Chondroidzähnen und 
Chondroidrohr. 
38. Oncidina australis S. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 143 


VII. Ohne Penisdriise und ohne Chondroidelemente. 
39. Oncidiella celtica Cuv. 


40. ‘ reticulata S. 

41. = steindachneri S. | 

42. à carpenteri Srearns. | Diese Abtheilung enthält 
43. 2 maculata n. sp. alle auf ihre Copulations- 
at 2 Arena | organe hin untersuchten 
45. a accrensis N. Sp. | Oncidiella-Arten. 

46. ‘3 pachyderma n. sp. | 

47. is obscura n. Sp. | | 


Ich gehe nach dieser orientirenden Uebersicht zu einer Besprechung 
der mannigfachen Differenzirungen im Einzelnen über und beginne mit 
der Schilderung des 

Penis. Dieser besteht immer aus einer dicken, musculösen Hülle 
mit Ring- und Längsfasern, deren Lage ich in Fig. 57 mit mu ange- 
deutet habe. Nach innen von ihr liegen jene festeren Partien, welche 
von dem Chondroidgewebe erzeugt werden. Ich fasse dasselbe als eine 
Abart des sogenannten „zelligen (blasigen) Bindegewebes“ auf, die 
dadurch ausgezeichnet ist, dass die Zellwände eine ungewöhnliche 
Dicke angenommen haben. Wie schon angedeutet wurde, tritt es theils 
als Bestandtheil der Zähnchen am Vorderende des Penis auf, theils 
bildet es ein Rohr, welches in der hintern, stets unbezahnten Hälfte 
des Penis seinen Sitz hat und sich nach hinten bis zur Einmündungs- 
stelle des Vas deferens ausdehnt. Fig. 57 zeigt einen solchen Penis 
mit bezahntem und unbezahntem Abschnitt von Oncis montana, und in 
gleicher Ausbildung wird er bei den oben mit I, 1, II, 2, V und VI 
bezeichneten Gruppen angetroffen. Fig. 59 stellt den Penis von Oncis 
lata dar, bei dem der vor dem Chondroidrohr (chr) gelegene Theil 
seine gewöhnliche weichhäutige Beschaffenheit bewahrt hat, wie dies 
für die Abtheilungen I,3 und III, 3 charakteristisch ist. Der ent- 
gegengesetzte Fall, dass der vordere zahntragende Abschnitt ausge- 
bildet, der hintere hingegen weichhäutig geblieben ist, findet sich bei 
der Gruppe I, 2. — In dem Chondroidrohr tritt uns das Gewebe in 
zwei wenig von einander differirenden Modificationen entgegen (Fig. 
66, 67). Die Zellen haben eine rundliche oder polygonale Gestalt und 
sind bis auf den großen centralen Kern von einer vollständig wasser- 
klaren Flüssigkeit erfüllt, so dass sie wie Blasen aussehen. Nach 
aussen werden sie von einer dicken homogenen Wandung begrenzt. 
Entweder schliessen nun die einzelnen polygonalen Zellen ganz lücken- 


144 | LUDWIG H. PLATE, 


los an einander (Fig. 66, von Oncidium amboinae, Fig. 57 chr), oder 
die mehr rundlichen Zellen lassen zahlreiche Lücken zwischen sich, 
die entweder leer sind oder von einer ganz durchsichtigen Substanz 
erfüllt werden (Fig. 67 von Oncidium marmoratum, Fig. 59 von Oncis 
lata). Dass ich in diesen Zellen selbst mit Wasserimmersion keinen 
feinkörnigen protoplasmatischen Wandbelag oder kein den Zellsaft 
durchsetzendes Netzwerk von Protoplasmafäden entdecken konnte, liegt 
wohl nur an ihrer Kleinheit (bei Onc. marmoratum hatten sie einen 
Durchmesser von ca. 0,014 mm). Je nach den einzelnen Arten sind 
nun diese Zellen in dem Chondroidrohr zu einer, zwei, drei oder mehr 
Lagen angeordnet, wie dies schon SEMPER hervorgehoben hat; sehr 
haufig nimmt nach hinten die Zahl der Schichten zu, so dass das 
Rohr an seiner Basis sich kegelförmig verdickt. Hinsichtlich dieser 
Einzelheiten vergl. den speciellen systematischen Theil dieser Ab- 
handlung. 

Ich fiirchte nicht, Widerspruch zu begegnen, wenn ich behaupte, 
dass man ein derartiges Gewebe nicht als „Knorpel“ bezeichnen kann, 
da man hierunter eine ganz bestimmte histologische Bildung versteht, 
die von diesem Chondroidgewebe total verschieden ist. Physiologisch 
gleichen beide einander vollständig, insofern sie feste und dabei doch 
elastische Gewebepartien erzeugen. Das Chondroidgewebe scheint bei 
den Mollusken weit verbreitet zu sein und zwar einmal in den Copu- 
lationsorganen (Triboniophorus, zahlreiche Opisthobranchier) und zwei- 
tens in den Stützpolstern der Radula (Dentaliwm, Prosobranchier). 
Dass es bloss eine Modification des blasigen Bindegewebes darstellt, 
lässt sich an den Zähnchen im vordern Penisabschnitt der Oncidiiden 
sehr schön verfolgen. Bei manchen Arten (Fig. 65 von One. tumidum) 
werden diese noch aus einer grössern Anzahl gewöhnlicher Binde- 
gewebszellen von gestreckter Form aufgebaut, ohne dass eine chitinige 
Zwischensubstanz sie mit einander verbindet. Andere Species, z. B. 
Oncis montana (Fig. 58), Peronina alta (Fig. 61), zeigen in jedem Zahn 
mehr oder weniger zahlreiche blasige Zellen, die aber mit derben 
Chitinwänden an einander grenzen. Endlich auf einer dritten, am 
häufigsten anzutreffenden Differenzirungsstufe ist die Zahl der Zellen 
sehr verringert, dafür aber die von denselben nach allen Seiten aus- 
geschiedene Chitinsubstanz erheblich vermehrt worden (Fig. 62 von 
Oncidium verruculatum, Fig. 63, 64 von Oncidium branchiferum). Der 
Bau, die Grösse, die Anzahl und die Gruppirung der Peniszähne ist 
für die Systematik von Wichtigkeit und soll daher im speciellen syste- 
matischen Theile näher berücksichtigt werden. 


à 


ay) 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 145 


Das Lumen des Penis wird von einem Epithel ausgekleidet, das 
im hintern Abschnitt immer leicht nachzuweisen ist. In der vordern 
Region überzeugt man sich von seiner Anwesenheit auch ohne Mühe, 
wenn derselbe unbezahnt ist (Fig. 59), und dies gilt auch für manche 
der von grossblasigen Zellen erfüllten Zähne (Fig. 58). Bei jenen 
Zähnen hingegen, die fast ganz aus Chitin bestehen und nur wenige 
kleine Zellen enthalten, habe ich ein besonderes Epithel vermisst 
(Fig. 63, 64). Diese Verhältnisse verdienen noch näher untersucht 
zu werden. 

Ein Penis ohne Chondroidelemente wird bei den Gruppen II, IV 
und VII angetroffen. Die letztere umfasst sämmtliche auf ihre Copu- 
lationsorgane hin untersuchte Oncidiellen. Bei manchen derselben 
(vielleicht im ausgewachsenen Zustande bei allen) enthält der Penis 
merkwürdiger Weise grosse Mengen von Kalk, der wohl auch den 
Zweck hat, dem hervorgestülpten Gliede grössere Festigkeit zu ver- 
leihen. SEMPER hat diese Concretionen schon von Oncidiella celtica, 
borealis und carpenteri erwähnt, während sie nach ihm bei One. reti- 
culata in „saugnapfähnlichen Organen“ liegen sollen. JOYEUX-LAFFUIE 
verdanken wir den interessanten Nachweis, dass es harnsaurer Kalk 
ist, welcher im Lumen des Penis aufgespeichert wird. Er bildet bei 
manchen Individuen so beträchtliche Massen (Fig. 68 von Oncidiella 
maculata), dass der Penis in durchfallendem Lichte an vielen Stellen 
ganz schwarz aussieht. Das Epithel schmiegt sich diesen Concretionen 
immer ganz eng an und deutet schon hierdurch an, dass es dieselben 
ausgeschieden hat. Am besten orientirt man sich auf Querschnitten 
über die Lage dieser Gebilde. Das Epithel stülpt sich zu zahlreichen, 
verschieden tiefen Säcken und Gruben ein, und in diesen sitzen die 
ovalen, spindelförmigen oder rundlichen Concretionen (Fig. 70 von 
Oncidiella reticulata), deren inneres Ende vielfach etwas zugespitzt 
ist und in das Lumen des Penis frei hineinragt. Wird also nun das 
Begattungsorgan hervorgestülpt, so kommt diese Innenfläche nach 
aussen zu liegen, und jene freien Enden können wie Zähnchen als Reiz- 
organ fungiren. Dass die Concretionen dabei abgeworfen würden, wie 
Joyeux-Larrure (1, p. 329) meint, scheint mir durch nichts bewiesen 
zu sein. Man müsste in diesem Falle doch ab und zu ausgewachsene 
Individuen antreffen, welche gar keine oder nur sehr wenige Kalk- 
körper enthielten, was nach den von mir an Oncidiella celtica, macu- 
lata, borealis, obscura und reticulata gewonnenen Erfahrungen, denen 
freilich nicht allzu viel Exemplare zu Grunde liegen, nicht vorkommt. 


Jugendliche Individuen hingegen, deren hintere Geschlechtsorgane noch 
Zool. Jahrb, VII. Abth. f. Morph. 10 


‘TNA 
RE 


146 LUDWIG H. PLATE, 


klein und unentwickelt sind, entbehren sehr häufig der eigentlichen 
Concretionen, enthalten jedoch im Muskelgewebe winzige zerstreute 
Kalkkörperchen, wie sie in der bindegewebigen Umhüllung fast aller 
Organe und in der Haut auftreten können. Meines Erachtens werden 
also die harnsauren Kalkmassen nicht abgestossen — man kann daher 
auch nicht von einer excretorischen Function des Penis sprechen —, 
sondern sie erfüllen denselben Zweck wie das Chondroidgewebe, die 
Wandung des Begattungsorganes rauh und fest zu machen. — Bei 
Oncidiella reticulata, obscura und (nach SEMPER) carpenteri weist der 
Penis noch eine Eigenthümlichkeit auf. Er zerfällt bei den ersteren 
beiden Arten (Fig. 69) in einen breiten vordern Abschnitt (pe) und 
einen schmalen, hintern (pe‘). Wo diese in einander übergehen, inserirt 
sich ein kurzer, rundlicher Blindsack (bl), der ebenso wie das Hinter- 
ende von pe dicht von Concretionen erfüllt ist, die bei Onc. reticulata 
ausnahmsweise glasartig durchsichtig aussehen. Bei Onc. carpenteri 
ist die Strecke pe‘ kaum vorhanden, so dass der Blindsack der 
Einmündungsstelle des Vas deferens sehr genähert ist. Wird nun 
der Penis dieser drei Arten vorgestülpt, so bildet der Blindsack eine 
als Reizapparat dienende Papille, ähnlich wie bei Oncis lata (Fig. 59 pap) 
und andern Arten. 

Eine Penisdrüse findet sich bei den Gruppen I, II und V, d. h. 
sie kommt sehr vielen Oncidiwm-Arten und Peronina alta zu, während 
sie innerhalb der Gattung Oncis fehlt mit Ausnahme von Oncis mon- 
tana. Die Genera Oncidina und Oncidiella entbehren derselben, nach 
unsern jetzigen Kenntnissen, stets. An der Driise kann man in der 
Regel 4 verschiedene Abschnitte unterscheiden (Fig. 56 von Oncidium 
verruculatum). Erstens einen sehr langen ,,Endschlauch“ (pdr), welcher 
die eigentliche Drüse darstellt und zu einem dicken Knäuel zusammen- 
gewunden ist. Dieser Schlauch verschmälert sich nach vorn zu etwas 
und geht dann plötzlich in einen dicken, spindelförmigen „Muskelsack“ 
(pdrmu) über, aus dem ein wiederum viel schmälerer ,,Ausfiihrgang“ 
(pdrd) hervortritt. Er mündet in einen weiten „Endsack“ (pdrs), der 
sich mit dem Endsack des Penis vereinigt und so mit diesem an der 
vordern Geschlechtsöffnung ausmündet. Der Ausführgang birgt in 
seinem Innern ein merkwürdiges Gebilde, einen hohlen Chitinstachel, 
der vorn in der Regel zugespitzt endet und hier aus einer Oeffnung 
das Secret des Endschlauches hervortreten lässt. Bei der Begattung 


wird der Endsack hervorgestülpt, und der Stachel bohrt sich mit dem - 


Penis zusammen in die Vulva ein. Ein solcher Stachel, auf dessen 
verschiedene Gestalt und deren Bedeutung für die Systematik schon 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 147 


SEMPER aufmerksam gemacht hat, fehlt nur bei Oncis montana (Fig. 
71); sonst ist er überall vorhanden. — Bei einer Anzahl von Arten 
wird die Penisdriise etwas einfacher, indem Muskelsack und Ausfiihr- 
gang zusammenfallen und sich dann nur 3 Regionen unterscheiden 
lassen: der Drüsenschlauch (Fig. 71, 73 pdr), der nach vorn dünner 
wird, der stark musculöse Stachelabschnitt (Fig. 73 pdrmu), der sich 
kegelförmig nach vorn verbreitert, und der Endsack (pdrs). Diese 
mittlere Strecke stülpt sich bei Oncidium multinotatum, Peronina alta 
und Oncis montana mit einer grossen Papille (Fig. 71, 72 pap) in das 
Lumen des Endsackes ein. Sie trägt auf ihrer Spitze eine kleine 
Oeffnung, aus welcher bei den ersteren beiden Arten der Stachel her- 
vorgestülpt wird (Fig. 72 st). Eine solche Papille habe ich bei On- 
cidium marmoratum und nigrum vermisst, vielleicht nur deshalb, weil 
hier zufällig der Stachelabschnitt ganz aus dem Endsack zurück- 
gezogen war. — Noch etwas einfacher endlich gestaltet sich der Bau 
der Penisdriise bei Oncidium vaigiense und aberrans. Man könnte sie 
zweitheilig nennen, insofern der Drüsenschlauch scheinbar direct mit 
seinem vordern verjüngten Ende in den Endsack einmündet. Eine 
mittlere, musculöse Region fehlt vollständig. In Wahrheit ist aber 
auch hier ein stachelführender Abschnitt, eben jenes Vorderende des 
Drüsenschlauches, vorhanden, so dass der Unterschied nur auf dem 
Mangel einer dicken Muscularis dieser Strecke beruht. 

Wer eine grössere Anzahl von Oncidiiden untersucht, dem wird 
nicht entgehen, in welch auffallendem Grössenverhältniss Penis und 
Penisdrüse zuweilen zu einander stehen. Da letztere doch nur einen 
Anhang an ersterm darstellt, so sollte man erwarten, das Ueberge- 
wicht der Masse bei dem Copulationsorgan anzutreffen. Bei einzelnen 
Arten erreicht die Drüse aber eine geradezu enorme Grösse, so dass 
der Penis daneben fast völlig verschwindet. Dies ist z. B. bei Pero- 
mna alta der Fall, wovon ein Blick auf Fig. 73 den Leser überzeugen 
wird. Der Penis mit Retractor hat hier eine Länge von 5—6 mm, 
die Drüse hingegen von 220 mm, also ein Verhältniss von ca. 1:37! 
Aehnlich verhalten sich Oncidiwm multinotatum : Penisdrüse 530 mm 
(12mal so lang wie das ganze Thier), Penis 40 mm; Oncidium nebu- 
losum: Penisdrüse 208 mm, Penis mit Retractor 23 mm. Aus der 
wechselnden Grösse der Penisdrüse kann man auf sehr verschiedene 
Secretmengen schliessen, die bei der Ejaculation des Spermas abge- 
geben werden; warum aber die Arten sich in diesem Punkte ungleich 
verhalten, ist bei unsern ungenügenden Kenntnissen der Lebensge- 


wohnheiten der Oncidiiden noch ganz unaufgeklärt. 
10* 


148 LUDWIG H. PLATE, 


Die Vielgestaltigkeit, in der uns der Penisdriisenstachel entgegen- 
tritt, ist aus den Fig. 74, 75, 76, 77, 79, 82 und 83 zu ersehen. 
Einzelheiten hierüber werde ich im speciellen systematischen Abschnitt 
vorbringen. An den Stacheln kann man immer eine derbe äussere 
und eine zarte innere Chitinwandung unterscheiden, die ich als Cuti- 
cula externa und interna bezeichnen will (Fig. 74, 76—78). Zwischen 
beiden breitet sich eine dünne Protoplasmaschicht aus, die in den 
meisten Fällen — vielleicht immer — nicht continuirlich ist, sondern 
sich in unregelmässig angeordneten, theilweise anastomosirenden Längs- 
strängen ausbreitet (Fig. 77, 80 a) oder aus einzelnen Zellen besteht 
(Fig. 81). In diesen feinkörnigen Bändern liegt von Strecke zu Strecke 
ein Kern von geringer Grösse. Da die Penisdrüse sonst überall von 
Epithel ausgekleidet wird, so sind vermuthlich jene Protoplasmastränge 
resp. -zellen auch aus einem solchen hervorgegangen, das sich zu- 
nächst in ein Syncytium verwandelte und dann auf bestimmte Linien 
beschränkte oder dessen Zellen auseinanderrückten. Ich halte sie 
daher für eine modificirte Matrixschicht, die nach innen und nach 
aussen eine Cuticula absonderten. In der äussern Chitinlage finden 
sich nun manchmal noch zahlreiche grössere Zellen, die nach allen 
Seiten anastomosirende Ausläufer abgeben und daher ungefähr wie 
Knochenkörperchen aussehen (Fig. 77, 78, 80 c). Manche derselben 
stehen mit den Matrixstreifen in Zusammenhang (Fig. 78), weshalb 
sie wohl als nach aussen verlagerte Zellen derselben anzusehen sind. 
Vielleicht stellen sie auch die letzten Reste eines ursprünglich vor- 
handenen äussern Epithels dar, welches der Cuticula externa ihren 
Ursprung gab. Diese grossen Zellen sind, wie schon SEMPER betont 
hat, in sehr verschiedener Weise bei den einzelnen Arten angeordnet 
und können daher für die Systematik verwerthet werden. Die Basis 
des Stachels ist wohl immer kegelförmig verbreitert (Fig. 75, 79), 
indem sich die Muscularis des Drüsenausführganges in sie fortsetzt. 
Bei Peronina alta dringen ausnahmsweise diese Muskeln zwischen 
der Cuticula externa und interna bis zur Spitze des Stachels vor, 
durchsetzen ihn also in ganzer Länge. 

Da der Penis in seiner Länge erheblichen Schwankungen unter- 
worfen ist, so ist es begreiflich, dass auch die Anheftungsstelle des 
Retractor penis am Boden der Leibeshöhle bald mehr nach vorn, 
bald mehr nach hinten gelegen ist. Ich unterscheide in dieser Hinsicht 
4 verschiedene Stadien: erstens der Rückzieher inserirt sich ungefähr 
in der Höhe der Nervencentren, zweitens weiter nach hinten neben dem 
Pericard, drittens im hintersten Winkel der Leibeshöhle ; endlich der vierte 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 149 


Fall, wo die Anheftung in einem, in der linksseitigen Kérperwandung 
gelegenen Canal erfolgt, nimmt eine ganz isolirte Stellung ein und 
findet sich auch nur bei einer Art (Oncidium nangkauriense). In keiner 
der drei artenreichen Gattungen Oncidium, Oncis, Oncidiella sehen 
wir eine Anheftungsstelle bevorzugt, sondern alle drei Modi neben 
einander auftreten; oft verhalten sich ganz nahe stehende Species 
hierin verschieden. Näheres hierüber im systematischen Theile. — 
Die merkwiirdigen Verhältnisse von Oncidium nangkauriense (Fig. 84) 
sind durch die ungewöhnliche Länge des Penis hervorgerufen worden. 
Derselbe misst hier nämlich 55 mm, d. h. er ist 2'/, mal so lang wie 
der ganze Körper und beschreibt daher in der Leibeshöhle eine grosse 
S-förmige Schlinge und — im vordern Abschnitt — zahlreiche kurze 
Windungen. Er ist sehr einfach gebaut, da eine Penisdrüse und Dif- 
ferenzirungen aus Chondroidgewebe fehlen. Im hintersten Winkel der 
Leibeshöhle, links neben der Eintrittsstelle des Enddarms in den Fuss, 
öffnet sich ein Canal, der in der linken Körperwand liegt und sich 
nach vorn fast bis zum Anfange des zweiten Körperdrittels erstreckt: 
er läuft am Boden der Leibeshöhle entlang, liegt also in der Linie, 
in der die Seitenwand des Körpers und die Fussfläche zusammen- 
stossen. In diesen Canal, der also gleichsam eine Fortsetzung der 
Leibeshöhle darstellt, tritt der Penis ein und heftet sich hier auch 
mittelst eines kurzen Retractors (retr) an. Wo Muskel und Penis zu- 
sammenhängen (bei «), mündet, wie gewöhnlich, das Vas deferens 
(Vdf*) ein, das im Innern jenes Canals zahlreiche kurze Windungen 
beschreibt, in der Leibeshöhle ziemlich gerade (Vdf?) verläuft, ganz 
vorn (Vdft) aber wieder ein Knäuel bildet. 


Capitel V. 


Das Nervensystem. 


Ueber das Nervensystem der Oncidiiden liegen ausfiihrlichere Mit- 
theilungen nur von v. JHERING (13, p. 230), BERGH (2, p. 131; 3, 
p. 176) und JoyEux-LAFFUIE (1, p. 296) vor, mit denen ich aber in 
manchen Einzelheiten, die weiter unten erörtert werden sollen, nicht 
übereinstimme. Während die im Vorhergehenden erörterten Organ- 
systeme eine ungeahnte Fülle morphologischer Differenzirungen er- 
kennen liessen, die im erfreulichen Gegensatz stand zu der Gleich- 
förmigkeit der äussern Erscheinung, tritt uns das Nervensystem bei 
«Jen Arten in derselben typischen Ausbildung entgegen und variirt 


150 LUDWIG H. PLATE, 


nur in ganz nebensächlichem Detail. Am leichtesten lässt es sich 
natürlich bei den grossen Species aus seiner dicken bindegewebigen 
Umhüllung herauspräpariren, weshalb sich die folgende Schilderung 
auf Oncidium peroni bezieht. 

Die Ganglien des Centralnervensystems liegen hinter und unter 
dem Schlundkopf am Boden der Leibeshöhle dicht bei einander und 
fassen, wie gewöhnlich, den Oesophagus zwischen sich. Man kann 
folgende Centren unterscheiden: 

1) die zwei Gehirnganglien (Fig. 85 cer), die durch eine 
schmale und ziemlich lange Cerebralcommissur, welche über den Oeso- 
phagus hinwegzieht, mit einander verbunden werden; 

2) die zwei Pedalganglien (Fig. 87 ped), welche dicht unter 
den Cerebralganglien liegen und durch eine doppelte, unter dem Oeso- 
phagus verlaufende Commissur zusammenhängen; die vordere (pede) 
ist ungefähr 3mal so breit wie die hintere und liegt auch etwas über 
dieser; ; 

3) die drei Ganglien der Visceralkette, nämlich ein 
linkes und ein rechtes Pleuralganglion (Fig. 85, 87 pl), die mit 
den Pedal- und Cerebralganglien ihrer Seite eng verwachsen sind und 
eine unter dem Schlund verlaufende Visceralcommissur zwischen sich 
fassen, der das Visceralganglion ganz asymmetrisch eingelagert ist. Es 
liegt nämlich dem linken Pleuralganglion stark genähert, so dass das 
linke Theilstiick der Visceralcommissur ca. !/, mm, das rechte 3 mm 
misst. 

Die Gehirnganglien sind noch durch eine zweite Commissur mit 
einander verbunden, die bei allen Oncidiiden vorkommt, aber bis jetzt 
übersehen worden ist. Es ist dies eine zarte untere Commissur (Fig. 
85 r), welche sich zwischen die Arterien der Fussdrüse (o) und des 
Schlundkopfes («) einschiebt. 

Die vorstehende Schilderung, welche auch für alle übrigen On- 
cidiiden gilt, weicht von den früher gegebenen in folgenden Punkten ab. 

1) v. JHERING (13) hat das Visceralganglion vollständig übersehen 
und zeichnet sämmtliche Commissuren viel zu kurz im Verhältniss zu 
ihrer Breite. Die hintere Pedalcommissur bezeichnet er irrthümlich 
als die subcerebrale, obwohl sie in keiner Weise mit den Gehirn- 
ganglien zusammenhängt. 

2) BERG!) hat das Visceralganglion zuerst gesehen, aber ihm 

1) Ich beziehe mich hier nur auf die im Morph. Jahrbuch gegebene 
Schilderung, die immerhin noch besser ist als diejenige in den Chal- 
lenger-Reports. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 151 


ist das Ungliick begegnet, die linke und die rechte Seite mit einander 
zu verwechseln; wahrscheinlich hat er das ganze Nervensystem zuerst 
herauspräparirt und dasselbe dann durch ein Versehen umgedreht und 
so gezeichnet, wie denn auch auf seiner Abbildung die Pedalganglien 
über den Visceralganglien liegen. Er lässt daher das Visceralganglion 
nach rechts verschoben sein und behauptet, das linke Pedalganglion 
sei etwas grösser als das rechte, während thatsächlich das umgekehrte 
Verhalten vorliegt. Ein solches Ueberwiegen des rechten Pedalganglions 
habe auch ich bei Oncidium peroni beobachtet (Fig. 87), bei einzelnen 
anderen Arten mag es auch zutreffen, jedenfalls aber nicht bei allen. 
'BERGH zeichnet ferner sein rechtes Pedalganglion irrthümlicher Weise 
weit ab von dem zugehörigen Cerebral- und Pleuralganglion. Bei 
Onc. peroni ist in der That das linke Cerebropedal-Connectiv (Fig. 87) 
etwas länger als das rechte, aber bei weitem nicht in dem Maasse, 
wie man nach der Bereu’schen Abbildung erwarten sollte. Die hintere 
Pedalcommissur hat der verdienstvolle dänische Zoolog entweder ganz 
übersehen oder sie fälschlich, wie v. JHERING, als Subcerebral-Com- 
missur interpretirt. Die letztere Möglichkeit hat aber wenig Wahr- 
scheinlichkeit für sich, da er diese Commissur hinter die Visceral- 
commissur verlegt und angiebt, sie lasse sich bis zu den Gehirnknoten 
verfolgen, was beides nicht zutrifft. Vermuthlich hat er sich durch 
einen Rest der bindegewebigen Umhüllung der Visceralcommissur 
‘ täuschen lassen. — v. JHERING deutet die Brrau’sche Abbildung in 
einer andern Weise (12, p. 225), aber seine Auffassung scheint mir 
nicht zulässig, da ja das mittlere Ganglion d mit dem einen Cerebral- 
ganglion direct verbunden ist und daher kein Genitalganglion sein 
kann. 

3) Mit Joyeux-LaAFFuIE stimme ich hinsichtlich der Nervencentren 
fast vollständig überein; nur vermisse ich auch bei ihm die untere 
Cerebralcommissur, und mit Unrecht lässt er ferner das Visceral- 
ganglion nach rechts verschoben sein, während es doch in Wahrheit 
links von der Medianebene der Centren liegt. 

Ich habe es absichtlich vermieden, für die soeben erwähnte untere 
Gehirncommissur die Bezeichnung ,,Subcerebralcommissur“ zu ver- 
wenden und ebenso auch nicht von einer Parapedalcommissur ge- 
sprochen, denn es lassen sich zur Zeit die Homologien zwischen den 
verschiedenen unteren Commissuren, solange deren Beziehungen zu 
den Arterien noch nicht feststehen, unmöglich bestimmen. Nach 
Vv. JHERING (12, p. 198) soll die Subcerebralcommissur der Pedal- 
commissur sich eng anschmiegen, wie dies in der That aus den schénen 


152 LUDWIG H. PLATE, 


Vayssızre’schen Arbeiten über die Tectibranchier klar hervorgeht. Sie 
soll aber auch vollständig in die Cerebropedal-Connective aufgenommen 
werden können und dann als eine zweite Commissur der Pedalganglien 
erscheinen. So deutet v. JHERING die zweite Pedalcommissur bei den 
Limnäen, Heliciden, Oncidien und Vaginuliden als eine subcerebrale. 
Ich bestreite, dass für diese Auffassung irgend ein Beweis erbracht 
ist, denn wenn er von den Nudibranchien, wo im Wesentlichen die 
gleichen Verhältnisse vorliegen, nur dass hier beide Pedalcommissuren 
verhältnissmässig lang sind, sagt, die eine derselben entspringe zwar 
von den Pedalganglien, aber ihr Ursprung läge in den Cerebralganglien, 
so ist dies einfach eine Phrase, durch welche die Sache nicht ge-° 
fördert wird. Es scheint mir zunächst das Richtigste zu sein, diese 
vordern und hintern Verbindungsstränge der Fusscentren der Nudi- 
branchien und der Pulmonaten für echte Pedalcommissuren zu halten 
und sie für beide Abtheilungen zu homologisiren ; letztere stimmen 
auch darin überein, dass kein Gefäss zwischen diesen beiden Com- 
missuren hindurchtritt. Erst wenn entwicklungsgeschichtlich der Nach- 
weis erbracht ist, dass eine dieser Commissuren cerebralen Ursprungs 
ist, kann diese als subcerebral bezeichnet und dem gleichnamigen 
Strang der Tectibranchier homolog gesetzt werden. Ich vermuthe aber, 
dass für die Pulmonaten dies überhaupt gar nicht zu erweisen sein 
wird, da ich die oben erwähnte untere Gehirncommissur für das Homo- 
logon der Subcerebralcommissur der Tectibranchier halte. Zunächst : 
sei hervorgehoben, dass sie in gleicher Weise auch bei den Limnäen 
vorkommt, wo sie nach LACAZE-DUTHIERS (30, p. 453) jederseits einen 
zarten Nerven abgiebt, welcher unter dem Schlunde mit der Labial- 
arterie nach vorn läuft und die Ventralfläche des Kopfes versorgt. 
Dieselben Seitenzweige finden wir auch bei den Oncidiiden wieder., 
Auch bei den Bulliden (Gastropteron, Scaphander, Philine, Bulla) giebt 
die Subcerebralcommissur nach VAYSSIERE (31) jederseits einen Nerven 
an den Rüssel ab und bei Umbrella (32) einen solchen, der den Rüssel 
und Seitentheile des Kopfes versorgt. Aus dieser Uebereinstimmung 
in der Lage und dem Verhalten der abtretenden Nerven folgere ich 
die Homologie dieser Commissuren für die Tectibranchier und Pul- 
monaten. Ob eine Subcerebralcommissur in diesem Sinne auch bei 
Nudibranchiern vorkommt, müssen weitere Untersuchungen lehren; viel- 
leicht dass sich die sog. Labialcommissur von Archidoris (33, p. 1078) 
als eine solche erweist. Das, was v. JHERING und BERGH bei dieser 
Abtheilung so genannt haben, ist als eine Pedalcommissur aufzufassen, 
es sei denn, dass entwicklungsgeschichtlich der cerebrale Ursprung 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 153 


nachgewiesen werde. — Eine Parapedalcommissur habe ich bei den 
Oncidiiden nicht aufgefunden, obwohl sie vielleicht vorhanden ist, da 
sie bei Tectibranchiern und Basommatophoren (Limnäen) nachgewiesen 
ist und sich die Oncidiiden meines Erachtens in phylogenetischer Hin- 
sicht zwischen diese beiden Familien einschieben. In meiner vorläufigen 
Mittheilung habe ich die hintere Pedalcommissur so bezeichnet, aber 
nach v. JHERING (12, p. 199) soll die Parapedalcommissur nach hinten 
einen Nerven abgeben und zusammen mit der eigentlichen Pedalcom- 
missur die Pedalarterie umfassen. Dies trifit für die Oncidiiden 
nicht zu, und daher kann bei diesen von einer Parapedalcommissur 


nicht die Rede sein. Ob übrigens diese Beziehung zur Pedalarterie , 


constant angetroffen wird, scheint mir noch zweifelhaft zu sein, da 
VAYSSIERE fiir Aplysia angiebt, dass die Aorta anterior zwischen jenen 
beiden Pedalsträngen hindurchtrete. 

Man ersieht aus der vorstehenden Kritik, dass es nicht überflüssig 
war, die Ganglien der Oncidiiden einer eingehenden Untersuchung zu 
unterwerfen, und dasselbe glaube ich fiir das noch weniger gepflegte 
Gebiet der Nerven behaupten zu diirfen. Sehen wir von den Cere- 
brobuccal-Connectiven (Fig. 85 1) ab, so verlassen folgende Nerven 
jederseits die Gehirnganglien: 

1) ein Nervus oralis (2) für den Mundrand, 

2) ein Nervus frontalis et nuchalis (3) für Stirn (die Region zwischen 

den Fühlern) und Nacken, 

3) ein starker Nervus labialis (4), welcher sich in mehrere Aeste 

auflöst und die Lippensegel versorgt, 

4) ein Nervus tentacularis (5) für den Fühler und das auf ihm 

befindliche Auge, 

5) ein Nervus acusticus, dessen schwer zu ermittelnde Lage 

JOYEUX-LAFFUIE zuerst richtig erkannt hat. 

Hierzu kommt auf der rechten Seite (6) ein starker Penisnerv, 
der mit mehreren Aesten in das Begattungsorgan und die Penisdrüse 
eindringt. — Von der untern Cerebralcommissur gehen jeder- 
seits 2 Nerven ab: der eine tritt nach hinten und innen an die Wurzel 
der Arteria pharyngealis und ist ein Gefässnerv, der andere verläuft 
nach vorn an den Hinterrand des Mundrohres, vielleicht auch Seiten- 
zweige an die Fussdriise abgebend. 

y. JHERING hat mehrere Cerebralnerven nicht beachtet, während 
Bercu ihre Zahl zu hoch angiebt, indem er, abgesehen vom Fühler-, 
Penis-, und vom Lippensegelnerv 2 Nervi orales, 2 labiales und 
mehrere Nervi bulbi pharyngei unterscheidet. Letztere sind gar nicht 


154 LUDWIG H. PLATE, 


vorhanden, indem der Pharynx ausschliesslich von den Buccalganglien 
und Connectiven versorgt wird. Die Buccalconnective verlaufen näm- 
lich zuerst frei, dann treten sie in die Schlundkopfmusculatur ein und 
ziehen unter der Oberfläche derselben zur Wurzel des Oesophagus, 
hinter dem die zwei kleinen Buccalganglien gelegen sind und frei zu 
Tage treten. Aus Fig. 88 ist ersichtlich, wie die Seitenzweige c, d 
und der von der Commissur entspringende Nerv e in den Pharynx 
eindringen, während b zur Speicheldrüse, a zum Oesophagus hinzieht. 
— Auch JoYEux-LAFFUIE weicht von meiner Darstellung der Gehirn- 
nerven etwas ab; nach ihm sollen bei Oncidiella celtica der Nervus 
oralis und labialis mit gemeinsamer Wurzel entspringen, und auch der 
Penisnerv soll ein Seitenzweig dieses Nerven sein. Dass derartige 
Verschmelzungen bei einzelnen Individuen auftreten können, ist wohl 
unzweifelhaft, aber ich halte dies nicht für die Regel, da ich mich 
bei Oncidiella celtica, accrensis und pachyderma von dem typischen 
Verhalten überzeugen konnte. 

Von den Pleuralganglien treten jederseits drei starke Nerven 
ab, die schräg nach aussen zur Körperwand verlaufen; ich habe sie 
in den Zeichnungen mit V, VI, VII, und III, IV, VIII bezeichnet. 
VII und VIII gabeln sich, in der Regel schon nach kurzem Verlaufe. 
Im Einzelnen verhalten sich die entsprechenden Nerven beider Seiten 
nicht ganz gleich; namentlich ist Nerv III stärker und länger als V 
und lässt sich bis neben das Vorderende des Herzbeutels verfolgen, 
wobei er sich eine Strecke lang der Aorta posterior eng anschmiegt 
(Fig. 85). 

Das Visceralganglion entsendet zwei starke Nerven J und 
II. I legt sich ebenfalls mittelst Bindegewebe dem zum Hinterkörper 
führenden Hauptgefäss eng an. Im hintersten Winkel der Leibeshöhle 
gabelt er sich und umgreift von der Ventralseite her den Enddarm. 
Der linke Gabelast ist etwas länger als der rechte, schiebt sich zwischen 
Receptaculum seminis und Rectum und tritt dann zur linksseitigen 
Hälfte der Lungenhöhle und Niere. Der kürzere Gabelast verhält sich 
ebenso auf der rechten Seite (Fig. 85). Nerv JZ verbindet sich 
wiederum auf das engste mit der hintern Aorta. Schon gleich hinter 
seiner Wurzel gabelt er sich zum ersten Male. II (Fig. 85) tritt 
auf den gemeinsamen Aortenstamm über, während der Hauptnerv 
weiter nach hinten zieht und sich dann noch einmal spaltet. ZT? lässt 
sich als ein starker Nerv bis zum Hinterende des Pericards und zu den 
benachbarten Nierentheilen verfolgen. Ueber das Schicksal von ZI? 
bin ich leider nicht zu sichern Resultaten gekommen; wahrscheinlich 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 155 


dringt dieser Nery zusammen mit der Genitalarterie in die Geschlechts- 
organe ein. Vom Nerven J habe ich keine Zweige an diese heran- 
treten sehen, es bleibt daher kaum eine andere Möglichkeit, den Ur- 
sprung der Genitalnerven abzuleiten. 

V. JHERING und BERGH machen über die Nerven der visceralen 
Kette nur ungenaue Angaben. JOYEUX-LAFFUIE hat auf der linken 
Seite die drei Pleuralnerven richtig erkannt, auf der rechten aber den 
mittlern übersehen. Den Nerven Z hat er nicht mit seinen zwei 
Gabelästen bis zur Lungenhöhle verfolgt, sondern lässt diese im Rectum 
und Vagina + Vas deferens enden. Nerv II soll mit dem einen 
Aste in die Geschlechtsorgane übertreten. 

Die Pedalganglien geben von ihrer Ventralfläche jederseits 
drei starke Nerven ab (Fig. 85, 86, 87 a, f, g), einen vordern, einen 
mittlern und einen hintern, die in der Regel schon dicht an der Wurzel 
in mehrere feinere Stämme zerfallen und dadurch ein büschelartiges 
Aussehen annehmen. Der linksseitige Nerv (g) besteht immer aus zwei 
langen Strängen, während er rechts bei Oncidium peroni in noch 
zahlreichere Gabeläste zerfällt, entsprechend der bedeutenderen Grösse 
des rechten Fusscentrums. 

Ausserdem giebt jedes Pedalganglion noch drei zarte Nerven ab, 
von denen der mittlere sich direct an der Wurzel oder etwas später 
zu gabeln pflegt (b, c, d). Beide Seiten verhalten sich in diesem Punkte 
oft ungleich (Fig. 36). Man könnte im Zweifel sein, ob diese Nerven 
nicht eher als Derivate der Pleuralganglien zu betrachten sind. Sie 
entspringen nämlich jener Zone, in der die beiden Ganglien jeder Seite 
breit verwachsen sind. Sucht man die Ganglien hier von einander 
zu lösen, so bleibt oft der eine oder der andere dieser Nerven an dem 
Pleuralganglion hängen, als ob er zu diesem gehörte. Da sie aber, 
wie die übrigen Pedalnerven, sich in die Fussohle einbohren, nehmen 
sie ihren Ursprung auch sicherlich in den Fusscentren. Bei Oncidiella 
pachyderma war die Zahl der zarten Fussnerven etwas grösser, in- 
dem vermuthlich auch 5 und d sich an der Wurzel gabelten. v. JHE- 
RING und BERGH erwähnen die starken Pedalnerven, JoyEUX-LAFFUIE 
auch noch den einen von den drei zarten. — Von der Anwesenheit 
strickleiterartiger Quercommissuren zwischen den Pedalnerven habe 
ich mich nie überzeugen können. Ich muss in diesem Punkte v. JHE- 
RING gegen SEMPER (29, p. 481) Recht geben. 

Von den Sinnesorganen sei hier der Ommatophoren zunächst 
kurz gedacht. Bei der Mehrzahl der Arten können sie durch einen 
kurzen Retractor (Fig. S5 mu), der sich in der Höhe des Hinterendes 


156 LUDWIG H. PLATE, 


des Pharynx am Boden der Leibeshéhle anheftet, in letztere zuriick- 
gezogen werden; sie sind also einstiilpbar, wie die Fiihler der Styl- 
ommatophoren. Zwei Species jedoch, die beide auch darin überein- 
stimmen, dass das Athemloch bei ihnen nach rechts verschoben ist, 
Oncis montana (Fig. 3 t, Fig. 89) und Oncidina australis (Fig. 35 #) 
machen merkwiirdiger Weise eine Ausnahme von dieser Regel. Hier 
sind die Fiihler zwar auch hohl, aber sie sind dort, wo sie sich in 
die Leibeshöhle öffnen, durch eine Muskelplatte geschlossen, die nur 
von dem Fühlernerven (Fig. 89 n) durchbrochen wird. Ein eigent- 
licher Retractor fehlt noch vollständig. Als erste Andeutung desselben 
sind vielleicht die zarten Muskelfasern (mw) anzusehen, welche im 
Fühler selbst liegen. Sie entspringen im basalen Abschnitt des Fühlers, 
von den Seiten und von jener Verschlussplatte und inseriren sich an 
der Spitze, die sie etwas einzustülpen vermögen. Wie man sieht, be- 
steht in diesen Fällen eine grosse Aehnlichkeit mit den Fühlern der 
Basommatophoren. 

Die merkwürdigen Rückenaugen der Oncidiiden habe ich, da 
sie von SEMPER — und neuerdings auch von v. LENDENFELD (22) — 
eingehend untersucht worden sind, nur hinsichtlich ihres Vorkommens 
und ihrer Gruppirung bei den verschiedenen Gattungen geprüft. Es 
ergab sich Folgendes. 

Aus der Gattung Oncidium sind durch SEMPER, STOLICZKA an 
mich zusammen 30 Arten genauer bekannt geworden. Unter diesen 
tragen 26 die Augen in Gruppen, bei einer (Oncidium luteum) stehen 
sie einzeln, endlich bei drei Species (Oncidium amboinae, multinotatum, 
aberrans) fehlen sie vollständig. Es ist häufig sehr schwer, sich von 
dem Mangel der Rückenaugen zu überzeugen, will man nicht den 
ganzen Rücken in endlose Schnittserien zerlegen, da dieselben, wie 
schon SEMPER gezeigt hat, in ihre Rückenpapillen zurückgezogen 
werden können und dann oberflächlich nicht sichtbar sind. Glaubt 
man eine augenlose Form vor sich zu haben, so ist es rathsam, 
wenigstens das Scheitelfeld, die centrale Region des Mittelfeldes, in 
Schnittserien zu zerlegen. Hier an der am höchsten gelegenen und 
daher zur Umschau am besten geeigneten Stelle des Rückens pflegen 
sich nämlich die Augen am längsten zu erhalten, was ich daraus 
schliesse, dass Oncidium vaigiense, marmoratum und nigrum nur eine 
solche centrale Gruppe von 3—4 Augenflecken aufweisen, wahrend 
der ganze übrige Rücken derselben entbehrt. 

Zur Gattung Oncis gehören zur Zeit 8 Arten; von diesen besitzen 
zwei (Oncis lata und coeca) keine Augenflecke, die übrigen haben 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 157 


zahlreiche, über den ganzen Rücken sich vertheilende Einzelaugen ; 
ab und zu kommt es aber auch hier vor, dass 2—3 Augen so eng 
zusammenriicken, dass sie eine Gruppe bilden. So finde ich bei zwei 
Individuen von Oncis montana eine solche Gruppe auf dem Scheitel- 
felde, während die übrigen ca. 30 Augen einzeln stehen. Ein drittes 
Exemplar zeigte hier ebenfalls ein Einzelauge. Oncis martensii hat 
70—80 Einzelaugen, daneben ca. 12 Doppelaugen. — Wenn sich dem- 
nach auch die Gattungen Oncidium und Oncis nach der Vertheilung 
der Augenflecke nicht ganz scharf trennen lassen, so bietet doch dieses 
Moment ein wichtiges systematisches Hiilfsmittel, indem jene ganz 
überwiegend Gruppen-, diese Einzelaugen trägt. 

Bei Peronina alta findet sich eine Gruppe von 2 Augen auf dem 
Scheitelfelde und ausserdem 5 Papillen mit je einem Augenflecke. Meine 
frühere Angabe (23), dass hier nur Einzelaugen vorkämen, ist daher 
nicht ganz richtig. 

Endlich die beiden letzten Genera, Oncidina und Oncidiella, ent- 
behren der Rückenaugen vollständig. 

Auf das wahrscheinliche Fehlen der Augen bei Oncidium aberrans 
hat schon SEMPER hingewiesen und zugleich betont, dass dieses dann 
eine bedeutungsvolle Ausnahme des von ihm aufgestellten Satzes sein 
wiirde, wonach die Oncidien des Indischen Oceans stets Augen besitzen, 
um mit ihrer Hülfe rechtzeitig die ihnen nachstellenden Periophthalmus- 
Arten zu erblicken und dann dieselben durch einen Spriihregen der 
Hautdrüsen zuriickzuschrecken. Dieser Satz lässt sich nicht linger auf- 
recht erhalten, denn ausser jener Art stammen auch die andern oben 
von mir erwähnten blinden Arten aus einem Gebiete, in welchem jene 
Fische heimisch sind: Oncidium amboinae und Oncis coeca von Amboina, 
Oncidium multinotatum von Manilla, Oncis lata von Neu-Britannien. 
Es geht hieraus hervor, dass eben nicht alle Arten dieses Hülfsmittel 
im Kampfe ums Dasein sich erworben haben; vielleicht sind diese 
blinden Formen in einer andern, uns noch nicht bekannten Weise ge- 
schützt. Ich halte es übrigens für verfehlt, die Augen bloss als Watie 
im Kampfe gegen die Periophthalmus- und Boleophthalmus-Species 
anzusehen, denn sie finden sich auch bei Oncis montana, die ausser- 
halb des Wassers hoch oben am Berge lebt. Ferner kommt Peri- 
ophthalmus koelreuteri an der Westküste von Afrika vor, aber trotzdem 
ist Oncidiella maculata von Angra pequena augenlos. Es ist wohl 
sicher, dass die Oncidiiden noch zahlreiche andere Feinde besitzen, 
vor denen sie durch jene Augen gewarnt werden und sich dann noch 
rechtzeitig im Sande vergraben können. Es ist interessant, dass unter 


158 LUDWIG H. PLATE, 


den Mollusken nur noch die Chitonen solche zahlreiche tiber den 
Riicken vertheilte Augen besitzen, Thiere, die in ihrer tragen Lebens- 
weise und in dem Bediirfniss, ihrer Feinde frühzeitig ansichtig zu 
werden, ganz mit den Oncidiiden übereinstimmen. Der Mangel der 
Augen bei den Oncidiellen hängt wohl damit zusammen, dass sie allein 
jene riesigen, vielzelligen Hautdrüsen besitzen, die am Mantelrande 
ausmünden und die ich als Giftdrüsen deute. Dann würden jene auf- 
fallenden hellen Flecke am Mantelrande, die sich bei so vielen On- 
cidiellen (Fig. 4) scharf vom dunklen Untergrunde abheben und in 
der Lage jenen Drüsen entsprechen, Schreckfarben sein, die ihren 
Trägern eine ganz charakteristische, sich dem Gedächtniss der Feinde 
einprägende Zeichnung verleihen. 


Ein Geruchsorgan, das ich bei den in vieler Hinsicht noch 
so primitiven Oncidiiden sicher zu finden erwartete, fehlt merkwürdiger 
Weise in der Lungenhöhle vollständig. 


Capitel VI. 
Das Blutgefässystem. 


Das Blutgefassystem hat Joyeux-LaFFUIE eingehend geschildert, 
obwohl ihm nur eine für derartige Untersuchungen wenig geeignete 
Art zur Verfügung stand. Ich kann seine Angaben fast in allen Punkten 
bestätigen und in einigen erweitern. 


Der Herzbeutel mit dem Herzen liegt in einer nischenförmigen 
Einstülpung der rechten Seitenwand des Körpers und ungefähr in der 
Mitte desselben. Man gewinnt von dieser Nische am besten eine Vor- 
stellung bei den Oncis-Arten (Fig. 34). Sie wird auf der ganzen 
rechten Seite von der dicken Musculatur der Haut begrenzt, während 
sie gegen die Leibeshöhle zu nur in der hintern Hälfte durch ein 
musculöses Septum (sep) abgeschlossen wird, das in der vordern fehlt, 
so dass hier eine freie Communication mit der Leibeshöhle bestehen 
bleibt. In diesem Divertikel ruht nun der dünnwandige, ovale, von 
einem Epithel ausgekleidete Herzbeutel und giebt die Aorta von seinem 
Vorderende ab. Auf der ganzen rechten Seite und am Boden besitzt 
er keine eigne Wandung ausser dem Epithel, das somit direct dem 
Muskelfilze der Haut aufsitzt; auf der Dorsalseite und auf der Innen- 
seite der Vorderhälfte hingegen begrenzt eine zarte Muscularis das 
Pericard nach aussen, die übrigens mit dem Septum verwachsen ist 
und daher vielleicht als dessen Fortsetzung anzusehen ist. Wie dem 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 159 


auch sei, man kann auf alle Fille an der Innenwand des Herzbeutels 
einen derben Abschnitt, das Septum, und einen zarthäutigen unter- 
scheiden. Bei Oncidiwm (Fig. 33), Oncis (Fig. 34), Oncidiella und 
Peronina bildet das Septum die hintere Hälfte der Innenwand, bei 
Oncidina (Fig. 35) hingegen gerade umgekehrt die vordere. — Das 
Aussehen des Herzbeutels wird nicht selten dadurch etwas verändert, 
dass bei erwachsenen Thieren Theile der Oberleber und der Geschlechts- 
organe, namentlich der Eiweissdrüse, in die Nische eindringen, so dass 
man bei der Eröffnung des Thieres von der Dorsalseite zunächst nichts 
von dem Pericard wahrnimmt (Fig. 30). Das letztere wird dann dem 
Boden der Nische angepresst, so dass Kammer und Vorkammer an- 
nähernd horizontal liegen (Fig. 34), während sie sich normaler Weise 
nach allen Seiten gleichmässig ausdehnen, wobei dann der zarte Ab- 
schnitt der Innenwand mit dem Septum in derselben Ebene liegt und 
dessen directe Fortsetzung bildet (Fig. 33, 35). In meiner vorläufigen 
Mittheilung habe ich diese Verhältnisse so dargestellt, als ob die 
horizontale Herzstellung und die Verlagerung der Eingeweide in die 
Pericardnische nur bei den Oncis- Species vorkämen. Dies ist nicht 
ganz correct; sie werden auch bei einzelnen Oncidium-Arten beobachtet, 
wenn auch viel seltener als bei Oncis, und umgekehrt entbehrt diese 
sie in der Jugend meistens. Der vermuthete Unterschied zwischen 
einer horizontalen und einer verticalen Herzstellung lässt sich demnach 
nicht aufrecht erhalten. Hingegen differiren die Gattungen etwas hin- 
sichtlich der Lage des Herzens zur queren Mittellinie des Körpers. 
Bei Oncidium, Oncidina, Oncidiella und Peronina reicht das Herz 
gerade bis an diese hinan, bei Oncis jedoch noch um die halbe Peri- 
cardlänge über sie hinaus. — Dass das Herz der Oncidiiden die bei 
den Opisthobranchiern übliche Stellung hat, diese Thiere also opistho- 
pneumon sind, ist seit Cuvrer’s classischen Untersuchungen bekannt. 
Die Vorkammer ist dünnwandig und wird von einem System zarter 
Muskelfäden durchsetzt (Fig. 90 at), die Kammer besitzt viel dickere 
Wandungen und im Innern zahlreiche derbe Muskelzüge. Die Klappen 
(kl, kl’) am Eingange des Ventrikels hat schon JoYEUx-LAFFUIE richtig 
geschildert. | 

Das arterielle Blutgefässystem bietet manche Besonder- 
heiten dar, die sich aber schwer beurtheilen lassen, weil über das 
Gefässystem der Pulmonaten noch zu wenig Vergleichsmaterial vor- 
liegt. Zunächst fällt auf, dass sich die Aorta nicht gleich an ihrer 
Wurzel in zwei starke Hauptgefässe, die Aorta anterior und posterior, 
theilt, sondern dass die letztere scheinbar gar nicht vorhanden ist. 


160 LUDWIG H. PLATE, 


Das erste Gefäss (Fig. 85 A), welches die Aorta abgiebt, ist ein winziger 
Seitenzweig, der an den Darm tritt. Etwas weiter nach vorn entspringt 
als erstes grosses Seitengefäss die Arteria visceralis (a. visc.), welche 
Leber, Magen und Theile des Darmes speist und daher als Homologon 
einer Aorta posterior angesehen werden diirfte, wenn sie sich bis zu 
den hintern Geschlechtsorganen fortsetzte. Dieses ist jedoch nicht 
der Fall. Noch etwas weiter nach vorn gabelt sich die Aorta in zwei 
mächtige Stämme, von denen der eine nach vorn in den Kopf, der 
andere bis in den hintersten Winkel der Leibeshöhle verfolgt werden 
kann. Der erstere entspricht unzweifelhaft der typischen Aorta ant. 
seu cephalica der Pulmonaten, ob aber der letztere als Aorta posterior 
anzusehen ist, wage ich nicht zu entscheiden. Die Arteria genitalis 
freilich (a. genit.) wird von diesem hintern Hauptgefäss abgegeben, 
und insofern ‘entspricht es der typischen Aorta post.; aber dieses 
Gefäss ist auch zugleich Arterie der Lungenhöhle und kann deshalb 
mit gleichem Recht als homolog jenem Seitenzweige der Art. cephalica 
angesehen werden, welcher bei den Pulmonaten als Arteria pulmonalis 
fungirt. Ehe dieses Gefäss die Genitalarterie abgiebt, entsendet es 
zwei zarte Zweige (o,r) zur Basis des Pericards. Ferner entstammen 
demselben mehrere Ausläufer (a. int), welche zum Enddarm hinziehen. 
Endlich, im hintersten Winkel der Leibeshöhle, schmiegt es sich an 
die Ventralfläche des Rectums mit zwei Gabelästen an, die zusammen 
mit den Gabelästen des Visceralnerven I verlaufen; der linke, etwas 
grössere versorgt die linke Hälfte der Lungenhöhle, der rechte, kleinere 
die rechte. Dass die*Pulmonalarterie bei den Oncidiiden so unge- 
wöhnlich stark ist, ist nicht weiter auffallend, denn einmal führt sie, 
wie gesagt, gleichzeitig auch den Geschlechtsorganen das Blut zu, 
und zweitens sehen wir bei andern Pulmonaten mit weit nach hinten 
verlagerter Athemkammer (Daudebardia, Testacella) dieses Gefäss 
ebenfalls mächtig entwickelt (vergl. 19, tab. 36, fig. 89—92 pli). JOYEUX- 
LAFFUIE hat diese Beziehung der Aorta post. der Oncidiiden zum 
Respirationsorgan nicht erkannt und vermuthet deshalb, die ursprüng- 
liche Aorta post. der Pulmonaten habe sich hier in eine Art. visceralis 
und eine Art. genitalis gespalten, was natürlich mit dem Nachweis 
jener Beziehung unhaltbar wird. 

Die Arteria visceralis giebt in der Regel 7 Gefässe ab, die 
von der Wurzel nach der Spitze zu auf einander folgen, nämlich: 

1) 2 Arterien an die Oberleber (Fig. 85 », Fig. 17); 

2) von derselben Seite der Visceralis entspringend wie diese Ge- 

fässe, eine Arteria stomacalis (a. sto), welche sich dort ansetzt, 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 161 


wo Chylusmagen und Endabschnitt des Magens. zusammen- 
stossen ; 

3) von der gegentiberliegenden Seite der Visceralis entspringend, 

zwei Gefässe an die Unterleber (y) ; 

4) zwei Gefässe (W) für den Muskelmagen. 

Endlich lauft die Arterie mit mehreren Endzweigen in der Hinter- 
leber aus (w). 

Von dieser Darstellung der Verzweigung der Arteria visceralis 
wird man leicht kleine Abweichungen constatiren kônnen, wenn man 
eine grössere Anzahl von Individuen derselben Art untersucht. Nament- 
lich die Gefässe der Ober- und der Unterleber verhalten sich variabel. 
Erstere empfängt häufig drei, zuweilen sogar bis zu fünf Gefässen; an 
letzterer habe ich bis zu vier Gefässen angetroffen, nicht selten ver- 
einigen sich aber auch ihre zwei Gefässe am basalen Abschnitt zu 
einem einzigen. 

Die Aorta cephalica bietet in dem Verhalten der Arterien 
der Speicheldrüsen eine Besonderheit dar. Diese Gefässe zweigen sich 
bei den übrigen Pulmonaten ab, ehe die Aorta in den Ring der Nerven- 
centren eindringt, hier aber verlassen sie dieselbe zugleich mit der 
Pharynx- und der Fussarterie, nachdem die Aorta den Nervenring 
passirt hat. Es hängt dies offenbar mit der ungewöhnlich weit nach 
vorn verschobenen Lage der Speicheldrüsen zusammen, auf die ich 
schon früher aufmerksam gemacht habe. Das reiche Verzweigungs- 
system der Aorta anterior ist aus Fig. 85 und 86 ersichtlich. Dieselbe 
giebt auf der ganzen Strecke bis zu den Ganglien nur einen kleinen 
Ast (uw) an den Oesophagus ab. Wir vermissen also hier die Sperm- 
oviductarterie, was wohl ohne Zweifel eine Folge der Lage der Ge- 
schlechtsorgane am hintern Körperpole ist. Die Aorta cephalica ver- 
läuft, wie gewöhnlich, unter dem Darm und tritt durch den von der 
Visceralkette und den Pedalganglien gebildeten Ring. Sie entsendet 
darauf nach vorn eine Arterie an die Fussdrüse (0), eine zweite an 
den Pharynx («) und je ein starkes Gefäss (7) nach der Seite, das 
als Parietalarterie bezeichnet werden kann, weil es mit seinen End- 
ästen sich in der Seitenwandung des Vorderkörpers ausbreitet. Die 
Parietalarterie giebt gleich an der Wurzel einen Seitenzweig (?) an 
die Umgebung des Mundes ab, die Oralarterie. Von dieser entspringt 
auf der rechten Seite die starke Penisarterie (0), deren Endäste auch 
auf die Penisdrüse übergreifen und die ausserdem mit ¢ das Vas 
deferens-Knäuel versorgt. Weiter nach aussen geht die Arteria salivalis 


(n) von y ab. Sie lässt sich durch die ganze Speicheldrüse hindurch, 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. ala! 


162 LUDWIG H. PLATE, 


am Sammelgang derselben entlang ziehend, verfolgen und läuft schliess- 
lich mit mehreren Aestchen in dem Pharynx (9°) und dem Oesophagus (3“‘) 
aus. Das Gefäss x setzt sich bis zur Körperwandung fort. Die mit x 
bezeichnete Seitenarterie von 7 verhält sich auf beiden Seiten sehr 
ungleich, auf der linken ist sie ganz klein und tritt in den Fuss, auf 
der rechten hingegen läuft sie als ein mächtiges Gefäss zum Muskel- 
sack der Penisdriise und versorgt ausserdem mit mehrern Seiten- 
zweigen den Driisenendschlauch. 

Die Pharynxarterie (a) tritt an das Hinterende des Schlundkopfes 
(Fig. 11 a. phar.), bohrt sich hier mit einem Gabelaste sofort in diesen 
ein, während ein zweiter an dessen Ventralfläche eine Strecke nach 
vorn läuft und dann in das Mundrohr eintritt. 

Die Arterie der Fussdrüse (e) giebt auf ihrer Unterseite die Pedal- 
arterie ab (Fig. 85, 86 e). Diese zieht am Boden der Leibeshöhle 
unter den Pedalganglien hinweg nach hinten, um etwas hinter den 
Nervencentren sich mit drei Gabelästen in die Fussohle einzusenken. — 
Zwischen den Arterien des Schlundkopfes und der Fussdrüse, und mit 
diesen durch Bindegewebe eng verwachsen, spannt sich bogenförmig 
die Subcerebralcommissur aus. 

Hinsichtlich des Venensystems kann ich den von Joxux- 
LAFFUIE gemachten Angaben nichts Neues hinzufügen und verweise 
deshalb auf dessen Arbeit. 


Capitel VIL 


Die Fussdriise. 


Die Fussdriise ist bei allen Oncidiiden verhältnissmässig schwach ent- 
wickelt. Sie miindet, wie wir durch Semper wissen, in der zwischen Fuss 
und Kopf gelegenen Rinne in der Mediane aus. Sie erstreckt sich von hier 
aus nach hinten, so dass der kurze Ausfiihrgang ganz im Fussgewebe ein- 
gebettet ist, während in der Regel die eigentliche Drüse als ein flacher 
Sack von dreieckiger oder rundlicher Gestalt die Fussohle durchbricht 
und frei in die Leibeshöhle hineinragt (Fig. 35 fdr). Er dehnt sich 
dabei unter dem Hinterende des Pharynx und nicht selten auch unter 
den Nervencentren aus. In einzelnen Fallen ist die Driise weniger 
entwickelt; sie bricht dann nicht in die Leibeshöhle durch, sondern 
bleibt auf ihrer Dorsalfliche überall von einer zarten, zur Fuss- 
musculatur gehörigen Muskelschicht bedeckt, fällt aber dabei doch als 
eine flache Erhebung des Bodens auf (Oncidium multinotatum, Peronina 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 163 


alta und, wie es scheint, auch Oncis lata und coeca). Endlich bei 
Oncis montana ist sie so klein, dass sie vollständig in der Fussohle 
verborgen liegt und sich auch äusserlich nicht bemerkbar macht. 


Eine genaue histologische Untersuchung war bei dem Erhaltungs- 
zustand der mir zur Verfügung stehenden Thiere nicht möglich. Ich 
beschränke mich deshalb auf folgende kurze Notizen. Man kann zwei 
verschiedene Typen unterscheiden. Bei dem einen, für die Gattung 
Oncidiella charakteristischen fehlt ein dichter Besatz von innern Falten. 
Die Wandung ist glatt oder trägt nur vereinzelte niedrige Leisten; 
sie enthält eine grosse Menge flaschenförmiger, einzelliger Drüsen, die 
in den verschiedenen Theilen der Drüse verschieden angeordnet sind — 
bald mehr an den Seiten, bald mehr am Rücken oder am Boden — 
und sich mit Hämatoxylin intensiv färben. Der zweite Typus kommt 
bei Oncidium und Oncis vor. Hier besteht die Drüse aus zahllosen 
sehr eng stehenden Falten, die quer verlaufen und durch Leisten unter 
einander verwachsen sind, so dass sie, ähnlich wie in der Niere, ein 
complicirtes Wabenwerk erzeugen (Fig. 91). Ein centraler Canal durch- 
zieht die Drüse und empfängt durch zahlreiche Poren das zwischen 
den Falten erzeugte Secret. Der Canal besitzt gleichsam seine eigene 
Wandung, indem die freien Enden der Falten sich gabeln und bis auf 
jene Poren mit einander verwachsen. Die Falten und der Canal werden 
überall von einem niedrigen, einfachen Epithel ausgekleidet, welches 
das Secret ausscheidet. Die grossen einzelligen Drüsen fehlen voll- 
ständig in der eigentlichen Drüse, während sie dem Ausführgange 
vereinzelt ansitzen. 


Zweiter Abschnitt. 


Die Systematik der Oncidiiden. 


In diesem Abschnitte sollen die von mir untersuchten 32 Arten 
nach Habitus und innerer Organisation geschildert werden, soweit sich 
hieraus systematische Charaktere ableiten lassen. Bei einer äusserlich 
so überaus gleichartigen Gruppe wie den Oncidiiden kann die Syste- 
matik der Mithülfe der Anatomie nicht entbehren. Dies hat auch 
schon Semper klar erkannt und auf die Bedeutung der Copulations- 


organe für ein sicheres Wiedererkennen der Arten hingewiesen. Aus 
Ihr 


4 


164 LUDWIG H. PLATE, 


dem ersten Abschnitte geht zur Geniige hervor, welche grosse Mannig- 
faltigkeit den übrigen Organen zukommt, dass eigentlich nur das 
Nervensysten und das Blutgefässystem uns überall in derselben typischen 
Ausbildung entgegentreten, während die Radula, die relative Grösse 
der Magenabschnitte, die Lagerung der Darmschlingen, der Enddarm, 
die Lungenhöhle, die Niere und die hintern Geschlechtsorgane ebenso 
sehr wie die Begattungswerkzeuge geeignet sind, in den Dienst der 
Systematik gestellt zu werden. Es lassen sich hiernach 5 verschiedene 
Gattungen mit folgenden Diagnosen aufstellen. 


I. Gattung: Oncidiwm BucHan. (emend. PLATE). 


Hyponota an den Körperseiten schmäler als die Fussohle, es 
schwankt Hyp zwischen !/, und ?/, S; nur bei Oncid. vaigiense ist 
ausnahmsweise Hyp = S. Rand des Mantels nicht gekerbt, ohne 
grosse, vielzellige Driisen. Der Rücken trägt bei Oncid. verruculatum, 
savignyi, peroni, branchiferum und ferrugineum Less. Kiemenbäum- 
chen, die in den andern Gattungen nie vorkommen. Die Rückenaugen 
sind meist vorhanden und dann immer in Gruppen angeordnet; nur 
bei Oncid. luteum stehen sie einzeln und fehlen vollständig bei Oncid. 
amboinae, multinotatum und aberrans. Die männliche Geschlechts- 
öffnung liegt nach vorn und nach innen vom rechten Fühler. — Die 
Leibeshöhle ist viel breiter als die Fussohle, sie erstreckt sich daher 
weit über die Hyponota hinüber. Die Lungenhöhle und die Niere sind 
symmetrisch gestaltet, nur bei Oncid. amboinae und luteum halb- 
symmetrisch. Die Niere ist innen mit einem dichten Blätterwerk von — 
hohen Falten besetzt; nur bei Oncid. amboinae sind diese viel niedriger 
und stehen weiter auseinander. Darmschlingen meist nach Typus I, 
zuweilen nach Typus II, bei Oncid. nigrum nach Typus III gelagert. 
Chylusmagen immer gross. Pharynx ohne Kiefer. Radula siehe 8S. 110. 
Speicheldrüsen breit, nicht am Gehirn befestigt. Gabeläste des Zwitter- 
ganges in der Regel nicht verdickt. Hintere Geschlechtsorgane mit 
Spiralgang, aber ohne Oviductdriise. Receptaculum seminis sitzend 
oder kurz gestielt. Vas deferens (Anfangstheil) kurz, nicht verknäuelt. 
Copulationsorgane vielfach mit Penisdriise. 


II. Gattung: Oncis n. g. 


Hyp = 1—1'/, S. Mantelrand nicht gekerbt, ohne grosse Drüsen. 
Rücken nie mit Kiemenbäumen. Die Rückenaugen fehlen oder stehen 
einzeln. Die männliche Geschlechtsöffnung nach vorn und innen vom 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 165 


rechten Fühler. Die Leibeshöhle ist nur wenig breiter als die Fussohle, 
sie greift daher nur wenig auf die Hyponota über, so dass eine breite, 
musculöse Ringplatte die Leibeshöhle nach aussen begrenzt. Die 
Lungenhöhle und die Niere sind halbsymmetrisch, letztere mit dichtem 
Blätterwerk. Darmschlingen nach Typus II, nur bei Oncis semperi 
nach Typus I angeordnet. Chylusmagen gross, Pharynx ohne Kiefer. 
Radula siehe 8. 110. Speicheldrüsen breit, nicht am Gehirn befestigt. 
Gabeläste des Zwitterganges verdickt, Receptaculum seminis sitzend 
oder kurz gestielt, Vas deferens (Anfangstheil) lang, hin und her ge- 
wunden oder verknäuelt. Ein Spiralgang ist vorhanden; keine Oviduct- 
drüse. Eine Penisdrüse wird nur bei Oncis montana angetroffen. 


IT. Gattung: Oncidiella Gray (emend. FISCHER et Crosse). 


Hyp = |; —1 8. Hyponota jederseits mit einer zarten, dem 
Fussrande parallelen Falte, der Hyponotallinie, welche von den Fühlern 
bis zum Athemloch zieht und den übrigen Gattungen fehlt. Die Fuss- 
rinne setzt sich nach hinten noch über die weibliche Geschlechtsöffnung 
hinaus fort, und ihre Falten verwachsen mit dem Ringwalle des Afters. 
Der Mantelrand ist unregelmässig, fein gekerbt oder gelappt und ist 
vielfach auch mit kurzen, radialen Rippen besetzt. In demselben 
liegen grosse, vielzellige Drüsen, welche auf der Spitze der grössern 
Kerblappen ausmünden. Rückenkiemen !) fehlen, ebenso Rückenaugen. 
Männliche Geschlechtsöffnung nach aussen von und etwas hinter dem 
rechten Fühler. Leibeshöhle wie bei Oncidium. Lungenhöhle und Niere 
symmetrisch, letztere entweder von der gewöhnlichen Gestalt und dann 
mit niedrigen, weitläufigen Falten besetzt oder (One. celtica, maculata) 
fast glattwandig und so gross, dass sie die ganze Lungenhöhle aus- 
füllt. Darmschlingen nach Typus IV. Chylusmagen und Magenend- 
abschnitt sehr klein. Oesophagus erweitert. Pharynx zuweilen mit 
unpaarer Kieferplatte. Radula siehe S. 110. Speicheldrüsen schmal, 
bandförmig, am Gehirn befestigt. Geschlechtsorgane ohne Spiralgang, 
mit Oviductdriise. Gabeläste des Zwitterganges nicht verdickt, Re- 
ceptaculum seminis langgestielt, Vas deferens (Anfangstheil) kurz. 
Penis zart, ohne Penisdrüse, meist mit Kalkconcretionen im Lumen. 


1) Bei Oncidiella incisa Q. G. könnten sie vielleicht vorhanden 
sein, da Quoy u. Gamarnp eine Abbildung von dieser Art geben, auf 
der baumartige Anhänge sich über den ganzen Rücken vertheilen. Im 
Text werden sie aber nicht erwähnt. 


166 LUDWIG H. PLATE, 


IV. Gattung: Peronina n. g. 


Die seitlichen Hyponota sind fast senkrecht nach oben gerichtet 
und tiberragen den Fuss nur wenig. Mantelrand glatt. Keine Kiemen 
auf dem Rücken. Weibliche Geschlechtsöffnung um !/, der Körper- 
länge nach vorn verschoben, männliche rechts neben dem rechten 
Tentakel; letztere ist doppelt, indem Penis und Penisdrüse zwar dicht 
neben einander, aber doch deutlich getrennt ausmünden. Eine Gruppe 
von Rückenaugen im Scheitel und mehrere Einzelaugen am Rande 
des Mittelfeldes. Lungenhöhle und Niere symmetrisch. 

Hinsichtlich der innern Organisation siehe die später folgende 
Schilderung der einen Art. 


V. Gattung: Oncidina SEMPER. 


Hyp = !/,;, 8. Mantelrand ungekerbt, ohne grosse Drüsen. 
Rücken ohne Kiemenbäume oder Augen. Die Fühler können nicht 
völlig eingestülpt werden. Athemloch nach rechts verschoben !). Männ- 
liche Geschlechtsöffnung nach aussen von und etwas hinter dem rechten 
Tentakel. Lungenhöhle und Niere asymmetrisch, fast ausschliesslich 
auf der rechten Seite liegend. 

Hinsichtlich der innern Organisation siehe die später folgende 
Schilderung der einen Art. 

Um dem Systematiker die Erkennung obiger Gattungen zu er- 
leichtern, lasse ich hier noch eine tabellarische Uebersicht 
der generischen Unterschiede folgen, in welche jedoch die 
vereinzelten Ausnahmen nicht aufgenommen sind. Ein — bedeutet 
Fehlen des betreffenden Charakters, ein + Vorhandensein desselben, 
eine ( ) beschränktes Vorkommen. 


Oneidium Oneis Oncidiella Oncidina Peronella 
Verhiltniss der |Hyp = 1}, bis Hyp = 1 bis Hyp = 1}, bis Hyp =1/, S\Hyp = 1, 8, 
seitlichen Hypo- ?/, 8 1718 18 steil empor- 
nota zur Sohle | | steigend 
Mantelrand glatt iglatt gekerbt, mitiglatt glatt 
grossen, viel- 


| | zelligen Drü- 

| sen 
| | 

Riickenkiemen lzuweilen vor- = = ae =n, 

handen 


1) Eine derartige Verlagerung des Athemloches ist zur Zeit nur noch 
bekannt von Oncis glabra, montana, semperi und Oncidium vaigiense. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 167 


Te ES CT 


| Oncidiwm | Oncis | Oncidiella Oncidina | Peronina 
— tl EE D De am SE 
Rückenaugen in Gruppen leinzeln oder — — - theils in Grup- 
oder — pen, theils 
einzeln 


| | 


Männliche Ge- |nach vorn und innen vom |nach aussen und seitlich vom rechten 


schlechtsöffnung rechten Fühler Fühler 

| 
Hyponotallinie u — + en zn 
Leibeshöhle breit, auf die/schmal, nur we-| breiter als die Sohle, daher beträchtlich 


Hyp. breit | nig breiter als) auf die Hyponota übergreifend ; wie 
übergreifend | die Fussohle,| bei Oncidium 
daher kaum 


auf die Hyp. 

übergreifend 
Lungenhöhle und|symmetrisch |halbsymme- symmetrisch jasymme- open 
Gestalt der Niere trisch | trisch 


Bau der Niere Falten hoch, dicht stehend |Falten niedrig, Falten hoch, dicht stehend 
weit ausein- 
ander stehend 


Darmschlingen I (II, III) IL (1) IV Il | II 


nach Typus 
Chylusmagen gross ee sehr klein sehr klein jgross 
Spiralgang d. hin- + + — | — + 
tern Geschlechts- | 
organe | 
Chondroidele- + oder — + dafür meist + + 
mente im Penis Kalkconcre- | 

mente | 
Penisdriise + oder — | (+ oder) — — == 1e 
Rectaldrüse + oder — + — | + — 


Unter diesen fünf Gattungen stehen sich Oncidium und Oncis be- 
sonders nahe, so dass ich lange geschwankt habe, ob ich sie überhaupt 
in Gegensatz zu einander bringen sollte. Ich habe mich hierzu ent- 
schlossen in der Ueberzeugung, dass ein Fortschritt in der Kenntniss 
dieser artenreichen Gattungen nur durch sorgfältige Analyse der 
‘zwischen ihnen bestehenden Differenzen, mögen diese auch nur unbe- 
deutend sein, erzielt werden kann. Fast jede grössere Sammlung be- 
sitzt, wenigstens nach meinen Erfahrungen, noch neue Oncidiiden; 
sollte sich später die Zahl der Arten, welche Charaktere der beiden 
Gattungen in sich vereinigen, beträchtlich vermehren, so wird man die 
Oneis-Formen als Subgenus zusammenfassen. Aus praktischen Gründen 
sollte ferner ein Speciesname immer nur einmal innerhalb der ganzen 


168 LUDWIG H. PLATE, 


Familie verwandt werden, als ob dieselbe nur eine Gattung enthielte, 
denn die grosse Mehrzahl der Malacozoologen wird diese äusserlich so 
ähnliche Gruppe immer nur als Oncidium bezeichnen und sich auf 
die Unterscheidung mehrerer Gattungen nicht einlassen. Von Ueber- 
gangsformen zwischen Oncidium und Oncis sind mir folgende bekannt 
geworden : 

1) Oncidium amboinae leitet zu Oncis hinüber durch die verhältniss- 
mässig breiten Hyponota (= ?/, S), die halbsymmetrische Lungen- 
höhle und Niere, die Radula, durch die Lage der Darmschlingen, Besitz 
der Rectaldrüse und den Mangel der Penisdrüse. 

2) Oncidium luteum desgl. durch die Einzelaugen, die halbsym- 
metrische Lunge und Niere, Lage der Darmschlingen, Besitz der Rectal- 
drüse, den gewundenen Anfangstheil des Vas deferens und den Mangel 
der Penisdrüse. 

3) Oncidium vaigiense desgl. durch die Breite der Hyponota (= S) 
und durch den Längsstreifen in den Basalplatten der Radula. 

Diese drei Arten sind aber im Habitus und ihrer Leibeshöhle 
nach echte Mitglieder der Gattung, zu der ich sie gestellt habe. 


1. Oncidium verruculatum CuviER. 


Die untersuchten Thiere stammten von Amboina, Ceylon und den 
Nicobaren. Das grösste Exemplar, welches mir zu Gesicht gekommen 
ist, zeigte folgende Maasse!): Länge 50 mm; grösste Breite, in der 
Mitte des Körpers, 33 mm; Länge des Fusses 32, grösste Breite des- 
selben 26 mm. Er endet vorn quer abgestutzt und verschmälert sich 
hinten zu einer abgerundeten Spitze. Das Hyponotum erreicht an den 
Seiten des Körpers eine Breite von 8 mm, daher Hyp etwas kleiner 
als !/, S. Bei einzelnen Exemplaren hat sich der Fuss in der Trans- 
versalrichtung contrahirt, und es wird dann Hyp etwas grösser als 
1/, 8. Am vordern Körperende verschmälert sich das Hyponotum 
auf 2—3 mm Breite, so dass der grosse Kopf, wenn er nicht ganz 
eingezogen ist, mehr oder weniger weit unter demselben hervorragt ; 
am hintern ist Hyp ca 4 mm breit. — Der After wird von der Fuss- 
spitze verdeckt. Athemloch median, seine Entfernung vom After un- 
gefähr 1/,. Die Art ist leicht kenntlich an den Kiemenbüscheln (Fig. 
33, 98, 99), welche auf dem hintersten Viertel der Rückenfläche in 


1) Die Maasse beziehen sich hier und im Folgenden immer auf 
conservirte Thiere, werden daher in der Regel ungefähr um ein Drittel 
zu klein sein. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 169 


grösserer Anzahl angebracht sind; in der hintern Hälfte dieser Region 
stehen sie viel dichter beisammen als in der vordern. Jedes Bäumchen 
gliedert sich in einen kurzen nackten Stamm und in eine halbkuglige 
Krone kleiner Aeste, die in kurze, fingerförmige Endzweige aus- 
laufen. Bei der nahe verwandten Oncidium savignyi SEMPER (Fig. 96) 
sind diese Endzweige viel länger und schlauchförmig. SEMPER giebt 
an, dass die Kiemenbüschel an ihrer Basis meist von einem regel- 
mässigen Kranz kleinerer Papillen umgeben werden, was ich nicht. 
bestätigen kann. Die Basis (Fig. 99) ist ganz nackt, und auch die 
nächste Umgebung derselben zeigt die gewöhnliche grobkörnige Sculptur 
der Rückenhaut: zahllose Warzen und Höcker, die ganz unregelmässig 
neben einander stehen. Wahrscheinlich liegt hier eine Verwechslung 
mit O. savignyi SEMP. vor, denn bei dieser ist die Basis der Kiemen- 
büschel mit kleinen Warzen bedeckt, und unterhalb der langen ver- 
zweigten Anhänge findet sich ein Kranz kleinerer, unverzweigter 
(Fig. 96 «). Die Warzen, welche die Rückenhaut von O. verruculatum 
überall dicht bedecken und derselben ein ganz grobkörniges Aus- 
sehen verleihen, sind theils einfache (e, d), theils zusammengesetzte (c). 
Erstere sind von sehr verschiedener Grösse und endigen je nach dem 
Contractionszustand kegelförmig oder rundlich; die letztern sind grösser 
und tragen auf ihrer Oberfläche selbst wieder mehrere kleinere Wärz- 
chen. Wachsen diese weiter aus, so entstehen die kleinen Kiemen- 
büschel, welche man vornehmlich am Vorderrande der Kiemenregion 
antrifit (b). Man kann demnach diese eigenthümlichen Respirations- 
organe als eine besondere Differenzirung der zusammengesetzten Pa- 
pillen ansehen. Dies geht auch aus ihrem histologischen Bau hervor. 
Sie bestehen ganz überwiegend aus Muskelfasern, die direct mit der 
Musculatur des Rückens zusammenhängen; ausserdem werden sie von 
zahlreichen Blutgefässen und einzelnen Nerven durchzogen. Das Epithel 
ist dasselbe wie sonst auf dem Rücken (Fig. 98). — Einzelne der 
grössern Papillen tragen Gruppen von Augenflecken, über deren Zahl 
und Vertheilung Semper nähere Angaben mitgetheilt hat. Seine Be- 
obachtung, dass ältere Individuen weniger Augen besitzen als die 
jüngeren, kann ich bestätigen. — Die Färbung des Rückens ist bei 
ältern, im Alcohol etwas verblassten Exemplaren gleichmässig gelblich- 
grau; frische Exemplare zeigen ausserdem schwärzliche oder bräun- 
liche Flecken und Binden, die in ihrer Anordnung keiner bestimmten 
Regel folgen. Die ganze Unterseite ist gleichförmig gelblich-weiss. 
Hinsichtlich des innern Baues beschränke ich mich auf folgende 
Angaben. Peritoneum am Rücken und an den Seiten schwarz pig- 


170 LUDWIG H. PLATE, 


> 


mentirt. Darmschlingen nach Typus I (siehe S. 119) gelagert. Die 
Oberleber bildet die grösste Leberportion. Hinterleber gleich oder 
etwas grösser als die Unterleber. Keine Rectaldriise. Fussdrüse frei 
hervorragend. Vesicula seminalis sehr gross, schlauchförmig (Fig. 50). 
Bei einem Individuum von 4 cm Länge ist sie 9 mm lang und bis 
zu 2 mm breit. Receptaculum seminis kurz gestielt, 5 mm Durch- 
messer. Penis vorn mit Zähnen (Fig. 60, 62) ausgekleidet, hinten 
weich, ohne Chondroidelemente. Das Nähere über diese Zähne siehe 
bei SEMPER. Anheftung des Retractor penis III‘). Penisdrüse vier- 
theilig (siehe S. 146). Der Stachel der Penisdrüse (Fig. 83) an der 
Spitze mit einseitiger Verdickung. 


2. Oncidium nangkauriense n. sp. 


Fundort: Nangkauri, eine Insel der Nicobaren. 2 Exemplare, 
aus dem Kieler Museum. 

Gestalt, Grösse: Gestreckt oval, am hintern Körperende 
etwas mehr zugespitzt als am vordern, so dass die Gestalt auch ei- 
förmig genannt werden kann. Länge 22, grösste Breite des Körpers 
141/,, des Fusses 13 mm. Breite des Hyponotums 2—3 mm, daher 
Hyp ca. 1/, S (Fig. 93, 94). Höhe 12 mm. Diese Angaben be- 
ziehen sich auf das grössere Exemplar; das zweite war etwas kleiner. 

Mantelsculptur: Die Rückenfläche ist überall gleichmässig 
dicht- und feinkörnig; keine Kiemenbäume. Die Körner sind alle recht 
klein, so dass erst bei Lupenbetrachtung eine grössere und eine kleinere 
Sorte unterschieden werden kann (Fig. 95). Einzelne der grösseren 
tragen 2—3 Augenflecke, die etwa zu 10—15 Gruppen angeordnet 
sind. Ihre Zahl ist nicht sicher zu bestimmen, da die Augen mehr- 
fach so in die Haut zurückgezogen sind, dass man sie erst auf Schnitten 
erkennt. Nur wenige Augengruppen finden sich auf dem Mittelfeld 
des Rückens, die meisten stehen nach aussen von diesem und treten 
zum Theil dicht an den Mantelrand heran. 

Färbung: Mantel schmutzig-gelbbraun. Die Körner haben viel- 
fach einen dunklen, ins Schwarzblaue spielenden basalen Rand und 
eine helle Spitze (Fig. 95). Unterseite gelblich. 


1) Die verschiedene Insertion des Retractor penis bezeichne ich, 
wie folgt: I = Anheftung neben den Nervencentren. II — Anheftung 
neben dem Pericard. III = Anheftung im hintersten Winkel der 
Leibeshöhle. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 171 


Lage der Oeffnungen: Afterpapille frei (Fig. 94) in einer 
rundlichen Ausbuchtung der Fusspitze hervorragend. Athemloch 
median, seine Entfernung vom After = !/,. Lage der Geschlechts- 
öffnungen wie gewöhnlich. 

Peritoneum pigmentirt. Darmschlingen nach Typus I. Keine 
Penisdrüse. Vesicula seminalis gross, schlauchförmig, 3'/, mm lang. 
Der Penis (Fig. 84) ist ganz ausserordentlich lang, 55 mm, also un- 
gefähr 2!/,mal so lang wie der Körper. In Folge dessen dringt er 
in der auf S. 149 näher geschilderten Weise in eine canalförmige Ein- 
stülpung der linken Körperwand und befestigt sich am Vorderende 
derselben mittelst eines kurzen Retractors. Der Penis ist überall 
weich, ohne Chondroidelemente. Der Anfangstheil des Vas deferens, 
d. h. der neben dem Oviduct verlaufende Abschnitt ist kurz, während 
der lange Oviduct zu einem Knäuel zusammengelegt ist. Receptaculum 
seminis sitzend. 


3. Oncidium nebulosum SEMPER. 


1 mittelgrosses Exemplar aus Ponape. 

Der Semper’schen Schilderung füge ich noch Folgendes hinzu. 
Die Seiten des Fusses sind an diesem 36 mm langen Thiere unge- 
wöhnlich hoch, nämlich 4 mm, so dass das Hyponotum ganz über dem 
Boden zu schweben scheint. Hyponotum glatt, an den Körperseiten 
und hinter der Fussspite 4 mm breit, — !/, S, vor dem Kopf nur 
halb so breit, so dass dieser frei hervorragt. 

Färbung: Der ganze Rücken ist gleichmässig schwarzbraun mit 
Andeutungen von einzelnen hellern und dunklern Flecken. Fussohle 
braungelb. Hyponotum und Seiten des Fusses gelblichweiss, ersteres 
theilweise mit bräunlichem Anfluge. Lippensegel auf der Unterseite 
gelblichweiss, oben blauschwarz. 

Lage der Oeffnungen: After verdeckt. Athemloch median, 
2/,. Männliche Geschlechtsöffnung wie gewöhnlich nach vorn und etwas 
nach innen vom rechten Tentakel, diesem etwas näher liegend als dem 
untern Rande des rechten Lippensegels. — Peritoneum unter dem 
Rücken ganz schwach pigmentirt. Darmschlingen nach Typus I. Hinter- 
leber so gross wie die Unterleber oder noch etwas grösser. Unter- 
leber kleiner als diese beiden. Vesicula seminalis 4 mm lang, von 
birnförmiger Gestalt, mit dem verjüngten Ende aufsitzend. Recepta- 
culum seminis sehr gross, 51/, mm Durchmesser, sitzend. SEMPER 
giebt den Penis auffallend kurz an (2,5 mm). Ich finde ihn 8 mm 


172 LUDWIG H. PLATE, 


lang, wovon 2 mm auf den vordern bezahnten, 6 mm auf den weichen 
Abschnitt fallen. Dazu kommt noch ein Endsack von 3'/, und ein 
Retractor mit 12 mm Länge. Insertion des letztern II. Die Penis- 
zähne zeichnen sich durch ihre braune Färbung aus. Sie sind alle 
gleich gross und enthalten je 3—4 Zellen im Innern der Chitinsubstanz. 
Mit diesem immerhin kleinen Begattungsapparat verbindet sich eine 
enorme viertheilige Penisdriise, von der ich mir folgende Maasse notirt 
habe: Endsack 6, Stachelabschnitt 11, Muskelsack 11, Driisenschlauch 
180 mm, zusammen 208 mm, oder fast 6 mal die Körperlänge. Der 
Drüsenstachel ist 2!/, mm lang und entspricht in der Gestalt seiner 
Spitze ganz der SemPper’schen Abbildung. 


4. Oneidium peroni Cuv. 


Peronia mauritiana BLAINVILLE. 
Oncidium tonganum Q. G. 
Peronia tongana Q. G. 

Oncidium melanopneumon BERGH. 
Peronia corpulenta GouLn ? 

Das von Cuvier (6) unter diesem Namen ausführlich beschriebene 
Thier ist offenbar identisch mit dem von Quoy u. GAIMARD (10) als 
Oncidium tonganum aufgeführten, aber ich kann Semper nicht Recht 
geben, wenn er den letztern Namen anstatt des 20 Jahre ältern CuvIER- 
schen einzubürgern sucht. Es widerstreitet dies allen Prioritätsgesetzen. 
Cuvier hat diese Art eingehend nach Habitus und innerem Bau ge- 
schildert, und dies allein genügt, um seiner Speciesbezeichnung dauernde 
Anerkennung zu sichern. Der Umstand, dass er die Habitusbilder 
(fig. 1—3) in !/, der natürlichen Grösse gezeichnet hat, kann hier- 
gegen ebensowenig ins Gewicht fallen, wie dass man an diesen 
Zeichnungen nicht alle Einzelheiten des Baues der Riickenpapillen 
erkennen kann. Da Cuvier ausdriicklich betont, die Thiere hatten 
eine Länge von 5!/, Zoll, so sieht jeder Leser sofort, dass die Habitus- 
bilder in verkleinertem Maasstabe ausgeführt sind, damit alle Zeich- 
nungen auf einer Tafel Platz finden. Was würde SEMPER sagen, wollte 
ein Forscher die von ihm entdeckten Arten aufheben, - bloss weil er 
bessere Zeichnungen derselben geliefert hätte? Und mehr haben 
Quoy u. GAIMARD in Bezug auf Oncidium peroni nicht geleistet. — 
Ebenso ist BERGH’S (2) Oncidium melanopneumon synonym mit One. 
peroni, denn auch bei dieser Art ist die Lungenhöhle mehr oder 
weniger dunkel pigmentirt. — Wahrscheinlich ist auch Peronia cor- 
pulenta GouLp (26, p. 293) dasselbe Thier. Mir standen Exemplare 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 173 


von Ponape und Mauritius zur Verfügung. Die Art ist an ihrer Grösse 
und der Vertheilung der zusammengesetzten Riickenpapillen tiber den 
ganzen Riicken leicht zu erkennen. Diese Biischel sind von sehr ver- 
schiedener Grösse. Die grössten, welche ich gesehen habe, hatten 
4 mm Durchmesser und setzten sich aus ca. 50 kleinen Papillen zu- 
sammen, während die ganz kleinen nur wenige Papillen aufweisen. 
Man könnte sie auch schon als Kiemenbäumchen bezeichnen, denn sie 
unterscheiden sich von diesen nur durch etwas geringere Entwicklung 
der Papillen. Während diese Büschel für gewöhnlich ziemlich gleich- 
mässig über den ganzen Rücken sich vertheilen, machte ein Exemplar 
von den Fouquets-Riffen (Mauritius) hiervon eine Ausnahme. Sie 
standen hier auf dem Mittelfelde weit auseinander und waren durch 
glatte Hautflächen von einander getrennt. — Hinsichtlich der Augen- 
gruppen kann ich SEMPER’s Angabe bestätigen, dass dieselben bei 
jüngern Individuen viel zahlreicher sind als bei ältern. Sie scheinen 
also wie bei Oncidium verruculatum im Alter rückgebildet zu werden, 
als ob mit der zunehmenden Grösse die Zahl der Feinde, welche sie 
zu bewältigen vermögen, und damit auch das Bedürfniss nach Seh- 
organen geringer würde — Athemloch median, seine Entfernung 
1/,—1/,. After verdeckt. Die Breite des Hyponotums schwankt be- 
trächtlich, je nach den Contractionszuständen, zwischen ?/, und etwas 
über !/, S. Färbung des Rückens schwärzlich bis hellbraun, der 
ganzen Unterseite hell gelblichbraun. 

Peritoneum unpigmentirt oder nur in ganz schwachen Wolken 
angedeutet. Darmschlingen nach Typus I. Hinterleber am grössten. 
Oberleber etwas kleiner. Unterleber am kleinsten. Vesicula seminalis 
sehr gross: ein 10 mm langer und 3 mm dicker Schlauch, der an 
einem 4 mm langen, dünnen Stiel sitzt. Das Receptaculum seminis 
hat ungefähr 13 mm Durchmesser und ist sehr kurz gestielt, fast 
sitzend am Oviduct befestigt. Insertion des Retractor penis I. Der 
eigentliche Penis hat eine Länge von 15 mm, davon fallen 3 mm 
auf das vordere Zahnrohr, 12 mm auf den weichen Abschnitt. Der 
Penis mit Endsack und Retractor erscheint immer noch winzig im 
Vergleich mit der ca. 25 mal längern, viertheiligen Penisdrüse, dessen 
Stachel tief braunschwarz gefärbt und 7 mm lang ist. 


5. Oncidium tumidum SEMPER. 
1 mittelgrosses Exemplar von Singapore, 5 von Ponape. — Der 
Semper’schen Schilderung sei Folgendes hinzugefügt. Auch die Augen- 
tuberkel sind nicht glatt, sondern mit kleinen Körnchen dicht besetzt. 


174 LUDWIG H. PLATE, 


Sind die Augen daher stark zuriickgezogen, so erscheint der Rand 
der centralen Grube höckrig oder gezähnelt. — Hyp = 1/, S oder 
etwas mehr. — After frei sichtbar, in einen Ausschnitt des Fusses 
hineinragend. — Peritoneum am Riicken bei erwachsenen Thieren 
stark pigmentirt, in der Jugend fehlt es oder ist nur gering entwickelt. 
Lage der Darmschlingen bei den 5 Exemplaren von Ponape nach 
Typus I, bei einem sechsten Individuum aus Singapore hingegen nach 
Typus IL Das Nähere hierüber siehe auf S. 120. Oberleber am 
grössten. Unterleber und Hinterleber, die beide ungefähr gleich gross 
sind, etwas kleiner. Vesicula seminalis schlauchförmig, 5 mm lang 
und bis zu 2 mm dick. Receptaculum seminis eine grosse Blase von 


7mm Durchmesser, die sitzend am Oviduct befestigt ist. Penis vorn. 


mit Chondroidzähnen, hinten weich. Insertion des Retractor penis II. 
Die viertheilige Penisdrüse ist 10 mal so lang wie der Penis mitsammt 
dem Retractor. 


6. Oneidium simrothi n. sp. 

2 Exemplare von den Nicobaren (Nangkauri), aus dem Kieler 
Museum. 

Länge 14, Breite des Körpers 10, des Fusses 7!/,, Höhe 7 mm. 
pm — 108: 

Rückensculptur überall grobkörnig. Es lassen sich unter- 
scheiden: 1) ganz kleine Tuberkel, die nur mit der Lupe sichtbar 
sind; 2) mittelgrosse, mit dunklem Rand und hellerer Spitze; 3) grosse, 
flache Augentuberkel, von denen eins, von 1 mm Durchmesser, 
in der Mitte des Rückens steht, während 5 resp. 8 andere, die ebenso 
gross oder etwas kleiner sind, um das Mittelfeld herumstehen. Jeder 
dieser Tuberkel mit tiefer, centraler Grube, in welche mehrere Augen 
zurückgezogen sind, so dass sich deren Zahl nicht genau ermitteln 
lässt. 

Färbung: Rücken gelblich-grau, bei dem einen Exemplar ein- 
farbig, aber am Rande und auf dem hintern Drittel mit geringem 
dunklen Anfluge, bei dem andern mit zerstreuten, grauschwarzen, 
wolkigen Flecken, von denen die grössten 11/,—2 mm Durchmesser 
haben und vornehmlich um die Augenpapillen herumstehen; die meisten 
Flecken sind aber viel kleiner. — Unterseite gelblich. 

Lage der Oeffnungen: Afterpapille frei in einen Ausschnitt 
des Fusses hineinragend. Athemloch median, seine Entfernung !/,. 
Männliche Oeffnung vor und unter dem rechten Fühler, in der Mitte 
zwischen diesem und rechtem Lippensegelrand. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 175 


Peritoneum pigmentirt. Lage der Darmschlingen nach Typus I. 
Keine Penisdriise. Der Penis bis zum Ursprung des Retractors ist 
nur 4 mm lang und ganz ohne Chondroidelemente; er ist daher so 
einfach gebaut wie bei wenigen Oncidiwm-Arten. Insertion des Re- 
tractors Il. Der Penis flimmert im Innern, und zahlreiche einzellige 
Drüsen von birnförmiger Gestalt münden zwischen den Epithelzellen aus. 


7. Oneidium vaigiense Q. G. (Fig. 10, 79). 

Die Beschreibung, welche Quoy u. Gamarp (10, p. 429) von 
dieser, von den Marianen stammenden Form gegeben haben, ist ganz 
ungenügend. Sie lautet: ,,Onchidium parvum, subglobosum ; dorso ele- 
vato, rotundo, levi, maculis nigris notato“. Länge 6—8 Linien. Auf 
die hier zu schildernde Art passt aber diese Beschreibung vollständig, 
und obwohl ihre Identität mit der von den französischen Forschern 
untersuchten Form ohne Vergleich mit den Originalexemplaren sich 
nicht feststellen lässt, will ich sie als erwiesen annehmen, um so den 
alten Namen brauchbar zu machen. — 3 Exemplare von Neu-Hannover 
(Exped. Gazelle). 

Grösse, Gestalt: Das Thier ist stark zusammengezogen, hoch- 
gewolbt, fast halbkuglig. Länge des grössten, stark zusammengezogenen 
Thieres 22 mm, Breite des Körpers ebenso viel, des Fusses 10, Höhe 
131/, mm. Bei 2 Exemplaren ist Hyp = °/, S, bei dem dritten ist 
ausnahmsweise Hyp ungefähr — S, was zur Zeit von keiner andern 
Oncidium-Species bekannt ist. Am Kopf und am Fuss verschmälert 
sich das Hyponotum auf ein Viertel resp. die Hälfte der Breite. Der 
Fuss ist überall gleich breit, vorn breit abgestutzt, hinten verschmälert. 
Körperumriss breit-oval, fast rund. 

Rückensculptur: Eine gleichmässige, feine Körnelung, die 
mit blossem Auge noch eben zu erkennen ist, bedeckt wie bei On- 
cidium marmoratum Less. (Fig. 92) den ganzen Rücken. Alle Körn- 
chen sind ungefähr gleich gross und besitzen ein winziges centrales 
Pünktchen, vermuthlich den Porus einer Driisenzelle. 3 oder 4 schwarze 
Augen, jedes mit centralem hellen Fleck, sitzen dicht neben einander 
im Mittelpunkt des Rückens. Andere Augenflecke waren nicht zu er- 
kennen. 

Färbung sehr bunt. Der ganze Rücken (Fig. 10) ist gelb und 
schwarzbraun marmorirt. Die Grundfarbe ist hellgelb. Auf derselben 
stehen zahlreiche breite unregelmässige Bänder und Flecke von schwarz- 
brauner Farbe, welche bei dem kleinern Exemplar zusammen fast 
ebenso viel Oberfläche bedecken wie die Grundfarbe, während bei den 


176 LUDWIG H. PLATE, 


grôssern die letztere überwiegt. Kopf und Lippensegel bläulich und 
verhältnissmässig sehr klein, wie bei der Gattung Oncis. Hyponotum 
rein weiss, ebenso die niedrigen Seiten des Fusses, dessen Sohle 
schmutzig-gelb gefärbt ist. 


Lage der Oeffnungen: Afterpapille nur halb verdeckt vom 
Hinterrande des Fusses oder frei. Athemloch gross, mit schmalem 
blassgelben Saume, etwas nach rechts verschoben, seine Entfernung 
vom After !/,. Weibliche Oeffnung wie gewöhnlich, männliche nach 
vorn und innen vom rechten Fühler direct an dessen Basis. 


Diese Art steht dem Oncidium steenstrupi S. sehr nahe, aber ich 
habe mich durch Betrachtung der Semper’schen Orginale dieser Art 
davon überzeugt, dass beide verschieden sind. Bei One. steenstrupi 
beträgt Hyp höchstens '/, S, während bei Onc. vaigiense Hyp unge- 
wöhnlich breit ist. Ferner ist die Färbung des Rückens bei jener 
Art gelblich-grau mit verwaschenen bräunlichen Flecken und ihr Athem- 
loch genau median. 


Peritoneum unpigmentirt. Darmschlingen nach Typus I ange- 
ordnet. Oberleber am grössten, Unterleber etwas kleiner, Hinterleber 
am kleinsten. Enddarm mit ampullenartiger Erweiterung und Rectal- 
driise. Ueber die Vesicula seminalis habe ich in Folge schlechter 
Erhaltung nichts ermitteln können. Das Receptaculum seminis stellt 
eine grosse, sehr kurz gestielte Blase mit 5 mm Durchmesser dar. 
Der Penis ist klein, nämlich mit Retractor (Insertion II) nur 10 mm, 
wovon je 3 mm auf den Endsack und eigentlichen Penis kommen. 
Dieser besteht aus einem vordern, noch nicht 1 mm langen, bezahnten 
Abschnitt und einem hintern mit Chondroidrohr. In ersterm sitzen 
nur ungefähr 25—30 Zähne, die alle mit Ausnahme der vordersten 
gleich lang (0,087 mm) sind. Die Chondroidzellen liegen in dem Rohr 
in einer Schicht, nur ganz vorn und ganz hinten schieben sich einige 
Zellen ein, so dass 2—3 Lagen entstehen. Die Zellen lassen kleine 
Lücken zwischen sich, wie bei Fig. 67. Die Penisdrüse erscheint 
äusserlich zweitheilig, d. h. der 55 mm lange Drüsenschlauch geht 
scheinbar direct in den Endsack über, in den er mit einer kleinen 
Papille vorspringt. In Wahrheit trägt aber auch hier der vorderste 
Abschnitt einen 1/,—%/, mm langen Stachel, dessen Form aus Fig. 79 
zu ersehen ist. Seine Oeffnung ist schräg abgestutzt. An der Spitze 
fehlen Zellen in der Chitinmasse, während sie in der hintern Hälfte 
massenweise vorhanden sind. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. ih er 


8. Oncidium amboinae n. sp. (Fig. 8). 


10 Exemplare von Amboina, durch Prof. v. MARTENS gesammelt. 
Die folgenden Maasse beziehen sich auf das grösste Exemplar. 

Gestalt, Grösse: Lang-oval; die grösste Breite (19 mm) fällt 
mit der Körpermitte zusammen; Länge 29 mm. Der Körper ist mässig 
gewölbt. Grösste Fussbreite 9 mm. Die Hyponota messen längs der 
beiden Körperseiten 5—6. mm, hinter der Fusspitze verschmälern sie 
sich auf die Hälfte, vor dem Kopf auf ein Drittel dieses Maasses. 
Hyp = */, S; hat sich der Fuss in unnatürlicher Weise stark in der 
Quere zusammengezogen, so kann Hyp auch fast so breit wie S werden. 
Kopf und Lippensegel verhältnissmässig klein, wie bei Oncis. 

Mantelsculptur: Der Rücken zeigt eine glatte Grundfläche, 
auf der zahlreiche niedrige Warzen erster Ordnung von ca. 1 mm 
Durchmesser sitzen; sie stehen auf dem Mittelfelde ganz zerstreut, 
bis zu 6 mm von einander. Auf den Rändern hingegen viel dichter, 
nur !/,—1!/, mm von einander entfernt und zu unregelmässigen Längs- 
reihen angeordnet. Zwischen diesen grösseren Warzen finden sich 
kleinere zweiter Ordnung und ganz kleine dritter Ordnung, die auf 
dem Mittelfelde auch viel sparsamer und zerstreuter als peripher an- 
gebracht sind. — Augen fehlen vollständig. — Die Hyponota sind 
glatt. Man erkennt auf ihnen schon mit blossem Auge zahlreiche 
kleine, bräunliche oder weissliche Flecke, die unregelmässig vertheilt 
sind, sich aber namentlich am Aussenrande des Vorder- und Hinter- 
endes anhäufen. Sie liegen in der Haut, sind daher entweder Con- 
cremente oder Drüsen. Unter der Lupe fallen ferner sehr zahlreiche, 
überall gleichmässig vertheilte, winzige Pünktchen von weisser Farbe 
auf, wie es scheint, die Oeffnungen von Drüsen. 

Färbung (Fig. 8): Einigermaassen constant ist nur die Färbung 
der Unterseite, während die des Rückens sehr variabel ist. Hyponota, 
Kopf und Sohle sind schwarz, erstere mit weissem, 1—11/, mm breitem 
Randsaum, der allmählich in das Schwarz übergeht und der Unter- 
seite ein charakteristisches Aussehen verleiht. Die Sohle ist entweder 
ebenso tief schwarz wie die Hyponota oder etwas lichter, graulich, 
bei einem Exemplar sogar in der Mitte weisslich. Hinsichtlich der 
Färbung des Rückens kann man die mir vorliegenden Thiere in zwei 
Gruppen sondern: 1) Das Mittelfeld des Rückens wird von einem un- 
regelmässigen, milchweissen Fleck eingenommen; die Seitenflächen 
haben eine schmutzig-gelbbraune Farbe. Ueber das Mittelfeld läuft 


in der Mediane eine breite, an den Rändern unregelmässige, grau- 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 12 


178 LUDWIG H. PLATE, 


braune Binde, so dass die helle Grundfarbe des Mittelfeldes in zwei 
Längsstreifen auftritt (Fig. 8). 2) Das Mittelfeld ist weisslich und 
wird nur wenig von bräunlichen Flecken, Wolken und Ringen durch- 
setzt. Die Seitenflächen sind braun und weiss gesprenkelt, sehr hell- 
bräunlich oder auch weisslich gefärbt. Bei der Mehrzahl der Exem- 
plare trägt das Mittelfeld des Rückens ferner zahlreiche (ca. 20—30) 
graue bis tiefschwarze Ringe, die einen hellweissen Fleck umgrenzen. 
Die grössten dieser augenähnlichen Flecken haben einen Durchmesser 
von 1'/, mm. Das Aussehen des Rückens wird dadurch sehr eigen- 
artig und ähnlich dem von Oncidium multinotatum (Fig. 5), das aber 
eine ganz helle Unterseite besitzt. Diese schwarzen Ringe umgeben 
jedesmal eine Warze erster Ordnung. Am Rand des Rückens verläuft 
in der Regel ein heller Saum, und auch auf diesem stehen zahlreiche 
solche Ringe. — Die Fühler sind schwärzlich, an der Spitze zuweilen 
weisslich gefärbt. Die Fussrinne ist frei von Pigment, erscheint 
daher weisslich und hebt sich dadurch scharf von der dunklen Um- 
gebung ab. 

Lage der Oeffnungen: After verdeckt. Athemloch median, 
seine Entfernung vom After 1/,—1/,. Weibliche Oefinung wie ge- 
wohnlich, männliche nach vorn und etwas nach innen vom rechten 
Fiihler, in der Mitte zwischen diesem und dem Unterrand des Lippen- 
segels. 

Peritoneum unpigmentirt. Die Darmschlingen nach Typus Il ge- 
lagert. Radula 103, 1, 105; die äussern Pleuralzähne ohne Neben- 
zahn. Die Oberleber weitaus am grössten. Die Unterleber ungefähr 
so gross wie die Hinterleber oder etwas grösser. Enddarm mit am- 
pullenartiger Erweiterung und einer vor dieser einmündenden Rectal- 
driise. Sehr merkwürdig verhält sich die Lungenhöhle; sie ist ebenso 
wie die Niere halbsymmetrisch gestaltet, also wie bei den Oncis-Arten, 
was sonst nur noch bei Oncidiwm luteum vorkommt. Die Niere leitet 
zu den Oncidiellen hinüber, indem sie statt des hohen, dichten Blätter- 
werkes der echten Oncidium-Species nur mit niedrigen und wenig 
zahlreichen Falten besetzt ist. Die Vesicula seminalis ist oval, 2!/, mm 
lang und sitzt einem 2 mm langen, dünnen Stiel auf. Receptaculum 
seminis gross, kurz gestielt. Keine Penisdriise. Der Penis ist klein: 
Endsack 2 mm, eigentlicher Penis 7 mm, Retractor mit Insertion II 
6 mm. Der eigentliche Penis zerfällt in einen vordern, 2 mm langen, 
weichen Abschnitt und einen hintern mit Chondroidrohr, dessen Zellen 
in zwei Schichten angeordnet sind, und nur ganz vorn und ganz hinten, 
wo das Rohr sich etwas verdickt, eine dritte Lage bilden. Der 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 179 


hintere Abschnitt springt, ähnlich wie bei Fig. 59, mit einer Papille, 
die aber hier rein musculös ist, in den vordern vor. 


9. Oncidium griseum n. sp. 


3 Exemplare unbekannter Herkunft, wahrscheinlich von einer der 
polynesischen Inseln. 

Grösse, Gestalt: Länglich-oval, vorn und hinten gleich- 
mässig abgerundet. Länge 27!/, mm, grösste Breite in der Mitte 
des Körpers 20 mm. Die Höhe ist recht beträchtlich (16 mm), so 
dass der Rücken fast halbkuglig gewölbt ist. Die Hyponota haben 
an den Seiten des Körpers eine Breite von 6 mm, aber sie sind schräg 
nach oben gerichtet und ragen daher bei Betrachtung der Bauchseite 
nur 3 mm jederseits über den Fuss, dessen grösste Breite 17 mm beträgt, 
vor. Hyponotum vor dem Kopf 2, hinter der Fusspitze 4 mm breit. 
Der Kopf und namentlich die Mundsegel sehr gross. 


Rückensculptur: Der Rücken ist überall dicht mit Papillen 
und Granula bedeckt. Erstere entsprechen den zusammengesetzten 
Papillen, Fig. 99 c. Sie haben ungefähr 1 mm Durchmesser und 
schliessen mit einer flachen Scheibe ab, deren Rand 5—8 kleine Körner 
trägt. Sie stehen zerstreut über dem ganzen Rücken, etwa 3—6 mm 
von einander entfernt. Die Granula sind viel kleiner als diese Papillen, 
aber unter sich auch ungleich gross; sie stehen überall ganz dicht 
neben einander. Einige Papillen tragen 1—3 Augenflecke, aber diese 
sind zum grössten Theile eingestülpt, so dass sich ihre Zahl und An- 
ordnung nicht ermitteln lässt. 

Färbung des Rückens weisslich-grau. Unter der Lupe sieht 
man, dass die Spitzen der Papillen und Warzen etwas heller gefärbt 
sind. Fuss und Hyponotum hellgelb. 

Lage der Oeffnungen: After frei. Athemloch median, dem 
Aussenrande stark genähert, daher Entfernung vom After */,. Männ- 
liche Oeffnung wie bei voriger Art. 

Diese Species steht dem Oncidium trapezoideum SEMPER sehr 
nahe, welches sich jedoch von ihr unterscheidet durch andere Lage der 
männlichen Geschlechtsöffnung und des Athemloches, dessen Entfern ung 
= 1/, ist, durch eine grössere Anzahl von Radulazähnen, durch grössere 
Breite des Hyponotums (Hyp = ?/, S) und durch einen schmalen hell. 
gelben Saum, welcher den Rücken einfasst. Ich habe diese Unter- 
schiede theils der Semper’schen Beschreibung, theils der Besichtigung 
eines Originalexemplars, das sich in Berlin befindet, entnommen. 

12* 


180 LUDWIG H. PLATE, 


Peritoneum unpigmentirt. Radula 90, 1, 90. Die Pleuralzähne 
werden nach aussen zu immer schmäler und länger, so dass die äusser- 
sten linealförmig aussehen. Lage der Darmschlingen II. Oberleber 
am grössten; die beiden andern Portionen gleich gross und kleiner. 
Keine Rectaldriise. Vesicula seminalis schlauchförmig, 2—5 mm lang, 
Receptaculum seminis 7!/, mm im Durchmesser betragend und sehr 
kurz gestielt. Sie hat die Eigenthümlichkeit, dass die distale Calotte 
viel diinnwandiger ist als die übrigen Theile, daher leicht abreisst, 
wenn sie mit den benachbarten Organen verklebt war. Das Organ 
erscheint dann als ein tiefer Becher. Penis sehr einfach, ohne Chon- 
droidgewebe. Er misst mit Retractor (Insertion II) nur 17 mm, wäh- 
rend die viertheilige Penisdriise ungefähr 7mal so lang ist. Der 
Stachelabschnitt der letztern stülpt sich papillenförmig in den End- 
sack ein, der Stachel ist 3mm lang und endet vorn genau so wie bei 
Onc. tumidum (Fig. 82). 


10. Oncidium palaense SEMPER. 


1 Exemplar von Amboina; ob dieses wirklich ein Oncidiwm pala- 
ense ist, liess sich nicht vollkommen sicher entscheiden, weil es 
merkwürdiger Weise der Copulationsorgane vüllig entbehrte. Dieses 
Verhalten ist um so auffallender, als die hintern Geschlechtsorgane 
vollständig normal und ganz ähnlich denjenigen von Oncidium verru- 
culatum ausgebildet waren; ja die Zwitterdrüse enthielt sogar, ebenso 
wie die 3 mm lange Vesicula seminalis, eine Menge reifer Spermato- 
zoen, während grosse Zellen, die als Eianlagen gedeutet werden 
könnten, nur spärlich vorhanden waren. Das Vas deferens entsprang 
in der gewöhnlichen Weise dem Spermoviduct, trat neben der weib- 
lichen Geschlechtsöffnung in die Fussmusculatur ein und zog in dieser 
neben der Fussrinne bis zum rechten Lippensegel, um hier blind zu 
enden. Es handelte sich also hier nicht um einen weiblichen Zwitter, 
bei dem der männliche Apparat rückgebildet oder unterdrückt war, 
sondern um den pathologischen Mangel des Begattungsorgans; da wir 
durch EisiG (36) und Krorz (35) wissen, dass sich der Penis der 
Basommatophoren als eine selbständige Ectodermwucherung anlegt und 
sich erst secundär mit dem Vas deferens verbindet, so erklärt sich 
ein derartiger Mangel einfach als eine Hemmungsbildung, wie solche 
auch ab und zu bei Schnecken beobachtet worden sind (34, 37, 
p. 356). Im Uebrigen stimmte das Thier ganz mit der SEMPERr’schen 
Beschreibung überein. Peritoneum pigmentirt. Darmschlingen nach 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 181 


Typus I gelagert. Oberleber am grössten, Unter- und Hinterleber 
gleich gross und zusammen so gross wie jene. — 


11. Oncidium luteum SEMPER. 


2 Exemplare der Semper’schen Originale von Singapore. Der 
Beschreibung des Entdeckers sei Folgendes hinzugefügt: Hyp unge- 
fähr — 1}, S—4 mm. Vor dem Kopf verschmälert sich Hyp auf 
1'/, mm, hinter der Fusspitze auf etwas über 2 mm. Der Kopf ist 
klein und bei stark zusammengekrümmten Thieren so unter dem Hypo- 
notum verborgen, dass er kaum sichtbar ist. After verdeckt, Athem- 
loch von einem hellen Saum umgeben, seine Entfernung 1/,. Der 
Rücken sieht lehmbraun aus, wie auch Semper angiebt; nur die 
Spitzen der Tuberkel sehen heller, nämlich grünlich-weiss, wasser- 
farbig aus. Eine nähere Untersuchung zeigt jedoch, dass letztere 
Färbung in Wirklichkeit dem ganzen Rücken zukommt. Jener lehm- 
farbige Ueberzug lässt sich mit einem Messerchen leicht abschaben 
und stellt sich dann unter dem Mikroskop als eine feine Schlamm- 
schicht dar. Auf Schnitten sieht man zahlreiche einzellige Drüsen 
im Epithel ausmünden, deren Secret offenbar dazu dient, die 
Schlammkörnchen zusammenzukitten und dem Thiere so zu einer aus- 
gezeichneten Schutzfärbung zu verhelfen. — Die Augen stehen ein- 
zeln auf den Tuberkeln, wodurch diese Art in einen Gegensatz zu 
allen andern Oncidium-Species tritt, die entweder Gruppen von Augen 
oder gar keine besitzen. — After verdeckt. Athemloch median, mit 
der Entfernung 1/5. 

Das Peritoneum ist pigmentirt. Lage der Darmschlingen U. 
Enddarm mit Erweiterung und Rectaldrüse. Die Lungenhöhle und 
die Niere sind halbsymmetrisch, was innerhalb der Gattung Oncidium 
nur noch bei Onc. amboinae vorkommt. Hierdurch, durch die Einzel- 
augen, die Lagerung der Darmschlingen und durch die Rectaldrüse 
leitet One. luteum zur Gattung Oncis hinüber, bei der diese Charak- 
tere fast ausnahmslos angetroffen werden. 


12. Oncidium multinotatum n. sp. (Fig. 5). 


1 Exemplar aus Cavite, Manila, darch Prof. von MARTENS ge- 
sammelt. 

Gestalt, Grösse: Lang-oval, vorn und hinten gleichmässig ab- 
gerundet. Länge 40!/,, Breite 25 mm. Länge des Fusses 30, Breite 
desselben 14!/, mm. Höhe des Thieres 13'/, mm, dasselbe kann 


182 LUDWIG H. PLATE, 


daher noch als flachgewölbt bezeichnet werden. Hyp an den Körper- 
seiten 6 mm breit, daher Hyp noch nicht ganz !/, S. Hinter dem 
Fuss verschmälert sich Hyp auf 5, vor dem Kopf auf 3 mm. Der 
Kopf und die Lippensegel sind kleiner als bei den meisten Oncidium- 
Arten. 

Riickensculptur: Der Riicken ist tiber und tiber mit flachen 
Warzen bedeckt, von denen die grösseren 1 mm, die kleineren !/, mm 
Durchmesser haben. Erstere stehen 11/,—3 mm auseinander, wäh- 
rend letztere dicht zusammengedrängt sind. Die Hyponota sind 
ganz glatt. 

Färbung: Die Grundfarbe des Rückens ist ein schmutziges 
Hellbrann, auf dem schwarze, unregelmässige Flecke zu 4 undeutlichen 
Längsbinden angeordnet sind (Fig. 5). Zwei von diesen fassen das 
Mittelfeld zwischen sich, die beiden andern liegen nach aussen davon. 
Der Rand des Rückens wird von einem hellen Saume gebildet, auf 
dem auch einzelne schwarze Flecke stehen. Sehr charakteristisch 
wird das Aussehen des Rückens dadurch, dass die grossen Papillen 
auf ihren abgeflachten Spitzen schwarze oder grauschwarze Pigment- 
kreise tragen. Die ganze Oberseite ist wie übersät mit diesen Ringen, 
welche am zahlreichsten auf dem Mittelfelde stehen, aber auch bis 
dicht an den Randsaum hinantreten. Die Vermuthung lag nahe, sie 
möchten Sehorgane darstellen; auf Schnitten stellte sich jedoch her- 
aus, dass sie nur durch Pigmentzonen, denen grosse einzellige Drüsen 
eingelagert sind, hervorgerufen werden; echte Augen hingegen fehlen 
vollständig. Fühler, Stirn und Lippensegel zeigen die gewöhnliche 
graue Färbung des Alcoholmaterials. Die Hyponota und die Sohle 
sind gleichmässig hellgelb gefärbt. 

Lage der Oeffnungen: After verdeckt, Athemloch gross, me- 
dian gelegen, mit der Entfernung !/,. Männliche Oeffnung in der 
Mitte zwischen rechtem Fühler und Lippensegel-Unterrand, etwas nach 
innen verschoben ; die weibliche bildet eine 1 mm hohe Papille und 
ist etwas nach vorn verschoben, so dass sie 51/, mm vom After ent- 
fernt liegt. Dies erinnert an das Verhalten von Peronina alta. 

Peritoneum unpigmentirt. Pharynx ziemlich klein, hoch, mit weit 
vorspringender Radulapapille. Radula: 76, 1, 76; der Rhachiszahn 
ist typisch. Der erste Pleuralzahn (Fig. 24a, 1) ist noch klein und 
sein Seitenzahn fast ebenso gross wie der Hauptzahn. Der zweite 
Pleuralzahn zeigt die normale Grösse. Die Seitenzähnchen nehmen 
bis zum 40. Pleuralzahn allmählich an Grösse zu und erreichen von 
hier bis zum 50. Zahn ein Drittel der Länge des Hauptzahns. Weiter 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 183 


nach aussen werden sie wieder kleiner und fehlen nur den 2—3 äus- 
sersten Randzähnen. Die Hauptzihne werden nach dem Rande zu 
schmal und linealférmig. Lagerung der Darmschlingen IL Ober- und 
Unterleber gleich gross, Hinterleber nur !/, so gross. Enddarm mit 
Ampulle, deren Epithel zahllose zu Längsreihen angeordnete Zöttchen 
bildet, und Rectaldriise. Der Zwittergang weicht hier und bei Onci- 
dium aberrans darin von den übrigen mir bekannten Arten der Gat- 
tung ab, dass seine verdickte Partie (wie bei Fig. 51) auch auf die 
Gabeläste erster und zweiter Ordnung übergreift, während diese sonst 
zart bleiben. Die Vesicula seminalis entzog sich der Beobachtung. 
Receptaculum seminis gross, sitzend. Wegen der nach vorn ver- 
lagerten Vulva dringen Oviduct und Vas deferens 3!/, mm vor dem 
hintersten Winkel der Leibeshöhle in die Haut ein. Der Penis ist 
verhältnissmässig lang (30 mm), aber sehr dünn (noch nicht 1 mm 
Durchmesser); sein Endsack ist 3 mm, der Retractor (mit Insertion II) 
6 mm lang. Der neben dem Penis liegende Vas deferens-Abschnitt 
ist lang, verknäuelt und windet sich spiralig um den Penis herum. 
Die dreitheilige Penisdrüse ist 12mal so lang wie das ganze Thier, näm- 
lich 530 mm. Sie hat grosse Aehnlichkeit mit derjenigen von Pero- 
nella (Fig. 73), denn auch hier springt der kegelförmige Stachelab- 
schnitt mit einer Papille in den Endsack vor. Der 4 mm lange 
Stachel (Fig. 77) ist durchsichtig, biegsam. Die Lage seiner vorderen 
Oeffnung geht aus der Zeichnung hervor, seinen feineren Bau habe 
ich im Anschluss an Fig. 77, 78, 80 schon im vergleichend-anatomi- 
schen Abschnitt besprochen. Der Penis enthält vorn eine 4'/, mm 
lange bezahnte Region. Die Zähne sind schmal, spitz-kegelförmig, 
überall so ziemlich von gleicher: Länge (0,132 mm). Ihre Chondroid- 
zellen sind (wie in Fig. 58) einreihig über einander geschichtet, nur 
an der Basis liegen sie in mehreren Reihen. In dem Chondroidrohr 
des hintern Penisabschnittes liegen die Zellen vorn in 1—2 Lagen, aber 
sehr rasch nimmt nach hinten die Zahl der Schichten zu und beläuft 
sich dann auf ca. 10. 


13. Oncidium branchiferum n. sp. 

2 Exemplare aus Cavite, Manila, durch Prof. v. MARTENS ge- 
sammelt. 

Gestalt, Grösse: Lang-oval, vorn und hinten in gleicher Weise 
abgerundet. Das grössere Exemplar zeigte folgende Maasse: Länge 
27'!/,, Breite 18, Höhe 12'/, mm. Länge des Fusses 22, Breite des- 
selben 13 mm. Hyponotum an den Körperseiten 41/, mm breit, Hyp 


184 LUDWIG H. PLATE, 


=1/, 8. Hyp hinter der Fusspitze nur 3 mm breit, vor dem Kopf 
noch schmäler, so dass der grosse Kopf weit darunter hervorragt. 

Rückensculptur: Die Art ist leicht kenntlich an den kleinen 
Kiemenbüscheln, welche auf dem hintersten Sechstel des Mantels in 
geringer Zahl stehen. Bei dem kleineren Exemplar zähle ich 12 der- 
selben, bei dem grössern sind es etwas weniger. Sie stehen besonders 
dicht unmittelbar am Hinterrande des Mantels und haben das Aus- 
sehen der noch nicht ausgewachsenen Kiemenbäumchen von Oneidium 
verruculatum (Fig. 99 b), d. h. sie tragen kleine fingerförmige Fort- 
sätze. Die grössten haben eine Höhe von 1!/, mm, werden aber im 
Leben wohl auf das Doppelte sich auszustrecken vermögen. — Die 
Rückenfläche erscheint schon für das blosse Auge stark gekörnelt, weil 
sie übersät ist mit rundlichen Warzen, von denen die grössten 1!/, mm 
Durchmesser erreichen. Sie stehen ca. 3—4 mm auseinander. Die 
Zwischenräume zwischen ihnen sind dicht erfüllt von kleineren Warzen 
und Körnern, die in allen Uebergängen bis zu winzigen Pünktchen 
herabsteigen. — Die grossen Warzen des Mittelfeldes tragen Gruppen 
von Augen, welche aber nur bei dem kleineren Individuum deutlich zu 
erkennen waren. Ich zähle hier 8 solche Tuberkel mit je 2—4 Augen- 
flecken. 

Färbung: Das Mittelfeld ist gelblich mit schwarzbraunen Flecken 
und Wolken, die Aussenzone ist schwarzbraun. Am Rande tritt bei 
dem grösseren Exemplar wieder die helle Grundfarbe hervor, und der 
dunkle Farbenton erhält sich hier nur in Gestalt von radienförmig 
angeordneten kurzen Binden. Bei dem kleineren Thier fehlt diese 
Strichelung. Die Färbung scheint überhaupt ziemlich variabel zu sein, 
denn die grossen Warzen sehen bei dem älteren Thier schwärzlich, bei 
dem jüngeren hellgelblich aus. Sohle und Hyponotum rein hellgelb, um 
das Athemloch herum ein schwärzlicher Anflug. Kopf blauschwarz. 

Lage der Oeffnungen: After halb verdeckt. Athemloch 
median, seine Entfernung ?/,. Männliche Oeffnung an der gewöhnlichen 
Stelle, aber ziemlich weit nach innen, fast median, in der Mitte 
zwischen Fühler und Lippensegelrand. Peritoneum unpigmentirt. 
Radula 88, 1, 88. Die Seitenzähnchen erhalten sich bis zu den äusser- 
sten Pleuralzähnen. Lagerung der Darmwindungen I. Oberleber dop- 
pelt so gross wie die Unterleber und wie die Hinterleber. Keine 
Rectaldriise. Vesicula seminalis kegelförmig. Receptaculum seminis 
gross, mit sehr kurzem Stiel, fast sitzend. Der Penis ist verhältniss- 
mässig lang, 13 mm, davor ein 4 mm langer Endsack, dahinter ein 
Retractor (Insertion III) von 8 mm. Der Penis trägt vorn ein kleines 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 185 


Zahnrohr, alles Uebrige ist weich. Die Zähne (Fig. 63, 64) haben die 
gewöhnliche hakenförmige Gestalt und nehmen von vorn (0,007 mm) 
nach hinten (0,017 mm) an Grösse zu. In ihrer Basis liegen, je nach 
der Grösse, 1—4 Zellen, welche die Chitinsubstanz des Zahnes ausge- 
schieden haben. Aehnliche Zellen in fast epithelartiger Anordnung liegen 
auch in der derben Chitinmembran, welche die Zähne in Querreihen 
und in Quincunxstellung trägt. Die Penisdriise ist viertheilig, kurz, 
indem der Endschlauch nur 35 mm misst. Der Stachel ist gerade, 
farblos, vorn verschmälert und etwas über 1 mm lang. Er enthält 
— mit Ausnahme der Basis — nur wenige sternförmige Zellen. Die 
Oeffnung an der Spitze mit kleiner schaufelförmiger Verdickung, ähn- 
lich wie in Fig. 82. 


14. Oncidium marmoratum Less. (Fig. 6). 

5 Exemplare von Neu-Hannover, gesammelt durch die Expedition 
der „Gazelle“. 

Die Schilderung, welche Lesson (24, p. 297) von dieser Art, die 
im Hafen Praslin auf Neu-Irland sehr gemein war, entwirft, ist zu 
knapp und ungenügend, um ein sicheres Wiedererkennen zu ermög- 
lichen. Die mir vorliegenden Exemplare stimmen aber völlig mit der- 
selben überein, so dass ich mich für berechtigt halte, die Identität 
anzunehmen. 

Gestalt, Grösse: Breit-oval, stark gewölbt und hoch, im zu- 
sammengezogenen Zustande fast halbkuglig erscheinend. Die Maasse 
des grössten Thieres waren: Länge 20, Breite 17, Höhe 9 mm. Länge 
des Fusses 14'/,, Breite desselben 9 mm. Hyponotum an den Seiten 
51/,, hinter dem Fusse 4, vor dem Kopfe 2!/, mm. Daher Hyp = 
etwas über !/, S, zuweilen auch 5/, 8. 

Rückensculptur: Die Rückenfläche erscheint für das blosse 
Auge glatt; mit Hülfe einer Lupe aber erkennt man, dass sie dicht 
bedeckt ist mit ganz kleinen Wärzchen, die so nahe zusammenstehen 
(Fig. 92), dass sie sich vielfach polygonal abgrenzen. Jedes Wärzchen 
trägt — meist in der Mitte — einen winzigen weissen Flecken, und 
diese heben sich von dem schwarzen Untergrund so deutlich ab, dass 
sie schon vom unbewaffneten Auge wahrgenommen werden. Ich ver- 
muthete hier den Porus einer Drüse und war daher etwas überrascht, 
als ich auf Schnitten schwarze Pigmenthaufen als die Ursache dieser 
hellen Flecke erkannte. Fig. 97 zeigt einen solchen Schnitt. Unter 
dem Epithel breitet sich eine Drüsenzone aus, welche von zahlreichen 
schwarzen Pigmentkörnchen durchsetzt ist und der Muscularis aufliegt. 


186 LUDWIG H. PLATE, 


Das Pigment bildet in den Wärzchen dichtere Ansammlungen (pig = 1; UN, 
deren Grösse ungefähr jenen hellen Punkten entspricht; diese kommen 
demnach offenbar durch totale Reflexion des Lichtes an diesen Haufen 
zu Stande. 

Färbung: Die Grundfarbe des Rückens ist ein gleichmässiges 
Schwarz, das bisweilen etwas heller wird und dann einen Stich ins 
Grau aufweist. Je grösser die Thiere werden, desto mehr scheint ein 
solcher grauer Ton hervorzutreten. Hellbraune unregelmässige Flecken 
und Bänder (Fig. 6) vertheilen sich in sehr variabler Anordnung auf 
diesem Untergrunde. Sie können auf ein Minimum reducirt sein oder 
fast die Hälfte der Rückenfläche einnehmen. Am Rande des Rückens 
ein sehr schmaler Saum von derselben gelblich-weissen Farbe, wie sie 
das Hyponotum bedeckt. Auf der Sohle wird dieses Gelb etwas 
dunkler. Der kleine Kopf, die Fühler und die Lippensegel sind 
schwärzlich-grau. Um das Athemloch herum ein schmaler hellgelber 
Ring. 

Die Rückenaugen sind sehr schwer zu finden. Ich habe 
immer nur eine Gruppe von 3 oder 4 Augen im Scheitelpunkte des 
Rückens entdecken können, die als helle, schwarz umrandete Flecken 
sich bemerklich machen ; überall sonst fehlen sie. 

Die Lage der männlichen und weiblichen Genitalöffnung ist 
typisch. After halb verdeckt. Athemloch median, seine Entfernung 
beim ausgestreckten Thiere 1/,. Die meisten Exemplare waren aber 
so zusammengezogen, dass das Athemloch neben dem After lag. 

Peritoneum unpigmentirt. Radula 115, 1, 115. Die Seitenzähnchen 
der Pleuralzähne werden am Aussenrande kleiner und kleiner und 
fehlen den 3 letzten. Lagerung der Darmschlingen I. Oberleber am 
grössten; Unter- und Hinterleber viel kleiner, erstere etwas grösser 
als letztere. Enddarm mit Ampulle und Rectaldrüse. Vesicula semi- 
nalis klein, noch nicht 1 mm lang, schlauchförmig, am freien Ende ange- 
schwollen. Receptaculum seminis gross, kurzgestielt. Das Copulations- 
organ ist klein; sein Endsack relativ lang (5 mm), der eigentliche Penis 
nur 2 mm, wovon !,, auf den vordern Zahnabschnitt fallen, während 
4/, von einem Chondroidrohr durchzogen werden; der Retractor mit 
der Insertion II schwankt je nach dem Contractionszustand zwischen 
2—9 mm Länge. Im Anfangstheil des Penis finden sich nur ungefähr 
16 Zähne von vielzelliger Structur; die vordersten haben eine Länge 
von 0,042 mm, die hintersten von 0,125 mm. Die Chondroidzellen in 
dem hintern Rohr liegen in einer Schicht, haben eine kuglige oder 
polyedrische Gestalt und lassen Lücken zwischen sich (Fig. 67), die 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 187 


ohne Inhalt sind oder von einer klaren Flüssigkeit erfüllt werden. 
Die Penisdrüse ist dreitheilig. An den Endsack schließt sich der 
Stachelabschnitt an, der fast ebenso dick ist wie jener. Dann folgt 
der Drüsenschlauch, dessen proximales Ende wie gewöhnlich beträcht- 
lich zarter ist als das distale. Der Stachel ist farblos, klein (etwas 
über 1 mm) und stimmt in der Gestalt mit demjenigen von Oncidium 
multinotatum (Fig. 77) überein, aber im histologischen Bau findet sich 
eine kleine Vereinfachung. Die sämmtlichen Zellen (Fig. 81 a) liegen 
in einer Schicht, es fehlen also die in die Cuticula externa verlagerten 
Zellen (Fig. 77, 78c). Man könnte jenen Zellen bei Betrachtung von 
der Seite (a) eine epithelartige Anordnung zuschreiben, wenn nicht die 
Flächenansicht (a’) lehrte, dass sie nur durch feine Ausläufer zusammen- 
hingen. 


15. Oneidium aberrans SEMPER. 


2 Exemplare, Semper’sche Originale, als deren Fundort Singapore 
angegeben wird. 

Gestalt: Gestreckt-oval. Das grössere Thier zeigte folgende 
Maasse: Länge 27, Breite 16, Höhe 11 mm. Der Fuss hat eine Länge 
von 21, eine Breite von 8 mm. Hyp an den Seiten 5 mm breit, daher 
etwas. über 1/, S. Hinter der Fusspitze wird Hyp 4, vor dem Kopf 
2mm. Der Kopf ist gross und ragt unter dem Hyp frei hervor- 
Die Rückenhaut ist sehr dick (!/, mm). 

Rückensculptur und Färbung siehe bei Semper. Die 
tiefschwarzen kleinen Pünktchen, welche sich überall auf dem Rücken 
vorfinden, werden, wie SEMPER richtig angiebt, durch das dunkle 
Secret von einzelligen Hautdrüsen hervorgerufen. Augen fehlen voll- 
ständig auf dem Rücken. 

Lage der Oeffnungen: After verdeckt, Athemloch median, 
seine Entfernung, wenn Hyp nicht zusammengezogen ist, ?/;. Der 
weibliche Genitalporus springt in Gestalt einer kleinen Warze vor und 
liest 5 mm nach vorn vom After, ist also ungewöhnlich weit ver- 
schoben. 

Peritoneum unpigmentirt. Radula 83, 1, 83. Das Mittelzähnchen des 
Rhachiszahns springt weit vor über die Basalplatte. Die Seitenzähnchen 
an den Pleuralzähnen sind gut entwickelt mit Ausnahme der 5 äusser- 
sten. Lage der Darmschlingen nach Typus I. Oberleber am grössten, 
Unterleber bedeutend kleiner, Hinterleber noch kleiner. Enddarm mit 
Ampulle und Rectaldrüse. Entsprechend der nach vorn verschobenen 
Lage der Vulva treten Oviduct und Vas deferens 3 mm vor dem hinter- 


188 LUDWIG H. PLATE, 


sten Winkel der Leibeshöhle in die Haut ein. Die drüsig verdickte 
Partie des Zwitterganges greift auf die Gabeläste der Zwitterdriise 
etwas tiber. Die Vesicula seminalis ist eine ovale, 2 mm lange Blase, 
die an einem kurzen Stiele sitzt. An dem Oviduct lassen sich — ab- 
weichend von den iibrigen Oncidiiden — 2 Abschnitte unterscheiden, 
ein dünner proximaler und ein noch einmal so dicker distaler (Fig. 54). 
Wo beide in einander übergehen, heftet sich das grosse Receptaculum 
seminis an. Beachtenswerth ist ferner die ungewohnliche Kürze (3 mm) 
des ersten Abschnittes vom Vas deferens (Fig. 54), während er in der 
Regel grösser ist als der Oviduct. Das Copulationsorgan misst ca. 
30 mm und ist nicht viel kiirzer als die zweitheilige Penisdriise. Der 
Stachel der letzteren ist farblos, leicht gebogen, 11/, mm lang und 
verschmälert sich vorn zu einer quer abgestutzten Spitze (Fig. 76). 
Die Zellen im Chondroidrohr des Penis schliessen (wie in Fig. 66) 
lückenlos aneinander. Die übrigen Einzelheiten des Baues der Ge- 
schlechtsorgane sind schon von SEMPER hervorgehoben worden; ich 
kann sie bestätigen. 


16. Oneidium nigrum n. sp. 


1 Exemplar von Borneo, durch GERARD gesammelt. 

Gestalt, Größe: Lang-oval, im Habitus sehr an die vorige 
Art erinnernd. Länge 41, Breite 26, Höhe 14 mm. Länge des Fusses 
31, seine Breite 13 mm. Hyp an den Seiten 9 mm, daher ca. 2/, S, 
vor dem Kopf, der verhältnissmässig klein ist, 41/,, hinter der Fuss- 
spitze 6 mm. 

Rückensculptur: Dem unbewafineten Auge erscheint der 
Rücken grobkörnig, da er überall mit kegelförmigen, grossen Papillen, 
die ausgestreckt 11/, mm hoch sind, bedeckt ist. Sie stehen 1—3 mm 
weit auseinander. Zwischen ihnen sitzen zahlreiche kleinere Warzen. 
Der Rand des Rückens ist mehrfach gewellt, was wohl nur Folge be- 
sonderer Contractionszustände ist. | 

Färbung: Ueberall gleichmässig grauschwarz, so daß das ganze 
Thier sehr düster aussieht. Die Warzen sind noch etwas dunkler ge- 
färbt als der Rücken. Wie bei Onc. aberrans erkennt man unter der 
Lupe zahllose kleine schwarze Pünktchen, auf dem Mantel die einzeln 
oder in Gruppen stehen. 

Rückenaugen finden sich nur im Scheitelpunkt des Rückens. 
Hier sitzt eine flache, runde Warze von 11/, mm Durchmesser mit 
einer centralen Grube, in welche 3 Augen zurückgezogen waren. Die 
Retina war vielschichtig. Die Linse bestand aus einem vordern Ab- 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 189 


schnitt, der von einer Riesenzelle gebildet wurde, und einem hintern, 
fiinfzelligen. 

Lage der Oeffnungen: After verdeckt. Athemloch median, 
seine Entfernung 1/,. Männliche Genitaléfinung wie gewöhnlich, die 
weibliche bildet eine kleine Papille dicht neben dem After. Hieran 
läßt sich die Art sofort von Onc. aberrans unterstheiden. 

Die Leibeshöhle wird zwar innen nicht von einer besondern Pig- 
mentschicht ausgekleidet, aber das Peritoneum erscheint dennoch 
schwärzlich, weil die ganze Rückenhaut von fein vertheiltem Pigment 
durchsetzt ist. Die düstere, schwarzbraune Färbung erstreckt sich 
auffallender Weise auch auf fast alle Eingeweide: Speicheldrüsen, 
Magen, Leber, Darm, Geschlechtsorgane und Lungengewebe, so dass 
der Speciesname nigrum sich nicht nur auf das Aeussere des Thieres 
bezieht. — Pharynx mit stark vorspringender Lungenscheide. Radula 
137, 1, 137. Am Rhachiszahn ist das Mittelzähnchen kleiner als die 
seitlichen. Das Seitenzähnchen fehlt nur an den 3 oder 4 äussersten 
Pleuralzähnen. Auf die ganz eigenartige Lagerung der Darmwindungen 
(Fig. 31 a) — Typus III — bin ich im allgemeinen Teile dieser Ab- 
handlung eingegangen. Oberleber nicht viel grösser als die Unter- 
leber; Hinterleber viel kleiner. Enddarm mit Ampulle und Rectal- 
drüse. — Die drüsige Verdickung des Zwitterganges setzt sich auf die 
Ausführgänge der Zwitterdrüse fort (wie in Fig. 51). Die Vesicula 
seminalis ist eine ovale, 4 mm lange Blase, die an einem 2 mm langen, 
dünnen Stiel sitzt (Fig. 53 Ves. sem.). Der Spiralgang, welcher den 
Zwittergang und die Ausführgänge der 2 Eiweissdrüsen aufnimmt, ist 
kurz (spir), setzt sich aber in einen spiraligen Blindsack (sp!) fort und 
besitzt ausserdem 2 um einander herumgewundene Anhangsdrüsen (sp?, 
sp*), die ich von andern Oncidiiden nicht kenne. Das von hohen Falten 
durchzogene Diverticulum des Spermoviducts (app) zeichnet sich durch 
schwärzliche Färbung aus. Receptaculum seminis sehr kurz gestielt, 5 mm 
im Durchmesser betragend. Oviduct und Vas deferens treten etwas vor 
dem hintersten Winkel der Leibeshöhle in die Haut ein. Der eigent- 
liche Penis (11 mm) zerfällt in einen bezahnten und unbezahnten Ab- 
schnitt, beide ungefähr von gleicher Länge; in ersterem stehen die 
Zähne zwar auch, wie gewöhnlich, in Querringen und Quincunxstellung, 
aber die Ringe sind durch weite Abstände getrennt, und die Zahl der 
Zähne ist daher nur klein. Die vordersten derselben messen 0,014 mm, 
die hintersten 0,087 mm, im Innern derselben liegen 3—5 Zellen. Die 
Zellen des Chondroidrohres liegen vorn in 2, auf der grössten Strecke 
in 3—4, an der Basis in 4—5 Lagen. Die Penisdrüse ist dreitheilig 


190 LUDWIG H. PLATE, 


mit 90 mm langem Endschlauch. Der Stachel misst 1,3 mm und ist 
hellbräunlich gefärbt. Seine Gestalt ist aus Fig. 75 ersichtlich. 
Insertion des Retractor penis II. 


II. Die Gattung Oneis. 


17. Oneis coriacea SEMPER. 

10 Exemplare von den Philippinen. 

Gestalt breit-oval, vorn und hinten gleichmässig abgerundet 
(Fig. 30). Das grösste Exemplar zeigte folgende Masse: Länge 43, 
grösste Breite in der Mitte des Körpers 38, des Fusses 11 mm. Das 
Hyponotum (131/, mm) ist daher an den Körperseiten noch etwas 
breiter als der Fuss; vor dem Kopf verschmälert es sich auf ungefähr 
die Hälfte, hinter dem Fuss auf ?/, der Breite. — Das Semper’sche 
Exemplar hatte bei 47 mm Länge nur 27 mm Breite; letztere Zahl 
ist wohl durch einen Druckfehler aus 37 entstanden. Da die Leibes- 
höhle sich nicht oder nur sehr wenig in die Hyponota fortsetzt 
(Fig. 34), sondern nur unter dem Mittelfeld des Rückens liegt, so 
springt dieses als ein flacher länglicher Wulst über das Niveau der 
Randzone hervor. Grösste Höhe ca. 13 mm. 

Rückensculptur: Semper nennt die Rückenfläche „stark gra- 
nulirt“. Für manche Individuen trifft dies zu, indem der lederartig 
feste Mantel mit dicht stehenden groben Körnern überall bedeckt ist. 
Die Art ist aber etwas variabel, und so kommen andere Individuen 
vor, die nur als schwach granulirt oder fast glatt bezeichnet werden 
können, indem die Körner niedriger sind und weiter, oft 1 mm, aus- 
einander stehen (Fig. 30). Stets finden sich zwischen diesen Körnern 
ganz kleine, sehr dicht stehende Granula, die aber erst bei Lupen- 
betrachtung auffallen. Die Augenflecke treten stets einzeln auf 
und sitzen auf den grösseren Körnern; ihre Vertheilung ist ganz un- 
regelmäßig, ebenso ihre Zahl, die zwischen 30 und 100 schwankt. 

Die Färbung dieser Art ist sehr variabel, wie schon aus der 
SEMPER’SChen Schilderung hervorgeht. 

Lage der Oeffnungen: Afteröffnung frei sichtbar an dem 
Alcoholmaterial, obwohl das ausgestreckte Fussende des lebenden Thieres 
sie wohl bedecken wird. Athemloch median, seine Entfernung vom 
After */,. Männliche Geschlechtsöffnung nach vorn und innen vom 
rechten Fühler. 

Die Radula soll nach Semper mindestens 240 Zähne in jeder 
Querreihe aufweisen; diese Zahl ist nach meinen Erfahrungen etwas 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 191 


zu hoch gegriffen, ich zähle 110, 1, 110. Lage der Darmschlingen II. 
Oberleber nur wenig grösser als die Unterleber, Hinterleber viel kleiner. 
— Die Vesicula seminalis ist eine Blase von 3—4 mm Durchmesser, 
die an einem dünnen, 2 mm langen Stiel sitzt. Receptaculum seminis 
sehr kurz gestielt. Vas deferens (Anfangstheil) lang, zu einem Knäuel 
zusammengewunden, von chocoladenbrauner Färbung. 


18. Oncis lata n. sp. 


4 Exemplare von Neu-Britannien. 

Gestalt (Fig. 2) breit oval, fast kreisférmig und mässig hoch. 
Alle 4 Exemplare sind ungefähr gleich gross. Länge 29 mm; die 
Breite schwankt je nach dem Contractionszustand zwischen 24 und 
27 mm. Bei einem Thier sind sogar Länge und Breite gleich (27 mm), 
so daß dieses als kreisförmig bezeichnet werden kann. Die Fussohle 
hat ihre grösste Breite am Ende des vordern ersten Drittels und be- 
trägt hier 7—81/, mm. Die Hyponota sind in dieser Höhe ungefähr 
ebenso breit wie der Fuss; nach hinten spitzt sich dieser allmählich 
zu, und die Hyponota übertreffen ihn an Breite. Das Hyponotum ist 
hinter der Fusspitze noch einmal so breit wie vor dem Kopf, der von 
geringer Grösse ist und weit vom Vorderhyponotum überragt wird. 

Rückensculptur: Die ganze Rückenfläche ist gleichmässig 
weitläufig grobkörnig. Die Granula sind kegelförmig, bis höchstens 
1 mm hoch und stehen 4—5 mm auseinander; der Mantel erscheint 
durch sie wie mit kleinen Dornen gespickt. Zwischen ihnen befinden 
sich andere Körner von halber Grösse und etwa 2 mm Distanz und 
zwischen diesen noch kleinere, ungefähr 1 mm auseinander. Alle diese 
3 Sorten von Tuberkeln sind mit blossem Auge sichtbar. Endlich ist 
noch der ganze Rücken dicht besät mit winzigen Körnchen, die erst 
mit Hülfe der Lupe zu erkennen sind. — Augenflecke fehlen. 

Die Färbung des Rückens ist gleichmässig braun (Fig. 2), 
bald etwas heller, bald etwas dunkler. Der Mantel ist ausserdem dicht 
besprenkelt mit kleinen gelblich-weissen Flecken, welche auf den Spitzen 
der 3 grösseren Sorten von Granula sitzen. — Die Hyponota sind 
gleichmässig grünlich-grau gefärbt und werden von einem schmalen 
gelben Randsaum eingefasst. Fuss grau, ungefärbt. Athemloch eben- 
falls mit gelblicher Umrandung. 

Lage der Oeffnungen: Afterpapille niedrig, aber sehr gross, 
vollständig von der Fusspitze verdeckt. In !/, Entfernung das me- 
diane kleine Athemloch. Männliche Geschlechtsöffnung wie gewöhnlich, 
dicht neben dem Tentakel. 


192 LUDWIG H. PLATE, 


Radula 165, 1, 165. Lage der Darmschlingen II. Oberleber am 
grössten; Unterleber halb so groß, Hinterleber noch kleiner. Die 
Vesicula seminalis ist eine rundliche Blase von 3 mm Durchmesser, 
die an einem 1 mm langen Stiel sitzt. Während ich bei andern Arten 
in diesen männlichen Samenblasen immer nur frei neben einander liegende 
Samenfäden antraf, fand ich hier bei einem Individuum einen unregel- 
‘ mässig-rundlichen Ballen in derselben, der nach aussen von einer 
dünnen Membran begrenzt war und den man wohl als ein Spermato- 
phor, das eventuell bei der Selbstbefruchtung zur Anwendung kommt, 
ansehen muss. In dem Receptaculum seminis desselben Thieres befand 
sich eine braunrothe krümelige Masse, wie solche fast immer hier an- 
getroffen wird. Diese Samenblase war, wie gewöhnlich, sehr kurz 
gestielt, fast sitzend. Der Anfangstheil des Vas deferens ist mässig 
lang, etwas hin und her gewunden, ungefarbt. Oviduct kurz und 
gerade. Der eigentliche Penis ist 7 mm lang, davon entfallen 2 mm 
auf den vordern, weichen, 5 mm auf den hintern, von einem Chondroid- 
rohr durchzogenen Abschnitt (Fig. 59). Dieser springt in jenen mit 
einer 0,283 mm hohen Papille vor, die auch aus Chondroidzellen 
gebildet wird. In dem Rohre liegen diese Zellen in 3—4 Lagen 
über einander und schliessen so wenig eng an einander, dass man wohl 
annehmen muss, es befinde sich noch eine homogene Zwischensubstanz 
zwischen ihnen, da sie sonst gegen einander verschiebbar sein müssten. 
An der Basis der grossen Papille sitzen noch einige kleinere, aber rein 
musculöse (pap’). Der Retractor ist sehr kurz, seine Insertion I. 


19. Oncis semperi n. sp. 

2 Exemplare von Mindanao. 

Gestalt breit-oval, fast rund. Vorder- und Hinterende sind 
gleichmässig breit abgerundet. Länge 241/, mm, Breite 191/,, Länge 
der Fussohle 161/,, grösste Breite derselben 7 mm. An den beiden 
Körperseiten ist Hyp — S oder noch etwas breiter. Am Kopf hingegen 
beträgt Hyp nur 31/,—4, hinter der Fusspitze 5 mm. Kopf sehr klein, 
er wird weit vom Hyp überragt. 

Rückensculptur: Auf der Aussenfläche des Mantels verlaufen 
eine Anzahl von niedrigen Furchen parallel dem Rande um das Mittel- 
feld herum, sie sind vermuthlich erst beim Absterben aufgetreten. 
Der Rücken erscheint sonst für das blosse Auge glatt, aber unter der. 
Lupe sehr fein- und dichtkörnig. Weitläufig zerstreut, 1—2 mm von 
einander entfernt, erheben sich auf der ganzen Rückenfläche sehr kleine 
Wärzchen, die bei dem einen Exemplar schon mit unbewafinetem Auge 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 193 


erkannt werden können. 25—30 derselben tragen je einen Augenfleck ; 
die Vertheilung der Augen ist ganz unregelmässig, sie treten zum Theil 
ganz nahe an den Mantelrand heran. — Die Hyponota sind glatt. 


Farbung des Riickens schmutzig hellbraun. Ueber dem Mittel- 
felde verlaufen 2 oder 3 hellere verwaschene Längsbinden, die durch 
dunklere Streifen getrennt werden. Die meisten Augenpapillen liegen 
in der Mitte eines weissen Fleckes von sehr geringer Grésse. Bei dem 
einen Exemplar sind fast alle Wärzchen rein weiss, so dass das Thier 
sehr fein gesprenkelt erscheint. Sohle hellgelb. Der ganze Kopf und 
die Hyponota sind gleichmässig dunkelblau gefärbt, die letzteren ausser- 
dem von einem 1—1!/, mm breiten, weisslich-gelben Rand eingefasst 
(ähnlich wie Fig. 2). Das Athemloch liegt inmitten eines ebenso ge- 
färbten Fleckes. Auch die weibliche Geschlechtsöffnung und die ganze 
Fussrinne sind gelblich-weiss gefärbt und heben sich dadurch scharf 
von der dunkelblauen Umgebung ab. 

Lage der Oeffnungen: Afterpapille verdeckt, ebenfalls hell 
gefärbt. Das grosse Athemloch ist ein klein wenig aus der Median- 
linie heraus nach rechts gerückt; seine Entfernung vom Anus ?/, = 
13/, mm. Die weibliche Geschlechtsöffnung liegt ziemlich weit, nämlich 
21/, mm vom After entfernt. Männliche Geschlechtsöffnung nach innen 
vom rechten Fühler und neben demselben; da der Kopf sehr 
zusammengezogen ist, nimmt sie fast die Mitte zwischen beiden 
Fühlern ein. 

Radula 89, 1, 89. Die Seitenzähnchen fehlen an den 15 äussersten 
Pleuralzähnen jederseits. Lage der Darmschlingen ausnahmsweise I, 
während sie bei allen andern Species dieser Gattung II ist. Hinter- 
leber so gross wie die Unterleber, beide etwas kleiner als die Ober- 
leber. Die Vesicula seminalis ist spindelförmig, ungefähr 1—2 mm 
lang. Das Receptaculum seminis ist eine Blase von 2 mm Durchmesser 
und sitzt auf einem Stiel von 1°/, mm Länge. Vas deferens-Anfangs- 
theil Jang, ein Knäuel bildend, ungefärbt. Oviduct kurz. Der Penis 
ist sehr lang, 26 mm, also noch etwas länger als die Leibeshöhle, auf 
deren Boden er in leichten Schlängelungen entlangzieht, um sich im 
hintersten Winkel mit einem kurzen Retractor anzuheften. Der Penis 
zerfällt in einen 8 mm langen vordern Abschnitt, dessen Zähne alle 
von ziemlich gleicher Grösse sind, mit Ausnahme der vordersten viel 
kleineren, und in einen hintern mit Chondroidrohr, dessen Zellen 
epithelartig zu einer Schicht angeordnet sind und nur an der Basis 


bis zu 3 Lagen bilden. 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 13 


194 LUDWIG H. PLATE, 


20. Oncis montana n. sp. (Fig. 3). 


3 Exemplare von der Insel Sibugan, Philippinen. Herr General- 
consul Dr. v. MÖLLENDORFF, dem,ich dieselben verdanke, theilt mir 
mit, dass die Thiere hoch oben am Berg, an Felsen und alten Baum- 
stämmen gefunden wurden. Ein derartiger Aufenthalt auf dem Lande, 
in einiger Entfernung von dem Meere, ausserhalb der Gezeitenzone, 
ist bis jetzt wahrscheinlich gemacht worden für Oncidiwm typhae, das 
zwischen den Blättern von Typha elephantina an den Ufern (Miin- 
dung?) indischer Flüsse lebt, für Oncidium steenstruppi SEMP., wel- 
ches nach den Angaben von SEMPER in Sambelang am Gangeshafen in 
verfaulten Baumstämmen vorkommt, und für Oncidium aberrans SEMP., 
welches nach demselben Forscher in Singapore (?) unter Baumrinde 
angetroffen wurde. Es lässt sich gegenwärtig also noch nicht angeben, 
ob diese drei Arten dauernd auf dem Lande leben, oder ob sie nicht 
zeitweilig in das Meer- oder Brackwasser zurücksteigen und eine am- 
phibische Existenz führen, was nach der Lebensweise der übrigen 
Oncidium-Arten sehr leicht möglich wäre. Hierüber fehlen noch die 
Beobachtungen. Für die hier zu schildernde Oncis montana geht aus 
den obigen Bemerkungen hervor, dass sie ein vollständiges Landthier 
ist, und deshalb ist diese Art von besonderm Interesse. 


Grösse, Gestalt: Das grösste der 3 Exemplare zeigt folgende 
Maasse: Länge 26, Breite 24 mm; Länge des Fusses 12, seine Breite 
8 mm, daher Hyp —S. Das Hyp ist hinter der Fusspitze ebenso | 
breit wie auf beiden Seiten des Körpers. Vor dem Kopf ist dasselbe 
aber nur halb so breit (Fig. 3). Höhe ca. 7 mm. Die Gestalt ist 
breit-oval, fast kreisrund, vorn und hinten gleichmässig abgerundet. 
Die Fühler können nicht vollständig eingestülpt werden. 


Rückensculptur: Der Rücken erscheint selbst bei Betrach- 
tung mit einer starken Lupe glatt oder höchstens mit ganz winzigen, 
dicht stehenden Körnchen bedeckt. — Die Augen stehen einzeln, 
jedes inmitten eines weissen Fleckes. ‘Diese weissen Flecke wölben 
sich vielfach zu ganz flachen Tuberkeln empor, aber es macht den 
Eindruck, als ob dies erst in Folge einer Muskelcontration beim Ab- 
sterben eingetreten sei. Die Zahl der Augen ist bei dem grössten 
Exemplar grösser (35) als bei den zwei kleineren (31, 27). Das Mittel- 
feld trägt mit Ausnahme seines Centrums, das bei zwei Thieren 3 
dicht beisammen stehende, bei dem dritten Thier nur ein Auge auf- 
weist, keine Augenflecke. Diese stehen vielmehr auf der Randzone 
und vertheilen sich unregelmässig auf zwei concentrischen Ovallinien, von 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 195 


denen die innere der Grenze des Mittelfeldes, die äussere der Mitte 
der Randzone entspricht. 

Färbung: Die Grundfarbe des Rückens ist gleichmässig blau- 
schwarz. Sie ist dicht besät mit zahllosen, kleinen, rundlichen, gelb- 
lich-weissen Flecken (Fig. 3), die auf der Randzone besonders eng 
stehen, während sie auf dem Mittelfeld kleiner sind und weiter aus- 
einander rücken. Man kann grössere und kleinere Flecken unter- 
scheiden; erstere haben ca. 1 mm Durchmesser, letztere sind oft so 
klein, dass sie kaum zu sehen sind. Im Centrum der grösseren sitzen 
die Augen. Die Fussohle ist hell gelblich gefärbt. Die Hyponota 
sind rein weiss-gelb, die Stirnfläche des Kopfes und die Fühler sind 
bläulich-schwarz pigmentirt. 

Lage der Oeffnungen: Die Afterpapille liegt frei hinter der 
Fusspitze (Fig. 3 an). Das kleine runde Athemloch (atl) ist stark 
nach rechts verschoben, so dass es in der Verlängerung des Fuss- 
randes liegt; seine Entfernung vom After ca. 1/,. Am Kopfe fallen 
unter den 2 Fühlern (¢) 2 Grübchen auf den Lippenwülsten (¢ Drüsen- 
öffnungen ?) auf. Männliche Geschlechtsöffnung wie gewöhnlich. 

Der Retractor der Fühler ist noch nicht in der typischen Weise 
angelegt; er wird nur angedeutet durch einige zarte Muskelfäden, die 
aber nicht aus der Höhle des Fühlers hervortreten (Fig. 89) und nur 
im Stande sind, die Spitze etwas einzustülpen. Eine vollständige Ein- 
stülpung des Fühlers wird durch eine zarte Gewebsplatte unmöglich 
gemacht, welche die Leibeshöhle gegen den Fühler abschliesst. — Ra- 
dula 110, 1, 110. Die Gestalt der Zähne fast typisch (Fig. 23). Am 
Rhachiszahn ragt das Mittelzähnchen weit vor und setzt sich nach 
hinten in einen scharfen, medianen Kiel fort. Lage der Darmschlingen 
II. — Vesicula seminalis sehr klein. Receptaculum seminis kurz ge- 
stielt. Unter den Oncis-Arten sind diese und O. glabra S. die ein- 
zigen, welche eine Penisdrüse (Fig. 71) besitzen, die bei meiner Spe- 
cies durch den Mangel eines Stachels ausgezeichnet ist. Der Penis 
hat ohne den Rückziehmuskel eine Länge von 5 mm und weist die 
beiden gewöhnlichen Abschnitte auf, wie aus Fig. 57 ersichtlich ist. 
Der vordere nimmt ungefähr !/, des ganzen Organs ein und ist dicht 
mit schmalen, schlauchförmigen Zähnen besetzt, die von vorn (0,075 mm) 
nach hinten (0,125 mm) allmählich an Grösse zunehmen und aus 
einer Säule von Chondroidzellen sich aufbauen (Fig. 55). In dem 
Chrondroidrohr liegen die Zellen vorn in 2—3, weiter nach hinten in 
9—6 und noch mehr Lagen über einander. Der Retractor penis ist 
sehr lang und inserirt sich im hintersten Winkel der Leibeshöhle. 

13% 


196 | LUDWIG H. PLATE, 


Die Penisdrüse ist dreitheilig. Der Drüsenschlauch verschmälert sich 
nach vorn (Fig. 71 a b), wie gewohnlich, geht dann in einen dickeren, 
musculösen Abschnitt b c über, der mit einer Papille in den Endsack 
vorspringt. 

Anm.: Vorstehende Art ist der Oncis glabra S. offenbar sehr 
äbnlich. Die äussern Unterschiede, welche die von mir entdeckte 
Art charakterisiren, sind: die andere Färbung; die Augen sitzen nicht 
auf besonderen Papillen ; der Körper ist nicht so hoch, aber breiter als 
bei der SempEr’schen Species; das Athemloch scheint noch weiter 
nach rechts gerückt zu sein. Dazu kommt der Mangel des Penis- 
drüsenstachels und die geldrollenartige Anordnung der Zellen der 
Peniszähne, welche bei O. glabra unregelmässig neben einander liegen. 
— Uebrigens kann es keinem Zweifel unterliegen, dass das Oncidium 
glabrum SEMPER eine echte Oncis-Species ist. Dies geht schon aus 
SEMPER’S Schilderung hervor, die ich durch Nachuntersuchung der 
Originale in einigen Punkten erweitern kann. Hyp —S$S, an der 
breitesten Stelle sogar — 1!/, S. Hinter dem Fuss ist Hyp 5 mm 
breit, vor dem Kopf 2!/, mm. Die Entfernung des Athemlochs vom 
After beträgt !/,. Lage der Darmschlingen II. 


21. Oneis martensi n. sp. (Fig. 7). 


Von dieser schönen Art stand mir 1 Exemplar, das durch Herrn 
Prof. v. MARTENS in Singapore (östlich von der Stadt, an der schlam- 
migen Mündung eines kleinen Baches) gesammelt worden war, zur 
Verfügung; ich benenne sie dem Entdecker zu Ehren in dankbarer 
Erinnerung an die gemeinsam mit ihm verlebten Tage. Die zwischen 
Anführungszeichen gesetzten Stellen der folgenden Beschreibung ent- 
stammen dem Tagebuche des Herrn Prof. v. MARTENS. 


Gestalt, Grösse (Fig. 7 in natürlicher Grösse): Breit-oval, 
fast kreisförmig, vorn und hinten breit abgerundet. Länge 421], 
„frisch 66 mm“, Breite 401/, mm. Länge der Fussohle 27, deren 
Breite 11 mm; ihren Contour habe ich in jener Zeichnung durch eine 
punktirte Linie angedeutet. Hyp in der Mitte des Körpers 16, vor 
dem Kopf 4, hinter der Fusspitze 9 mm breit. Hyp daher = 1!/, S. 
Fuss vorn quer abgestutzt, nach hinten allmählich verschmälert. Kopf 
und Lippensegel klein. ‚Fühler denen von Succinea nicht unähnlich, 
ihr unteres Ende angeschwollen, das obere mehr cylindrisch, dick 
und stumpf, die Augen an der Spitze bräunlich. Die Sohle zeigt beim 
Kriechen bogenförmig fortschreitende Wellenlinien.“ 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 197 


Rückensculptur: Der Rücken ist weitläufig gekôrnelt. Man 
kann unterscheiden 1) „grössere, in der Längsrichtung zusammen- 
gedrückte Warzen“, die ungefähr 1 mm Durchmesser haben und 1/,— 
1 mm hoch sind; sie stehen 3—6 mm auseinander; 2) kleinere War- 
zen, die nur !/, so gross sind oder noch kleiner und 1—2 mm aus- 
einander stehen. Unter der Lupe erweist sich die ganze Rückenfläche 
dicht besetzt mit punktförmigen Körnchen, die auch auf die grossen 
Warzen hinauftreten. Hyponota glatt. 

Augen vertheilen sich in grosser Zahl (ca. 90) und ohne be- 
stimmte Ordnung über den Rücken und treten bis dicht an den Mantel- 
rand hinan. Sie sitzen einzeln auf den grossen Warzen, jedoch gilt 
diese Regel nicht ausnahmslos, denn auf ungefähr 12 Warzen sitzen 
2 Augenflecke, so dass man in diesen Fällen von einer Gruppe 
sprechen kann. 

Farbe des Rückens hell-gelblich, so dass die Augenflecke sich 
sehr deutlich abheben. Hyp etwas intensiver gelb. Fussohle hell- 
eraubraun. Der Kopf und die Umgebung der weiblichen Geschlechts- 
öffnung sind schwarzgrau. Das lebende Thier war an den Hyponota 
neben den Seiten des Fusses „schwarz marmorirt“. Von dieser Pig- 
mentirung war am conservirten Thiere nichts mehr zu sehen. 

Lage der Oeffnungen: After frei. Athemloch median, mit 
der Entfernung !/,. Weibliche Genitalöffnung typisch, männliche etwas 
nach innen verschoben, fast median. 

Die Hyponota der Körperseiten „legen sich beim Kriechen der 
Unterlage dicht an“. „Es hält sich ausserhalb des Wassers auf und 
kriecht, in dieses gesetzt, wieder heraus. Mit der Hand gefasst, biegt 
es sich chitonartig ein.“ 

Radula 130, 1, 130; am Rhachiszahn ragt das Mittelzähnchen 
nicht so weit vor wie die Seitenzähnchen. Lage der Darmschlingen II. 
Oberleber am grössten, Unterleber ungefähr halb so gross, Hinterleber 
noch kleiner. Hinsichtlich der hintern Geschlechtsorgane liess sich 
wenig erkennen. Der Anfangstheil des Vas deferens ist lang, kaffeebraun, 
zu einem Knäuel zusammengewunden. Receptaculum seminis gross, 
kurz gestielt. Der Penis weist die zwei gewöhnlichen Abschnitte auf. 
Die Chondroidzähne nehmen von hinten (0,056) nach vorn (0,016) 
rasch an Grösse ab. Jeder Zahn ist an der Basis bräunlich gefärbt, 
In dem Chondroidrohr lassen sich die einzelnen Zellen kaum erkennen, 
da die chitinige Zwischensubstanz dunkelbraun gefärbt ist und es 
völlig undurchsichtig macht. Retractor mit Insertion II. Keine Penis- 
drüse, 


198 LUDWIG H. PLATE, 


22. Oncis inspectabilis n. sp. 


1 Exemplar von Lampee, Birma, gesammelt durch ANDERSON. 

Gestalt, Grösse: Oval (im Leben vielleicht lang-oval), vorn 
und hinten gleichmässig abgerundet. Länge 39'/,, Breite 21 mm. 
Die Höhe ist verhältnissmässig beträchtlich, 9 mm. Länge des Fusses 
20, Breite desselben 8 mm. Hyp an den Seiten 7—8 mm, daher = S; 
vor dem Kopf 3 mm, hinter dem Fuss 5 mm breit. 

Rückensculptur: Der Rücken ist glatt; erst mit Hülfe einer 
Lupe erkennt man eine sehr feine, dichte Punktirung. Hyponota glatt. 
Etwas über 40 Einzelaugen vertheilen sich regellos über den 
Rücken und treten zum Theil bis dicht an den Mantelrand hinan. 

Die Färbung des Rückens ist sehr unscheinbar, daher der 
Speciesname. Ueber die Mitte desselben läuft ein heller, weisslicher 
Streifen von der Breite des Mittelfeldes, zu beiden Seiten ist er 
schmutzig dunkelbraun und weisslich gesprenkelt. Braune Flecken 
und Wolken durchsetzen auch den Mittelstreifen. Charakteristisch 
wird die Rückenfärbung dadurch, dass jedes Auge im Centrum eines 
weisslich-gelben, runden oder ovalen Fleckens sitzt. Der Rand ist 
etwas lichter, und das Schwarzbraun vertheilt sich hier in zahlreichen, 
radienartigen, kurzen Streifen. Die Färbung der Unterseite erinnert 
sehr an Oncis semperi. Die Sohle ist gleichmässig hellgelb. Die 
Hyponota sind schwarzblau, mit Ausnahme eines 2 mm breiten, weiss- 
lichen Randsaumes, der in gleicher Art auch das Athemloch einfasst. 
Kopf und Fühler sind ebenfalls schwärzlich gefärbt. 

Lage der Oeffnungen: After verdeckt. Athemloch median, 
mit der Entfernung !/,. Geschlechtsôffnungen an der gewöhnlichen 
Stelle. Schlundkopf mit weit vorspingender (11/, mm) Radulapapille. 
Radula 103, 1, 103. Am Rhachiszahn ist das Mittelzähnchen viel 
kürzer als die beiden Seitenzähnchen. Die letzteren fehlen jederseits 
an den 7 äussersten Zähnen einer Querreihe. Lage der Darmschlingen 
II. Oberleber am gréssten, Unterleber etwas kleiner, Hinterleber noch 
kleiner. Vesicula seminalis gross, oval, 2 mm Längsdurchmesser, an 
einem Stiel von etwas über 1 mm Länge sitzend. Receptaculum seminis 
3 mm Durchmesser, sitzend. Vas deferens-Anfangstheil lang, zu einem 
dichten Knäuel hin und her gewunden, von hellbrauner Farbe. Der 
Penis besteht aus einem bezahnten (2 mm) und einem unbezahnten 
(8 mm) Abschnitt. Die Zähne nehmen rasch an Grösse von vorn nach 
hinten zu, die vordersten sind 0,012 mm, die hintersten 0,137 mm 
lang; erstere enthalten nur 1—2, letztere zahlreiche Chondroidzellen. 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 199 


In dem Chondroidrohr liegen die kleinen Zellen vorn in ca. 6 Schichten 
über einander, nach hinten zu wird diese Zahl noch grösser. Insertion 
des Retractors II. 


Anm. Die vorstehende Art ist der Oncis semperi mihi äusser- 
lich sehr ähnlich und nur an der beträchtlicheren Grösse und den 
zahlreicheren Augen von ihr zu unterscheiden, Verhältnisse, die an 
sich bei so geringem Untersuchungsmaterial, wie es mir vorlag, zur 
Aufstellung verschiedener Species nicht berechtigen würden. Aber ein 
Blick auf die Ausbildung der Geschlechtsorgane zeigt sofort, dass wir 
es hier mit verschiedenen Arten zu thun haben. 


23. Oncis coeca n. sp. (Fig. 9). 


1 Exemplar von Amboina (Expedition ,,Gazelle“). 


Gestalt, Grösse: Lang-oval, vorn und hinten gleichmässig ab- 
gerundet, die beiden Ränder der Körperseiten fast parallel. Länge 
26!/, mm, Breite 15'/, mm. Der Fuss hat eine Länge von 21!},, 
eine Breite von 6 mm. Hyp an den Seiten — S. Hinter der Fuss- 
spitze ist Hyp = 3, vor dem Kopf = 1!/, mm. Kopf und Lippen- 
segel klein. 

Rückensculptur: Der Rücken ist überall mit grösseren und 
kleineren Warzen besetzt, die aber so flach sind, dass man sie erst 
unter der Lupe erkennt und der Rücken dem unbewaffneten Auge 
glatt erscheint. Die Hyponota sind glatt. Augen fehlen auf dem 
Rücken vollständig, daher der Speciesname. 

Färbung (Fig. 9): Der Rücken ist schmutzig braun gefärbt 
und mit einzelnen gelblichen Flecken und Streifen von verschiedener 
Grösse besetzt. Die Warzen sind zum grossen Theil weisslich gefärbt 
und geben der Dorsalfläche ein gesprenkeltes Aussehen. Viele von 
diesen werden nun von einem tiefschwarzen Halbkreis, der zuweilen 
auch zu einem geschlossenen Ringe wird, eingefasst, was eine sehr 
charakteristische augenähnliche Zeichnung bedingt. Es ist nun von 
Interesse, dass derartige Ringflecken auch bei Oncidium multinotatum 
und amboinae (Fig. 5, 8) vorkommen, und dass diese Arten, ebenso wie 
Oncis coeca, zu den nicht mit Rückenaugen versehenen Formen ge- 
hören und insofern eine Sonderstellung innerhalb ihrer Gattung ein- 
nehmen. Vermuthlich stellen diese Pigmentringe ein Vorstadium in 
der phyletischen Entwicklung der Rückenaugen dar, da ja in diesen 
das Pigment ebenfalls ringförmig angeordnet ist. Stellen wir uns auf 
den Boden der Semper’schen Hypothese über die Entstehung der 


200 LUDWIG H. PLATE, 


Riickenaugen, so können wir annehmen, dass eine Wucherung von 
Epidermiszellen, welche bis dahin theilweise als Tastzellen fungirt hatten 
und daher mit Nerverfasern in Verbindung standen, sich in einen der- 
artigen Pigmentring einsenkte und sich vorn in die Zellen der Linse, 
hinten in die eigentliche Retina umwandelte. Es. würden damit alle 
Elemente des Oncidienauges gegeben sein. Für die Anschauung, dass 
jene beiden Oncidium-Arten primitive Organisationsverhältnisse be- 
wahrt haben, lässt sich, wie später dargelegt werden soll, die halb- 
symmetrische Gestalt der Lungenhöhle und der einfache Bau der 
Niere von Onc. amboinae sowie die weit vorn gelegene weibliche Ge- 
schlechtsöffnung von Onc. multinotatum anführen. — Die Färbung der 
Unterseite ist bei Oncis coeca sehr charakteristisch. Die Sohle ist 
grau-gelblich, und ein ebenso gefärbter, 1 mm breiter Saum bildet all- 
seitig den Rand der im Uebrigen schwarzblauen Hyponota. Die Seiten 
des Fusses sind schwarzblau überlaufen, die Fussfurche hingegen ist 
gelblich gefärbt und hebt sich dadurch scharf von der dunklen Um- 
gebung ab. Die Afterpapille und das Athemloch sind weisslich-gelb 
umrandet. Stirn, Fühler und Mundsegel sind hellgrau gefärbt. 


Lage der Oeffnungen: After verdeckt. Athemloch median, 
mit der Entfernung ';;. Die Geschlechtsöffnungen an der gewöhn- 
lichen Stelle, die männliche ziemlich weit nach innen verschoben. 


Radula 87, 1, 87. Mittelzähnchen des Rhachiszahns kleiner als 
die Seitenzähnchen. Lage der Darmschlingen II. Oberleber sehr gross, 
Unter- und Hinterleber ungefähr von gleicher Grösse, aber weit kleiner 
als jene. Die Vesicula seminalis ist eine runde, 1'/, mm im Durch- 
messer betragende Blase, welche an einem dünnen, 3 mm langen Stiele 
sitzt. Receptaculum seminis sitzend. Vas deferens-Anfangstheil dick, 
lang, stark verknäuelt. Der eigentliche Penis hat eine Länge von 
5 mm, sein Retractor misst 4 mm und heftet sich etwas vor dem 
Vorderende des Herzbeutels an. Der Endsack des Penis erreicht 2 mm 
und besitzt einen besondern Retractor. Am Penis kann man einen 
vordern Abschnitt von etwas über 1 mm Länge und einen hintern 
unterscheiden. Der erstere ist hier, wie bei Oncis lata, weich, ohne 
Zahnbesatz, während letzterer in der typischen Weise von einem 
Chondroidrohr, dessen Zellen in 2—3 Lagen angeordnet sind, ge- 
stützt wird. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 201 


II. Die Gattung Oncidiella. 


24. Oncidiella maculata n. sp. (Fig. 4, 101). 
Zahlreiche Exemplare von Angra Pequena. 


Grösse, Gestalt: Das grösste Exemplar hatte 11 mm Länge, 
8';, mm Körperbreite, 6 mm Höhe, 5 mm Fussbreite (Fig. 4). Das 
kleinste Individuum war stark nach der Sohlenfläche zusammenge- 
krümmt und daher ungewöhnlich gewölbt; seine Maasse waren: Länge 
8 mm, Kôrperbreite 6!/, mm, Fussbreite 3 mm, Höhe 4 mm. Hyp 
(je nach dem Contractionszustand) = '/, bis fast 1/, 8. — Die Ge- 
stalt ist oval, auch die (in Alkohol) ausgestreckten Thiere sind ziem- 
lich stark gewölbt, während diejenigen, welche sich contrahirt haben, 
halbkuglig erscheinen. Der Mantelrand ist, den Ausmündungsstellen 
der grossen Drüsen entsprechend, gekerbt (Fig. 101), und obwohl die 
Kerben bei vielen Individuen nur schwach ausgeprägt sind, fallen sie 
doch sehr ins Auge, weil sich an sie je ein flacher, hellgelb oder weiss- 
lich gefärbter Höcker, welcher eben jene Drüsen in sich birgt, an- 
schliesst. Die Zahl derselben schwankt zwischen 20 und 24; sie stehen 
etwa 1 mm auseinander. 


Hautsculptur: Der Rücken ist glatt oder sehr feinkörnig; 
die grössern weissen Flecke erheben sich als flache Warzen. — Die 
Hyponota (Fig. 4) zerfallen in ein äusseres und ein inneres Feld. Es 
läuft nämlich von den Löchern der eingestiilpten Tentakel (2) jeder- 
seits eine zarte Falte (a), welche wir oben die Hyponotallinie genannt 
haben, bis zum Athemloch. Die Fussrinne der rechten Seite ist hier- 
von verschieden und liegt nach innen von ihr und dem Fusse so dicht 
angeschmiegt, dass sie bei Betrachtung der Ventralfläche zunächst 
nicht ins Auge fällt, da sie von dem vorspringenden Fussrande ver- 
deckt wird. Das Aussenfeld des Hyponotums ist ungefähr 4mal so 
breit wie die Innenzone und ganz dicht mit sehr kleinen hellen Wärz- 
chen besetzt, die nur unter der Lupe zu bemerken sind und die Oeff- 
nungen von Drüsen darstellen. — Augen fehlen auf dem Rücken. 


Färbung: Die Grundfarbe des Rückens ist bei den meisten 
Exemplaren schieferblau, bei einigen auch grau oder hellbräunlich; 
auf derselben vertheilen sich grosse zusammenhängende weissliche 
Flecken und Bänder in der mannigfaltigsten Weise. Sehr häufig zieht 
ein solcher heller Streifen über die Mittellinie des Rückens und wird 
zuweilen so gross, dass er das ganze Mittelfeld oder asymmetrisch dessen 
eine Seitenhälfte einnimmt, Auf der ganzen Mantelfläche stehen ausser- 


202 LUDWIG H. PLATE, 


dem zahlreiche kleine weisse Flecke in !/,—1 mm Entfernung von 
einander und zwischen ihnen, aber viel enger zusammen, winzige, mit 
blossem Auge eben sichtbare Pünktchen (Fig. 101). — Die Unterseite 
ist hellgelblich gefärbt, die Sohle ein klein wenig dunkler als die Hypo- 
nota. Ein dunklerer Ton, der sehr verschieden stark ausgebildet sein 
kann, erstreckt sich vom After nach aussen zum Rande. Ebenso ist 
das Stirnfeld dunkel gefärbt. 

Lage der Oeffnungen: After von der Fusspitze verdeckt. 
Athemloch median, seine Entfernung '/,. Männliche Geschlechtsöff- 
nung nach aussen und etwas hinter dem rechten Tentakel. Die Fuss- 
rinne ist sehr deutlich und setzt sich nach hinten bis zum After fort; 
trotzdem fällt die weibliche Geschlechtsöffnung (Fig. 47 ov) nicht 
mit dem After zusammen. 

Peritoneum unpigmentirt. Radula 105, 1, 105. Die Gestalt der 
Zähne (Fig. 22) ist wenig charakteristisch. Der Rhachiszahn ist durch 
einen langen Mittelfortsatz ausgezeichnet. Kein Kiefer. Die linke Leber 
ist beträchtlich grösser als die rechte; die Hinterleber ist ganz klein, 
fast rudimentär. Auf die Besonderheiten im Bau der Niere, ihr ausser- 
ordentlich grosses, die Lungenhöhle fast vollständig erfüllendes Volumen 
und auf den Mangel innerer Lamellen, bin ich im 3. Capitel des ver- 
gleichend-anatomischen Theiles dieser Abhandlung näher eingegangen. 
Eine Vesicula seminalis fehlt als besonderer Anhang, dagegen ist in 
der untern Hälfte des Zwitterganges eine kleine Anschwellung (Fig. 52 
Ves. sem.) vorhanden, die vermuthlich als Samenblase fungirt. Die 
beiden Eiweissdrüsen machten den Eindruck, als ob sie aus einem 
dicht verknäuelten Drüsenschlauche beständen. Der Spermoviduct mit 
grossem, hohlem Anhang (app). Oviduct dick und kurz, mit schlauch- 
förmiger, zarter Anhangsdrüse (gl) und grossem, langgestieltem Recepta- 
culum seminis. Penis (Fig. 68) sehr einfach, 3 mm lang, mit zahl- 
reichen Concretionen. Retractor ebenso lang, Insertion II. 


25. Oncidiella celtica Cuv. 

7 Exemplare von Polperro, Kiiste von Cornwall (Berliner und 
Britisches Museum). 

Der ausführlichen Schilderung von Joyeux-LAFFUIE (1) sei Folgen- 
des hinzugefiigt. Die Hyponotallinie ist auch hier in typischer Aus- 
bildung vorhanden und grenzt ein inneres, gelblich gefarbtes Feld der 
Hyponota von dem grau-blauen äussern ab. Das innere stimmt in 
der Färbung mit der Fussohle überein. Fiscuer u. Crosse (21, p. 688) 
geben an, dass die Thierchen bis zu 27 mm lang werden. Meine 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 203 


Exemplare waren (im etwas zusammengezogenen Zustande) nicht länger 
als 10 mm, aber dennoch völlig geschlechtsreif. Hyp an den Körper- 
seiten = S oder noch etwas breiter. — Mit Kiefer. Der Chylusmagen 
und der kleine Blindsack des Magenendabschnittes sind von FISCHER 
u. CROSSE richtig erkannt worden, während Joyeux-LAFFUIE sie über- 
sehen hat. Auch eine Gallenrinne ist vorhanden. Rechte und linke 
Vorderleber ungefähr gleich gross, Hinterleber etwas kleiner. Niere 
und Lunge zeigen dieselben abweichenden Verhältnisse wie die vorher- 
gehende Art. Das Peritoneum ist schwärzlich pigmentirt. 


26. Oncidiella acerensis n. sp. (Fig. 100). 

Zahlreiche Exemplare aus Akkra, durch BucHhHoLz gesammelt 
(Berliner Museum). 

Gestalt, Grösse: Die Thiere sind fast sämmtlich stark nach 
der Bauchseite zusammengekrümmt und erscheinen dadurch sehr hoch. 
Das grösste Exemplar misst in diesem Zustande: 12 mm in der Länge, 
10 mm in der Breite, 6 mm in der Höhe. Umriss oval. Der Fuss 
ist 5 mm breit. Hyp = ‘|, S oder noch etwas schmäler. Vor dem 
Kopf wird Hyp halb so breit, hinter dem Fuss tritt keine Ver- 
kürzung ein. 

Mantelsculptur: Der Rücken (Fig. 100) ist über und über 
mit grossen, glatten Warzen von 1 mm Durchmesser bedeckt, die auf 
dem Mittelfelde etwas weiter auseinander stehen als am Rande. Zahl- 
reiche kleinere Warzen, die sich dem unbewaffneten Auge entziehen, 
sitzen zwischen den grössern. Der Mantelrand ist überall gleichmässig 
fein gekerbt; ein Alterniren von grössern und kleinern Kerblappen, 
wie es sonst bei den Oncidiellen meist beobachtet wird, liess sich hier 
nicht constatiren, vielleicht nur weil die mit den grossen Drüsen ver- 
sehenen Zipfel sich stärker zusammengezogen hatten. Die Unterseite 
des Mantels nach aussen von der Hyponotallinie ist, wie gewöhnlich 
in dieser Gattung, dicht mit ganz kleinen Wärzchen besetzt, nach 
innen hingegen glatt. — Die Rückenhaut ist ziemlich dünn, noch nicht 
1/, mm stark. 

Die Färbung des Rückens ist sehr unansehnlich, ein bläuliches 
Grau, das auf dem Mittelfelde lichter wird; zuweilen wird sie auch 
schmutzig-grau oder schwärzlich. Die Hyponota sind graublau oder 
grau, die Fussohle gelblich. 

Lage der Oeffnungen: After frei oder verdeckt. Athemloch 
median mit der Entfernung 1/,—1/,. Geschlechtsöffnungen typisch. 
Peritoneum unpigmentirt. Kein Kiefer. Die Zungenpapille ist äusser- 


204 LUDWIG H. PLATE, 


lich kaum bemerkbar. Radula 78, 1, 78. Der erste Pleuralzahn ist 
klein, nur halb so gross wie der Rhachiszahn ; der dritte bis zwölfte 
sind die grössten von allen Pleuralzähnen, indem diese nach aussen 
zu kleiner werden. Die Seitenzähnchen fehlen den 5 äussersten Pleural- 
zähnen. Chylusmagen sehr klein. Rechte Vorderleber am grössten, 
linke etwas kleiner, Hinterleber nur halb so gross wie letztere, aber 
immerhin noch gut entwickelt. Die symmetrisch gestaltete Athem- 
kammer wird von einem gut ausgebildeten Gefässnetz bedeckt. Niere 
ähnlich wie bei Oncidium, mit einer Anzahl hoher Falten. Die Vesi- 
cula seminalis ist schlauchförmig. An den beiden weisslich - gelben 
Eiweissdrüsen liess sich eine Verknäuelung nicht bemerken. Oviduct 
und Vas deferens - Anfangstheil kurz und gerade verlaufend. Recepta- 
culum seminis gross, mit langem Stiel. Der Penis ist sehr zart, 2 mm 
lang und geht, wie bei Onc. maculata (Fig. 68), ganz allmählich in 
den Endsack über, so dass man beide Abschnitte nicht scharf trennen 
kann. Der Retractor (2 mm) heftet sich 1 mm vor dem Vorderende 
des Herzens an (Insertion I). Im Penis wie auch im Vas deferens 
lagen zahlreiche, winzige Kalkkörnchen, eigentliche, in Epitheltaschen 
befindliche Concretionen fehlten jedoch an dem einen hieraufhin unter- 
suchten Exemplar vollständig, wahrscheinlich weil dasselbe noch nicht 
geschlechtsreif war. 


27. Oncidiella pachyderma n. sp. 


2 Exemplare von Victoria, durch BucHHOoLZ gesammelt (Berliner 
Museum). 

Gestalt, Grösse: Diese Art steht äusserlich der vorigen sehr 
nahe, aber die Rückenhaut ist viel dicker, 1 mm oder noch etwas mehr. 
Das grössere Exemplar zeigte folgende -Maasse: Länge 12, Breite 9, 
Höhe 6 mm. Breite der Sohle 5 mm. Hyp = !, 8. 

Die Sculptur der Rückenfläche und die Ausbildung des Mantel- 
randes ist dieselbe wie bei der vorigen Art, so dass man beide für 
identisch halten könnte, nur sind die grossen Warzen in der Mehrzahl 
conisch zugespitzt und stehen auf dem Mittelfelde ebenso dicht wie 
am Rande. 

Färbung des Rückens gleichförmig schmutzig-braun mit rost- 
gelblichem Anfluge; die Randlappen und die grössern Papillen zeigen 
diesen Anflug am deutlichsten. Hyponota blass röthlich-gelb, während 
die Fussohle ebenso, aber intensiver, mehr rostgelb gefärbt ist. An 
der verschiedenen Färbung der Hyponota lassen sich One. accrensis 
und pachyderma sofort unterscheiden. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 905 


Lage der Oeffnungen: After verdeckt. Athemloch median, 
1/,—1/, Entfernung. Geschlechtsöffnungen typisch. 

Peritoneum unpigmentirt. Die Zungenpapille springt am Pharynx 
weit vor. Radula 83, 1, 83. Die innersten Pleuralzähne sind auch 
hier die grössten. Alle drei Leberportionen sind ungefähr von gleicher 
Grösse, höchstens ist die Hinterleber etwas kleiner als die beiden 
andern. Chylusmagen ausserordentlich klein. Lungenhöhle und Niere 
wie bei voriger Art. Die Zwitterdrüse ist braunroth gefärbt. Die 
Geschlechtsorgane stimmen in allem Uebrigen mit der vorigen Art 
überein. 


28. Oncidiella reticulata SEMPER. 


4 Exemplare, die SemPEr’schen Originale, von Sydney (Berliner 
Museum). 

Der ziemlich ausführlichen Semper’schen Beschreibung sei Folgen- 
des hinzugefügt. Die Rückenhaut ist sehr dünn. Hyponota an den 
Seiten ca. !/, S, bald etwas mehr, bald etwas weniger. Die Hyponotal- 
linie ist sehr deutlich und läuft von den Fühlern bis zum Athemloch. 
Das von ihr eingesäumte Feld ist glatt, während der Rand des Hypo- 
notums unter der Lupe sehr feinkörnig erscheint. Die Poren der 
grossen Drüsen sind mit der Lupe zu erkennen. Den Ausführgängen 
derselben entsprechen radiale hellgelbliche Streifen, die sich von dem 
schwärzlichen Untergrunde des Rückens scharf abheben (Schreckfarben?). 
Das Mittelfeld des Rückens ist manchmal heller gefärbt und kann 
dann, indem dunklere Streifen sich vom Rande auf dasselbe fortziehen, 
die von SEMPER erwähnte netzförmige Zeichnung aufweisen. Die ganze 
Unterseite ist gelblich gefärbt, die Sohle noch etwas intensiver, ins 
Rostgelbe überspielend, als die Hyponota. Kopf klein, hellgelblich. 
After verdeckt, Athemloch median, mit Entfernung +/,. 

Peritoneum unpigmentirt. Situs der Darmschlingen nach Typus III 
(Fig. 32), aber mit der Modification, dass der Bogen int? mit seiner 
Spitze nach vorn (nicht nach der Seite) gewandt ist. Zungenpapille 
am Pharynx stark vorspringend. Radula 100, 1, 100. Das Mittel- 
zähnchen des Rhachiszahns ist stark verlängert. Rechte und linke 
Vorderleber ungefähr gleich gross, Hinterleber sehr viel kleiner. Die 
Lungenhöhle mit reich entwickeltem Gefässnetz. Niere mit der typischen 
Faltenbildung, aber dadurch abweichend, dass der rückläufige Nieren- 
schenkel über dem Hauptabschnitte des Organs liegt. Die Vesicula 
seminalis fehlt. Der eigentliche Penis lässt sich auch hier von dem 
Endsack kaum trennen. Auf den ersten Blick (Fig. 69) freilich könnte 


206 LUDWIG H. PLATE, 


es scheinen, als ob der dünne, 4 mm lange Abschnitt (pe‘) als Penis, der 
davor gelegene dicke und noch einmal so lange als Endsack zu deuten 
seien. Aber bei Oncidiella carpenteri ist pe’ kaum vorhanden, da das 
Vas deferens direct in den weiten Canal einmündet; es würde also 
in diesem Falle das Begattungsorgan nur aus dem Endsack bestehen, 
was doch schwerlich anzunehmen ist. Ich rechne deshalb auch noch 
die hintere, in der Regel durch einen Knick abgesetzte Hälfte (pe) des 
weiten, vordern Abschnittes zum Penis, zumal hier die hellen Con- 
cretionen massenhaft vorkommen, während sie im Endsack fehlen oder 
nur vereinzelt angetroffen werden. Pe läuft am Hinterende in einen 
kleinen Blindsack (bl) aus, der besonders dicht mit Concretionen erfüllt 
ist und beim hervorgestülpten Organ als Reizpapille wirkt. Wo pe’ 
das Vas deferens aufnimmt, befindet sich eine zweite Erweiterung. 
Der Retractor ist sehr kurz, heftet sich aber wegen der Länge des 
Penis dennoch im hintersten Winkel der Leibeshöhle an. 


29. Oncidiella borealis Daun. 


5 Exemplare von Alaschka (Berliner Museum). 

Darr’s (17, p. 135) kurze Beschreibung des Habitus, die auch 
von SEMPER nicht erweitert worden ist, erwähnt manche Einzelheiten 
nicht, die zum sichern Erkennen der Art nothwendig sind. Gestalt 
oval, bei etwas zusammengezogenen Exemplaren ist der Rücken stark 
gewölbt. Das grösste der mir vorliegenden Individuen muss, ausge- 
streckt, folgende Maasse besessen haben: Länge 11, Breite 6, Höhe 
4 mm. Breite des Fusses etwas über 3 mm, Hyp = 1/, 8. Der 
Mantelrand ist mit ca. 25 grossen, conischen Papillen besetzt, die ihn 
gekerbt erscheinen lassen. Hyponotallinie deutlich, nach aussen von 
derselben sind die Hyponota sehr fein gekörnelt, nach innen glatt. 
Kopf und Lippensegel verhältnissmässig gross. Hinsichtlich der Färbung 
ist hinzuzufügen, dass die dunkle Farbe des Rückens sich auch auf 
die Hyponcta, bis an die Hyponotallinie ausdehnt. Nach innen von 
derselben ist die ganze Unterseite hell gefärbt. Kopf auf der Stirn 
dunkel, alles Uebrige hell. After verdeckt. Athemloch median, in der 
Entfernung !/,. 

Peritoneum schwärzlich wegen des durchscheinenden Pigments. 
Mit Kiefer. Radula 88, 1, 88, während Binney (25) nur 61, 1, 61 
angiebt. Die innersten Pleuralzähne (mit Ausnahme der ersten drei) 
sind die grössten und nehmen nach aussen an Länge ab. Der Mittel- 
haken des Rhachiszahns übertrifft die seitlichen an Länge, falls er 
nicht abgenutzt ist. Linke Vorderleber am grössten, rechte kleiner, 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 207 


Hinterleber noch kleiner. Vesicula seminalis ein ganz kleiner, schlauch- 
formiger Anhang. Semrer’s Schilderung von dem Penis kann ich be- : 
stätigen. Niere und Lungenhöhle wurden auf Schnitten untersucht. 
Die Gefässe, welche die Lunge ausmachen, sind zwar vorhanden, aber 
sie springen nicht über die Oberfläche der Wandung vor, obwohl das 
Gewebe nicht in besonderem Maasse contrahirt ist. Die Niere zeigt 
die Lamellen in der linken Hälfte in der gewöhnlichen Weise, in der 
rechten fehlen sie hingegen in dem obern, über dem rückläufigen 
Schenkel gelegenen Hauptschlauche. Es spricht sich also hierin und 
in der geringen Ausbildung der Lungengefässe der erste Schritt zu 
jener Umbildung aus, die wir bei Oncidiella celtica und maculata 
kennen gelernt haben. ‘ 


30. Oncidiella obscura n. sp. 

2 Exemplare von Urville Island, Neu-Seeland, gesammelt durch 
Finscu (Berliner Museum). 

Ich glaubte Anfangs in dieser Art das Oncidium mgricans von 
Quoy u. Garmarp (10, p. 214) vor mir zu haben. Die sehr knappe 
Diagnose dieser Art lautet: „Onchidium corpore minimo, ovali, desuper 
carinato, toto nigro; tentaculis apice tuberculatis“. Aus der Zeichnung 
scheint hervorzugehen, dass der Rücken mit kleinen Warzen bedeckt 
ist und dass am Mantelrande 18 weisse Flecken, welche kleinen Kerb- 
lappen entsprechen, stehen. Die Länge soll 3 Linien (= 6,75 mm) 
betragen. Heimath: Neu-Seeland. Die mir vorliegenden Thiere sind 
nun weit grösser, ihr Rücken ist glatt, es fehlt auch jede Spur einer 
Carina, und deshalb halte ich mich für berechtigt, sie als neue Art 
anzusehen. 

Gestalt oval. Länge 14'/,, Breite 11, Höhe 6 mm. Fuss 5 mm 
breit. Hyp = */,—3/, S, vor dem Kopf und hinter dem Fuss ver- 
schmälert sich Hyp. Der Kopf ist klein. 

Sculptur: Der Rücken ist ganz glatt. Die Kerbung des Mantel- 
randes ist an dem einen Thier sehr verwischt. Hyponotallinie deut- 
lich; das nach aussen von ihr liegende Feld des Hyponotums ganz glatt. 

Färbung: Die Grundfarbe des Rückens ist schwarz. Auf der- 
selben vertheilen sich überall ganz kleine, milchweisse Punkte, die 
nur mit der Lupe sichtbar sind, und grössere, die schon mit blossem 
Auge beobachtet werden können. Dazu kommen grosse, unregelmässige, 
gelblich-weisse Flecken und Binden und geben dem Rücken ein ge- 
sprenkeltes Aussehen. Diese Binden haben vielfach im Centrum eine 
dunklere Stelle und in deren Mitte einen der grösseren milchweissen 


208 LUDWIG H. PLATE, 


Punkte. Bei dem einen Exemplar treten die hellen Partien den dunklen 
‘ gegenüber mehr zurück als bei dem andern. Am Mantelrande stehen 
in regelmässigem Abstande (2 mm) von einander 19 gelblich-weisse, 
radiale, kurze Streifen, welche den Manteldrüsen in ihrer Lage ent- 
sprechen. Bei dem dunklen Exemplar sind sie nur schwach ausge- 
prägt. Stirn schwärzlich. Unterseite nach aussen von der Hyponotal- 
linie hell gelblich-weiss, nach innen zu wird das Gelb intensiver. 

After verdeckt. Athemloch median, in der Entfernung 1/,. 

Peritoneum unpigmentirt. Radula 104, 1, 104. Mittelhaken des 
Rhachiszahns verlängert. Die Pleuralzähne nehmen von innen nach 
aussen nur wenig an Grösse ab. Kein Kiefer. Linke Vorderleber 
etwas grösser als die rechte. Hinterleber ganz klein, fast rudimentär. 
Chylusmagen so klein, dass er sich äusserlich nicht abhebt. Die Niere, 
wie bei Onc. reticulata, mit oberem rückläufigen Schenkel. Vesicula 
seminalis klein, schlauchförmig. Receptaculum seminis gross, mit 
dickem Stiel. Der Oviduct zerfällt ähnlich wie bei Oncidium aberrans 
(Fig. 54) in einen dünnen hintern und einen viel dickern vordern 
Abschnitt. Wo beide zusammenstossen, mündet das Receptaculum ein. 
Der Penis ist genau so gebaut wie bei Onc. reticulata (Fig. 69), nur 
erscheinen die Concremente bei durchscheinendem Lichte schwarz. 
Endsack + pe 6 mm, pe’ 41/, mm lang. Retractor sehr klein, mit 
Insertion III. 


IV. Die Gattung Oncidina. 


31. Oncidina australis GRAY-SEMPER. 


Gestalt lang-oval, an beiden Enden gleichmässig abgerundet. 
Die Lippensegel sind sehr gross und legen sich hakenförmig gekrümmt 
um die beiden Vorderecken des Fusses. Die Fühler können nicht 
völlig eingestülpt, sondern nur, wie bei Oncis montana, an der Spitze 
etwas eingezogen werden. — Ein mittelgrosses Exemplar zeigte folgende 
Maasse: Länge 30, Breite 13 mm. Breite des Fusses 8 mm, der 
Hyponota an den Seiten 21/,—3 mm; demnach Hyp = !/, S. Vor 
dem Kopf bleibt die Breite des Hyp dieselbe, hinter dem Fuss ver- 
ringert sie sich etwas. Hinsichtlich der Mantelsculptur und der Fär- 
bung habe ich der Semper’schen Schilderung nichts hinzuzusetzen. 
Augenflecke fehlen auf dem Rücken. — Afterpapille von der Fuss- 
spitze verdeckt. Das Athemloch ist stark nach rechts verschoben, 
seine Entfernung vom After '/,. Männliche Geschlechtsöffnung rechts 
neben und etwas unter dem rechten Tentakel. — Peritoneum unpig- 


Br 
ee 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 209 


mentirt. Schlundkopf langgestreckt (61/, mm), niedrig, mit weit vor- 
springender Zungenscheide (Fig. 13). Kein Kiefer. Radula mit un- 
gefähr 70 Zähnen in jeder Querreihe. Dies ist eine verhältnissmässig 
niedrige Zahl, aber dafür sind dieselben auch ungewöhnlich gross und 
breit. Ihre Gestalt (Fig. 24) ist sehr charakteristisch, so dass diese 
Art die einzige unter allen mir bekannten Oncidiiden ist, welche man 
an der Radula sofort erkennen kann. SEMPER’s Abbildung der Zähne 
stimmt sehr wenig; ich vermuthe, dass ihm vielleicht in Folge von 
Etiquettenverwechslung bei Anfertigung derselben gar keine Radula 
von Oncidina, sondern von irgend einer andern Art vorgelegen hat, 
denn die unregelmässigen und weit nach vorn vorspringenden Basal- 
platten, welche er an den Pleuralzähnen zeichnet, fehlen hier voll- 
ständig. Die Gestalt des Rhachiszahnes mit seinen niedrigen Haken 
ist aus meiner Abbildung ersichtlich. An den Pleuralzähnen ist das 
Seitenzähnchen (A) überall nur als ein niedriger, abgerundeter oder 
ganz zu äusserst auch wohl eckiger Höcker ausgebildet. Der Haupt- 
zahn ist breit-dreieckig, mit grosser, gebogener Innenkante und kürzerer, 
steil abfallender Aussenlinie. Der Oesophagus erweitert sich beträcht- 
lich, nachdem er den Nervenring passirt hat, und schiebt sich zwischen 
die beiden Vorderleberportionen. Chylusmagen sehr klein, wie bei 
den Oncidiellen. Lagerung der Darmschlingen nach Typus II. Ober- 
leber noch einmal so gross wie die Unterleber; Hinterleber von der 
halben Grösse der letzteren. Der letzten Strecke des Enddarms sitzt 
eine schlauchförmige Rectaldrüse an, die zuerst gerade nach vorn 
läuft, dann in spitzem Winkel nach hinten umbiegt. Lungenhöhle 
asymmetrisch (Fig. 35), fast vollständig auf der rechten Seite liegend, 
wie schon SEMPER richtig angegeben hat. Die Niere ist wie bei Oncidium 
dicht mit Lamellen im Innern besetzt, entbehrt aber eines rückläufigen 
untern Schenkels. Herzbeutel hinter der Körpermitte; an der Innenwand 
desselben ist die vordere, neben dem Ventrikel liegende Hälfte ver- 
dickt (s). — An den hintern Geschlechtsorganen ist mir das Verhalten 
der Eiweissdrüsen, die zu einer grossen, bröckligen Masse verklebt 
waren, unklar geblieben. Der Zwittergang (Fig. 51 zg) setzt sich mit 
seiner drüsigen Verdickung auf die Gabeläste erster und zweiter Ord- 
nung fort. Die Vesicula seminalis ist eine kleine, gestielte Blase. 
Der Spermoviduct ist sehr kurz, hinten kugelförmig angeschwollen, 
mit grossem, faltenreichem, geknicktem Uterusanhang (app). Spiral- 
gänge fehlen. Oviduct und Vas deferens sind verhältnissmässig lang; 
ersterer trägt ein sitzendes Receptaculum seminis, wird gegen die 


Mündung hin allmählich dicker und nimmt ganz vorn noch eine schlauch- 
Zool. Jahrb, VI, Abth. f, Morph. 14 


210 LUDWIG H. PLATE, 


formige Anhangsdriise (gl) auf. Er bohrt sich, wie schon SEMPER 
beobachtet hat, etwas vor der Vulva in die Fussmusculatur ein (Fig. 
35 ov) und zieht eine kleine Strecke in dieser und neben der Lunge 
nach hinten. Der zarte Anfangstheil des Vas deferens verknäuelt sich 
ein wenig und tritt mit dem Oviduct in die Haut ein. Der Penis 
(Fig. 35) ist ungefähr 11/, mal so lang wie der Körper und beschreibt 
daher in der Leibeshöhle mehrere Windungen. Seine Structur hat 
SEMPER in einer eingehenden Schilderung erörtert, die ich bestätigen 
kann. Der kurze Retractor mit Insertion ILI. 


V. Gattung: Peronina n. g. 


32. Peronina alta n. sp. 


1 Exemplar aus Indien, wahrscheinlich von Madras (Britisches 
Mus.). 

Gestalt oval. Der Kopf (Fig. 1) ragt 2 mm weit frei unter 
dem Mantel hervor, obwohl das Thier sich beim Absterben etwas zu- 
sammengezogen hat. Länge des Thieres 24, des Mantels 22 mm; 
grösste Breite des Körpers 15, des Fusses 13!/, mm, so dass also 
dieser nur ganz wenig von den Hyponota überragt wird. Dies wird 
dadurch bedingt, dass die Hyponota, deren grösste Querausdehnung 
in der Mitte des Körpers ca. 5 mm beträgt, steil, fast senkrecht vom 
Fuss aus emporsteigen. Grösste Höhe 11 mm. 

Hautsculptur: Der Mantel ist sehr weich. Seine ganze Fläche 
ist dicht mit Granula bedeckt, unter denen man 3 verschiedene Sorten 
unterscheiden kann. Erstens grosse, runde, flache Höcker von ca. 
1 mm Durchmesser, die sehr unregelmässig vertheilt sind, so dass sie 
bald eng beisammen, bald 2—3 mm von einander sitzen. Unter der 
Lupe erweist sich auch ihre Oberfläche sehr zart granulirt. Einige 
von ihnen tragen auch Augenflecke, die in einer kleinen centralen 
Grube sitzen, und zwar finden sich drei derartige Papillen in der Nähe 
des Vorderrandes, zwei in der Nähe des Hinterrandes, eine im Centrum 
des Mittelfeldes. Die letztere enthält 2 Augenflecke, die übrigen je 
einen. Andere Augen ausserhalb des Mittelfeldes habe ich nicht ge- 
sehen. Zweitens finden sich auf dem Rücken kleinere, aber ebenso 
gebildete Tuberkel, die mit blossem Auge noch deutlich sichtbar sind ; 
drittens ganz kleine Körnchen, die nur mit der Lupe erkannt werden 
können. Die Hyponota und die Oberseite des ungefähr 2 mm breiten 
Fussrandes sind glatt. 

Färbung: Der Mantel ist blaugrau mit einzelnen verwaschenen 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. Dial 


hellen Flecken; er wird am Rande von einem 1/,—1 mm breiten hell- 
gelblichen Saume eingefasst (Fig. 1, 102). Nach innen von diesem, 
zum Theil auch auf ihn übertretend, verläuft eine schmale Zone von 
zerstreuten, sehr kleinen, tiefschwarzen Punkten und strichförmigen 
Flecken (Fig. 102). Aus dieser Zeichnung geht auch hervor, dass die 
Granula erster Ordnung (7) nicht ganz bis an den Rand hinantreten ; 
bei den meisten derselben ist der Rand blauschwarz, die Mitte lichter 
gefärbt. Die Vertheilung von Hell und Dunkel kann auf diesen Warzen 
aber auch ganz unregelmässig sein. Der Kopf, die Hyponota und die 
Rückenfläche des Fussaumes sind grau gefärbt. Ueber die Mediane 
des Kopfes läuft ein etwas hellerer Streifen. Die hellgelbliche Fuss- 
sohle ist lichter gefärbt als irgend eine andere Körperregion. 


Lage der Oeffnungen: Afterpapille verdeckt (Fig. 1 an). 
Athemloch (atl) median, 2 mm von derselben entfernt, unmittelbar 
am Rande des Hyponotums. Sehr bemerkenswerth ist die Lage der 
weiblichen Geschlechtsöffnung; sie (2) liegt 5 mm, !/, der Körper- 
länge, vor dem After, und an derselben beginnt auch erst, wie ge- 
wöhnlich, die Fussrinne. Die männliche Geschlechtsöffnung (¢) liegt 
rechts neben dem rechten Tentakel und 21/, mm tiefer als dieser, aber 
in derselben, auf der Fussfläche senkrecht stehenden Ebene, die man 
sich durch beide Fühler gelegt denken kann. Wie schon oben erwähnt 
wurde, ist diese Oeffnung doppelt, indem Penis und Penisdrüse dicht 
neben einander ausmünden. 


Peritoneum unpigmentirt. Schlundkopf sehr klein und gedrungen 
(Fig. 14). Die Zungenscheide ist so winzig, dass sie kaum über die 
Oberfläche vorspringt. Auch die Speicheldrüsen sind kleiner als ge- 
wöhnlich (sal). Radula: ca. 100, 1, 100. Ihre Gestalt ist aus Fig. 25 
ersichtlich. Die Seitenzähnchen sind an den Pleuralzähnen überall 
(mit Ausnahme der alleräussersten) gut entwickelt. Die Hauptzähnchen 
derselben werden nach aussen zu immer schmäler und länger, so dass 
die letzten 25—30 Pleuralzähne linealförmige Blätter besitzen. Kein 
Kiefer. Lagerung der Darmschlingen II. Alle Magenabschnitte gut 
ausgebildet. Die Gallenrinne läuft im Endabschnitt in eine dreieckige 
Falte aus. Ober- und Hinterleber ungefähr gleich gross, Hinterleber 
sehr klein, noch nicht halb so gross wie der Muskelmagen. Lungen- 
höhle symmetrisch, mit gut entwickeltem Gefässnetz. Niere dicht mit 
Lamellen im Innern besetzt, wie bei Oncidiwm, mit kurzem rückläufigem 
Schenkel; beide Organe sind gelblich gefärbt. Der Herzbeutel reicht 
bis zur Mittellinie heran, sein Septum ist schwach ausgebildet, als ein 

14* 


2119 LUDWIG H. PLATE, 


schmaler dorso-ventraler Streifen am Hinterrande. — Die hintern 
Geschlechtsorgane mit Spiralgang. Die verdickte Partie des Zwitter- 
ganges setzt sich auf die Gabeläste fort. Die Vesicula seminalis ist 
eine eiformige Blase von 31/, mm, die an einem kurzen Stiel sitzt. 
Receptaculum seminis sitzend. Oviduct und Vas deferens sind sehr 
kurz und treten einige mm vor dem hintersten Winkel in die Haut 
ein, entsprechend der Lage der Vulva. Zwischen dem Penis, der mit 
Retractor nur 5 mm lang ist, und der riesigen Penisdrüse (220 mm) 
besteht ein merkwürdiges Missverhältniss (Fig. 72, 73). Der Endsack 
des Penis ist grösser als das eigentliche Begattungsorgan, dessen vor- 
derer Abschnitt (0,198 mm Länge) 13—15 Chondroidzähne (Fig. 61) 
von 0,056 mm Höhe aufweist, die zu 4 Ringen unregelmässig ange- 
ordnet sind. Jeder derselben enthält zahlreiche kleine Zellen. Das 
hintere Ende des Penis birgt ein Chondroidrohr von 0,792 mm Länge, 
dessen Zellen in 2—3 Schichten neben einander liegen. Die Penis- 
drüse ist dreitheilig. Der Stachelabschnitt wird von einem dicken, 
kegelförmigen Muskelmantel umhüllt und springt kegelförmig in den 
Endsack vor (Fig. 72). Die so entstehende Papille (pap) trägt auf ihrer 
Spitze noch einen brustwarzenähnlichen Aufsatz mit centraler Oeffnung, 
durch welche der Stachel hervorgetrieben wird und um die herum 
zahlreiche weisse Pünktchen (Drüsen ?) beobachtet werden. Der Stachel 
ist fast 2 mm lang, spitzt sich nach vorn allmählich zu und endet 
vorn quer abgestutzt (Fig. 74). Eigentliche Chondroidzellen habe ich 
in ihm nicht wahrgenommen. Unter der äussern, derben Cuticula 
(cut. ext.) liegt eine feinkörnige Schicht, in der ich Kerne wahrzu- 
nehmen glaube. In ihr liegen auch zahlreiche quere Ringfasern (rm). 
Darauf folgt nach innen diejenige Schicht, welche die Hauptmasse des 
Stachels ausmacht. Sie ist längsfaserig, und die Fasern gehen in die 
Musculatur der kegelförmigen Partie über. Zu innerst liegt eine 
zarte Cuticula (cut. int.), der vielleicht ebenfalls eine zarte Proto- 
plasmaschicht mit Kernen anliegt. Wenigstens könnte man gewisse 
Elemente so deuten, wenn sich auch ein sicherer Nachweis nicht er- 
bringen lässt, da die Farbstoffe nicht eindringen. 


Wy 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 213 


Dritter Abschnitt. 


Die systematische Stellung und die phylogenetische 
Bedeutung der Oncidiiden. 


Ueber die Verwandtschaftsbeziehungen der.Oncidiiden sind fast 
ebenso viel verschiedene Ansichten geäussert worden, wie Untersuchungen 
über den Bau derselben angestellt worden sind. Sie lassen sich in 
zwei Gruppen sondern, je nachdem eine Zugehörigkeit zu den Nudi- 
branchiern (DE BLAINVILLE, Brock, 38) oder zu den Pulmonaten 
(Cuvier, FÉRuSsAC und zahlreiche ältere Autoren, neuerdings SEMPER, 
BERGH, JOYEUX-LAFFUIE und — wenn auch nur in bestimmter Be- 
schränkung — v. JHERING) behauptet wurde. Wie man sieht, hat die 
letztere Anschauung immer die Majorität für sich gehabt, und sie 
ist namentlich stets von denjenigen Forschern vertreten worden, welche 
die Oncidiiden aus eigenen Untersuchungen kannten. Die Oncidiiden 
sind daher auch in allen Lehrbiichern an die Seite der Pulmonaten 
gestellt worden. Wenn nun auch nach dieser Richtung hin eine fast 
vollstandige Uebereinstimmung der Meinungen herrscht, so gehen doch 
die Ansichten tiber die engeren Verwandtschaftsbeziehungen weit aus- 
einander. SEMPER und BERGH sehen in den Oncidiiden aberrante 
Formen, welche das eine Ende einer bestimmten Entwicklungsreihe 
der Stylommatophoren darstellen. Sie leiten sie daher von beschalten 
Heliciden ab und halten den Aufenthalt im Wasser fiir einen secun- 
dären Zustand, während sie die Landlungenschnecken selbst auf Tecti- 
branchier zurückführen. Ganz im Gegentheil hält v. JHERING die 
Oncidiiden für primitive Geschöpfe. Sie sollen der Stammform der 
„Nephropneusten“ nahe stehen, und da diese als Descendenten der 
Nudibranchier angesehen werden, so würden der Wasseraufenthalt und 
der Mangel einer Schale als archaistische Charaktere zu deuten sein. 
Ich selbst möchte im Folgenden für eine Ansicht eintreten, der ich 
schon in meiner vorläufigen Mittheilung Ausdruck gegeben habe und 
‘die gewissermaassen in der Mitte zwischen den genannten Auffassungen 
liegt. Die Oncidiiden stellen einen aberranten Seiten- 
zweig der Stammform der Pulmonaten dar und sind 
daher trotz einzelner secundärer Modificationen (Ver- 
lust der Schale etc.) als primitive Formen anzusehen, 
aus denen sich zunächst dieBasommatophoren, später 
durch Uebergang auf das Land auch die Stylommato- 
phoren entwickelten. Sie leiten sich selbst von Tecti- 


214 LUDWIG H. PLATE, 


branchiern ab, und ihre äussere Aehnlichkeit mit den 
Nudibranchiern ist eine rein zufällige. 

I. Dass die Oncidiiden den Pulmonaten und nicht etwa einer Ab- 
theilung der Opisthobranchier zuzurechnen sind, wird durch folgende 
Thatsachen bewiesen. 

1) Die am hintern Körperpole gelegene, der Respiration dienende 
Höhle ist eine echte Pulmonaten-Lungenhéhle im morphologischen 
Sinne, wie dies aus ihrem Baue, ihrer Innervirung und ihren Bezie- 
hungen zu andern Organen hervorgeht. Sie weicht von der typischen 
Athemkammer der zwittrigen Lungenschnecken nur in ihrer Lage ab, 
stimmt aber in allen wesentlichen Verhältnissen mit ihr überein. Sie 
wird, wie diese, überdacht von einer Duplicatur der Rückenhaut, einem 
Mantel, der, wie bei den Bulliden, von der hintern Hälfte der rechten 
Körperseite und vom hintern Körperpole entspringt und dessen freier 
Rand in der für die Pulmonaten charakteristischen Weise mit der 
Körperwand allseitig bis auf das Athemloch verwächst. Dass sich der 
Ursprungsrand des Mantels von der übrigen Rückenfläche nicht be- 
sonders abhebt und daher für die äussere Betrachtung der Mantel 
nicht scharf abgegrenzt wird, ist durchaus auch nicht auffallend, denn 
wir sehen auch bei allen typischen Pulmonaten den Mantel hinten 
gleichmässig in die Haut des Eingeweidebruchsackes übergehen, und 
nur der Verwachsungsrand des Mantels pflegt scharf abgesetzt zu sein. 
Eine allseitige scharfe Abgrenzung des Mantels kommt bei den Pul- 
monaten nur ausnahmsweise bei secundär veränderten Formen (Arion, 
Limax, Triboniophorus) vor. Die Oncidiiden nehmen also unter den 
Pulmonaten nur insofern eine Sonderstellung ein, als der Verwachsungs- 
rand des Mantelrandes sich nicht äusserlich abhebt, was offenbar da- 
mit zusammenhängt, dass die Seitenflächen des Körpers in die Hypo- 
nota umgewandelt und in die Kriechfläche eingezogen sind. v. JHERING 
(12, p. 208) scheint mir die Verhältnisse vollständig zu verkennen, 
wenn er sagt, die Lungenhöhle liege in der Wand des Körpers, wo- 
mit doch ausgedrückt sein soll, dass ein dem Mantel der Limnäen 
oder Heliciden homologes Gebilde bei den Oncidiiden völlig fehle. Ich 
sehe eine Bestätigung meiner Auffassung namentlich in den folgenden 
Befunden. Wie bei den typischen Pulmonaten breitet sich das reich : 
entwickelte Gefässnetz, die Lunge, nur auf der Innenfläche des Mantels 
aus, tritt aber nicht auf den Boden der Lungenhöhle, das Diaphragma, 
über. Da dieses ja ursprünglich die Seitenwand des hintern Körper- 
endes bildete, so liegt es nicht parallel dem Rücken, sondern steht 
ungefähr senkrecht auf diesem und der Fussohle und bildet so die 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 215 


dd 


Vorderwand der Athemkammer. In die Mantelhöhle ragt bruchsack- 
fürmig die Niere hinein und durchzieht dieselbe als langgestrecktes 
Organ in ganzer Ausdehnung. Es ist dies ein typischer Pulmonaten- 
charakter, der, soviel ich weiss, bei keinem Opisthobranchier, ausge- 
nommen Siphonaria (42), angetroffen wird. Obwohl die Niere strecken- 
weise mit dem Diaphragma verlöthet, ist sie doch, wie die Niere der 
Pulmonaten, als eine Ausstiilpung des Mantels anzusehen, wie daraus 
hervorgeht, dass sie auf ihrer ganzen Oberfläche von Lungengewebe 
überzogen wird. Das Herz der Oncidiiden liegt nicht mehr, wie bei 
den Opisthobranchiern, frei in der Leibeshöhle, sondern ist, wie bei 
den Pulmonaten, in die Basis des Mantels geriickt, so dass nur noch 
die Innenwand des Pericards an die Leibeshéhle angrenzt. Das Rectum 
verlauft mit seinem letzten Abschnitte unmittelbar neben der Lungen- 
höhle, öffnet sich aber freilich nicht in diese, wie man erwarten sollte, 
sondern mündet selbständig neben dem Athemloche aus. Dieses Ver- 
halten ist als ein secundäres zu deuten, denn die Vaginuliden (siehe 
SIMROTH, 39, 40), welche den Oncidien nach vielen Richtungen hin so 
ähnlich sind, dass sie als ein Seitenzweig derselben angesehen werden 
können, zeigen in dieser Hinsicht noch die ursprünglichen Verhält- 
nisse: der Enddarm verläuft mehr oder weniger weit innerhalb des 
Mantels und mündet in der Nähe des Athemlochs in die Lungenhöhle 
aus. Bei der nach jeder Richtung hin secundär umgewandelten Vagi- 
nulidengattung Atopos, auf die ich später noch eingehen werde und 
die nicht, wie SIMROTH will, an den Anfang, sondern an das Ende 
dieser Reihe zu stellen ist, fallen After und Athemloch schon zu- 
sammen. Eine Verlagerung des Anus aus der Mantelhöhle heraus 
wird auch sonst bei stark modificirten Pulmonatenformen beobachtet, 
z. B. bei Daudebardia saulcyi — bei deren nächsten Verwandten 
(Daud. rufa) der After zusammen mit der Niere noch in das Athem- 
loch sich öffnet —, Limax arbustorum, Amalia marginata (19) und 
andern, und in den hier erwähnten Fällen nimmt das Rectum auch 
den Ureter auf und wird so zur Cloake, wie dies ja auch für die 
Oncidiiden gilt. Die Oncidiiden zeigen also in der Lage des Afters 
und des Nierenporus schon dieselbe Differenzirungsstufe, die wir sonst 
nur bei den höchstentwickelten Stylommatophoren antreffen, was 
schon allein genügen würde zum Beweise, dass die Oncidiiden nicht 
als die Stammform der Pulmonaten, sondern als ein aberranter Seiten- 
zweig derselben zu betrachten sind. — Endlich geht die Homologie 
der Mantelhöhle der Oncidiiden mit der Lungenhöhle der Pulmonaten 
aus der gleichen Innervirung hervor. Das Nervensystem der Oncidiiden 


216 LUDWIG H. PLATE, 


hat mit demjenigen der Limnäen eine grosse Aehnlichkeit; es unter- 
scheidet sich von diesem eigentlich nur dadurch, dass es in der Visce- 
ralkette bloss 3, nicht 5 Ganglien aufweist, indem nämlich von den 
Pleuralganglien sich noch keine Commissuralganglien, welche selbst 
keine Nerven abgeben, sondern nur zur Regulirung des Faserverlaufs 
dienen, abgespalten haben. Wir unterscheiden daher bei den Oncidiiden 
zwei Pleural- und ein Visceralganglion, bei den Limnäen ausser diesen 
noch zwei Commissuralganglien. Die Pleuralganglien der Limnäen 
geben jederseits nur einen Nerven ab, welche den über den Ver- 
wachsungsrand frei nach aussen vorspringenden Theil des Mantels, 
rechts ausserdem noch das Geruchsorgan versorgen. Da dieser Theil 
des Mantels bei den Oncidiiden, ebenso wie das Geruchsorgan, fehlt, 
so ist es nicht zu verwundern, dass die drei Pleuralnerven jederseits 
nicht mehr an den Mantel hinantreten, sondern in den Seitenwan- 
dungen des Körpers enden. Sie verhalten sich also schon ebenso, 
wie der linke und der eine rechte Pleuralnerv bei den Daudebardien 
und Testacellen. Die Hauptmasse der Nerven, welche bei den Pulmo- 
naten in den Wandungen und Organen der Mantelhöhle angetroffen 
werden, entstammt dem Visceralganglion. Bei den Limnäen ent- 
sendet dieses einen Nerven zum Athemloch, einen zweiten zum Spindel- 
muskel und Diaphragma, einen dritten, der mit der Aorta verläuft 
und ebenfalls Theile des Diaphragmas zu versorgen scheint, endlich 
einen vierten, der an das Dach der Mantelhöhle (Herzbeutel und 
Niere) und an die Genitalorgane hinantritt. Bei den Testacellen (siehe 
LACAZE-DUTHIERS, 41) enden alle drei Nerven des Visceralganglions 
ausschliesslich in der Mantelhéhle. Ganz in Uebereinstimmung hier- 
mit sehen wir bei den Oncidiiden die Ausläufer der zwei Visceral- 
nerven theils in der Mantelhöhle, theils in den hintern Geschlechts- 
organen enden. 

2) Auf die Pulmonatennatur der Oncidiiden weist die schon eben 
betonte Aehnlichkeit des Centralnervensystems mit demjenigen der 
Limnäen hin. Bei beiden Gruppen finden wir die gleiche untere Ge- 
hirncommissur und dieselben doppelten Pedalstränge. Im Gegensatz 
zu den Nudibranchiern sind die Cerebral- und die Pleuralganglien deut- 
lich getrennt, und zum Unterschiede von den Tectibranchiern sind die 
vordere und hintere Pedal-, die Visceral- und die untere Gehirncom- 
missur ganz kurz, und die letztere liegt weit ab von der zuerst ge- 
nannten. Der Pulmonatenhabitus spricht sich ferner in dem Visceral- 
ganglion aus, indem bei den Opisthobranchiern ein solches nur aus- 
nahmsweise in der Visceralcommissur (Notarchus, Tylodina) angetroffen 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 217 


wird. Der Penisnerv entspringt bei den Oncidiiden und Pulmonaten 
dem rechten Gehirnganglion; bei den Tectibranchiern finde ich ein 
solches Verhalten nur für Umbrella mediterranea angegeben, wo ein 
Nerv der Unterlippe einen Ast zum Begattungsorgan entsendet, wäh- 
rend bei den Bulliden dieser Nerv dem rechten Pedalcentrum entstammt. 
Bei den Nudibranchiern scheint der Penisnerv aus dem rechten Pleural- 
ganglion oder aus einem besonderen Genitalganglion der Visceralcom- 
missur hervorzugehen. 

3) weisen die Geschlechtsorgane auf die Zugehörigkeit der Onci- 
diiden zu den Lungenschnecken hin. Es geht dies aus der Lage der 
weiblichen Geschlechtsöffnung ausserhalb der Mantelhöhle hervor, wäh- 
rend diese bei allen Opisthobranchiern, die einen deutlich entwickelten 
Mantel besitzen, mit dem After und Nierenporus in der Mantelhöhle 
gelegen ist. Die Oncidiiden besitzen ferner, wie die zwittrigen Lungen- 
schnecken, keine Ampulle, keine besondere Schleimdrüse (neben der 
Eiweissdrüse) und keine Spermatocyste, Organe, die bei den Opistho- 
branchiern fast nie fehlen, sie weisen aber in der dem Zwittergange 
ansitzenden Vesicula seminalis eine für die Pulmonaten charakteristische 
Samenblase auf, die meines Wissens bei den Hinterkiemern noch nicht 
beobachtet worden ist. Die partielle Einlagerung des Vas deferens 
in die Kérperwand kommt ebenfalls nur bei den Lungenschnecken vor. 

4) Die Niere der Oncidiiden zeigt in der Lagerung (siehe oben) 
und in dem lamellésen Bau dasselbe Verhalten wie die übrigen Pul- 
monaten, während sie bei den Opisthobranchiern frei in der Leibes- 
höhle liegt. Die innern Lamellen finden sich auch bei Tectibranchiern, 
während dieses Organ bei den Nudibranchiern nie compact ist, sondern 
sich aus einem ausgebreiteten Röhrensystem zusammensetzt. 

5) Der Besitz einer Fussdrüse, die den Opisthobranchiern immer 
abgeht, und 

6) das Fehlen einer Blutdrüse, die bei den Hinterkiemern, abge- 
sehen von den cladohepatischen Nudibranchiern, in weitester Verbreitung 
angetroffen wird, sprechen in demselben Sinne. 

7) Endlich weist, wenn auch nur in untergeordneten Zügen, der 
Darmcanal auf die Pulmonatennatur der Oncidiiden hin. Das Mund- 
rohr schliesst nach hinten nicht mit einer besonderen ,,Lippenscheibe“ 
(BERGH) ab, wie solche bei den Opisthobranchiern weit verbreitet ist. 
Es fehlt also die sogenannte „innere Mundöffnung“. Die Radula be- 
steht aus zahlreichen unter sich gleichen Pleuralzähnen, wie bei den 
Pulmonaten, während bei den Tectibranchiern die Zahl derselben meist 
gering bleibt und eine Differenzirung in Lateral- und Marginalzähne 


218 LUDWIG H. PLATE, 


eingetreten ist. Bei den holohepatischen Nudibranchiern, zu denen 
die Oncidiiden eventuell ja auch Beziehungen aufweisen könnten, finden 
wir zwar zahlreiche Pleuralzähne, aber in der Regel eine nackte 
Rhachis. Der Darm der Oncidiiden ist lang und in mehrern Windungen 
der Leber eingebettet, während er bei den Hinterkiemern fast immer 
kurz ist. 

Unter den Pulmonaten stehen die Oncidiiden den Bas- 
ommatophoren weit näher als den Stylommatophoren. 
Sie sind, wie jene, Wasserbewohner. Sie besitzen nur ein Paar Fühler, 
die in einzelnen Fällen die Fähigkeit, sich einzustülpen, noch nicht 
erworben haben. Neben der Mundöffnung breiten sich, wie bei den 
Limnäen, grosse Lippensegel aus. Die Copulationsorgane sitzen am 
Kopf, weit vor der weiblichen Geschlechtséfinung, und ein Theil des Vas 
deferens liegt in der Körperwandung. Bei den Gattungen Oncidina und 
Oncidiella zeigt der Zwittergang die einfachsten Verhältnisse: er bildet 
nur einen ganz kleinen Spermoviduct und gabelt sich dann sofort in 
den männlichen und weiblichen Ausführgang, was an die bei den 
Basommatophoren bestehenden Verhältnisse erinnert. Ein mehrtheiliger 
Magen, von dem ein Abschnitt wegen der stark entwickelten Muscula- 
tur als Kaumagen bezeichnet werden kann, findet sich bei Limnaea, 
und bei einer Auricula-Art hat v. JHERING (12, p. 206) sogar be- 
sondere „plaques stomacales“ entdeckt. Im Nervensystem sind die 
Pleural- und Visceralganglien noch deutlich getrennt, und die Com- 
missuren verhalten sich genau wie bei den Limnäen. 

Diesen Uebereinstimmungen gegenüber fallen die Aehnlichkeiten, 
welche zwischen Oncidien und Stylommatophoren bestehen, kaum ins 
Gewicht. Man könnte in dieser Beziehung hervorheben: 

1) die Fühler, welche auf ihrer Spitze die Augen tragen und 
meistens völlig eingestülpt werden können. Jedoch hat schon Brock 
hervorgehoben, dass diese Augen zuerst in der Haut des Kopfes ent- 
stehen, also wie bei den Basommatophoren, und dann erst von den 
später sich anlegenden Fühlern passiv in die Höhe gehoben werden. 
Ursprünglich sind bei der Stammform der Pulmonaten die Fühler wohl 
solide und nicht einstülpbar gewesen. Sie erhielten sich so nur bei 
zwei der Oncidiiden und den Wasserlungenschnecken, während sie bei 
den meisten Oncidiiden und bei den Stylommatophoren allmählich hohl 
wurden und besondere Retractoren erhielten. Da die Augen der Hinter- 
kiemer in der Haut liegen, so muss dieser Zustand als der primäre 
angesehen werden, der sich nur bei der einen Familie erhalten hat. 
Von jenen zwei Oncidiiden ist Oncidina australis in mehrfacher Be- 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken, 919 


ziehung die ursprünglichste der ganzen Familie, während Oncis montana 
auch in der Lage des Athemloches primitive Verhältnisse bekundet. 
Ganz ähnlich, d. h. fast völlig solide, aber dennoch mit Retractor ver- 
sehen, sind die Fühler bei den Vaginuliden. 

2) die Fussdrüse; diese ist zwar bei den Oncidiiden nur von ge- 
ringer Grösse, aber doch im Wesentlichen gleich derjenigen der Land- 
lungenschnecken. Da dieses Organ nur für den Aufenthalt auf dem 
Lande von Nutzen ist, so erklärt es sich leicht, dass es von den 
Basommatophoren allmählich eingebüsst wurde, während die Stylom- 
matophoren es erheblich weiter entwickelten. 

3) die starke Ausbildung der gefässführenden Falten und Maschen 
in der Lunge. Dass die Basommatophoren sich von den dauernden 
oder zeitweiligen Landbewohnern durch schwächere Ausbildung der 
Lunge unterscheiden, hängt wohl mit der bei ihnen viel intensiveren 
Hautathmung zusammen. Wissen wir doch durch v. SIEBOLD und 
PauLy, dass die Limnäen in tiefen Seen auf die Luftathmung 
völlig verzichten und ihre Lunge als Kieme gebrauchen können; ein 
derartiger Wechsel wäre nicht möglich, wenn nicht die Hautathmung 
einem grossen Theile des Respirationsbedürfnisses genügte, Bei den 
Stylommatophoren hingegen kann die Hautathmung nicht eine sehr 
bedeutende Rolle spielen, sonst würden die grossen Gefässe sich bis 
nahe an die Oberfläche verfolgen lassen, und dies gilt auch für die 
Oncidiiden mit Ausnahme der Oncidiellen und der mit Rückenkiemen 
versehenen Formen. Hier ist also eine stark entwickelte Lunge von 
Nöthen. 

4) das Geruchsorgan, das sich in der Mantelhöhle der Basommato- 
phoren erhalten hat, aber bei den Oncidiiden und den Stylommato- 
phoren mit alleiniger Ausnahme der Testacellen verschwunden ist. 

5) den langen Spermoviduct (= Spiralgang), welcher den drei 
Gattungen Oncidium, Oncis und Peronina zukommt. Es tritt also 
hier die Spaltung in Oviduct und Vas deferens, wie bei fast allen 
Stylommatophoren, erst in einiger Entfernung vom Zwittergang ein. 
Es sind aber gerade diejenigen Genera, welche durch den Besitz 
von Rückenaugen und durch die Complieirtheit der Begattungsorgane 
sich als die am meisten differenzirten und höchststehenden Formen 
innerhalb der Familie erweisen, welche für die Beurtheilung der Ver- 
wandtschaftsbeziehungen am wenigsten geeignet sind. 

Aus diesen Auseinandersetzungen folgt, dass, wenn in der That, 
wie ich gleich zeigen werde, die Oncidiiden als die primitivsten Pul- 
monaten anzusehen sind, die Basommatophoren ursprünglichere Ver- 


220 LUDWIG H. PLATE, 


haltnisse bewahrt haben als die Stylommatophoren. Man wird daher 
nicht anzunehmen haben, dass die ersteren durch erneute Anpassung 
an das Wasserleben aus letzteren hervorgegangen sind, sondern wird 
ihre Lunge und ihren Wasseraufenthalt direct von den gleichen Ver- 
haltnissen der Oncidiiden ableiten miissen. Die tectibranchiaten Stamm- 
formen der Pulmonaten waren Litoralbewohner, die in Folge des mit 
Ebbe und Fluth wechselnden Wasserniveaus eine amphibische Lebens- 
weise annahmen und die Kiemenhöhle zur Lunge umwandelten. Sie 
wurden dadurch, wenn auch ohne Verlust der Schale, oncidienartig, 
und die weitere Differenzirung erfolgte, indem sie theils an der Meeres- 
küste blieben, theils in das Süsswasser einwanderten, theils zu reinen 
Landthieren wurden. 

II. Obwohl es nach dem Gesagten nicht zweifelhaft sein kann, 
dass die Oncidiiden den Pulmonaten zuzurechnen sind, so besitzen sie 
doch andrerseits in ihrer Anatomie, und zwar in den verschiedensten 
Organsystemen, so viele Anklänge an die Opisthobranchier, dass diese 
Aehnlichkeit nicht als zufällige Convergenz, sondern nur als die Folge 
gleichen phyletischen Ursprungs angesehen werden kann. Diese Ueber- 
einstimmungen berechtigen uns, in den Oncidiiden archaistische Formen 
zu sehen, die der opisthobranchiaten Stammform der Lungenschnecken 
näher stehen, als irgend eine andere zur Zeit bekannte Pulmonaten- 
gruppe. Es findet diese Beziehung ihren Ausdruck vornehmlich in 
den folgenden Verhältnissen: = 

1) Die Oncidiiden sind opisthopneumon, die Lunge liegt hinter 
dem Herzen, und daher ist die Vorkammer nach hinten, die Kammer 
nach vorn gewandt. 

2) Die Leber ist dreitheilig, was sonst unter den Pulmonaten — 
ich rechne Ancylus zu den Tectibranchiern — nur noch bei den 
Vaginuliden und vielleicht der Triboniophorus-Gruppe 1) vorkommt, 
von denen erstere als Seitenzweige von den Oncidiiden abzuleiten sind, 
während eine drei- und mehrtheilige Leber bei den Hinterkiemern 
vielfach beobachtet wird. 

3) Der Magen besteht aus drei resp. vier Abschnitten; der erste 
ist dickwandig und wird von einem festen Chitinüberzug ausgekleidet, 
der dem Kaumagen vieler Opisthobranchier entspricht. 

4) Es finden sich nur drei Ganglien der Visceralkette, wie solches 
nicht selten bei den Hinterkiemern, aber sonst bei keiner Lungen- 


1) Nach Kererstern, während nach Beren (in: Verh. Zool.-bot. Ges. 
Wien, 1870) nur zwei Leberportionen vorhanden sind. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 291 


schnecke beobachtet wird. Die Pedal- und Cerebralganglien liegen 
dicht zusammen, während sie bei den eigentlichen Pulmonaten, falls 
nicht ganz secundäre Verhältnisse (Heliciden, Triboniophorus) vor- 
liegen, immer deutlich durch Connective getrennt bleiben und nur 
Pedal- und Visceralganglien sich häufig beträchtlich nähern. Das 
Gehirn giebt, wie bei vielen Hinterkiemern, links fiinf, rechts sechs 
Nerven ab, während bei den übrigen Pulmonaten die Zahl derselben 
sich erhöht. 

5) Die Bewaffnung des Penis mit Zähnen ist bei den Hinter- 
kiemern eine gewöhnliche Erscheinung, unter den Pulmonaten nur den 
Oncidiiden und Triboniophorus eigenthümlich. 

Bei oberflächlichem Studium könnte man leicht der Ansicht von 
BLAINVILLE und Brock huldigen, dass unter den Hinterkiemern 
die Nudibranchier die nächsten Beziehungen zu den Oncidiiden dar- 
bieten; scheinen doch hierfür der Habitus, der Mangel einer Schale 
und die bei einigen Arten vorhandenen baumförmigen Rückenkiemen 
zu sprechen. Bei gründlicher Erwägung aber stellen sich dieser An- 
schauung so erhebliche Bedenken entgegen, dass wir diese Ueberein- 
stimmung nur als Convergenzerscheinungen, als Analogien, deuten 
können. 

Nähere Verwandtschaftsbeziehungen zwischen Nudibranchiern und 
Oncidiiden könnten eventuell für die holohepatischen Hinterkiemer, also 
für die phanero- und cryptobranchiaten Dorididen, bestehen; für die 
cladohepatischen Formen sind dieselben von vorn herein wegen der 
diffusen Leber und Niere, wegen der Lage des Afters in der vordern 
Körperhälfte, an der rechten Seite oder am Rückenrand, und wegen 
der diaulen, mit einem pyxicaulen Penis versehenen Genitalpapille aus- 
geschlossen. Aber auch die Dorididen weichen in so vielen Punkten 
vollständig von den Oncidiiden ab, dass man diese nicht von jenen 
ableiten kann, vielmehr die zwischen beiden Gruppen bestehenden 
Uebereinstimmungen theils als Analogien (Mangel der Schale und der 
Kiefer), theils als Erbtheil einer gemeinsamen tectibranchiaten Stamm- 
form (compacte Leber) anzusehen hat. Im Folgenden seien diejenigen 
Organisationsverhältnisse der Dorididen kurz hervorgehoben, welche 
bei den Oncidiiden fehlen oder in ganz anderer Ausbildung angetroffen 
werden. Die Dorididen besitzen keinen Mantel. Die die Afteröffnung 
umgebenden Kiemen sind durch ihre symmetrische Stellung und durch 
ihren federförmigen Bau ganz verschieden von den baumförmigen 
„Kiemen“, welche bei einigen wenigen, der am höchsten differenzirten 
Gattung angehörenden Oncidien regellos über die Rückenfläche ver- 


222 LUDWIG H. PLATE, 


theilt sind. Der Anus liegt auf dem Rücken, etwas hinter der Körper- 
mitte; neben ihm die Nierenöffnung. Vorn auf dem Rücken, hinter dem 
Kopfe, die Rhinophorien. In der Haut zahlreiche Kalkspicula. Mund- 
röhre nach innen von einer „Lippenscheibe“ abgeschlossen. Radula fast 
immer ohne Rhachiszahn. Speicheldrüsen langgestreckt, weit nach hinten 
reichend. Magen einfach, sackförmig, ohne Kaumagenabschnitt, häufig 
nur als eine Höhle in der Leber angedeutet. Leber mit nur einem 
Gallengange und meistens mit Gallenblase. Darm kurz. Pericard 
frei in der Leibeshöhle. Die verästelte Niere breitet sich über der 
hintern Eingeweidemasse aus und besteht aus dicht an einander liegenden 
Röhren und hohlen Platten. Die weibliche Geschlechtsöffnung ist 
doppelt (Vulva und Schleimdrüsengang) und liegt dicht neben der 
männlichen, vorn an der rechten Körperseite, unweit vom rechten 
Tentakel. Zwitterdrüse nicht compact, sondern die Leber überziehend. 
Receptaculum seminis (Spermatothek) mit einem vaginalen Ausführ- 
gang und einem andern zur Schleimdrüse (Ampulle), dem eine Sper- 
matocyste ansitzt. Vas deferens mit Prostata oder prostatischem Ab- 
schnitt. Ueber dem Centralnervensystem eine Blutdrüse. Cerebral- 
und Pleuralganglien mehr oder weniger breit verwachsen. In der 
Visceralcommissur noch kein oder nur ein ganz kleines Genitalganglion. 
Keine hintere Pedalcommissur. Eine Subcerebralcommissur, welche 
mit Pedal- und Visceralcommissur meist in einer gemeinschaftlichen 
bindegewebigen Scheide liegt. Buccalganglien in der Regel mit kleineren 
gastro-ösophagalen Ganglien. Die zwei Augen liegen in der Rückenhaut. 

Diese zahlreichen Differenzen machen einen näheren Anschluss der 
Oncidiiden an die Dorididen, und damit an die Nudibranchier über- 
haupt, unmöglich. Ich stimme R. Beran, dem besten Kenner der 
Nudibranchier, völlig bei, wenn er sagt, dass die Oncidien von diesen 
Gastropoden ziemlich weit abstehen. Da wir nun oben sahen, dass 
eine Anzahl wichtiger Charaktere den Oncidiiden mit den Opistho- 
branchiern gemeinsam ist, so müssen die Vorfahren der jetzigen Tecti- 
branchier als die phyletische Wurzel der Oncidien angesehen werden. 
Zu den oben aufgezählten opisthobranchiaten Organisationsverhältnissen 
der Oncidiiden, die alle auch speciell auf die Tectibranchier passen, 
lassen sich noch einige Merkmale hinzufügen, die ausschliesslich der 
letzteren Gruppe entlehnt sind: die compacte Leber und Niere und das 
Vorhandensein einer zweiten Pedalcommissur; wie bei den Bulliden 
liegt die Mantelhöhle am hintern Körperpole, und die Lage des Afters, 
des Nierenporus und der weiblichen Genitalöffnung zeigt ähnliche Ver- 
haltnisse. Endlich sind die Copulationsorgane der Oncidiiden, wie bei 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 993 


Bulliden und Aplysien, vorn am Kopf angebracht und mit der Vulva 
durch eine Flimmerfurche verbunden. Wenn diese auch nicht mehr 
normaler Weise als Samenrinne fungirt, so ist doch kaum zu bezweifeln, 
dass.sie urspriinglich als solche diente, und dass das der Fussmuscu- 
latur eingelagerte Vas deferens durch Abschniirung aus der Rinne 
entstanden ist. Die Tectibranchier scheinen mir auch deshalb als 
Ausgangspunkt für phyletische Umbildungen besonders geeignet zu sein, 
weil schon innerhalb der Gruppe selbst eine ausserordentliche mor- 
phologische Mannigfaltigkeit (Gehäuse und Mantel auf den verschie- 
densten Stadien der Weiter- oder Rückbildung, Fuss mit oder ohne 
Parapodien, Pharynx mit oder ohne Kiefer, Kaumagen mit Horn- oder 
Kalkplatten, Radula mit wenigen oder zahlreichen Pleuralzähnen, mit 
fehlendem oder gut entwickeltem Rhachiszahn, Penis einfach oder be- 
waffnet etc.) angetroffen wird, die ein reiches Differenzirungsvermögen 
der Vorfahren der jetzt lebenden Formen bekundet. Bei Lobiger und 
Siphonaria (siehe KÖHLER, 42) finden wir sogar schon den Mantel bis 
auf ein Athemloch mit der Körperwandung verwachsen. Immerhin ist 
es nicht möglich, die Oncidiiden auf eine der zur Zeit bekannten 
Familien der Tectibranchier direct zurückzuführen ; aber aus der Lage 
der Mantelhöhle und der Samenrinne lässt sich der Schluss ziehen, 
dass die Bulliden ihnen verhältnissmässig am nächsten stehen. Bei 
diesen ist auch der Geschlechtsapparat noch monaul, zeigt also die 
ursprünglichen Verhältnisse, aus denen sich, soweit hierüber nach der 
Entwicklung der Pulmonaten geurtheilt werden kann, die di- und 
triaulen Leitungswege entwickelt haben müssen. Nach dieser Voraus- 
setzung muss bei den Oncidiiden die Lungenhöhle ursprünglich 
asymmetrisch sich vom hintern Körperpole längs der rechten Seite 
ausgedehnt haben, wie dies gegenwärtig bei Oncidina australis noch 
der Fall ist. Erst später wird sich hieraus die halb symmetrische 
Mantelhöhle von Oncis und die ganz symmetrische der drei übrigen 
Gattungen entwickelt haben. Eine durch die Rückbildung der Schale 
bedingte secundäre Symmetrie ist ja bei den Gastropoden eine häufige 
Erscheinung. Jene Art documentirt sich auch in anderer Weise als 
die primitivste Oncidiide: die Rückenaugen fehlen; die Fühler sind 
noch nicht einstülpbar; die Vulva liegt noch ein kleines Stück vor 
dem Anus, nicht unmittelbar neben ihm; die männliche Sexualöffnung 
befindet sich, wie bei den Bulliden, an den Seiten des Kopfes und 
ist noch nicht auf die Stirn gerückt. Es fehlt ein langer Sperm- 
oviduct (Spiralgang) und eine besondere Penisdrüse. Von Oncidina 


294 LUDWIG H. PLATE, 


a 


aus fiihrte die phyletische Entwicklung nach einer Richtung hin zu 
Oncidiella, nach einer andern zu den drei übrigen Gattungen. | 

III. Semper und BERGH sehen die Oncidiiden als einen eigenartig 
modificirten Endzweig in der Entwicklungsreihe der Stylommatophoren 
an; sie leiten sie von beschalten Landbewohnern ab und nehmen daher 
eine secundäre Anpassung an den Aufenthalt im Meere an. Eine 
nihere Begriindung dieser Anschauung vermisst man freilich bei ihnen. 
Ich halte sie fiir durchaus verfehlt, weil es erstens, wie schon y. JHE- 
RING näher ausgeführt hat, näher liegt, die amphibische, halbmarine 
Lebensweise als einen urspriinglichen Zustand anzusehen; weil sie 
zweitens die zahlreichen Uebereinstimmungen mit den Tectibranchiern 
unerklart lässt, und weil drittens die Lage der weiblichen Geschlechts- 
ütinung gegen sie spricht. Wäre die Semper’sche Auffassung richtig, 
so müsste die Lungenhöhle ursprünglich vorn gelegen und allmählich 
längs des rechten Körperrandes sich nach hinten verschoben haben. 
Es hätte auf jenem Stadium der After noch innerhalb der Lungenhöhle 
sich geöffnet, und ausserhalb dieser und nach rechts vom After, wie 
bei den Basommatophoren, würde die Vulva gelegen haben. Denkt 
man sich nun den Pallialcomplex so gedreht und nach hinten ver- 
schoben, dass der After median am hintern Körperpole zu liegen kommt, 
so fallen die Athem- und die Geschlechtséfinung auf die linke Körper- 
seite. Die erstere konnte leicht etwas nach rechts in die Medianebene 
wandern und so hinter den After zu liegen kommen; aber wie war es 
möglich, dass der Genitalporus sich auf die rechte Seite verschob, da doch 
der Enddarm dem Oviduct bei einer solchen Verlagerung hindernd im 
Wege stand, und warum rückte er gerade bei der im Uebrigen so ein- 
fach gebauten Oncidina am weitesten nach vorn? Auf diese Frage 
giebt es keine Antwort. Die Lage der Vulva beweist in der That 
schon an sich zur Genüge, dass die Lage der Mantelhöhle am linken 
Körperpole als ein primitives Verhältniss gedeutet werden muss. 

Da ich im Vorhergehenden schon gezeigt habe, dass die Oncidiiden 
einerseits den Basommatophoren weit näher stehen als den Stylommato- 
phoren und andrerseits sich selbst nur von Tectibranchiern abge- 
leitet haben können, brauche ich auf eine Widerlegung v. JHERING’s, 
der in ihnen den Ausgangspunkt für die Landlungenschnecken sieht 
und sie auf die Nudibranchier zurückführt, nicht näher einzugehen. 
So glücklich der Gedanke v. JHERING’s war, die Oncidiiden als archa- 
istische Formen zu deuten, so verfehlt sind seine weitern Ausführungen. 
Der Cardinalpunkt derselben ist, dass der Ausführgang der Niere sich zur 
Lunge umgewandelt haben soll, und dass deshalb in der Wand der Lungen- 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 295 


di 


höhle noch Harnconcremente, welche die sogenannten „Nebennieren“ bil- 
den, vorkommen (14, p. 18). Aber diese Angabe ist unrichtig. Die Harn- 
concremente finden sich nur im eigentlichen Nierengewebe, sonst nir- 
gends. Wäre die Lunge ein modificirter Ureter und bekundeten gerade 
die Oncidien die ursprünglichen Verhältnisse am deutlichsten, wie 
V. JHERING behauptet, so müsste sich doch bei diesen die Niere in die 
Lunge öffnen. Statt dessen mündet sie in den Enddarm. Die Onci- 
diiden haben speciell in der Niere die primitiven Charaktere längst 
eingebüsst und sind daher weniger als irgend eine andere Pulmonaten- 
abtheilung geeignet, den Ausgangspunkt einer Familie ,,Nephropneusten“ 
zu bilden. Ich hoffe, dieser Theorie, gegen die ich mich schon früher 
auf Grund des Vorhandenseins eines Geruchsorgans, das wie bei den 
Limnäen innervirt wird, ausgesprochen habe, ist damit endgültig der 
Boden entzogen. 

IV. Obwohl die Oncidiiden die Organisationsverhältnisse der 
tectibranchiaten Urform der Pulmonaten treuer als irgend eine andere 
Abtheilung bewahrt haben, so sind sie doch selbst in mehrfacher Hin- 
sicht secundär umgebildet worden. Sie stellen daher nicht die Stamm- 
form selbst, sondern einen aberranten Seitenzweig derselben dar. Es 
sind namentlich die folgenden Verhältnisse, durch welche die primitiven 
Charaktere verwischt werden : 1) der Verlust der Schale und damit 
des Spindelmuskels; da der Retractor des Penis wohl ursprünglich, 
wie bei den übrigen Pulmonaten, ein Seitenzweig des letzteren dar- 
stellte und daher mit diesem weit nach hinten verlief, so ist die An- 
heftung (III) des Retractors im hintersten Winkel der Leibeshöhle als 
der ursprüngliche Modus anzusehen. Ich traf ihn unter den von mir 
untersuchten Arten siebenmal an und zwar dreimal bei Species, die 
auch in andern Organen primitive Verhältnisse bewahrt haben. Es 
sind dies Oncidina australis, welche, wie oben gezeigt wurde, an die 
Wurzel aller zur Zeit bekannten Oncidiiden gestellt werden muss, 
Oncis montana, bei der das Athemloch nach rechts verschoben ist, und 
Oncis semperi, deren Vulva etwas nach vorn von dem Anus liegt und 
bei der das Athemloch ebenfalls noch nicht vollständig median ge- 
lagert ist. 

2) der Verlust des Geruchsorgans; 

3) der Verlust des Kiefers; 

4) die Niere ragt so weit in die Lungenhöhle vor, dass sie mit 
dem Boden derselben streckenweise verwächst; sie öffnet sich in den 
Enddarm; 


5) der Anus liegt ausserhalb der Lungenhöhle ; 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 15 


VIG. = LUDWIG H. PLATE, 


6) die Aorta spaltet sich erst in beträchtlicher Entfernung von der 
Wurzel in eine Aorta anterior und posterior, und die letztere ist in 
zwei Hauptgefässe, eine Arteria visceralis und eine Arteria genito- 
pulmonalis, aufgelöst; 


7) der Rücken hat eigenartige Augen und in einzelnen Fällen 
baumförmige Anhänge entwickelt. 


V. Unter den Pulmonaten giebt es nur eine Familie, welche den 
Oncidiiden so nahe steht, dass sie als ein weiter entwickelter, völlig 
an das Landleben angepasster Seitenzweig derselben angesehen werden 
kann; es sind dies die Vaginuliden. : Ich hoffe später in einem dritten 
Theile dieser Studien diese Gruppe ausführlich behandeln zu können und 
gehe daher hier nur kurz auf ihre Beziehungen zu den Oncidien ein. 
Diese gelangen zum Ausdruck in den folgenden Organisationsverhalt- 
nissen der Vaginuliden, welche denen der Oncidiiden gleichen oder 
ihnen sehr ähneln: die Seiten des Körpers sind zu Hyponota umge- 
wandelt und setzen sich über dem Kopf in eine Kappe fort; die 
Lungenhöhle liegt wie bei Oncidina und Oncis an der rechten Seite 
des hintern Körperpoles und mündet durch ein median gelegenes 
Athemloch nach aussen; die Speicheldrüsen liegen vor dem Ring der 
Nervencentren, ihre Ausführgänge treten daher nicht durch diesen 
hindurch; der Magen ist mehrtheilig, ein Abschnitt ist ein Muskel- 
magen und nimmt die Hinterleber auf, während in einen vorderern, 
dünnwandigerern sich zwei Vorderleberportionen [nach v. JHERING (12), 
während SIMROTH (39) nur eine Vorderleber erwähnt] ergiessen. Das 
Secret der Vorderleber wird durch eine Falte bis in den Darm ge- 
leitet; die Lage der Darmschlingen ist wie bei Oncidiella; das Herz 
liegt vor dem Vorderende der Lunge; die männliche Geschlechtsöffnung 
liegt vorn am Kopf, die weibliche hingegen nur etwas weiter nach 
hinten in der mittlern Körperregion; das Vas deferens tritt neben der 
Vulva in die Haut und zieht in dieser nach vorn zum Penis; die 
Cerebralganglien sind den Pedalcentren stark genähert; 2 Pedalcom- 
missuren; 5 Cerebralnerven, dazu rechts noch ein sechster zum Penis. 


Die Vaginuliden haben in einzelnen Befunden sogar noch ursprüng- 
lichere Verhältnisse bewahrt als die Oncidiiden. Hierhin rechne ich, 
dass der After sich noch in die Lunge öffnet, dass ein Kiefer vor- 
handen ist, dass der letzte Abschnitt des Enddarms mehr oder weniger 
weit der Wand der Athemkammer eingelagert ist, obwohl alle Ueber- 
gänge bis zu fast völliger Loslösung des Darmes beobachtet werden, 
dass die Aorta sich gleich an der Wurzel in die beiden Hauptgefässe 


Studien tiber opisthopneumone Lungenschnecken. 297 


theilt, dass der Zwittergang sich an seinem untern Ende, wie bei 
Oncidina und den Basommatophoren, in Oviduct und Vas deferens 
spaltet, und dass endlich der Geschlechtsapparat triaul ist, da das 
Receptaculum seminis einen Ausführgang zur Vagina und einen zum 
Vas deferens abgiebt. Es sind dies alles Charaktere, welche wir fiir 
die Stammform der Pulmonaten in Anspruch nehmen miissen, da sie 
auch manchen Basommatophoren und Stylommatophoren zukommen. 
— In anderer Hinsicht haben sich die Vaginuliden hôher differenzirt 
als ihre oncidienartigen Stammformen: sie sind zu völligen Land- 
thieren geworden; die Verlagerung der Organe des Pallialcomplexes 
nach vorn hat begonnen, die Vulva ist bis zur Mitte der rechten 
Körperseite, das Pericard bei vielen Arten noch viel weiter nach vorn 
gerückt; die Lippensegel der Oncidiiden sind zu den untern Fühlern 
geworden, daher ihr gespaltenes Ende und die eingelagerten grossen 
Drüsen; die Fussdrüse ragt frei in die Leibeshöhle hinein; die Visceral- 
ganglien verschmelzen zu einer einheitlichen Masse; die Samenrinne 
geht verloren, und ein Schälchen tritt auch bei den Embryonen nicht 
mehr auf. — Alle diese Umbildungen erreichen ihren höchsten Grad 
bei der interessanten Raubvaginulide Afopos, und ich verstehe nicht, 
warum SIMROTH, ihr Entdecker, sie an die Wurzel des Vaginuliden- 
stammes setzt, da doch alles auf eine weitgehende secundäre Umge- 
staltung hinweist. Der riesige, testacellenartige Pharynx mit den spitzen 
Raubzähnen, die eine Leber, der kurze Darm, die stark entwickelte 
Fussdrüse, die hochgradig verschmolzenen Nervencentren und die Lage 
der Buccalganglien unter dem Pharynx bekunden diese nicht minder 
deutlich als die weit nach vorn verlagerte Lungenhöhle, deren Athem- 
loch mit dem After und der weiblichen Geschlechtsöffnung 
zusammenfällt, ein unter den Pulmonaten einzig dastehender Fall. Es ist 
sehr interessant, dass diese Verlagerung dieselbe Orientirung der Pallial- 
organe herbeigeführt hat, welche die Basommatophoren und die Styl- 
ommatophoren, deren Lunge ja in gleicher Weise entstanden zu denken 
ist, charakterisirt. Obwohl die Untersuchungen über diesen Punkt 
noch nicht abgeschlossen sind, so ergiebt sich doch aus Sımrorm’s 
Darstellung, dass der Herzbeutel links von der Hauptmasse der Niere 
und in ihm der Ventrikel links vom Atrium liest. Dass hier keine 
ursprüngliche Lagerungsweise vorliegt, wie SIMROTH annimmt, geht 
mit aller Evidenz auch daraus hervor, dass das Vas deferens, obwohl 
es dicht neben dem Penis sich von dem Zwittergange abspaltet, doch 
nicht direct zu ihm hinzieht, sondern sich erst in die Haut einbohrt 
und so auf dem gewöhnlichen Wege sein Ziel erreicht. Dieser Weg 
in: 


228 LUDWIG H. PLATE, 


ist aber nur verständlich, wenn der Samenleiter einen abgeschniirten 
Theil der Flimmerrinne der Tectibranchier darstellt. 


Die Ergebnisse der vorstehenden Erörterungen finden ihren 
kürzesten Ausdruck in dem nachstehenden Schema des Stammbaums | 
der hier erörterten Gastropoden: 


Tectibranchia 


x 


Stammform der Pulmonata 
\ 


Ve ots 
pt tite \  Oneidiella 
Nudibranchia Non CIE | 
VA \ Basom- Peronina a: 
BE mato- 
Holohepatica \ N har seh 


Cladohepatica _matophora 


Marburg i/H., im März 1893. 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 999 


Literaturverzeichniss. 


1) J. Joveux-Larrure, Organisation et développement de I’ Oncidie, in: 
Arch. Zool. exper., T. 10, 1882, p. 225 384. 

2) Brereu, R., Report on the Nudibranchiata, in: Challenger Reports, 
vol. 10, 1884, p. 126—151. 

3) — — Ueber die Verwandtschaftsbeziehungen der Onchidien, in: 
Morph. Jahrb., Bd. 10, p. 172. 

4) Semper, C., Reisen im Archipel der Philippinen, Theil 2, Bd. 3, 
Landmollusken, Heft 5 u. 6 und Ergänzungsheft. 

5) Bucuanan, Fr., An account of the Onchidium, a new genus of the 
class of Vermes, found in Bengal, in: Trans. Linn. Soc. London, 
vol. 5, 1800, p. 132—134. 

5) Cuvier, G., Mém. sur l'Onchidie, genre de Mollusques nuds, voisin 
des Limaces, et.sur une espece nouvelle, Onchidium Peronü, in: 
Ann. du Museum, T. 5, Paris 1805. 

7) BzaINVILLE, DE, Mém. sur quelques Mollusques pulmobranches, in: 
Journ. de Physique, T. 85, Paris 1817, p. 437—444. 


8) — — in: Dictionnaire des Sc. Nat., T. 36, 1825, p. 117—121, und 
T. 37, 1825, p. 519—524. 
9) — — Manuel de malacologie, Paris 1825. 


10) Quoy et Garmarp, Voyage autour du monde de „l’ÖOuranie et la 
Physicienne“ 1817—20, herausgeg. von L. Freyciner, Zoologie par 
Quoy et Garmarp, T. 2, Paris 1824. 

11) SrozrczkA, Onchidium, in: Journ. Asiat. Soc. Bengal, vol. 38, part 
2, p. 86, 1869. 

12) Juerine, H. v., Sur les relations naturelles des Cochlides et des 
Ichnopodes, in: Bull. Scientif. France et Belgique, T. 23, 1891, 
p. 148—257. 

13) — — Vergl. Anatomie des Nervensystems und Phylogenie der 
Mollusken, 1877. 

14) — — Ueber die systemat. Stellung von Peronia, Erlangen (Kd. 
Besold) 1877. 

15) — — Morphol. u. Systematik des Genitalapparates von Helix, in: 
2. f. w. Z., Bd. 54, 1892. 

16) Rossiter, R., Die Bildung der Radula bei den cephalophoren Mol- 
lusken, in: Z. f. w. Z., Bd. 41, 1885. 

17) Dart, Onchidella borealis Dall, in: American Journ. Conchology, 
wel; 7, 1872: 

18) Bınney, W. G., Manual of American Landshells., Washington 1885. 

19) Pate, L., Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. I. Die 
Anatomie der Gattungen Daudebardia und Testacella, in: Zool. 
Jahrb., Bd. 4, Abth. f. Anat., 1891. 


230 LUDWIG H. PLATE, 


20) Prare, L., Ueber den Bau und die Verwandtschaftsbeziehungen der 
Solenoconchen, ebenda, Bd. 5, 1892. 

21) Fischer, P., et Crosse, FH; Etudes sur les Mollusques terrestres et 
Auviatiles du Mexique et du Guatemala, Partie 7 de: „Rech. zool. 
pour servir à l’hist. de la faune de l Amérique central et du 
Mexique“, publ. sous la direction de Mitnz-Epwarps, Paris 1870 ff. 

22) v. LENDEnFELD, Abhandlung über die Rückenaugen, in: Naturh. 
Abh. d. Ungar. Akad., Bd. 14, 1885. (Stand mir nicht zur Ver- 
fügung.) 

23) Puare, L., Ueber den Bau der Oncidien, vorl. Mittheil., in: Verhdlg. 
Deutsch. Zoolog. Ges., 2, 1892. 

24) Lesson, Zoologie de la „Voyage de La Coquille“, T. 2. 

25) Bınney, W.G., On the lingual dentition and jaw of Onchidella, in: 
Proc. Acad. Nat. Hist. Philad., 1876, p. 184. 

26) Gounp, A. A., Mollusca and Shells of „United States Exploring 
Expedition“, vol. 12, Boston 1852. 

27) Apams, H. u. A., Genera of recent Mollusca, London 1858. 

28) Fiscner, P., Manuel de Conchyliologie, Paris 1887. 

29) SEMPER, C., Einige Bemerkungen über die „Nephropneusten“ von 
JHERING’s, in: Arb. Zool.-zoot. Inst. Würzburg, Bd. 3. 

30) Lacaze-Durniers, H. DE, Systeme nerveux des Gastéropodes pulmonés, 
in: Arch. Zool. exper., T. 1, 1872. 

31) Vayssière, A., Recherches sur la famille des Bullidés, in: Annales 
Sc. Nat., Zoologie (6), T. 9, 1879. 

32) — — Rech. sur les Opisthobranches, I. Les Tectibranches, in: Ann. 
Mus. Hist. Nat. Marseille, T. 2, 1885. 

33) BERGH, R., Malacol. Untersuchungen, Heft 18, in: Semper, Reisen 
im Archipel d. Philippinen. 

34) Semper, C., Brock’s Ansichten über die Entwicklung des Mollusken- 
Genitalsystems, in: Arb. Zool.-zoot. Inst. Wiirzburg, Bd. 8, 1888. 

35) Kuorz, J., Beitrag z. Entwicklungsgeschichte und Anatomie des 
Geschlechtsapparates von Lymnaeus, in: Jena. Zeitschr. f. Naturw., 
Bd. 23, 1889. 

36) Eısıc, H., Beitrag z. Anat. und Entwicklungsgesch. d. Geschlechtsorg. 
v. Lymnaeus, in: Z. f. w. Z., Bd. 19, 1869. 

37) Brock, J., Entwickl. der Geschlechtsapp. d. Stylommatophoren, in: 
2. f. w. Z., Bd. 44, 1886. 

38) — — Besprechung der Arbeit von Joveux-LAFFUIE, in: Dole 
Centralblatt, Bd. 3, 1883, S. 370—374. 

39) SIMmRoTH, H., Ueber einige Vaginula-Arten, in: Zool. Jahrb., Bd. 5, 
Abth. £. Syst., p- 861—906. 

40) — — Ueber das Vaginulidengenus Atopos, in: Z. f. w. Z. Bd. 
OZ, Ook: 

41) Lacaze-Duruiers, H. pe, Hist. de la Testacelle, in: Arch. Zool. 
expér. (2), T. 5, 1887. 

42) Köster, A., Anat. von Siphonaria, in: 29. Ber. Oberhess. Ges. 
Nat. u. Heilkunde. 


Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 


Erklirung der Abbildungen. 


In den Zeichnungen bedeutet: 


alb Eiweissdrüse. 
an After. 

atl Athemloch. 
atr Atrium. 


bas Basalplatte der Radulazähne. 


bi Bindegewebe. 

bl Blutlacunen. 

cav. pul. Lungenhöhle. 
cer Cerebralganglion. 
cut Cuticula. 

dia Diaphragma. 

ep Epithel. 

fdr Fussdrüse. 

ge Geschlechtsorgan. 
gef Blutgefässe. 


hb Hinterbacken des Pharynx. 


hep Leber. 

herm Zwitterdrüse. 
hyp Hyponotum. 
int Darmcanal. 

mr Mundrohr. 

mu Muskel. 

n Nerv 

o Eizellen. 

OL Ober- 

UL Unter- | Leber. 
HL Hinter- 

oes Oesophagus. 
ov Oviduct. 

pap Papille. 


pdr Penisdriise. 
pdrs Penisdriisenendsack. 


231 


pdrmu Penisdriisenmuskel-(Stachel) 


abschnitt. 
pe Penis. 
ped Pedalganglion. 
pens Penisendsack. 
pes Fuss. 
pl Pleuralganglion. 
phar Pharynx. 
pr Protractor. 
pul Lunge. 
rad Radula. 
re Niere. 
rec Rectum. 
rec. sem. Receptac. seminis. 
retr Retractor. 
sal Speicheldriise. 
sep Septum des Herzbeutels. 
so Sockel der Radulazähne. 
spov Spermoviduct. 
stb Stiitzbalken der Radula. 
sto Magen. 
te Tentakel. 
vdf Vas deferens. 
ve Ventrikel, 
ves. sem. Vesicula seminalis. 
zdr Zwitterdrüse. 
zg Zwittergang. 
* beliebige Vergrösserung. 


montana n. sp. 2/1, von der Ventralseite. 


Patol 7. 
Fig. 1. Peronina alta n. sp. 14/1, von der Seite. 
Fig. 2. Oneis lata n. sp. 14/1, von der Ventralseite. 
Pig. 3. i 
Fig. 4. Oncidiella maculata n. sp. 2/1. 
Fig. 5. Oncidium multinotatum n. sp. nat. Gr. 


232 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


5 


Fig. 


Fig. 
ine 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


to} 


Fig. 


5 


Fig. 
Fig. 


LUDWIG H. PLATE, 


6. Oncidium marmoratum Less. nat. Gr. 
7. Oncis martensii n. sp. nat. Gr. 
8. Oncidium amboinae n. sp. nat. Gr. 
9. Oncis coeca n. sp. nat. Gr. 
10. Oncidium vaigiense Q. G. nat. Gr. 
11. Oncidium verruculatum Cuv. 5/1, Schlundkopf fast median 
- halbirt. 
11 a. % 1 » 13/1, Querschnitt durch den 
Schlundkopf. 
LB = sy » 16/1, Querschnitt durch den 
Schlundkopf. 
lle. Oncidiella celtica Cuv. Stützbalken der Radula, Horizontal- 
schnitt. 
12. Oncidium verruculatum Cuv., Schlundkopf halb von oben und 


halb von der Seite. 


Oncidina australis Gr. S. 41/1, Schlundkopf. 
Peronina alta n. sp. 4/1, orales 
Oncidium verruculatum 3/1, Schlundkopf. 
2 if Schlundkopf von oben geöffnet. 
2 3 2/1, Darmcanal und Arteria visceralis. 
” ” 4/1, Magen. 
A fi Verlauf der Falten im Dünndarm. 
N 3 Schlundkopf, Horizontalschnitt, SEI- 
BERT Oc. I, Obj. OO. 
= a Radula. 
Pleuralzahn von der Seite. 


Oncidiella Celtica Cuv. * Radula. 


Oncis montana n. sp. Radula, SeiserT, Oc. II, Obj. V. 


. Oncis martensi n. sp. Radula, Seiserr, Oc. I, Obj. V. 


Tafel 8. 
Oncidina australis, Semr., Radula, Serpert, Oc. II, Obj. IV. 


. Oncidium multinotatum n. sp. Radula, SEIBERT, Oc. I, Obj. V. 


Peronina alta n. sp. Radula, Seiser, Oc. I, Obj. IV. 
Oncidium verruculatum, Chylusmagen-Zotten, SEIBERT, Oc. I 
Obj. OO. 

5 yr Muskelmagen, Sue, Oc. I, Obj. OO. 
‘ 14/1, Situs viscerum. 
Oncis coriacea Sump. nat. Gr., Situs viscerum. 
Oncidium tumidum Sump. 13/1, Situs viscerum. 


? 


. Oncidium nigrum n. sp. 14 a ‘Situs viscerum. 


Oncidiella celtica Cuv. 3/1, Situs viscerum. 

Oncidium verruculatam 2/1, Lungenhöhle, Pericard. 

Oncis coriacea Semr. 3/1, jh 

Oncidina australis Gn.- Sem». 3/1, Lungenhöhle, Pericard, 


Tadel. 

Fig. 36—40. Oncidium verruculatum 8/1, Horizontalschnitte durch 
Lungenhöhle und Herz, in dorso- 
ventraler Richtung auf einander 
folgend. 

Fig. 41. à : Nierenspritze, Horizontalschnitt. 

Fig. 42. Communication zwischen Niere 

und Ureter 16/1, a al hnité 
Fig. 43, 44. Oneidiella maculata n. sp. Lungenhöhle und Herz, Hori- 
zontalschnitte in dorsoventraler Richtung 81/1, die Umrisse der Niere 
sind roth eingetragen. 
Made ls 10: 

Fig. 45—46. Oneidiella maculata n. sp., Fortsetzung der Serie Fig. 43, 44. 

Fig. 47-- 49. if 4 » » Querschnitte vom Hinterende 
nach vorn 84/1. 

Fig. 49a. Oncidiella celtica Cuv., Querschnitt durch die mittlere Region 
der Niere 13/1. 

Fig. 50. Oncis martensu n. sp., die rechte Hälfte der Lungenhöhle 
und Niere von innen gesehen 2/1. 

Fig. 50a. Oncidium verruculatum, Geschlechtsorgane 21/1. 

Fig. 51. Oncidina australis Gr. -Semp., Geschlechtsorgane 4/1. 

Fig. 52. Oncidiella maculata n. sp. à 5/1. 

Fig. 53. Oncidium nigrum n. sp. 5/1. 

Fig. 54. Oncidium aberrans Semr., Vas deferens und Oviduct 4/1. 

Fig. 55. Oncidium verruculatum, Acinus der Zwitterdrüse, SerBerr, 

@e..1.,Obj; EL 
Baten sine 

Fig. 56. Oncidium verruculatum 3/1, Copulationsorgane. 

Fig. 57. Oncis montana n. sp, Penis, SEIBERT, Oc. II, Obj. II. 

Fig. 58. cat gi ba Den KE 

Pig: 90. Oncis lata n. sp., Penis, SEIBERT, Oc. EObj: I. 

Fig. 60. Oncidium verruculatum , hintercr | Abschnite! des hervor- 

gestülpten Penis *. 

Fig. 61. Peronina alta n. sp., Peniszahn, Surpert, Oc. I, Obj. V 

Fig. 62. Oncidium verruculatum, Peniszähne. 

Fig. 63. Oncidium branchiferum n. sp, Peniszihne aus der hintern 

Hälfte des Penis *. 
Fig. 64. Le Fr. » » Peniszähne aus der vordern 
Hälfte des Penis *. 

Fig. 65. Oncidium tumidum Semr., Peniszahn *. 

Fig. 66. Oncidiwm amboinae n. sp., Zellen aus dem Chondroidrohr. 

cocc Coccidien? *. 

Fig. 67. Oncidium marmoratum Less., Zellen aus dem Chondroidrohr * 

Fig. 68. Oncidiella maculata n. sp., Penis, Serperr, Oc. I, Obj. OO. 


Studien iiber opisthopneumone Lungenschnecken. 933 


. 69. Oneidiella reticulata Sem». Penis 2/1. 


LUDWIG H. PLATE, Studien über opisthopneumone Lungenschnecken. 


ig. 70. 
SEIBERT, Oc. I, Obj. I. 


Fig. 


Fig. 


Total. 


Oncidiella reticulata Semr, Querschnitt durch den Penis, 


Oncis montana n. sp. 5/1, Penis. 
Peronina alta n. sp. 10/1, Penis. 
i NT Penis: 
BIRNEN Ponisdrunenstachel, SEIBERT, Oc. I, Obj. II. 
Oncidium nigrum N. SP. Penisdrüsenstachel, SRIBERT, Oct 


120,0: 


Oncidium aberrans Semv., Penisdrüsenstachel, SEIBERT, Oc. I 
V. 
Oncidium multinotatum n. sp., Penisdrüsenstachel, SEIBERT, 
Oe. 1, Oba IV. 
% 


I 


” ” ” ” 


3 vaigiense Q. G. Penisdrüsenstachel, Seıgerr, Oc. I, 
Obj. IL. 
. multinotatum n. sp., Basis des Penisdriisenstachels *. 


us marmoratum Less. Penisdrüsenstachel *. 


Tafel 12: 
Oncidium tumidum Semr., Penisdrüsenstachel, SEIBERT, Oc. I, 
OB 
is verruculatum A SEIBERT, Oc. I, 
Obj. V. 
nangkauriense n. sp., Penis 21/1. 
= peroni Cuv., Nervensystem und Gefässe 2/1. 
a verruculatum Pedalganglien und Gefässe von der 
Ventralseite. 
i peroni Cuv. 7/1, Pedal-, Pleural-, Visceralganglien. 
> verruculatum, Buccalcommissur *. 


Oncis montana n. sp, Fühler 9/1. 
Oncidium verruculatum 3/1, Herz. 
3 peroni Cuv., Fussdriise, Längsschnitt 3/1. 


5 marmoratum Luss., Hautsculptur, Lupenvergrösser. 
i nangkauriense n. sp. Fussculptur 21/1. 

ir 4 » » Hinterende des Fusses 23/1. 

n » » Hautsculptur, Lupenvergrösser. 
: savign yi 8 Semp., Kieme 5/1. 

5 marmoratum DEss., oberflächliche Schicht der Haut, 


SEIBERT, Oc. I, Obj. I. 
i verruculatum, Kieme, Seiserr, Oc. I, Obj. OO. 
Hautsculptur ar 
Oncidiella acerensis n. sp. 13/1. 
| maculata n. sp. Seitenrand des Körpers *. 
Peronina alta n. sp., Seitenrand des Körpers *. 


Frommannsche Buchdruckerei (Hermann Pohle) in Jena, — 1159 


Nachdruck verboten. 
Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


Beitrage zur Embryologie der Crustaceen. 


II. Die Drehung des Keimstreifens und die Stellung des 
Dorsalorgans bei Gammarus pulex. 


Von 
Dr. R. S. Bergh in Kopenhagen. 


Hierzu Tafel 13. 


Die vorliegende Mittheilung hat nur den Zweck, künftigen For- 
schern eine Grundlage fiir die Orientirung des Gammariden-Embryos 
in den frühern Stadien der Entwicklung zu bieten. Die Vernach- 
lässigung der Betrachtung durchsichtig gemachter Eier hat alle frühern 
Forscher auf diesem Gebiete hinsichtlich der Orientirung der frühern 
Stadien auf einen Irrweg geführt; da sie nämlich von der Thatsache 
ausgingen, dass der Keimstreifen in spätern Stadien nach der Längs- 
axe des Eies orientirt ist, setzten sie stillschweigend voraus, dass 
dasselbe auch in den frühern Stadien der Fall sei; und sie beschrieben 
ihre Querschnitte durch die Eier in der Weise, als seien dieselben zu- 
gleich Querschnitte durch den Keimstreifen. Das ist aber für die 
frühern Stadien entschieden unrichtig, wie aus der hier folgenden Dar- 
stellung und aus den beigegebenen Abbildungen zu entnehmen, und 
deshalb sind die Darlegungen der Autoren über die frühern Ent- 
wicklungsstadien der Gammarinen sämmtlich cum grano salis zu ver- 
stehen und eigentlich, so wie sie vorliegen, recht wenig brauchbar. 

Ueber die Entwicklung der Amphipoden ist überhaupt nicht sehr 
viel gearbeitet worden, auch während der neuern, mit guten und 
schlechten embryologischen Arbeiten sonst so reichlich ausgestatteten 


Epoche. Fast Alles, was in der neuern Zeit über die Embryologie 
Zool. Jahrb. Vil. Abth. f. Morph. 16 


236 R. S. BERGH, 


der Amphipoden geleistet wurde, verdankt man den Russen und 
Russinnen. Diese sämmtlichen Forscher haben aber, wie gleich am 
Anfang hervorgehoben, den Fehler begangen, nur mittels zweier Metho- 
den zu untersuchen: theils betrachteten sie die Eier und Embryonen in 
toto als undurchsichtige Objecte; theils untersuchten sie Schnittserien. 
Nun ist es aber Thatsache, dass es eine Periode der frühern Ent- 
wicklung giebt, in der es unmöglich ist, bei Betrachtung der Eier bei 
auffallendem Licht als undurchsichtige Objecte die Stadien genauer zu 
bestimmen, indem mehrere auf einander folgende Stadien sich bei 
solcher Betrachtung vollkommen ähnlich darstellen, und wenn man mit 
dem Objecte genauer vertraut ist, erkennt man leicht, dass in den 
Serien von Bildern ganzer Eier und Embryonen, die die Autoren ge- 
geben haben, grosse Lücken vorhanden sind. So sind z.B. die figg. 8, 
9, 10, 11 von ULJAnın !) keineswegs unmittelbar auf einander folgende 


Stadien; in der Abhandlung von SOPHIE PEREYASLAWZEWA über » 


Gammarus poecilurus ?) ist ein weiter Sprung zwischen den Stadien 
fig. 9 und 10 sowie zwischen fig. 10 und 11; in Mart RossısKaya’s 
Darstellung der Entwicklung von Orchestia littorea*) findet sich eine 
entsprechende grosse Lücke zwischen den Stadien fig. 8 und 9 (ebenso 
in den Querschnittsfiguren zwischen den Stadien fig. 22 und 24); in 
der Abhandlung von SOPHIE PEREYASLAWZEWA über die Entwicklung 
von Caprella*) ist ebenso ein weiter Sprung zwischen Stadium fig. 8 
und 9; endlich ist in der Schilderung der Entwicklung von Amphithoé 
picta von Marre RossuskAya5) eine grosse Lücke zwischen den 
Querschnittsfiguren 37—39 und 40—41 (übrigens auch zwischen den 
Stadien fig. 35—36 und 37—39). Und aus Querschnittserien allein 
den Embryo zu reconstruiren, diirfte hier wegen der gleich zu er- 
wähnenden Schrägstellung des Keimstreifens in gewissen Phasen mit 


1) B. UzyaniN, Zur Entwicklungsgeschichte der Amphipoden, in: 
Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 35, 1881, S. 440 ff. 

2) SOPHIE PEREYASLAWZEWA & Marre RoOSSrISKAYA, Études sur le 
développement des Amphipodes. I. PEREYASLAWZEWA, Le développement 
de Gammarus poecilurus Rrak., in: Bull. Soc. Imp. Natur. Moscou, 
1888, (Nouv. sér.) T. 2, p. 183 ff. 

3) Desselben Werks II. Theil: M. Rossusxaya, Le développement 
d’ Orchestia littorea Spence Bars, ibid. p. 561 ff. 

4) Desselben Werks III. Theil: PEREYASLAwZEwA, Le développe- 
ment de Caprella ferox Czrnw., ibid. p. 582 ff. 

5) Desselben Werks IV. "Theil: M. RossriskaAYA-KOSCHEWNIKOWA, 
Développement de la Synamphithoé valida Czernıawsky, et de l'Amphi- 
thoë pieta Raruxer, ibid. 1890, (Nouv. ser.) T. 4, p. 82 ff. 


Beitriige zur Embryologie der Crustaceen. 937 


ganz besondern Schwierigkeiten verbunden sein. Ueberhaupt ist es 
aus dem genannten Grunde nicht leicht, die Querschnitte durch die 
Gammarus-Eier auf den frühern Entwicklungsstadien zu deuten. Ich 
weiss dariiber mitzureden, da ich eine Anzahl Querschnittserien 
von den unten zu besprechenden Stadien angefertigt und untersucht 
habe. 

Es war meine urspriingliche Absicht, diese Untersuchung etwas 
weiter auszudehnen und namentlich die Frage nach der Bildung der 
Keimblätter in Angriff zu nehmen, da das, was bis jetzt darüber vor- 
liegt, mir wenig brauchbar erscheint. Da indessen Gammarus in dieser 
Hinsicht kein besonders günstiges Object ist, und da es andererseits 
nicht meine Absicht war, eine Monographie der Gammarus-Entwick- 
lung überhaupt zu liefern, da ich nächstens andere Aufgaben auf- 
nehmen werde, so begnügte ich mich mit den vorliegenden Resultaten, 
die nicht ganz ohne Interesse sein dürften und die jedenfalls einen 
künftigen Monographen der Gammarus-Entwicklung vor solchen Irr- 
thümern wie diejenigen, in die die frühern Forscher alle hineingerathen 
sind, bewahren werden. — Trotzdem ich also keine eingehende Dar- 
stellung der Keimblätterbildung geben kann, will ich doch nicht un- 
erwähnt lassen, dass es mir nach dem, was ich gesehen habe, keines- 
_ wegs wahrscheinlich ist, dass das Entoderm durch Zusammenlagerung 

ursprünglich zerstreuter Dotterzellen entstehe, wie PEREYASLAWZEWA 
und RossııskAYA meinen; vielmehr entsteht dasselbe, wie ich glaube, 
durch Einwucherung von Blastodermzellen an einer bestimmten Stelle, 
die also dem Blastoporus entsprechen dürfte. Und was die Bildung 
der Muskelplatten betrifft, so ist es mir zwar nicht gelungen, dieselbe 
vollständig zu verfolgen; ich möchte aber auf solche Schnitte wie den 
in Fig. 18 abgebildeten hinweisen (Querschnitt des Eies, Längsschnitt 
des Keimstreifens), wo die mit M und m bezeichneten Zellen kaum 
in anderer Weise zu deuten sind denn als ein Myoblast und eine von 
ihm nach vorn ausgehende (und von ihm abstammende) Muskelplatten- 
| zellenreihe; die Uebereinstimmung mit den Verhältnissen bei Mysis 
| ist ja ganz schlagend!). Wie viele solche Myoblasten bei Gammarus 
| vorhanden sind, kann ich nicht genau angeben, da ich sie nur in 
Solchen Längsschnittserien des Keimstreifens deutlich erkannt habe 
| und da es hier nicht immer mit geniigender Klarheit zu sehen ist, 


1) Zur Zeit, als ich meine vorläufige Mittheilung über Gammarus 
| schrieb (in: Zool. Anz., 1892, p. 268 ff), waren mir diese Verhältnisse 
noch nicht klar geworden. | 


16* 


238 R. S. BERGH, 


wo die eine Zelle aufhört und die nächste anfängt. Jedenfalls ist die 
Zahl derselben jederseits 3 oder 4. 

Die Methode der Untersuchung, die für die Erkenntniss der hier 
zu erwähnenden Verhältnisse sich am besten bewährt, ist dieselbe, die 
ich für das Studium der Mysis-Eier benutzt habe !): die am besten 
in PErEnyT’scher Flüssigkeit fixirten Eier und Embryonen werden (nach 
Abpräpariren der Eihaut, die jedoch gewöhnlich am Dorsalorgan an- 
haften bleibt) in Hämatoxylin oder Alaunkarmin nicht zu stark gefärbt 
und in Glycerin durchsichtig gemacht. Die Eier müssen unter einem 
mit Wachsfüsschen versehenen Deckglase untersucht werden ; sie können 
dann leicht hin und her gerollt werden, was nothwendig ist, um die- 
selben von verschiedenen Seiten betrachten zu können. 

Ausser Gammarus pulex untersuchte ich noch einen von mir 
leider nicht bestimmten Meeres-Gammarinen, der sich ganz wie die 
Süsswasserforın verhält, und ferner einige Entwicklungsstadien von 
Hyperia; doch waren dieselben alle schon etwas weiter entwickelt. 
Bei Hyperia findet sich genau die gleiche regelmässige Anordnung der 
Zellen in Längs- und Querreihen wie bei Mysis und Gammarus; sie 
lässt sich hier sogar mit der grössten Leichtigkeit am lebenden Ob- 
ject wahrnehmen; das Ei von Hyperia ist überhaupt ein schönes, 
glashelles, durchsichtiges Material; sogar die Zelltheilungen (nament- 
lich die Theilungen der Aequatorialplatten) lassen sich hier am lebenden 
Object verfolgen. Auch der Modus der Aufeinanderfolge der Zell- 
theilungen im ectodermalen Keimstreifen scheint derselbe zu sein wie 
bei Gammarus (vergl. weiter unten). Inwiefern aber derselbe Drehungs- 
vorgang wie bei Gammarus auch bei Hyperia stattfindet, darüber kann 
ich nichts Bestimmtes angeben, da mir bei dieser die ganz jungen 
Stadien der Entwicklung des Keimstreifens fehlten. So viel vermag 
ich jedoch zu sagen, dass der genannte Vorgang entweder schon auf 
einem früheren Stadium als bei Gammarus beendigt ist oder gar nicht 
stattfindet. 


Wir wollen nun zunächst untersuchen, wie der ganz junge Keim- 
streifen von Anfang an gelegen ist und danach die einzelnen Phasen 
des Drehungsvorgangs näher verfolgen. 


1) Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. I. Zur Bildungsge- 
schichte des Keimstreifens von Mysis, in: Zool. Jahrbücher, Bd. 6, 
Abth. f. Anat. u. Ontog., 1893, p. 491 ff. 


Beitrige zur Embryologie der Crustaceen. 239 


Das erste Erscheinen des Keimstreifens manifestirt sich bei Gam- 
marus durch eine höchst regelmässige Anordnung der Zellen der be- 
treffenden Region des Blastoderms; gleichzeitig werden die Zellen höher 
und dichter gestellt. Kurz nachdem er zum Vorschein gekommen ist, 
zeigt er das in Fig. 1 dargestellte Aussehen. Die ihn zusammen- 
setzenden Zellen sind nach zwei sich kreuzenden Liniensystemen an- 
geordnet, nämlich erstens Linien, die etwa quer zur Längsaxe des 
Eies verlaufen, und zweitens bogenförmigen Längslinien, deren Conca- 
vität nach einer verdickten Partie (% u. /, links in der Figur) sieht. 
Diese verdickte Partie entspricht der spätern Leberregion + Kopf- 
anlage und die ihm gegenüberliegende Partie, wo der Keimstreifen auf- 
hört (nahe der rechten Seite der Figur), entspricht dem künftigen 
Hinterende der Embryonalanlage. Der Keimstreifen verläuft also in 
einem solchen Stadium quer über das Ei hinüber, und die beiden 
Liniensysteme sind folglich nach der Lage der Embryonalanlage in 
umgekehrter Weise zu deuten: die quer über das Ei verlaufenden sind 
die Längslinien; die bogenförmigen, deren Concavität gegen die ver- 
dickte Zellenmasse sieht, sind Querlinien der Embryonalanlage. Nach 
diesen Liniensystemen sind also die Zellen des Keimstreifens in Längs- 
reihen und bogenförmigen Querreihen geordnet. Es findet sich eine 
sehr deutliche mediane Zellenreihe (em); zu beiden Seiten von dieser 
sind die übrigen Reihen symmetrisch gruppirt; hinten geht die mediane 
Zellenreihe in einen breitern, mehr unregelmässigen Complex von Zellen 
über, und deshalb divergiren hier die ihr zunächst liegenden seitlichen 
Längsreihen. Diese verlaufen weiter vorn fast parallel zu einander, 
die mehr seitlich gelegenen Längsreihen divergiren aber auch rechts 
und links weiter vorn, so dass sie nicht als gerade, sondern als 
schräge Längsreihen zu bezeichnen sind. Die Anordnung der Zellen 
nach orthogonalen Trajectorien ist hier, in den seitlichen Regionen 
des Keimstreifens, sehr deutlich. 

Der Keimstreifen ist weder hinten noch seitlich ganz scharf ab- 
gegrenzt, sondern seine Zellen gehen hier in gewöhnliche Blastoderm- 
zellen ziemlich unmerklich über; am Rande des Keimstreifens stehen 
die Blastodermzellen dichter gehäuft (eine etwas genauere Darstellung 
dieser Verhältnisse auf einem spätern Stadium folgt weiter unten). 
Wie ich für Mysis nachgewiesen habe, bilden bei der eben genannten 
Gattung die grösseren Urzellen (Teloblasten), die die Zellenreihen nach 
vorn producirt haben, in den frühern Entwicklungsstadien eine sehr 
scharfe hintere Begrenzung des Keimstreifens, und dasselbe ist nach 
andern Forschern bei den Isopoden der Fall. Um so auffallender ist 


240 R. $. BERGH, 


es, dass bei Gammarus in keinem einzigen Stadium der Entwicklung 


solche Urzellen nachgewiesen werden konnten. Vielleicht haben wir 


es hier mit einem ähnlichen Verhältnisse wei bei Rhynchelmis unter — 


” 


den Anneliden zu thun, wo die Urzellen sehr frühzeitig verschwinden, 


ehe noch die Zellenreihen deutlich geworden sind; doch konnte ich 


auch während der Furchung keine solche Zellen specifischer Art nach- 


weisen; möglicher Weise haben spätere Forscher in dieser Hinsicht 


mehr Glück. 

In Fig. 2 ist ein auf demselben Stadium befindliches Ei von der 
entgegengesetzten Seite bei schwächerer Vergrösserung dargestellt. Man 
erkennt das Vorderende der Embryonalanlage, das durch einen von 
den gewöhnlichen Blastodermzellen ausgefüllten Zwischenraum von dem 
schon entwickelten, in seiner Bedeutung noch räthselhaften Dorsal- 
organ (ds) getrennt ist. Dieses Organ liegt mit Bezug auf die Median- 
linie der Embryonalanlage fast vollkommen symmetrisch, gegenüber 
dem eben erwähnten Schlitz, der sich zwischen die seitlichen An- 
schwellungen der Kopfanlage (k) einsenkt. 

In der ganzen vordern Region der verdickten Zellenmasse lässt 
sich keine solche Regelmässigkeit der Anordnung der Zellen erkennen; 
dies stimmt gut mit den Verhältnissen bei Mysis überein. Die ver- 
dickte Partie setzt sich übrigens aus zwei differenten Abschnitten zu- 
sammen, einem vordern einschichtigen und einem hintern zweischich- 
tigen, wie aus dem Längsschnitt Fig. 17 zu ersehen ist. Der vorderste. 


Theil der Embryonalanlage (%) besteht nur aus einer Schicht von 


grossen, hohen Ectodermzellen ; hinter dieser Region wird das Ectoderm 
allmählich niedriger, und innerhalb desselben findet sich eine innere 
Schicht (en), das Entoderm; noch weiter hinten wird das Ectoderm 
wieder höher und das Entoderm schwindet; an einer Stelle findet 
sich aber innerhalb des Ectoderms ein Myoblast (M) und einer seiner 
Abkömmlinge, eine Muskelplattenzelle (m). Zwischen dem Hinterende 
des Keimstreifens und dem Dorsalorgan besteht das Ectoderm aus 
niedrigen, platten Elementen. Am Dorsalorgan klebt noch ein Stück 
der Eihaut fest am Ei; zwischen demselben und den Zellen des Dor- 
salorgans ist ein heller Raum vorhanden, in den die Zellen Ausläufer 
hineinsenden (die Möglichkeit, dass dieses Aussehen durch ein Zu- 
sammenschrumpfen hervorgerufen ist, scheint mir jedoch nicht ausge- 
schlossen). Bemerkenswerth ist die Lage der Kerne nahe am äussern 
Rande der Zellen; dieselbe ist wahrscheinlich mit der vermeintlich 
secretorischen Function des Organs in Zusammenhang zu bringen 


Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 941 


(vergl. hierüber namentlich die Erfahrungen von KOoRSCHELT!) an 
andern Objecten). 

Dasfolgende Stadium ist bei entsprechenden Vergrösserungen 
von der Bauchseite und von der Rückenseite in Fig. 3 und 4 darge- 
stellt. Der Drehungsvorgang hat angefangen: die Längsreihen der 
Zellen des Keimstreifens verlaufen nicht mehr quer über das Ei, son- 
dern in schräger Richtung: von links und hinten nach rechts und vorn 
(in Fig. 3, die von der Ventralseite gesehen ist, präsentirt es sich 
natürlich umgekehrt). Die Dimensionen des Keimstreifens haben durch 
Vermehrung seiner Elemente erheblich zugenommen. Auffallend ist 
der Unterschied im Verlaufe der mehr seitlichen Liniensysteme der 
rechten und der linken Seite; es mag dies einfach darin begründet 
sein, dass die Reihen der rechten Seite ziemlich flach über die breite 
Eiseite sich ausdehnen, während die der linken Seite über die vordere 
starke Krümmung sich hinabsenken. Das Dorsalorgan liegt noch im- 
mer symmetrisch vor dem Keimstreifen, wie aus Fig. 4 ersichtlich. 
In Fig. 5 ist das Hinderende der medianen und der ihr zunächst ge- 
legenen seitlichen Zellenreihen bei stärkerer Vergrösserung dargestellt. 
Man sieht, wie die seitlichen Reihen divergiren; die mediane Reihe 
scheint sich in zwei divergirende Reihen zu gabeln, zwischen die noch 
eine kleine zweireihige Zellenmasse von hinten eingeschoben scheint. 
Urzellen sind nicht zu sehen. 

Auf dem nächsten Stadium (Fig. 6) ist der Drehungsvor- 
gang noch etwas weiter vorgeschritten: der Winkel, den die Median- 
ebene des Keimstreifens mit der Längsaxe des Eies bildet, ist be- 
deutend kleiner als der Winkel zwischen jener Ebene und der Fläche, 
die das Ei der Quere nach halbirt. In Fig. 7 und 8 sind bei schwä- 
cherer Vergrösserung Eier dargestellt, die halb resp. ganz umgedreht 
sind; in Fig. 8 ist das Dorsalorgan sichtbar, es liegt noch immer 
symmetrisch gegenüber dem Schlitz zwischen den Kopfanlagen. Kopf- 
anlagen und Leberregion sind deutlich als vorderer schmälerer und 
hinterer breiterer lappenförmiger Vorsprung unterschieden. — In 
Fig. 10 ist ein Stück des Hinterendes des Keimstreifens bei stärkerer 
Vergrösserung abgebildet; man sieht, dass eine scharfe Grenze zwischen 
den Zellen des Keimstreifens und den gewöhnlichen Blastodermzellen 
nicht existirt. Die letztern sind sehr vacuolenreich, von Pflanzenzellen- 


1) E. Korscmerr, Beiträge zur Morphologie und Physiologie des 
Zellkerns, in: Zool. Jahrbücher, Bd. 4, Abth. f. Anat, u. Ontog., 1889, 
p. 1 4. 


242 R. S. BERGH, 


ähnlichem Bau; in der Nähe des Keimstreifens werden die Zellen höher 
und 'schmäler ; ihr Protoplasma wird dichter (die Vacuolen verschwin- 
den), und die Zellen ordnen sich zu deutlichen Längsreihen an. Ur- 
zellen sind also auch in diesem Stadium nicht nachzuweisen. 

Auf dem folgenden Stadium (Fig. 11) ist der Drehungs- 
vorgang fast vollendet; doch fällt die Längsaxe des Eies noch nicht 
ganz genau in die Medianebene des Keimstreifens, sondern bildet mit 
demselben noch einen, allerdings sehr spitzen Winkel. Die ganze 
Embryonalanlage ist seit dem vorhergehenden Stadium sehr stark ge- 
wachsen; sie dehnt sich jetzt über die ganze Ventralfläche aus, und 
am Vorderende und Hinterende ist sie sogar ein Stück über die Dor- 
salfläche des Eies emporgewachsen. Die Segmentirung hat angefangen 
deutlich zu werden, und zwar sind es sowohl die Neuralwülste (#) 
wie die Extremitätenanlagen (gl), die sie so kenntlich machen. Erstere 
zeigen sich als ziemlich wohlumgrenzte Längsverdickungen, die seg- 
mental angeschwollen sind und zu beiden Seiten der sehr deutlichen 
medianen Zellenreihe (em) liegen; im hintern Theil des Keimstreifens 
werden sie undeutlich und schwinden schliesslich ganz. Die Extremi- 
tätenanlagen sind ziemlich gut sowohl von den Neuralwülsten wie von 
einander getrennt; ihre der Medianlinie zunächst liegende Seite ist 
am kräftigsten entwickelt; lateralwärts verstreichen sie ganz unmerk- 
lich. Noch sind nur drei Paare davon deutlich geworden. Das 
Dorsalorgan nimmt das Centrum der Rückenfläche ein, wie aus Fig. 12 
zu ersehen; es liegt etwa in der Mitte zwischen den Kopfanlagen und 
dem Hinterende des Keimstreifens. 

In Fig. 15 und 16 endlich ist ein letztes Stadium darge- 
stellt, in dem die Drehung des Keimstreifens beendigt und die Seg- 
mentirung des Embryos weit vorgeschritten ist. Die Medianebene des 
Keimstreifens (durch die noch immer sehr deutliche mediane Zellen- 
reihe bestimmt) fällt mit der Längsaxe des Eies zusammen; die mediane 
Zellenreihe besteht auf solchen späteren Stadien immer aus sehr kurzen, 
breiten Elementen. Der Keimstreifen hat sich noch viel weiter aus- 
gebreitet; die Partie des Eies in der Umgegend des Dorsalorgans, die 
noch von abgeplatteten Blastodermzellen umgrenzt wird, ist sehr klein 
geworden, wie aus Fig. 16 zu ersehen. Die ursprünglichen grossen, 
ectodermalen Zellen des Dorsalorgans sind von einem dichten Mantel 
von kleinern Zellen anderer Herkunft überzogen worden; schon auf 
dem vorhergehenden Stadium (Fig. 12) liess sich übrigens ein Anlauf 
hierzu erkennen. Die Neuralwülste und Extremitätenanlagen treten 
jetzt viel schärfer und deutlicher hervor als vorhin; auch sind die 


Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 243 


Extremitätenanlagen nun seitlich sehr gut abgegrenzt, fallen ziemlich 
scharf ab und verstreichen nicht ganz allmählich, wie auf dem vorher- 
gehenden Stadium. In Fig. 16 lässt sich zugleich ein anderes in- 
teressantes Verhältniss erkennen, nämlich die Weise, in der sich die 
oben erwähnten bogenförmigen Querreihen von Zellen des Keimstreifens 
zur Bildung der Extremitätenanlagen und der Segmente überhaupt 
zusammenschliessen. Eine Anzahl solcher Querreihen schliessen sich 
nämlich mit einander eng zusammen und grenzen sich gegen die davor- 
liegenden und die nachfolgenden ziemlich scharf ab, und zwar fand 
ich fast immer jedes Segment, jede Extremitätenanlage bei ihrem 
ersten Auftreten aus vier solchen bogenförmigen Querreihen zusammen- 
gesetzt; dies ist sowohl an dem verdickten, mehr medialen Theil (der 
Extremitätenanlage) wie an der mehr lateral gelegenen, diinnern Ab- 
theilung (dem übrigen Theil des Segments) erkennbar. Die stärkeren 
Bogenlinien, die je zwei solche Gruppen von vier Querreihen von ein- 
ander scheiden, sind die Ausdrücke von seichten Furchen, die sich 
zwischen jene einsenken; jede Gruppe von vier Querreihen ist von 
vorn nach hinten schwach gewölbt. Später vermehrt sich die Zahl 
der Querreihen, zuerst in der medialen, später in der lateralen Partie, 
in der unten zu erwähnenden Weise, und schliesslich wird die An- 
ordnung in Querreihen (wie in Längsreihen) gänzlich aufgegeben. — 
Eine eigenthümliche Anordnung weisen in dieser Phase auch die Zellen 
der Leberregion (2) auf: dieselben sind auch sehr regelmässig nach 
orthogonalen Trajectorien gruppirt. In den Neuralwülsten ist jeden- 
falls innerhalb der vordern Region schon auf diesem Stadium die reihen- 
förmige Anordnung der Zellen aufgegeben. 

Aus der obigen Schilderung geht also Folgendes hervor: Der 
Keimstreifen erfährt bei Gammarus auf den frühern 
Stadien der Entwicklung eine sehr auffallende Lage- 
verschiebung, indem er Anfangs quer über das ovale 
Ei verläuft, sich nachher schräg Stellt und schliess- 
lich seine definitive Stellung einnimmt, indem die 
Längsaxe des Eies zuletzt in seiner Medianebene fällt. 

Was die Ursache und was die Bedeutung dieses gewiss höchst 
sonderbaren Drehungsvorganges ist, vermag ich nicht aufzuklären. 
Dagegen möchte ich hervorheben, wie die Erkenntniss der Drehung 
einen wesentlichen Einfluss auf die Deutung der anfänglichen Lagerung 
des Dorsalorgans üben muss. Nach den frühern Forschern, zunächst 
B. ULsanın und Marte RossısKkAYA, soll sich das Dorsalorgan zuerst 
asymmetrisch an der einen Seite der Keimscheibe resp. des Keim- 


244 R. S. BERGH, 


streifens anlegen und erst nachträglich nach der dorsalen Medianlinie 
hinauf verschoben werden. Ware diese Darstellung richtig und wollte 
man nun Gammarus mit seinem unpaaren Dorsalorgan mit Formen 
vergleichen wie z. B. Mysis, die paarig angelegte Dorsalorgane be- 
sitzen, so miisste man annehmen, dass das einfache Dorsalorgan von 
Gammarus nur dem einen (dem rechten oder linken) der beiden paarig 
angelegten von Mysis entspräche, während die andere Anlage, die 
andere Halfte des Organs, verschwunden ware. Wir haben nun aber 
gesehen, dass die Stellung des Dorsalorgans zum Keimstreifen gleich 
vom Anfang an symmetrisch ist, dass es gleich von Anfang an in 
seiner definitiven Lage, mitten am Riicken, angelegt wird. Der Keim- 
streifen macht während der frühern Entwicklung eine auffallende Lage- 
veränderung durch; das Dorsalorgan bleibt aber ruhig an seinem 
Platze. Wollen wir daher Gammarus und Mysis in der genannten 
Beziehung mit einander vergleichen, so miissen wir die un- 
paare Anlage des Dorsalorgans bei jener den beiden 
paarigen bei dieser Gattung homolog setzen. Mit andern 
Worten: entweder ist die unpaare Anlage durch Verschmelzung der 
paarigen oder diese sind durch Theilung jener entstanden. 

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass die Zelltheilungen 
im vordern und mittlern Theil des Keimstreifens von Gammarus nach 
genau demselben Schema verlaufen, das ich für Mysis entworfen habe, 
davon abgesehen, dass bei jenem keine Urzellen vorhanden sind. So 
lange die reihenförmige Anordnung der Zellen in der genannten Region 
des Keimstreifens deutlich ist, sind die Mitosen mit grosser Constanz!) 
hier so gestellt, dass die Aequatorialplatten senkrecht zur Längsrich- 
tung des Keimstreifens stehen, dass also bei jeder Theilung eine 
vordere und eine hintere Zelle entstehen. Schon in den Figg. 1, 3, 6, 
11 sind solche Verhältnisse zu erkennen; bei stärkerer Vergrösserung 
sind Stücke des Keimstreifens aus einem jüngern und einem ältern 
Stadium mit Mitosen in Fig. 9 und 13 dargestellt. In den bogen- 
förmigen Querreihen schreitet ganz wie bei Mysis die Vermehrung der 
Zellen von der Medianebene nach den Seiten hinaus fort, so dass man 
medial von einer Mitose zwei, lateral von derselben nur eine Zellen- 
reihe antrifft; dieses Verhalten ist besonders in Fig. 13 deutlich zu 
erkennen. Nur die mittlere Zellenreihe (em) scheint in der Beziehung 
ihren eigenen Weg zu gehen und nicht immer durch frühzeitige Ver- 


1) Ausnahmen von dieser Regel kommen nur äusserst selten vor 
und sind wohl auf trophische Anomalien zurückzuführen. 


Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 945 


mehrung ihrer Zellen den seitlichen vorauszueilen. — Bei Mysis konnte 
ich es wahrscheinlich machen, dass diese Gesetzmässigkeit in der Auf- 
einanderfolge der Zelltheilungen durch den Umstand bedingt wird, dass 
die mehr medial gelegenen Urzellen des Ectodermkeimstreifens früher 
als die mehr lateral gelegenen anfangen, kleinere Zellen zu produciren, 
unter der Voraussetzung, dass bei gleichen Ernährungsbedingungen 
die Intervalle zwischen zwei auf einander folgende Zelltheilungen die- 
selben sind. Bei Gammarus, wo keine Urzellen nachgewiesen werden 
konnten, habe ich auch keinen solchen ersten Anstoss zu dieser Ge- 
setzmässigkeit der Aufeinanderfolge der Theilungen auffinden können ; 
jedenfalls müssen sich aber beim ersten Auftreten des Keimstreifens 
ähnliche Factoren geltend machen: die medialen Reihen müssen sich 
aus irgend einem Grunde früher ausbilden als die lateralen. 

Im ganz hintern und seitlichen Theil des Keimstreifens kommen 
jedoch auch Zelltheilungen vor, die nach einer andern Richtung als 
der eben erwähnten orientirt sind; sie sind in den Figg. 1 und 11 bei 
y zu erkennen. Wie man sieht, gabeln sich dicht hinter y die Längs- 
reihen; vor y findet sich eine einfache Zellenreihe, hinter y sind zwei 
solche Reihen vorhanden. In den Zellen y selbst sind Mitosen er- 
kennbar, deren Aequatorialplatten (die schon gespalten sind) senkrecht 
zu den bogenförmigen Querlinien gestellt waren; es findet also hier 
eine Längstheilung der Zellen statt, sie trennen sich in mediale und 
laterale Tochterzellen. Diese Art der Theilung finden wir bei Mysis 
nicht; überhaupt ist das Aussehen des hintern Theils des Keim- 
streifens bei dieser Gattung und bei Gammarus recht verschieden. 
Bei Mysis laufen auch in der hintern Region alle Längsreihen fast 
genau parallel mit einander, sie divergiren nicht; bei Gammarus 
divergiren aber die mehr lateralen Längsreihen besonders in ihrem 
hintern Theil sehr bedeutend und verhalten sich mit den bogenförmigen 
Querreihen als orthogonale Trajectorien. Es mag dies zu der ganzen 
Form der Eier und der Ausbreitungsweise der Keimstreifen in diesem 
und in jenem Falle in Beziehung stehen. Während es leicht war, bei 
Mysis die Anzahl der Längsreihen des Keimstreifens anzugeben, lässt 
sich solches bei Gammarus schwerlich thun; denn wegen der erwähn- 
ten Gabelung einiger der Längsreihen hinten kann die Zahl derselben 
im vordern und im hintern Theil des Keimstreifens ziemlich verschieden 
ausfallen; ich habe deshalb auch gänzlich auf derartige Zahlenangaben 
verzichtet. 

Sobald die Organe anfangen sich anzulegen, wird die regelmässige, 
reihenförmige Anordnung der Zellen im Keimstreifen sowie die Regel- 


246 R. S. BERGH, 


mässigkeit im Verlaufe der Zelltheilungen nach und nach aufgegeben. 
Dies ist aus Fig. 14 ersichtlich, die den vordersten Abschnitt der 
medianen Partie des Keimstreifens auf dem Stadium Fig. 11 darstellt. 
In den beiden der medianen Zellenreihe (em) zunächst liegenden seit- 
lichen Reihen finden vorn die Zelltheilungen nach sehr verschiedenen 
Ebenen statt, und aus der einfachen Zellenreihe wird demgemäss vorn 
ein Strang, der auf dem Querschnitt viel mehr als eine Zelle enthält 
und in dem die Zellen durchaus keine regelmässige Anordnung nach 
einer bestimmten Richtungsebene mehr zeigen. In dieser Region sind 
nämlich die Neuralwülste im Begriff, sich zu bilden und sich zu seg- 
mentiren; besonders in der rechten Hälfte der Figur fängt die Seg- 
mentirung an, deutlich zu werden. Ich möchte aus solchen Bildern 
wie Fig. 14 schliessen, dass jederseits nur eine der seitlichen Zellen- 
reihen, nämlich die der medianen Reihe zunächst gelegene, in die Bil- 
dung der Bauchkette eingeht, vermag aber nicht den genügenden Be- 
weis für diese Vermuthung zu liefern. Auch in der medianen Reihe 
finden vorn die Zelltheilungen unregelmässig statt, so dass mehrere 
Zellen neben einander auf dem Querschnitt gelegen sind. Hinten und 
seitlich in der Figur gehen dagegen die Theilungen noch in der ur- 
sprünglichen, regelmässigen Weise vor. In die Bildung der Extremi- 
tätenanlagen gehen jederseits mehrere von den Längsreihen ein, wie 
aus den Figg. 11, 15, 16 deutlich zu erkennen ist. 


Kopenhagen, im März 1893. 


Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 947 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel 13. 

blz Blastodermzellen. ks Keimstreifen. 
dz Dotterzellen. |  Leberregion. 
do Dorsalorgan. M Myoblast. 
eh Eihaut. m kleinere Zellen der Muskel- 
em mediane Zellreihe des Ecto- platten. 

dermkeimstreifens. n  Neuralwiilste. 
en Entoderm. x Quertheilungen, y Längsthei- 
gl Extremitätenanlagen. lungen der Zellen im Keim- 
k  Kopfanlage. streifen. 


Fig. 1. Ei mit einem sehr jungen, noch ganz quer gestellten 
Keimstreifen. Die verdickte Partie durch dunkleren Ton hervorgehoben. 
SEIBERT, Obj. II, Oc. 2. 

Fig. 2. Ein Ei in demselben Stadium der Entwicklung, umge- 
dreht, so dass der vorderste Theil der Embryonalanlage und das Dor- 
salorgan sichtbar sind. Schwächere Vergrösserung (Zeiss, Obj. AA, 
Oc. 2). 

Fig. 3. Folgendes Stadium. Die Drehung des Keimstreifens hat 
angefangen. Viele Mitosen sind sichtbar. SEIBERT, Obj. II, Oc. 1. 

Fig. 4. Dasselbe Ei in ähnlicher Weise wie Fig. 2 gedreht. Zxtss, 
Obj. AA, Oc. 2. 

Fig. 5. Hinterende der mittleren Zellenreihen des Keimstreifens in 
demselben Stadium. Zeıss, Obj. D, Oc. 1. 

Fig. 6. Der Drehungsvorgang ist weiter vorgeschritten; zahlreiche 
Mitosen. SEIBERT, Obj. II, Oc. 1. 

Fig. 7. Dasselbe Ei, etwas gedreht. Zeiss, Obj. AA, Oc. 2. 

Fig. 8. Dasselbe Ei, noch weiter umgedreht. Das Dorsalorgan 
ist sichtbar. Zeiss, Obj. AA, Oc. 2. 

Fig. 9. Partie des Ectodermkeimstreifens desselben Stadiums, um 
die Stellung und Anordnung der Mitosen zu zeigen. Zeiss, Obj. D, 
We; 1. 

Fig. 10. Hinterende eines Theils des Keimstreifens auf demselben 
Stadium, um den Uebergang der Zellen des Keimstreifens in gewöhn- 
liche Ectodermzellen zu zeigen. Zeiss. Obj. D, Oc. 1. 


248 R. S. BERGH, Beiträge zur Embryologie der Crustaceen. 


Fig. 11. Die Drehung des Keimstreifens ist fast vollendet. Neu- 
ralwülste und Extremitätenwülste legen sich an. SEIBERT, Obj. II, Oc. 1. 

Fig. 12. Dasselbe Stadium vom Rücken gesehen. Zeiss, Obj. AA, 
Ver. 

Fig. 13. Partie des Ectodermkeimstreifens dieses Stadiums (ziem- 
lich weit hinten) mit zahlreichen Mitosen. Zeiss, Obj. D, Oc. 1. 

Fig. 14. Partie des Keimstreifens weiter vorn; die der Median- 
linie zunächst liegenden Mitosen sind nach sehr verschiedenen Rich- 
tungen orientirt. Zeiss, Obj. D, Oc. 1. 

Fig. 15. Weiter entwickeltes Stadium von der Bauchfläche gesehen. 
Die Segmentirung sehr deutlich. Srrpert, Obj. II, Oc. 1. 

Fig. 16. Dasselbe Ei von der Seite gesehen. SEIBERT, Obj. II, 
Ge: 

Fig. 17. Querschnitt durch das Ei (Längsschnitt durch den Keim- 
streifen) auf dem Stadium Fig. 1. Zeiss, Obj. D, Oc. 1. 

Fig. 18. Theil eines Querschnitts aus einer andern Serie durch 
ein Ei auf demselben Stadium, um einen Myoblasten und eine von diesem 
ausgehende Zellenreihe zu zeigen. Zrıss, Obj. D, Oc. 1. 


Nachdruck verboten. 
Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 


Von 
A. Klinekowström. 
(Aus dem Zootomischen Institut der Universität zu Stockholm.) 


Hierzu Tafel 14—15 und 13 Textfiguren. 


I. Die Entwicklung des Parietalauges und der Zirbel bei 
Iguana tuberculata und Tejus teguixin. 


Schon seit einiger Zeit mit Untersuchungen über das sog. 
Pinealauge der Wirbelthiere beschäftigt, war ich natürlich darauf 
bedacht, als ich mich einige Monate im Jahre 1891 zu wissenschaft- 
lichen Zwecken in Surinam aufhielt, von der dort sehr häufigen Iguana 
tuberculata Material zu einem genauern Studium des Pinealauges in 
morphologischer und embryologischer Beziehung zu sammeln. Diese 
Aufgabe schien mir um so dankbarer, als uns zwar mehrere Verfasser 
gute Darstellungen über die Entwicklung des fraglichen Gebildes bei 
den Lacertidae und Anguidae gegeben haben, dagegen, soweit mir 
bekannt, keine Untersuchungen über die Verhältnisse bei den Iguanidae 
vorliegen. Auch schien es mir wahrscheinlich, dass die Untersuchung 
einer der grossen exotischen Formen betrefis der Entwicklung des 
Pinealauges manches, was das Studium unserer kleinern einheimischen 
Arten im Dunkel liess, aufzuklären geeignet sein würde. 

Es gelang mir, theils selbst, theils durch die Hülfe eines surina- 
mischen Landwirths, Mijnheer C. A. van Brussez, im Laufe der Jahre 
1891 und 1892 ein nicht unbeträchtliches Material zusammenzubringen, 
so dass ich, als ich mich im Anfang dieses Jahres an die Arbeit setzte, 
über eine Serie von Iguana-Embryonen in 6 verschiedenen Stadien 
(9, 14, 18, 24, 26, 35—40 Tage alt) und ausserdem eine kleine Samm- 
lung gut conservirter Gehirne von erwachsenen, theilweise über meter- 


250 A. KLINCKOWSTROM, 


langen Thieren verfügen konnte. Auch von Tejus teguixin hatte ich 
durch Mijnheer van BRUSSEL gut fixirte Embryonen bekommen, die 
sich insbesondere fiir das Studium der ersten Stadien der Epiphysis 
sehr nützlich zeigten. 

Da sämmtliche Arbeiten, die das Pinealauge behandeln, der 
neuesten Zeit angehören und ausserdem meistens mit einem mehr oder 
weniger eingehenden Literaturbericht anfangen, so glaube ich hier auf 
einen historischen Rückblick verzichten zu können. Die bahnbrechenden 
Entdeckungen DE GRAAF’s und SPENCER’s, die in rascher Folge sich 
ihnen anschliessenden Untersuchungen ‚von BERANECK, STRAHL & 
MARTIN, FRANCOTTE, SELENKA, LEYDIG und Andern sind so neuen 
Datums, dass sie wohl allen Anatomen, welche sich fiir das fragliche 
Organ interessiren, im Gedächtniss sind !). 

Ich werde im Folgenden erst die Entwicklung des Pinealauges 
selbst und nachher die Entwicklung und das Schicksal des Parietal- 
nerven und der proximalen Zirbel bei Iguana und Tejus schildern. 


Entwicklung des Pinealauges bei Iguana tuberculata. 


Stadium I (9 Tage). 

In einer kurzen Mittheilung (7) ?) habe ich schon an einem andern 
Ort über die erste Entstehung des Pinealauges aus der abgeschnürten 
Spitze der primären Zirbelausstülpung berichtet. 

Die dort abgebildeten Schnitte: 
(Fig. A) ?) zeigt die Höhle des Pineal- 
auges noch in offener Verbindung 
mit der eigentlichen Zirbelhöhle. 
Fig. 7 und Fig. H stellen ein etwas 
älteres Stadium dar: die Zirbelhöhle 

Fig. A. Sagittalschnitt durch die Und die Höhle des Parietalauges sind 
Epiphysisausstülpung eines 9tägig. Em- hier ganz getrennt, und die Abschnü- 
bryos von /guana. E Zirbel, ec Ecto- Ä > re el 
derm, m Mesoderm, P Parietalauge, Zg YUNS des Pinea auges vom proxImalen 
Dach des 3. Ventrikels, V, dritter Ven- Zirbeltheile ist fast vollendet. Auf 


trikel. (Vergr. 11/ ; die Structurver- 3 : - 
hältnisse sind schematisirt.) diesem Stadium (9 Tage) bestehen 


1) Gute Literaturberichte über die ältern Arbeiten finden sich bei 
Spencer (9) sowie für die neuere Zeit im „Zoologischen Jahresberichte“ 
der Zool. Stat. v. Neapel. 

2) Siehe Literaturverzeichniss. 

3) Die mit Buchstaben bezeichneten Figuren sind in den Text 
eingefügt. 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 251 


sowohl Zirbel als Pinealauge aus hohen, keil- oder spindelförmigen 
Zellen von durchaus derselben Beschaffenheit wie diejenigen der 
Epiphysisausstülpung von Anguis und Lacerta auf einem entsprechenden 
Stadium. Uebrigens sind auf dieser Entwicklungsstufe durchaus keine 
histologischen Verschiedenheiten zwischen der zukünftigen Linse und 
Retina wahrzunehmen. Von dem auf spätern Stadien so auffallenden 
Wimperbesatz im Innern des Auges ist hier fast nichts zu sehen. 
Wie aus der Fig. 7 hervorgeht, ist schon jetzt die Wölbung der Linse 
sehr deutlich, was um so auffallender ist, als auf der fraglichen Ent- 
wicklungsstufe vom zukünftigen Parietalnerven noch nichts zu sehen 
ist. Sowohl Augenblase als Zirbel liegen, von lockerm Mesoderm 
umgeben, dicht unter dem Ectoderm. 


Stadium II (14—18 Tage). 

Die Embryonen von 14—18 Tagen zeigen, wie ich schon früher 
(7) bemerkt habe, bezüglich der Structur des Pinealauges unter ein- 
ander nur wenige Differenzen, im Vergleich mit den 9-tägigen 
Embryonen dagegen nicht unbeträchtliche Abweichungen. 

Die Fig. 8 stellt einen sagittalen Schnitt durch das Pinealauge 
eines 18-tägigen Embryos von Iguana dar. Die Convexität der Linse 
ist kaum deutlicher, als es auf dem vorigen Stadium der Fall war; 
die Höhle des Auges ist auf den Sagittalschnitten von einer halb- 
mondförmigen in eine mehr kreisrunde Form übergegangen. Die die 
Höhle bekleidenden Zellen tragen deutliche Wimpern. Die Kerne der 
Zellen der Linse sind denen der Retina auf diesem Stadium durch- 
aus gleich; sie sind hier wie dort von rundlicher Form und dicht an 
einander gedrängt. Bei näherer Untersuchung zeigen sich jedoch auch 
Veränderungen von anderer Art, die als Fortschritte in optischer Be- 
ziehung zu bezeichnen sind. Diese Veränderungen bestehen in der 
Zertheilung der Augenwand in zwei Schichten und im Anfang der 
Pigmentbildung im Retinatheile desselben. Die erste dieser Ver- 
änderungen wird dadurch bewirkt, dass in der Wand der Augenblase 
die Kerne im peripherischen Theile der Zellen sich zusammendrängen, 
wodurch wir eine peripherische kernreiche und eine cen- 
trale kernlose, wimpertragende Zone bekommen. Diese zwei 
Zonen sind an der Linse sowohl als an der Retina zu unterscheiden, 
doch sind sie an der letztern viel deutlicher von einander abgegrenzt 
als an der Linse. Die Kerne sind im Vergleich mit denen des 9-tägigen 
Embryos kleiner geworden und zeichnen sich (auf Carminpräparaten) 


durch eine viel intensivere Färbung aus. Die Pigmentbildung hat auf 
Zool. Jahrb, VII, Abth. f, Morph, rt 


252 A. KLINCKOWSTROM, . 


dieser Entwicklungsstufe schon im ganzen Retinatheil angefangen, 
indem ganz kleine, intensiv schwarze, spärliche Körnchen sowohl in 
die innere als in die äussere Schicht eingestreut sind. Wichtiger als 
alle die oben besprochenen Veränderungen ist jedoch für das zukünftige 
Sinnesorgan das Hinzutreten eines starken, aus dem 
Zwischenhirndache stammenden Nerven, des zuerst in 
seinem ganzen Verlauf von BÉRANECK beschriebenen Parietalnerven. 
Wie und wann sich dieser Nerv bildet, muss zwar noch eine offene 
Frage bleiben. Am 9. Tage ist noch nichts davon zu sehen; am 14. 
Tage dagegen ist er schon fertig ausgebildet. Da ich den Nerven 
und seine centralen Theile besonders beschreibe (siehe Abth. 2), be- 
schränke ich mich hier auf seine Beziehungen zum Auge selbst. In 
Fig. C sehen wir den im Verhältniss zum Auge recht starken Nerven 
von unten in die Mitte der Retina eindringen. 

Ueber die Beziehungen der Nervenfasern zu den Retinazellen 
habe ich auf diesem Stadium keine nähern Aufschlüsse erhalten. Die 
ganze Augenblase liegt noch dicht unter dem Ectoderm, vom Dache 
des Zwischenhirns hat sie sich aber bedeutend entfernt. Das von 
zahlreichen Blutgefässen durchsetzte Mesoderm fängt an sich con-, 
centrisch um das Auge zu ordnen, die erste Anlage der spätern binde- 
gewebigen Augenkapsel bildend. 


Stadium II (24—26 Tage). 


Die dritte Entwicklungsstufe (Fig. 1 und Fig. 13) zeigt uns das 
Pinealauge in seiner höchsten Entwicklung; denn wenn auch Retina 
und Linse auf spätern Entwicklungsstufen eine höhere Entwicklung 
ihrer Elemente zeigen mögen, so muss doch mit den schon im fol- 
genden Stadium (35—40? Tage) wahrzunehmenden regressiven Ver- 
änderungen der nervösen Theile des Auges der Rückbildungsprocess 
des ganzen Organes als angebahnt betrachtet werden. Im Vergleich 
mit dem vorhergehenden Stadium bemerken wir folgende Fortschritte. 
Linse und Retina sind scharf von einander getrennt. Die Pigment- 
bildung in der Retina ist bedeutend fortgeschritten, und das ganze 
Organ ist von einer kugligen Form in eine mehr plattgedrückte über- 
gegangen. 

Betrachten wir nun zunächst die verschiedenen Theile des Auges. 

Die Linse, ursprünglich von biconvexer Form, ist allmählich 
platter geworden, was am deutlichsten an ihrem innern Rande 
zu sehen ist, so dass sie im vorliegenden Entwicklungsstadium eher 
als plan-convex denn als biconvex bezeichnet werden kann. Sie be- 


+. ig 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 253 


steht durchweg aus länglichen Zellen mit ovalen Kernen; die centralen 
Enden der Linsenzellen tragen jetzt eine ganz deutliche Wimper- 
bekleidung. 

Die Retina zeigt, von aussen nach innen gezihlt, folgende 
Schichten : 

1) Eine äussere Schicht von cubischen Zellen mit kugligen Kernen 
(FRANCOTTE’S (4) A [couche cellulaire externe)). 

2) Eine Schicht von feinen Nervenfasern, die aus dem Pineal- 
nerven ausstrahlen (FRANCOTTE’S B [couche moléculaire)]). 

3) Eine Schicht von Zellen mit dicht zusammengedrängten ovalen 
oder rundlichen Kernen (FRANCOTTE’S C [couche cellulaire interne|). 

4) Kine von schwarzen Pigmentkörnchen erfüllte Schicht (FRAN- 
corre’s D [couche de bâtonnets|). 

5) Einen schmalen pigmentfreien Streifen, der wimpertragenden 
Innenseite der Retina angrenzend (diese Schicht scheint bei Anguis 
zu fehlen). 

Besser als an den vorigen und nachfolgenden Stadien lässt sich 
hier die Ausbreitung des Nerven im Auge feststellen (Fig. 13). Gleich 
an seinem Eintritt von unten und hinten ins Auge wird der Nerv von 
den cubischen Zellen der äussern Kernschicht (1) scheidenartig um- 
geben. Nach dem Eintritt ins Auge breitet sich der Nerv zwischen 
der äussern Schicht cubischer Zellen und der aus längern cylinder- 
oder stabförmigen Zellen bestehenden innern Schicht aus. Von der 
Nervenschicht sieht man zahlreiche feine Fasern, die sich zwischen 
die Zellen der oben erwähnten Schicht 3 hineinschieben, in die innern 
Schichten der Retina eindringen. Man kann sie oftmals bis in die 
Nähe der Pigmentschicht verfolgen. 

An zahlreichen Stellen dringt das Pigment aus der Pigmentschicht 
in feinen Strängen und Körnerreihen zwischen die Kerne der innern 
Körnerschicht hinein. Diese Pigmentschicht reicht aber bei Iguana 
nicht (wie es bei Anguis der Fall ist) bis an die Spitzen der stab- 
formigen Zellen, sondern diese sind hier immer fast ganz pigmentfrei 
und bilden so die innerste wimpertragende Schicht der Retina. Zwischen 
der Linse und dem Ectoderm hat das mesodermale Lager bedeutend 
an Dicke zugenommen. Wie schon erwähnt, wird die ganze Augen- 
höhlung von einem dichten Ueberzug von theilweise durch geronnene 
Flüssigkeit zusammengeklebten Cilien bekleidet. 


Stadium IV (85—40? Tage). 


Das genaue Alter der diesem Stadium angehörenden Embryonen 
lyfe 


254 A. KLINCKOWSTROM, 


kenne ich leider nicht, glaube aber durch Vergleichung mit den vorigen 
Stadien ihr Alter auf 35—40 Tage feststellen zu können. Abgesehen 
von einer allgemeinen Zunahme an Grösse und einem bedeutenden 
Fortschritt der Pigmentbildung in der Retina, zeigt dieses Stadium 
grosse Aehnlichkeit mit dem oben beschriebenen (24—26 Tage). Die 
Linse gleicht in ihrer Form der des vorigen Stadiums ziemlich ge- 
nau, aber die Zellen haben eine lang-cylindrische oder keilförmige 
Gestalt angenommen; die innere (untere) Spitze der Zellen trägt hier 
wie auf den vorhergehenden Stadien einen deutlichen Wimperbesatz. 
Charakteristisch für die Linse auf dieser Entwicklungsstufe sind eigen- 
thümliche, hier und da vorkommende Zellen, die sich von den um- 
gebenden langgestreckten Linsenzellen theils durch ihre bedeutende 
Grösse (10 u), theils durch ihre kuglige Form und (an Boraxcarmin- 
präparaten) helleres Protoplasma unterscheiden; ihre grossen ovalen 
oder runden Kerne zeigen deutliche karyokinetische Theilungsfiguren. 
Da ich ahnliche Zellen weder auf jüngern noch in ältern Entwicklungs- 
stufen angetroffen habe, so kann ich über ihre Bedeutung und ihr 
weiteres Schicksal nichts mittheilen. 

Die Retina zeigt auf dem fraglichen Stadium grosse Ueberein- 
stimmung mit derjenigen der Embryonen von 24—26 Tagen. Die dort 
beschriebenen 5 Retinaschichten sind auch hier sämmtlich vorhanden. 
Von diesen haben sich nur die Pigmentschicht und die Nervenfaser- 
schicht erheblich verändert. In der erstern hat sich das Pigment 
bedeutend vermehrt, so dass ich jetzt an meinen Präparaten die ein- 
zelnen Zellen nicht mehr unterscheiden konnte. Die Nervenfaser- 
schicht scheint schon den Höhepunkt ihrer Entwicklung überschritten 
zu haben. Sie ist viel schwächer als bei den Embryonen von 24—26 
Tagen, die Fasern sind schwer zu unterscheiden, und zwischen ihnen 
haben sich kleine Pigmentkörnchen gebildet. Auch im Nerven selbst 
ist der nervöse Theil im Vergleich zu der bindegewebigen Hülle be- 
deutend reducirt, ein Vorgang, der, wie wir sehen werden, beim er- 
wachsenen Thiere bis zum gänzlichen Schwinden der Nervenfasern in 
den medialen Theilen des Nerven gehen kann. Das ganze Auge wird 
auf diesem Stadium von einer bindegewebigen Kapsel von mesodermaler 
Herkunft umgeben; zwischen der Linse und dem Ectoderm ist das 
Mesoderm immer dicker geworden und zeigt eine bei Angws von 
STRAHL u. MARTIN (10) beschriebene, an die Cornea der paarigen 
Augen erinnernde Structur. 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 255 


Das Pinealauge bei der erwachsenen Iguana. 


Nachdem wir den Gang der Entwicklung des Pinealauges in den 
verschiedenen embryonalen Stadien verfolgt haben, bleibt es uns iibrig, 
mit einigen Worten das Schicksal des Organs beim erwachsenen Thiere 
zu berühren. Ausser einem ganz kleinen, 14—50 Tage alten Thierchen 
habe ich mehrere erwachsene Iguanen bezüglich des Pinealauges unter- 
sucht. Die Gehirne waren alle in Pikrinschwefelsäure oder 0,5 °/, 
Chromsäure fixirt. Zunächst ist hervorzuheben, dass unter den ver- 
schiedenen erwachsenen Individuen zahlreiche Schwankungen bezüglich 
der Ausbildung des Pinealauges bestehen. Denn während bei einigen 
die Rückbildung so weit gegangen ist, dass der aus gelblich-braunem 
Pigment und unregelmässig gehäuften Zellen bestehende untere Theil 
des Pinealauges fast gar keine von den Retinacharakteren des em- 
bryonalen Auges behalten hat, besitzen andere eine hoch differenzirte 
Retina, so die in Fig. 2 und Fig. 15 abgebildeten. Bei andern wieder 
ist die Retina so intensiv schwarz pigmentirt, dass es fast unmöglich 
ist, irgend welche feinern Structurverhältnisse zu unterscheiden. 

Kaum bei zwei Thieren findet man im Pinealauge ganz dieselben 
Verhältnisse. Ich werde mich deshalb darauf beschränken, das Pineal- 
auge des oben erwähnten jungen Thieres und das in Fig. 2 u. Fig. 15 
abgebildete, von einem erwachsenen, ca. meterlangen Thiere stammende 
Auge zu beschreiben. 

Bei dem von mir untersuchten jungen Thiere hatte das Pineal- 
auge ungefähr dieselbe Form wie bei dem Embryo von 35—40 Tagen. 
Der horizontale Durchmesser war 312 «, der verticale 117 u. Die 
Linse war flach-biconvex und stimmte bezüglich der Structur ziemlich 
mit derjenigen der Embryonen überein; die wichtigsten Verschieden- 
heiten waren der Schwund des Wimperüberzuges, von welchem jedoch 
in der Nähe der Retina deutliche Reste sichtbar waren, und das 
Fehlen der schon vorher beschriebenen eigenthümlichen Zellen. 

Die Retina ist überfüllt mit intensiv schwarzem Pigment, das sich 
nicht nur in der Pigmentschicht, sondern sowohl in der äussern Zellen- 
schicht als in der Nervenfaserschicht ausbreitet; am wenigsten pig- 
mentirt ist die innere Zellenschicht. Von der an den Embryonen 
nachweisbaren innersten pigmentfreien Schicht ist hier nichts zu sehen. 
Nach innen von dem Pigment sehe ich nur eine Reihe von langen 
Wimpern oder Stäben, ähnlich den von Rirrer (8, p. 214) bei Phryno- 
soma beschriebenen , die durch geronnene Flüssigkeit zusammenge- 
klebt zu sein scheinen. 


256 A. KLINCKOWSTROM, 


Im Innern des Auges sieht man Tropfen von geronnener Fliissig- 
keit und einzelne freie, unregelmässige Zellen. 

Fig. 2 und Fig. 15 stellen einen Sagittalschnitt durch eines 
der am höchsten entwickelten Augen dar, die ich bei Iguana gefunden 
habe. Es stammt von einem alten, ungefähr meterlangen Thiere und 
ist in Pikrinschwefelsäure fixirt und in toto mit Boraxcarmin gefarbt. 

Die Retina hat die Form einer Kugelcalotte, die von der gewaltig 
gewachsenen Linse deckelartig überragt wird, angenommen. 

Die Oberseite der Linse hat die bei den Altern Embryonen und 
dem eben besprochenen jungen Thiere beschriebene Form behalten, die 
untere (innere) Fläche aber zeigt, wahrscheinlich in Folge des starken 
Wachsthums der Linse, unregelmässige Wucherungen. Von dem em- 
bryonalen Wimperüberzug ist an der untern Fläche der Linse nichts 
mehr zu sehen. Die Linse selbst besteht aus langen, unregelmässig 
stab- oder keilförmigen Zellen, zwischen welchen sich zahlreiche Lymph- 
spalten finden. 

In der Retina sind von den bei den Embryonen beschriebenen 
Schichten die vier äussersten leicht zu erkennen. 

Die äussere Zellenschicht besteht aus Zellen mit kugligen 
Kernen, die im Allgemeinen wie bei dem Embryo in einer Reihe liegen. 
In der Nervenfaserschicht scheinen die nervösen Elemente 
gänzlich geschwunden zu sein: die ganze Schicht erscheint als ein 
gelblicher feinkörniger Streifen, in welchen hier und da feine Pigment- 
körnchen aus der Pigmentschicht hineindringen. Die innere Zellen- 
schicht hat, im Vergleich mit derjenigen der Embryonen, an 
Mächtigkeit abgenommen und ist kaum breiter als die äussere Zellen- 
schicht; die Kerne sind länglich-oval. Die Pigmentschicht ist 
bei dem fraglichen Thiere verhältnissmässig schwach pigmentirt. Das 
Pigment, das eher braun als schwarz zu nennen ist, liegt in Gestalt 
von feinen Körnchen im Innern der langen, regelmässig stabförmigen 
Zellen. Eine Verlängerung der pigmentirten Stäbe in der Nähe des 
Eintrittsortes des Parietalnerven, wie sie SPENCER beschreibt, habe ich 
ebensowenig wie die von diesem Verfasser beschriebenen Kegel in 
der äussern Zellenschicht gesehen (9, p. 196). Nach innen von der 
Pigmentschicht finde ich eine sehr eigenthümliche Bildung: einen 10 
—12 u breiten Streifen von glasheller, stark lichtbrechender Substanz, 
die, nach innen gegen die Augenhöhle unregelmässig gezackt, sich 
nach aussen den Spitzen der Pigmentstäbe dicht anschmiegt; bei 
starker Vergrösserung bekommt man den Eindruck, dass man es mit 
einem Secret der Pigmentzellen zu thun hat. Wimpern habe ich in 


À TRE 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 957 


dieser Schicht nicht gesehen. Nach innen von dem oben erwähnten 
eigenthümlichen Secret, von welchem sie durch ihre Farbe leicht zu 
unterscheiden ist, liegt die gewöhnliche geronnene Augenflüssigkeit, 
in welcher wie bei dem jungen Thier hier und da freie Zellen (Leuco- 
cyten ?) zu sehen sind. 

Nach aussen wird das ganze Auge von einer dicken, bindegewebigen 
Kapsel, in welcher grössere Pigmentanhäufungen zu sehen sind, um- 
geben. Diese geht in einen starken, bindegewebigen Strang über, der 
vom Eintrittspunkte des ehemaligen Parietalnerven, aus dessen binde- 
gewebiger Scheide er offenbar abstammt, nach hinten zieht. 


II. Entwicklung des Parietalnerven. 


Unter den verschiedenen Streitfragen, welche die Untersuchungen 
über das Pinealauge der Saurier hervorgerufen haben, nimmt zweifels- 
ohne die Innervirung des fraglichen Organs die wichtigste Stelle ein. 
Denn zu fast sämmtlichen Aufgaben, die dem Forscher auf diesem 
Gebiete entgegentreten, sei es die Homologie des Pinealauges der 
Saurier mit dem gleichnamigen Organ der Cyclostomen oder mit dem 
unpaaren Auge der Tunicaten, sei es die Beantwortung der Frage, ob 
wir es mit einem Sinnesorgane oder nicht zu thun haben, kann die 
Frage nach dem Dasein und Verlaufe des Pinealnerven zumeist als 
Schlüssel betrachtet werden. 

Von den Forschern, die sich mit Untersuchungen auf dem frag- 
lichen Gebiete beschäftigt haben, ist Fr. Leypi& wohl der einzige, 
der noch heute das Dasein eines das Parietalauge innervirenden 
Nerven leugnet; er sucht noch immer die als nervöse Theile be- 
schriebenen Gebilde für bindegewebige Stränge oder sogar für Lymph- 
gefässe zu erklären. Unter den Forschern, die das Dasein des Nerven 
annehmen, bestehen erhebliche Meinungsverschiedenheiten bezüglich 
seines Ursprungs und Verlaufs. Die ältere Anschauung, durch SPENCER, 
FRANCOTTE, HOFFMANN, RITTER u. A. vertreten, will in dem Parietal- 
nerven die Verbindung des Auges mit seinem Mutterboden, der proxi- 
malen Zirbel, sehen, während STRAHL u. MARTIN mit BÉRANECK, auf 
ihre embryologischen Untersuchungen gestützt, die Unabhängigkeit des 
Parietalnerven von der Zirbel behaupten. Von der Annahme aus- 
gehend, dass der Parietalnerv in seiner Entwicklung mit dem Sehnerven 


258: A. KLINCKOWSTROM, 


der paarigen Augen homolog sei, kommen die verschiedenen Verfasser 
zu sehr verschiedenen Schlussfolgerungen, je nachdem sie am meisten 
Gewicht auf die Entstehung des Auges aus der Zirbel oder auf die 
Unabhängigkeit des Nerven von der letztern legen. Zur erstgenannten 
Kategorie gehört Horrmany (6), der die Befunde von BÉRANECK und 
STRAHL u. Martin bezüglich des Ursprungs des Nerven bezweifelt, zu 
der letztern dagegen BÉRANECK (2, 3) selbst, der durch die Ueber- 
zeugung von der Richtigkeit seiner Angaben dazu kommt, den Zu- 
sammenhang des Pinealauges und der Zirbel durchaus zu leugnen! 
In meiner ersten Mittheilung (7) habe ich schon, diesen beiden An- 
sichten theilweise entgegentretend, in, wie ich glaube, überzeugender 
Weise nachgewiesen, dass der Parietalnerv nicht wie die Sehnerven 
durch unvollständige Abschnürung der Augenblase zu Stande kommt, 
sondern als eine Neubildung, die durch Auswachsen von Faserzügen, 
sei es von dem Hirndache zum Retinalboden, sei es vice versa, im 
Laufe der Entwicklung entsteht. 


Am Ende des 9. Tages ist bei Iguana die Blase des 
Parietalauges vollkommen von der Zirbel abgeschnürt, 
ohne dass es möglich ist, irgend welche Spur von einem 
das Auge mit der Zirbel oder dem Medullarrohre ver- 
bindenden Nerven zu entdecken. 

Diese Thatsache, deren Richtigkeit ich an mehreren lückenlosen 
Serien von Sagittalschnitten constatirt habe, zeigt deutlich genug, dass 
wir im Parietalnerven durchaus kein Homologon zu den Sehnerven 
vor uns haben. 

Die paarigen Augen werden bekanntlich nie von ihrem Mutter- 
boden getrennt, sondern verbleiben immer durch die aus den Pedunculi 
optiei sich allmählich entwickelnden Nervi optici mit ihm in Verbin- 
dung. Ganz anders das Parietalauge: hier ist die Abschnürung eine 
vollständige, und im Laufe der Entwicklung kommt eine Zeit, wo 
das Pinealauge als eine allseitig geschlossene Blase unmittelbar nach 
vorn von der proximalen Zirbel, von dem Dache des Zwischenhirns 
nur durch eine dünne Schicht von Mesoderm getrennt, zu liegen 
kommt. 

Dazu kommt noch, dass, wie ein Blick auf die Fig. 7 deutlich 
genug zeigt, wenn der Parietalnerv die letzte Verbindung zwischen 
Augenblase und Zirbel darstellen sollte, er nicht am Boden der Retina, 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 959 


wie es der Fall ist, eintreten wiirde, sondern seitlich, etwa an der 
Grenze zwischen Linse und Retina. 

In einer kleinen Anschwellung des Medullarrohres nach vorn und 
rechts von der Zirbelausstiilpung haben wir vielleicht die erste Anlage 
des künftigen Parietalcentrums zu erblicken (Fig. H Cp.). 

Erst auf dem folgenden Stadium (14—18 Tage) finden wir zum 
ersten Mal einen Parietalnerven, der sich in geschlängeltem Verlaufe 
von dem Boden der Retina des Parietalauges bis zu dem im Dache 
des Zwischenhirns liegenden, von BERANECK entdeckten Parietalcentrum 
erstreckt (Fig. B und C). 


Fig. B, Fig. C. 


Fig. B. Sagittalschnitt durch Parietalauge und Zirbel eines 18tägigen J/yuana- 
Embryos. 52 Blutgefiisse, Æ Zirbel, ec Ectoderm, m Mesoderm, P Parietalauge, Zg 
Dach des 3. Ventrikels, V, dritter Ventrikel. (Vergr. '!%/ ; die Structurverhältnisse sind 


schematisirt.) 
Fig. C. Schnitt aus derselben Serie wie Fig. B, nur mehr nach rechts von der 


Mittelebene. cp Parietalcentrum, übrige Bezeichnung wie in Fig. B. 


Dieses Parietalcentrum zeigt sich bei dem 14—18-tägigen Embryo 
als eine kleine Anhäufung von Zellen nach vorn und rechts vom Ur- 
sprung der primären Epiphysisausstülpung (Fig. D und Fig. 3). 

Auf dem folgenden Stadium (24—26 Tage) sieht man, dass das 
sog. Parietalcentrum nichts anderes als die erste Anlage des rechten 
Ganglion habenulae ist; denn in diesem Centrum endet der Parietal- 
nerv mit einem ausgebreiteten Bündel von ganz feinen, welligen Fasern 
(Fig. G). Auf diesem Stadium angelangt, hat das Parietalcentrum 
bei Iguana den Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht, und schon im 
folgenden Stadium (35—40 Tage) habe ich vergebens versucht, den 
Eintritt des Nerven in das Ganglion habenulae wiederzufinden. 

Der Parietalnerv jselbst, der am 14—1Stägigen Thier sich als 
ein 8—10 « breites Bündel von feinen, welligen Nervenfasern vom 


260 


MA. 


Fig. D. Horizontalschnitt durch das 
Mittel- und Zwischenhirn eines 18täg. 


Iguana-Embryos. Mh Mittelhirn, PC 
Parietalcentrum, PN Parietalnerv, JV, 
dritter Ventrikel. (Vergr. 8/3 die 


Structurverhältnisse sind schematisirt.) 


Die Embryonen von 35—40 


A. KLINCKOWSTRÖM, 


Parietalcentrum bis zur Retina er- 
streckt (Fig. 9 und Fig. C), hat sich 
bei dem 24—26tägigen Embryo mit 
einem bindegewebigen Perineurium 
umgeben und hat auf dieser Ent- 
wicklungsstufe durchaus dasselbe Aus- 
sehen wie die übrigen embryonalen 
Hirnnerven (Fig. 4). Vom Boden der 
Retina verläuft nunmehr der Parietal- 
nerv nicht wie beim 14—18tigigen 
Embryo direct zum Parietalcentrum, 
sondern wendet sich erst unter ziem- 
lich starkem Winkel nach hinten, um 
nach Erreichung der Zirbelspitze, sich 
der Vorderseite des Zirbelschlauches 
anschmiegend, in die Falte zwischen 
Plexus und Zirbel einzudringen und, 
sich nach rechts wendend, ihren cen- 
tralen Theil, das rechte Ganglion ha- 
benulae, zu erreichen (Fig. E, F u.G). 
Tagen stimmen bezüglich der topo- 


graphischen Verhältnisse mit denjenigen von 24—-26 Tagen überein. 


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Fig 


E Zirbel, 


Sagittalschuitt durch das 


VH Vorderhirn, MH Mittelhirn, PA Parietalauge, Pl Plexusfalten, 


Zwischenhirn eines 26tägigen Jguana-Embryos. 
V, dritter 


Ventrikel. (Vergr. *°/,; die Structurverhältnisse sind schematisirt.) 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 261 


> 


é 
a 
ao: 
Vo 
8, 
Bi 
2 
5 
D 


Fig. F. Schnitt aus derselben Serie wie Fig. EE PN Parietalnerv, Pc Parietal- 
centrum. Uebrige Bezeichnung wie in Fig. E. 


Dagegen hat sich der Rückbildungsprocess, der zum Schwund der 
centralen Theile des Nerven geführt hat, auch auf den peripherischen 


Fig. G. Frontalschnitt durch das Zwischenhirn eines 26tägigen /guana-Embryos. 
Bl Blutgefässe, C Quercommissur, Hk Ectoderm, GH Gangl. habenulae, m Mesoderm, 
Ep Zirbellumen, Pl Plexusfalten, PN Parietalnerv, V, dritter Ventrikel. (Vergr. en 
die Structurverhältnisse sind schematisirt.) 


262 A. KLINCKOWSTROM, 


Theil des Parietalnerven erstreckt und zu einem theilweisen Schwunde 
der Nervenfasern geführt, der die Erkenntniss des Nerven oft sehr 
erschweren wiirde, wenn dieser nicht noch immer von dem stattlich 
entwickelten Perineurium umgeben wäre. 

Bei den erwachsenen Thieren ist die beim Embryo schon ange- 
bahnte Rückbildung der Nervenfasern unter Fortbestand des Peri- 
neuriums noch weiter gegangen, indem, wie ich schon gesagt habe, 
bei den von mir untersuchten Individuen sämmtliche nervöse Elemente 
im Parietalnerven verschwunden waren. 

Von den ganzen Nerven bleibt auf diesem Stadium nur das ge- 
wissermaassen hypertrophische Perineurium übrig, das als ein dicker 
bindegewebiger Strang oder Schlauch vom Boden der Retina nach 
hinten bis zur Zirbelspitze verläuft, um, sich diesem Gebilde an- 
schmiegend, gerade wie beim 24—26tägigen Embryo nach unten zu 
ziehen. 

Durch den Schwund der Nervenfasern net jener Strang oder 
Schlauch auf den Querschnitten oftmals eine täuschende Aehnlichkeit 
mit einem Gefässe, und ohne die vorhergehenden embryologischen 
Untersuchungen wären für ein solches Gebilde Leypia’s Ansichten ohne 
weiteres acceptabel. 

Der Vergleich mit den umgebenden wirklichen Gefässen mit ihren 
zahlreichen Seitenzweigen kann uns jedoch bei umsichtiger Unter- 
suchung vor Fehlschlüssen bewahren. In seinem distalen Theil ziem- 
lich erweitert, zieht der Strang nach hinten unter allmählicher Ab- 
plattung seines Anfangs im Querschnitt rundlichen, jetzt mehr ovalen 
Lumens. Endlich erreicht er die Spitze der Zirbel, an deren rechte 
Seite er sich anlegt (Fig. 5), und begleitet sie nach hinten und unten. 
Soweit es mir möglich gewesen ist, dem Strang zu folgen, scheint er 
nahe der Basis der Zirbel zwischen den Plexusfalten zu enden. 


III. Entwicklung der proximalen Zirbel. 


Von den verschiedenen Organen, die mit der Entwicklung des 
Parietalauges in Beziehung stehen, haben wir noch den proximalen 
Epiphysistheil zu besprechen. 

Am Ende des 9. Tages hat die primäre handschuhfingerförmige 
Epiphysisausstülpung (Fig. A) sich durch Abschnürung ihrer distalen 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 963 


Spitze (Fig. H) in zwei Theile zerlegt; der eine, der distale, wird 
zum Parietalauge, der andere, der proximale stellt die Anlage der 
Zirbel dar. Auf diesem Stadium hat die Zirbel die Gestalt einer 


Cp ? 


Fig. H. Sagittalschnitt durch die Zirbelausstülpung eines 9tägigen Zguana-Embryos. 
Cp? Anlage der Parietalcentrum?, Æ Zirbel, ec Ectoderm, m Mesoderm, P Parietalauge, 
V, dritter Ventrikel, Zg Dach des 3. Ventrikel. (Vergr. 1°/,; die Structurverhältnisse 
sind schematisirt.) 


kugligen Blase, deren Durchmesser ungefähr */, von dem der Augen- 
blase ist; nach unten hängt er mit dem Zwischenhirndache zu- 
sammen und communicirt durch eine noch ziemlich weite Oefinung 
mit dem Ventrikel. 


Stadium II (14—18 Tage). 


Hier ist die Zirbel bedeutend in die Länge gewachsen und hat 
wieder eine an die primäre Zirbelausstülpung vor der Abschnürung des 
Auges erinnernde handschuhfingerförmige Gestalt angenommen; in- 
dessen liegt der Zirbelschlauch gewöhnlich nicht mehr nach vorwärts 
gedrückt zwischen Ectoderm und Medullarrohr, sondern hat durch das 
Wachsthum des Mesoderms die Möglichkeit gewonnen, eine aufrechte 
Stellung einzunehmen (Fig. 11). Das Innere des Zirbelschlauches steht 
durch eine enge Oeffnung in offener Verbindung mit dem dritten Ven- 
trikel. In der Mitte der vordern Seite der Zirbel sieht man oftmals 
eine kleine Ausbuchtung der Wand (Fig. B); es scheint mir eine Art 
von Narbe zu sein, die uns den Punkt zeigt, wo die Abschnürung der 
Augenblase von der Zirbelblase stattgefunden hat. Bezüglich der 
histologischen Structur hat sich der untere (proximale) Theil, abge- 
sehen von dem Auftreten von Wimpern an der Innenwand, nicht 
wesentlich verändert. Nicht so der obere (distale) Theil der Zirbel; 
in diesem haben die Kerne das für die Augenblase der fraglichen Ent- 


264 A. KLINCKOWSTROM, 


wicklungsstufe schon beschriebene Aussehen (S. 251) angenommen. 
Bezüglich der Lagerung der Kerne in den Zellen zeigt aber die Zirbel 
eine Abweichung von der Augenblase, denn während in dieser die 
Kerne sich nach dem peripherischen Theil der Zellen drängen, eine 
innere kernfreie Zone frei lassend, streben in der Zirbel vielmehr die 
Kerne, sich in der Mitte der Zellen anzuhäufen, eine breitere äussere 
und eine schmälere innere kernlose Zone bildend. 


Stadium III (24—26 Tage). 

Das Längenwachsthum ist in stetiger Zunahme begriffen, und die 
ganze Zirbel stellt sich als ein langer, fingerförmiger Schlauch dar, 
der, vom Dache des Zwischenhirnes, wo er mit dem Innern des 3. Ven- 
trikels communicirt, aufsteigend, sich halbkreisförmig nach vorn ge- 
bogen erstreckt und mit seiner Spitze dicht hinter dem Parietalauge 
zu liegen kommt (Fig. E und F). Die beim vorigen Stadium be- 
sprochene „Narbe‘‘ ist meistens noch deutlich zu sehen, und, was nicht 
ohne Interesse ist, oftmals begegnet uns hier eine Anhäufung von 
schwarzen Pigmentkörnchen, welche in Aussehen und Structur grosse 
Aehnlichkeit mit denen der Retina des Parietalauges hat. Bezüglich 
der histologischen Structur der Zirbel auf diesem Stadium ist Folgendes 
zu bemerken. 

Die Wand zeigt zwei deutliche Schichten, nämlich eine äussere 
Lage von cubischen Zellen, deren rundliche Kerne sich im Vergleich 
mit denen der innern Lage durch eine schwächere Färbbarkeit aus- 
zeichnen, und eine innere Lage von langen, wimpertragenden, stab- 
oder keilförmigen Zellen mit ovalen Kernen. 

Die Wimpern an der Innenseite der Zirbelwand sind bedeutend 
gewachsen und können manchmal sogar denen der Plexusfalten an 
Länge gleichkommen. Ausserhalb der oben besprochenen ‚Narbe‘ ist 
kein Pigment in der Zirbel zu sehen; die Spitze der Zirbel weicht 
manchmal insofern von den oben beschriebenen Verhältnissen ab, als 
man hier drei Schichten findet, nämlich ausser den zwei besprochenen 
noch eine innere helle kernlose Zone (Fig. 4). Abgesehen von dem 
Mangel an Pigment und dem Fehlen einer Nervenfaserschicht finden 
wir also in der Zirbelspitze die aus der Parietalaugen-Retina bekannten 
Schichten wieder; die äussere und innere Zellenschicht entsprechen ein- 
ander in Lage und Aussehen, und die innere kernlose Zone der Zirbel 
brauchte nur die für das Auge eigenthümliche Pigmentirung, um ein voll- 
ständiges Homologon der innersten Retinaschicht zu werden. In der 
nächsten Abtheilung werde ich zeigen, dass dies manchmal wirklich der 
Fall sein kann. 


A 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 265 


Stadium IV (35—40 Tage). 
Die Zirbel dieser Entwicklungsstufe gleicht fast ganz der des 
vorigen Stadiums sowohl in ihrer Gestalt als in ihrer histologischen 
Structur. 


Die Zirbel des erwachsenen Thieres. 


Beim Aufpräpariren des Gehirnes des erwachsenen Thieres findet 
man ohne Schwierigkeit die Zirbel, welche sich in Gestalt eines lang- 
gestreckten, kegelförmigen Gebildes, die Plexusfalten überlagernd, nach 
vorwärts zwischen die Hemisphären streckt. Von seiner Spitze zieht 
ein feiner Strang bis zum schwarz pigmentirten Pinealauge. Es ist 
dies der bindegewebige Rest des Parietalnerven, der, von Gefässen be- 
gleitet, nach vorn zieht. An Schnitten untersucht, zeigt die Zirbel in 
ihrem distalen Theil die vom Embryo her bekannte schlauchförmige 
Gestalt, in ihrem proximalen Theil aber hat sie durch zahlreiche 
Faltungen der Wand ein mehr oder weniger folliculäres Aussehen an- 
genommen. 

Die Wände sind mächtig verdickt und haben den innern Wimper- 
überzug verloren. Sie bestehen aus langen, stabförmigen Zellen, deren 
Kerne nach aussen angehäuft sind, eine innere kernlose Schicht frei 
lassend (Fig. 5); nach aussen ist die Zirbel von einer starken Hülle 
längsverlaufender bindegewebiger Fasern umgeben. 


IV. Einige andere mit dem Parietalauge in Beziehung 
stehende Bildungen. 


In dieser Abtheilung will ich einige, an einzelnen Embryonen be- 
obachtete Verhältnisse beschreiben, die, obwohl sie nicht bei der 
Mehrzahl vorhanden sind, mir doch für eine richtige Deutung der 
Zirbel, des Parietalauges und des Parietalnerven von grosser Bedeutung 
erscheinen. Drei verschiedene Gebilde fallen unter diese Categorie: 
1) das Vorkommen von zwei Parietalnerven, 2) das Vorkommen 
eines von hinten zur Zirbel ziehenden Nerven, 3) die Bildung eines 
secundären „Auges“ aus der Spitze der proximalen Zirbel. 


266 A. KLINCKOWSTROM, 


1. Zwei Parietalnerven. 


Bei drei verschiedenen 18tagigen Embryonen (1 Sagittal-, 2 Hori- 
zontalserien) habe ich mich von dem Vorhandensein eines linken 
Parietalnerven überzeugt. In einem Falle (Fig. I) war dieser 
von fast gleicher Grösse wie der rechte, in den zwei andern aber 
bedeutend kleiner.  Betreffs 
der Structur stimmen die bei- 
den Nerven vollkommen über- 
ein, ebenso in ihren Bezie- 
DR N NES hungen zum Gehirn und zum 
W À 2 (ZEON ry Parietalauge. Der linke Nerv 

Wr Le = NN tritt aus einer kleinen Zellen- 
1 FE = 
anhäufung im Gehirndache 
hervor, die nach Lage und 
Aussehen vollkommen mit dem 
Ursprung des rechten, dem 
Parietalcentrum, überein- 
stimmt; da wiraber im vorigen 
Abschnitt nachgewiesen haben, 

Fig. I. Querschnitt durch die Zirbel eines dass dieses zu dem spätern 
See a Bone Gao, rechten Ganglion habenulae 
die Structurverhältnisse sind schematisirt.) gehört, so haben wir folglich 

im linken Parietalcentrum die 
Anlage eines Theiles des linken Ganglion habenulae. Beide Nerven 
treten dicht neben einander in das Auge ein. 

Obwohl das Dasein von .zwei Parietalnerven etwas eigenthümlich 
erscheinen kann, so liegt, wenn wir die Sache näher bedenken, nichts 
so Befremdendes darin, denn die Thatsache, dass der centrale Theil 
der Parietalnerven, die Ganglia habenulae, ein paariges Gebilde ist, 
spricht stark für die frühere Existenz eines aus dem linken Ganglion 
habenulae entspringenden, dem asymmetrischen rechten entsprechenden, 
linken Parietalnerven, der nachher durch Atrophie verschwunden ist. 
Ich werde im nächsten Abschnitt bei der Vergleichung des Parietalorgans 
der Cyclostomen mit demjenigen der Saurier auf diese Frage zurück- 
kommen. 


2. Das Vorkommen eines hinter der Zirbel entspringenden 
Nerven. 
In einer Sagittalserie eines 18tägigen Embryos von Iguana habe 
ich ein sehr eigenthiimliches Gebilde beobachtet, ein Faserbiindel von 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 267 


durchaus demselben Aussehen und derselben Structur wie der Parietal- 
nerv des betreffenden Embryos (der zu den mit zwei Nerven ausge- 
statteten Individuen gehörte). Sowohl die Structur als sein Verhalten 
zum Gehirn lassen keinen Zweifel über die nervöse Natur des frag- 
lichen Faserbündels, dessen Ursprung aus den Hirnzellen ein wenig 
hinter dem Zirbelschlauch deutlich zu sehen ist (Fig. 11 und 12). 
Vom Hirndach steigt er in etwas geschlängeltem Verlaufe nach oben 
und vorn, um, so viel ich sehen konnte, in der Zirbelwand im distalen 
Drittel des Zirbelschlauches zu enden. 

In keiner andern von den zahlreichen untersuchten Schnittserien 
habe ich etwas an diesen hintern Zirbelnerven Erinnerndes 
gesehen. Ich glaube jedoch, dass, wenn sich auch die Beobachtung 
nur auf ein einziges Individuum beschränkt, die Thatsache wichtig 
genug ist, um den Fachgenossen mitgetheilt zu werden. 


3. Das Vorkommen eines secundären Auges an der Zirbelspitze. 


Bei der Beschreibung der Entwicklung der proximalen Zirbel habe 
ich schon die Thatsache hervorgehoben, dass nach Abschnürung des 
Parietalauges der distale Theil der Zirbel eine mit dem Auge ge- 
wissermaassen parallele Entwicklung durchläuft. Bei einigen Embryonen 
und einem erwachsenen Thiere ist die Entwicklung aber weiter vor- 
geschritten, indem es zur Bildung eines wirklichen „Zirbelauges“ 
gekommen ist, das bei dem erwachsenen Thiere sogar eine unpig- 
mentirte Linse, welche mit der Parietalaugenlinse übereinstimmt, be- 
sitzt. Bei den Embryonen, die dem dritten Stadium (24—26 Tage) 
angehören, zeigt sich das „Zirbelauge“ als eine kleine, vom proxi- 
malen Zirbelschlauch abgeschnürte Anschwellung der Zirbelspitze; im 
Innern dieser Anschwellung befindet sich ein Hohlraum, der gewöhnlich 
durch eine enge Oeffnung mit dem Lumen des Zirbelschlauches, von 
welchem es deutlich ein Abschnürungsproduct ist, in Verbindung steht. 
Die histologische Structur stimmt mit derjenigen der normalen Zirbel- 
spitze überein. In der innern Lage hat aber eine starke Pigment- 
bildung stattgefunden, die in Farbe und Beziehung zu den Zellen 
nicht von denen der Parietalaugen-Retina zu unterscheiden ist. 

Noch viel höher entwickelt ist das „Zirbelauge“ bei der er- 
wachsenen Iguana (Fig. 6 und Fig. 16). Beim Aufpräpariren des 
Schädeldaches war es als ein kleiner schwarzer Punkt an der Spitze 
der Zirbel zu sehen. Auf Sagittalschnitten untersucht, zeigt sich das 
„Zirbelauge“ als eine plattgedrückte Blase mit einem innern, von ge- 


ronnener Flüssigkeit gefüllten Hohlraum, der vom Zirbellumen voll- 
Zool. Jahrb. VII, Abth, f. Morph. 18 


268 A. KLINCKOWSTROM, 


stindig getrennt ist. Die Wand der Blase geht nach hinten in die 
Zirbelwand über (der in Fig. 11 abgebildete Schnitt hat etwas schräg 
getroffen). Nach hinten ist die Wand des Zirbelauges überfüllt mit - 
schwarzem Pigment (wie es ja oft mit dem Auge selbst der Fall ist), 
das nur wenig von der histologischen Structur erkennen lässt. Nach 
vorn dagegen ist die Wand völlig pigmentfrei und nach aussen stark 
gewölbt; sie besteht aus stabförmigen Zellen, die mit denen der 
Parietalaugen-Linse eine unverkennbare Aehnlichkeit haben. RITTER 
(8, p. 217, 219— 220, 223—24) beschreibt bei Phrynosoma unter dem 
Namen „epiphysial vesicle“ ein Gebilde, das mit dem ,,Zirbel- 
auge“ von Iguana homolog ist. Auch die von SPENCER (9, p. 195) 
beschriebene „secundäre Augenblase“ bei Plica umbra gehört zweifels- 
ohne zu derselben Categorie. RırTTer kann aus Mangel an embryo- 
logischem Material nur wenig zur Erklärung dieses Gebildes beitragen, 
er bezweifelt sogar, dass es ein Abschnürungsproduct der Zirbel sei, 
betont aber die Möglichkeit, dass, wenn dies dennoch der Fall sein 
sollte, darin ein Homologon zu einem von den zwei Augenblasen der 
Neunaugen zu suchen wäre. 

Ich werde auf diese Fragen in einem folgenden Abschnitt manila 
kommen. SPENCER beschreibt das „Zirbelauge“ bei Plica umbra als 
mit der Wand des Pinealauges zusammengewachsen; bei zwei unter 
den von mir untersuchten /guana-Embryonen war dies auch der Fall. 
Indessen kann es sich hier ebensowohl um ein secundäres Zusammen- 
wachsen als um eine unvollständige Abschnürung des Parietalauges 
handeln. Thatsächlich macht die eigenthümliche, nach vorn gebogene 
und an der Basis verbreiterte Gestaltung der Zirbel bei den be- 
treffenden Embryonen ersteres viel wahrscheinlicher, und es möchte dann 
die ganze Erscheinung ihren Grund in einer zu spärlichen Entwick- 
lung der mesodermalen Schicht haben, welche die Zirbel durch den 
Druck des Ectoderms nach vorn, gegen das Pinealauge gepresst hat. 


V. Entwicklung der Zirbel bei Tejus teguixin. 


Wie bekannt, gehört Tejus zu den bezüglich des Parietalauges 
am schlechtesten ausgestatteten Formen unter den Sauriern, was schon 
der Mangel äusserer Merkmale (Cornealschuppe), sowie vor allem das 
Fehlen eines Foramen parietale erwarten lässt. SPENCER (9, p. 193) 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 969 


beschreibt die mit Zejus nahe verwandte Ameiva, an welcher er keine 
Spur vom Parietalauge findet. Auch bei den Embryonen von Tejus 
kommt es niemals zur Abschniirung einer Augenblase, sondern die 
ganze primäre Epiphysis-Ausstülpung entwickelt sich zur Zirbel. 

Fig. J zeigt uns eines 
der frühesten Stadien von 
Tejus, die mir zur Ver- 
fiigung stehen; der allge- 
meinen Entwicklung nach 
entspricht der betreffende 
Embryo am nächsten der 
Itägigen Iguana oder ist 
wohl noch ein wenig jünger. 
Die Epiphysisausstülpung | 

: a 5 Fig. J. Sagittalschnitt durch die Zirbel eines 
hat die gewöhnliche hand- jungen Embryos von Tejus teguixin. E Zirbel, ec 
schuhfingerförmige Gestalt, Eetoderm, m Mesoderm, P Parietalauge, Zg Zwischen- 
= 2 A hirn, V, dritter Ventrikel. (Vergr.130/ ; die Structur- 
ist aber bei Tejus gerade verhältnisse sind schematisirt.) n 
gegen das Ectoderm, oder 
sogar ein wenig rückwärts gerichtet, anstatt wie bei Lacerta, Iguana 
und Anguis nach vorn gebogen zu sein. Die histologische Structur 
stimmt völlig mit derjenigen bei 9Itägigen Iguana-Embryonen (S. 251) 
überein. 

Die Spitze der Ausstülpung ist meistens ein wenig nach der Seite 
gebogen. Bei sämmtlichen Embryonen auf diesem Stadium ist die 
Epiphysis-Ausstülpung durch eine sehr deutliche Einschnürung in zwei 
mit einander in Verbindung stehende Höhlen getheilt. Die Bedeutung 
dieser Einschnürung wird durch eine Vergleichung mit dem ent- 
sprechenden Stadium von Iguana (Fig. A) klar. Die obere Höhle 
(P) stellt die Anlage der Parietalaugenblase, die untere (Æ) die der 
Zirbel dar. Aber bei Tejus schlägt die Entwicklung einen ganz andern 
Weg ein als bei den mit einem Pinealauge ausgestatteten Sauriern ; 
die angebahnte Trennung in Augenblase und proximalen Zirbelschlauch 
wird nicht nur nicht vollzogen, sondern sehr bald wieder im Laufe 
der Entwicklung ausgeglichen, und wenn wir im nächsten, zu unserer 
Verfügung stehenden Stadium (den 24—26tägigen Iguana-Embryonen 
am nächsten entsprechend) die fraglichen Verhältnisse wieder mustern, 
so finden wir keine Spur einer Abschnürung an der zu einem langen, 
keulenförmigen Schlauch umgebildeten Epiphysisausstülpung. In diesem 
Stadium hat die Epiphysisausstülpung bei Tejus grosse Aehnlichkeit 
mit der proximalen Zirbel der 18tägigen Iguana (Fig. B), ist aber 

18* 


270 A. KLINCKOWSTROM, 


keineswegs mit ihr homolog, denn bei Tejus besteht fragliches Ge- 
bilde aus der ganzen primären Epiphysisausstülpung, während bei 
Iguana schon am 9. Tag das distale Stück sich als Augenblase ab- 
geschnürt hat (Fig. A und H). Bezüglich der histologischen Structur 
weicht aber die Zirbel von Tejus von der der Iguana ab. Die ganze 
keulenförmige Zirbel besteht aus cylindrischen, keil- oder spindel- 
förmigen Zellen mit ovalen oder kugligen Kernen. Wimpern sind in 
keinem Theile der Zirbel zu sehen; der obere angeschwollene Theil 
der Zirbelausstülpung ist dagegen mit einer innern, sehr scharf abge- 
grenzten Lage überkleidet, welche die grösste Aehnlichkeit mit der an 
der Innenwand der Retina des Pinealauges der erwachsenen Iguana 
(S. 256) beschriebenen ,,Secretschicht hat. Im ganzen obern Theile 
der Zirbel findet sich feinkörniges Pigment, das eine grosse Aehnlich- 
keit mit dem Pigment im Parietalauge der 14—18tägigen Iguana zeigt. 


Die Zirbel des jungen Tejus. 


In ihrer äussern Gestalt sowohl als in ihrer histologischen Structur 
schliesst sich die Zirbel hier ziemlich nahe an die der Iguana an. 
Die Spitze hat die schlauchförmige Gestalt der embryonalen Zirbel 
bewahrt, die proximalen Theile aber haben follikelartige Taschen und 
Falten gebildet. Wimpern und Pigment fehlen in der Zirbel, Wimpern 
finden sich aber in den nach vorn liegenden Plexusfalten. 


VI. Allgemeine Schlussbemerkungen. 


Nachdem wir in den vorhergehenden Abschnitten die Entwicklung 
des Pinealauges, des Parietalnerven und der proximalen Zirbel bei 
Iguana und Tejus, so gut es an dem vorliegenden Material zu machen 
war, verfolgt haben, erübrigt es uns, nachzusehen, wie sich die durch 
unsere Untersuchungen erhaltenen Thatsachen in unsere frühern Kennt- 
nisse einreihen und wie sie sich zu den gegenwärtigen Ansichten in 
den betreffenden Fragen stellen. 

Wenden wir uns zunächst zu den Sauriern. 

In seiner classischen Untersuchung ,,The pineal eye in Lacertilia“ 
(9) scheint Spencer keinen Zweifel an der Homologie des Parietal- 
nerven und derjenigen der paarigen Augen gehabt zu haben. Er be- 
schreibt immer den Nerven als von der Retina zur Zirbelspitze ziehend, 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 21] 


und auch in seinen Abbildungen (die mir übrigens ziemlich idealisirt 
scheinen) sieht man immer den Nerv seinen Ursprung direct aus der 
Zirbelspitze nehmen (l. c. Fig. 7, 8, 28, 34, 35, 36, 40). 

Bei vielen von diesen, Hatteria, Varanus, Lacerta u. a., ist das 
mit op. s (pineal stalk) bezeichnete Gebilde zweifelsohne der Parietal- 
nerv, der, wie wir gesehen, nicht aus der Zirbelspitze seinen Ursprung 
nimmt, sondern, wie aus vorliegender Untersuchung sowie aus denen 
von BÉRANECK (2 u. 3) und STRAHL & Marri (10) deutlich hervor- 
geht, der Zirbel entlang bis zum Hirndache verläuft; in diesen sämmt- 
lichen Fällen müssen wir die Spencer’schen Abbildungen als incorrect 
bezeichnen. In andern Fällen aber (Moloch, Plica) ist es möglich (für 
Plica umbra sogar sicher), dass das mit op. s bezeichnete Gebilde 
nicht der Parietalnerv, sondern die mit dem Parietalauge zusammen- 
gewachsene Spitze der Zirbel darstellt. Ob der ,,pineal stalk“ von 
Chamaeleo (1. c. Fig. 21) wirklich die letzte Verbindung zwischen der 
Zirbelspitze und dem auf einem sehr primitiven Stadium verharrenden 
Parietalauge darstellt oder nicht vielmehr — ebenso wie es bei 
Hatteria, Lacerta, Varanus u. a. der Fall war — als der unrichtig 
gezeichnete Parietalnerv aufzufassen ist, müssen wohl künftige embryo- 
logische Untersuchungen entscheiden. 

Dasselbe gilt auch von der eigenthümlich dilatirten Zirbelspitze 
von Cyclodus, die nach dem Stande unserer jetzigen Kenntnisse 
ebensowohl als ein nicht abgeschnürtes Parietalauge wie als ein Homo- 
logon der ganzen keulenförmigen Zirbel von Tejus, d. h. als Parietal- 
auge und „Zirbelauge“ zugleich, aufgefasst werden kann. 

Abgesehen von den Sauriern, giebt es nur eine einzige Gruppe 
unter den noch lebenden Wirbelthieren (das „Auge“ bei Amphioxus 
entzieht sich noch unserer Beurtheilung), wo das Parietalauge fort- 
besteht, nämlich die Petromyzonten, deren hochdifferenzirtes Pineal- 
auge von mehreren Verfassern, BEARD, GASKELL, OWSJANIKOW, SCOTT, 
untersucht und vor allen durch die ausgezeichnete Arbeit von AxL- 
BORN (1) bekannt ist. Der grösste Unterschied zwischen dem Parietal- 
auge von Petromyzon und demjenigen der Saurier besteht darin, dass 
bei Petromyzon das Auge in zwei über einander liegende Blasen 
(AHLBORN’S Ep, und Ep.) zerfällt; zuweilen stehen die beiden Blasen 
noch mit einander in offener Verbindung (so bei dem von AHLBORN 
Il. e. fig. 47] abgebildeten Individuum). Die untere Blase ruht auf 
einem Ganglion, dem sog. „Zirbelpolster‘‘, das durch einen tractus- 
ähnlich ausgezogenen Stiel mit dem linken Ganglion habe- 
nulae in Verbindung steht. Von dem Zirbelpolster dringt ein dickes 


272 A. KLINCKOWSTROM, 


Nervenfaserbiindel in den untern (ventralen) Theil der Blase ein. Die 
obere grössere Blase, die auch am besten ihren augenähnlichen Cha- 
rakter beibehalten hat, steht durch den beim erwachsenen Thiere eines 
Lumens entbehrenden Zirbelstiel mit dem Zwischenhirndach unmittelbar 
vor der Commissura posterior in Verbindung (2, fig. 43 u. 44). In diesem 
Zirbelstiele (AHLBORN’s Ep. 1) sehe ich nun an einer mir zur Ver- 
fügung stehenden Sagittalschnittserie von Petromyzon zahlreiche 
Nervenfasern, die von der Gegend der Comm. posterior, dem Zirbel- 
stiele entlang ziehend, sich bis in die Nähe der obern Augenblase 
verfolgen lassen. Leider macht der ziemlich mangelhafte Conservirungs- 
zustand des Thieres (unfixirtes Spiritusmaterial) eine nähere Unter- 
suchung der fraglichen Verhältnisse unmöglich. Dass GASKELL (5), 
der das Pinealauge von Ammocoetes untersucht hat, auch diese Nerven- 
fasern gesehen hat, geht aus seiner Beschreibung hervor. Er betrachtet 
sogar den ganzen Zirbelstiel als einen Nerv und nennt ihn den rechten 
Parietalnerven. Die Unrichtigkeit dieser Auffassung wird durch 
die Entwicklungsgeschichte sowie durch die Thatsache, dass sich das 
Lumen der Augenblase in den distalen Theil des Zirbelstiels fortsetzt, 
klar genug erwiesen. Dass GASKELL auf die frühere Entwicklungs- 
geschichte der Zirbel einzugehen vermeidet, darf man ihm allerdings 
nicht tibel nehmen, da er auf diesem Wege nach seiner Anschauungs- 
weise zu dem Schluss kommen wiirde, dass die paarigen ,,medialen 
Augen“ aus einer unpaarigen Ausstülpung der dorsalen Magenwand 
seines ,,Crustacean ancestor‘‘ entstanden wären, was die ohnedies mehr 
als problematische Existenz jenes interessanten Thieres nicht gerade 
glaubwürdiger gemacht hatte! 

Versuchen wir nun festzustellen, in wie weit sich eine Homo- 
logisirung des Pinealauges der Cyclostomen mit dem der Saurier 
durchführen lässt. Was vor allem bei Petromyzon ins Auge fällt, ist 
die asymmetrische Innervation der untern Augenblase vom linken Ganglion 
habenulae aus. Durch unsere Untersuchungen wissen wir jetzt, dass 
auch bei den Sauriern das Parietalauge von einem der Ganglia habe- 
nulae innervirt wird. 

Hiermit scheint mir die Homologie des Parietalauges mit der 
untern Augenblase von Petromyzon festgestellt, und auf diese 
Annahme gestützt, werde ich es versuchen, auch die übrigen Theile des 
Auges der Cyclostomen und der Saurier zu homologisiren. 

Der ganz kurze Parietalnerv von Petromyzon geht unmittelbar 
unter dem Auge in das Zirbelpolsterganglion über; wir müssen dem- 
gemäss in jenem ein Homologon zum Parietalcentrum sehen. Die 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 273 


obere Augenblase, die bei Petromyzon das eigentliche Auge darstellt, 
wird natürlich als Homologon der proximalen Zirbelspitze aufzufassen 
sein, eine Anschauung, die durch das Vorkommen eines „Zirbelauges“ 
an der Spitze der proximalen Zirbel bei mehrern Sauriern (Iguana, 
Plica, Phrynosoma) eine starke Stütze gewinnt. Das eigenthümliche 
Verhältniss, dass es bei den Cyclostomen das linke, bei den Sauriern 
dagegen das rechte Ganglion habenulae ist, das den Nerv zum 
Parietalauge sendet, findet in dem Vorkommen von zwei Parietal- 
nerven bei einigen /guana-Embryonen seine Erklärung. Denn hat das 
Parietalauge der gemeinsamen Vorfahren der Cyclostomen und Saurier 
zwei Nerven gehabt, so ist es leicht zu begreifen, dass bei einem 
Theil ihrer Nachkommen (den Cyclostomen) der rechte, bei einem 
andern Theil (den Sauriern) der linke Parietalnerv zu Grunde ge- 
gangen ist, während bei andern (wie bei gewissen Zguana-Individuen) 
beide beibehalten sind. 

Wie aus GASKELL’s und meinen Beobachtungen hervorgehen dürfte, 
wird die obere Augenblase („Zirbelauge“) von Petromyzon von hinten 
her innervirt. Es ist nicht unmöglich, dass wir in diesen, dem Zirbel- 
stiel entlang ziehenden Nervenfasern Homologa zu den bei einem 
Iguana-Embryo beobachteten hintern Zirbelnerven (S. 266) vor 
uns haben. 

Die Vorfahren unserer Saurier waren also wahrscheinlich mit 
einem unpaarigen Sehorgan versehen, das aus zwei hinter ein- 
ander liegenden Blasen (Parietalauge und Zirbelauge) bestand, von 
welchen die hintere durch einen stielförmigen Schlauch (proximale 
Zirbel) mit dem Gehirn verbunden war. Die vordere Augenblase war 
von den zwei aus den Ganglia habenulae stammenden Parietalnerven 


Fig. K,. Fig. K,. 


Fig. K. Schematische Darstellung der verschiedenen Theile des Parietalorgans der 
Saurier (1) und der Cyclostomen (2). P Parietalauge, PN; rechter Parietalnerv, PNy 
linker Parietalnerv, Z Zirbel (,,Zirbelauge‘‘), ZS Zirbelstiel, PC; rechtes Parietalcentrum, 
PC} linkes Parietalcentrum, GH Gangl. habenulae, ¢ tractusartiger Theil desselben, OP 
Commissura posterior. 


274 A. KLINCKOWSTROM, 


innervirt, die hintere aber bekam wahrscheinlich ihre Nervenfasern 
von hinten (hinterer Zirbelnerv). Fig. K zeigt die Lage der ver- 
schiedenen Theile bei Iguana (1) und Petromyzon (2). 

Bezüglich der Art, in welcher das Parietalorgan allmählich zu 
Grunde gegangen ist, scheinen zwei verschiedene Degenerationswege 
zu bestehen. Denn während bei einigen Formen (Anuren, Chamaeleo), 
soviel wir wissen, das ParietaJauge sich wirklich abschnürt, um nach- 
her mehr oder weniger vollständig zu atrophiren, finden wir, dass bei 
andern (Tejus, Cyclodus, Gecko) die Abschnürung niemals stattfindet, 
sondern sich nur in früh-embryonaler Zeit anbahnt, um nachher wieder 
zum primitiven Stadium der 

einfachen Epiphysisaus- 
: stülpung zurückzukehren. 
N Dies ist wahrscheinlich auch 

: der Fall bei den meisten 
TaN übrigen Wirbelthieren, bei 

V, N welchen noch keine Spuren 


eines Parietalauges nach- 


Fig. L. Sagittalschnitt durch die Zirbel eines gewiesen sind. Für die 
jungen Embryos von Larus. E Zirbel, ec Ectoderm, 
m Mesoderm, P? Parietalauge?, Zh Zwischenhirn, Annahme, dass auch unter 


Vs dritter ‚Ventrikel. (Vergr. 130/; die Structurver- den Vögeln zuweilen die 
hältnisse sind schematisirt.) £ i 

Anlage eines Parietalauges 
ganz wie bei Tejus vorhanden ist, spricht der in Fig. L abgebildete 
Sagittalschnitt durch die Epiphysisausstülpung eines etwa 4tägigen 
Embryos von Larus canus. Es ist sogar möglich, dass die letzten 
Spuren einer Theilung der Epiphysis-Ausstülpung in Parietalauge und 
„Zirbelauge‘“ bei den Säugethieren noch nicht ganz verschwunden sind, 
sondern dass künftige Untersuchungen auch hier ebenso wie bei den 
Vögeln die letzten Reste der Anlage eines Parietalauges nachweisen 
werden. 


KR 
ne. 


Zusammenfassung. 


I. Parietalauge. 


1) Das durch Abschnürung des distalen Theils der primären 
Epiphysis-Ausstülpung entstandene Pinealauge zeigt sich bei Iguana 
am 9. Tage als eine von der proximalen Epiphysis mehr oder weniger 
vollständig abgeschnürte ovale Blase. 


reas 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 275 


2) Die Anfangs stark biconvexe Linse nimmt im Laufe der Ent- 
wicklung eine flachere, schwach biconvexe oder sogar planconvexe 


- Form an. 


3) Am 14.—18. Tage hat sich die ganze Innenseite der Augen- 
höhle mit einem Wimperüberzug ausgekleidet. Ein starker Nerv ver- 
bindet die Unterseite (über das Vorkommen von zwei Parietalnerven 
siehe Abschn. IV) der Augenblase mit dem Dache des Zwischen- 
hirns. Die Retina zeigt zwei Zonen, eine innere kernlose und eine äussere 
kernreiche. Schwarzes Pigment fängt an sich in den Retinazellen zu 
zeigen, und aus dem umgebenden Mesoderm beginnt sich eine, den Nerven 
und das Auge umgebende bindegewebige Kapsel zu bilden. 

4) Am 24.—26. Tage hat der Parietalnerv den Höhepunkt seiner 
Entwicklung erreicht, durch Hineinwachsen (?) der Nervenfasern ist 
die Retina in eine äussere und innere Zellenschicht getheilt, zwischen 
welchen der Nerv als eine dünne Faserschicht zu sehen ist. In der 
innern Zone hat sich jetzt reichliches Pigment gebildet. 

5) Am 35.—40. Tage zeigt der Nerv und die Nervenfaserschicht 
deutliche Zeichen der Rückbildung. Das Pigment hat an Menge be- 
deutend zugenommen. 

6) Bei der erwachsenen Iguana zeigt das Pinealauge die für 
rudimentäre Organe charakteristischen individuellen Schwankungen und 
Abweichungen. 

7) Die nervösen Elemente scheinen fast ganz in der Retina ver- 
schwunden zu sein, und die Pigmentbildung hat eine Ausdehnung ge- 
wonnen, die manchmal jede Erkenntniss der Structurverhältnisse un- 
möglich macht. 


II. Der Parietalnerv. 


1) Der das Pinealauge innervirende Nerv ist seiner Entwicklung 
nach nicht den Sehnerven der paarigen Augen gleichwerthig. 

2) Am Ende des 9. Tages ist bei Iguana noch keine Spur eines 
in die von der Zirbel schon vollständig abgeschnürten Augenblase ein- 
dringenden Nerven zu sehen. 

3) Am 14. Tage ist der Nerv gebildet und zieht vom Boden der 
Augenblase zu einer im Dache des Zwischenhirns liegenden Zellen- 
anhäufung, dem Parietalcentrum. 

4) Das Parietalcentrum liegt asymmetrisch rechts von der 
Mittellinie, unmittelbar nach vorn von der Zirbelausstülpung. 

5) Am 24.—26, Tage hat sich der Nerv mit einer bindegewebigen 


276 A. KLINCKOWSTROM, 


Scheide (Perineurium) umgeben, und das Parietalcentrum liegt nun 
im Bereiche des rechten Ganglion habenulae. 

6) Am 35—40. Tage zeigt der Nerv unzweideutige Rückbildungs- 
erscheinungen, die schon zum Schwund seiner centralen Theile gefiihrt 
zu haben scheinen. 

7) Beim erwachsenen Thier sind die nervösen Elemente völlig 
atrophirt, und nur das verdickte Perineurium bleibt vom Parietal- 
nerven übrig. 

8) Bei einigen Embryonen von Iguana kommen zwei Parietal- 
nerven, einer aus jedem Ganglion habenulae, vor. 


III. Die proximale Zirbel. 


1) Am Ende des 9. Tages hat die Zirbel bei Iguana die Gestalt 
einer mit dem 3. Ventrikel communicirenden Blase, die eine mit der 
Parietalaugenblase vollkommen übereinstimmende Structur zeigt. 

2) Im Laufe der Entwicklung bekommt die Zirbel eine innere 
Wimperbekleidung und wandelt sich allmählich in einen länglichen 
Schlauch um. 

3) Die untern (proximalen) Theile der Zirbel behalten eine an 
das Medullarrohr erinnernde Structur, während die distalen Theile eine 
an die Retina des Parietalauges erinnernde Entwicklung durchlaufen. 

4) Die kegelförmige Zirbel des erwachsenen Thieres behält in ihrem 
distalen Theile die schlauchförmige Gestalt wie beim Embryo, während 
sie in ihrem proximalen Theile durch Wucherungen der Wand eine 
folliculäre Umwandlung erfährt. 

5) Die Epiphysisausstülpung von Tejus zeigt in früh-embryonaler 
Zeit ganz wie diejenige von Iguana eine Einschnürung, die einen distalen 
Theil (Pinealaugenblase) und einen proximalen Theil (Zirbel) zu unter- 
scheiden erlauben. 

6) Später schwindet diese Einschnürung wieder, und die ganze 
primäre Epiphysisausstülpung entwickelt sich zur Zirbel. 

7) Die Zirbel zeigt in einem (der 24—26tägigen Iguana ent- 
sprechenden) Stadium Spuren von Pigment, die aber nachher wieder 
zu verschwinden scheinen. 

8) Bei einem Embryo von Iguana zieht ein dem Parietalnerven ganz 
ähnliches Nervenbündel vom hintern Theile des Zwischenhirndaches 
zur Hinterseite der Zirbel. 

9) Bei einigen Zguana-Embryonen und bei einem erwachsenen 
Thier hat sich an der Spitze der proximalen Zirbel ein secundäres, 
pigmentirtes „Zirbelauge“ entwickelt. 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 


277 


IV. Schlussbemerkungen. 


1) Das Parietalorgan der Petromyzonten ist mit demjenigen der 
Saurier vollkommen homolog, und sämmtliche Theile bei diesen haben 


ihr Homologon bei jenen, wie aus 


Iguana. 
1) Parietalauge. 
2) „Zirbelauge“ und distaler Theil 
des Zirbelschlauches. 
3) Proximaler Theil des 
schlauches. 
4) Rechter Parietalnerv. 
5) Linker Parietalnerv. 
6) Parietalcentrum. 
7) Hinterer Zirbelnerv. 


Zirbel- 


folgender Uebersicht erhellt: 


Petromyzon. 


1) Untere Augenblase. 
2) Obere Augenblase. 


3) Zirbelstiel. 


4) — 

5) Linker Parietalnerv. 

6) Zirbelpolster. 

7) Nervenfasern von der Gegend 
der Commissura posterior zur 


obern Augenblase. 


2) Die wirkliche Bedeutung des Parietalorgans von Chamaeleo, 
Cyclodus u. a. kann nur durch weitere embryologische Untersuchungen 


festgestellt werden. 


3) Auch ausserhalb der Cyclostomen und Saurier ist es möglich, 
Spuren von der Theilung der primären Epiphysisausstülpung in Parietal- 
auge und Zirbel in früh-embryonaler Zeit wiederzufinden. 


Stockholm, 1893. 


278 


10! 


A. KLINCKOWSTRÖM, 


Literatur. 


. AHLBORN, F., Das Gehirn der Petromyzonten, in: Zeitschr. f. wiss. 


Zool., Bd. 39, p. 191. € 
Béraneck, Ep., Ueber das Parietalauge der Reptilien, in: Jenaische 
Zeitschr. f. Nat., Bd. 21 (N. F. Bd. 14), p. 374. 

— —, Sur le nerf pariet. et la morphologie du 3™° ceil des Ver- 
tebres, in: Anat. Anz., Jahrg. 7, p. 674. 

FRAncoTTE, P., Recherches s. le dével. de l’epiphyse, in: Arch. de 
Biol: AS "pl 215%: 

GaskELL, On the origin of Vertebr. from a Crustacean ancestor, 
in: Quart. Journ. Micr. Sc., (N. 8.) vol. 31, p. 379. 

Horrmann, C. K., in: Bronn’s Kl. u. Ord. d. Thierreichs; Reptilien, 
Ths: 

Kuincxowstr6m, A., Le prem. dével. d. I’ wil pinéal chez Iguana 
tuberculata, in: Anat. Anz., Jahrg. 8, p. 289—299. 

Rrrrer, W. E., The parietal eye in some Lizards, in: Bull. Mus. 
Comp. Zool. Harvard Coll, vol. 20, No. 8, 1891. 

Spencer, B., The pres. and struct. of the pineal eye in Lacertilia, in: 
Quart. Journ. of Micr. Sc., (N. 8.) vol. 27, p. 165. 

StranuL & Martin, Die Entw. d. Pinealauges bei Anguis fragilis, 
in: Arch. f. Anat. u. Physiol, Anat. Abth., Jahrg. 1888, p. 146. 


: 20 <0 


Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 279 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel 14. 


Fig. 1. Querschnitt durch das Parietalauge eines 26tägigen Em- 
bryos von Iguana. (Nacuer, Ob. 6 X Oc. 1.) 


Fig. 2. Sagittalschnitt durch das Parietalauge einer erwachsenen 
Iguana. (Nacuer, Ob. 6 X Oc. 1.) 


Fig. 3. Ursprung des Parietalnerven bei einem 14tagigen Embryo 
von Iguana (Sagittalschnitt). 
PA Parietalnerv, 
PC Parietalcentrum, 
C Commissur, 
M Mesodern, 
bl Blutgefäss. 
(Nacaer, Ob. 7 X Oc. 3). 


Fig. 4. Zirbelspitze und Parietalnerv eines 26tägigen Embryos 
von Iguana (Sagittalschnitt). 
E Zirbel, 
Pl Plexusfalten. 
(Nacnet, Ob. 7 X Oc. 1.) 


Fig. 5. Querschnitt durch die Zirbel einer jungen Iguana. 
El Lumen der Zirbel, 
PN Rückgebildeter Parietalnerv. 
(NAcHEr, Ob. 6 X Oc. 2.) 
Fig. 6. „Zirbelauge“ einer erwachsenen Iguana. 
ZA ,Zirbelauge“, 
ZP Zirbelspitze, 
P Pigmentzellen. 
(Nacuet, Ob. 3 X Oc. 3.) 


Tafel 15. 
Mikrophotographien von einigen besonders wichtigen Schnitten durch 
Parietalauge und Zirbel bei Iguana. 


Fig. 7. Sagittalschnitt durch die Zirbel eines 9tägigen Embryos 
(zu vergleichen mit Fig. A und H. Vergr. 150} ). 


280 A. KLINCKOWSTRÖM, Beiträge zur Kenntniss des Parietalauges. 


Fig. 8. Sagittalschnitt durch das Parietalauge eines 18tägigen 
Embryos. Vergr. 285}. 

Fig. 9. Schnitt aus derselben Serie wie Fig. 8; man sieht den 
Parietalnerven sich vom Auge bis zum Zwischenhirndach erstrecken (zu 
vergleichen mit Fig. C). Vergr. 58/,. 

Fig. 10. Schnitt aus derselben Serie wie Fig. 9, nur mehr medial. 
Vergr. 587: 

Fig. 11. Schnitt aus derselben Serie wie Fig. 10, den Verlauf des 
hintern Zirbelnerven zeigend (zu vergleichen mit Fig. B). Vergr. 58/,. 

Fig. 12. Ein Theil desselben Schnittes unter stärkerer Vergrös- 
serung, um den Austritt des Nerven zu zeigen. Vergr. ?°°/,. 

Fig. 13. Querschnitt durch das Parietalauge eines 26tägigen Em- 
bryos (zu vergleichen mit Fig. 1). Vergr. 15°/,. | 

Fig. 14. Sagittalschnitt durch die Zirbel und das Parietalauge 
eines 26tägigen Embryos (zu vergleichen mit Fig. 4 und Fig. E. 
Vergr. 55/,. 

Fig. 15. Sagittalschnitt durch das Parietalauge einer erwachsenen 
Iguana (zu vergleichen mit Fig. 2). Vergr. 58/.. 

Fig. 16. Schnitt durch das „Zirbelauge“ desselben Thieres (zu 
vergleichen mit Fig. 6). Vergr. °8/,. 

(Sämmtliche Negative sind auf Epwarp’s isochromatischen Platten 
aufgenommen.) 


D 


Nachdruck verboten, 
Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


Die Gattung Gastropteron. 


Von 
Prof. Dr. R. Bergh in Kopenhagen. 


Hierzu Tafel 16 u. 17. 


Die Steganobranchien (Tectibranchien) zerfallen nach P. Fischer !) 
in drei grosse Gruppen, die Cephalaspidea (Bulliden sensu lat.), die 
Anaspidea (Aplysien) und Notaspidea (Pleurobranchiden). Die as pido- 
cephalen Steganobranchien zeichnen sich vor den andern 
Gruppen durch das Dasein eines besondern Stirnschildes aus. Eins 
der Endglieder dieser Gruppe bilden neben den Philiniden die Gastro- 
pteriden; von denselben sind durch Reduction die Doridiiden abgeleitet. 


In einer unter der Leitung von Jon. Fr. MEckEL (1813) entstan- 


. denen Inaugural-Dissertation ?) hat Kosse diese so ausgeprägte und 


nicht verkennbare Thierform an zahlreichen, von MEckeEr bei Napoli 
gesammelten Individuen untersucht und derselben den Gattungs- 
namen Gastropteron beigelegt. Im folgenden Jahre (1814) wurde die- 
selbe von RAFINESQUE unter dem Namen Sarcopterus erwähnt, aber 
in seiner gewöhnlichen Manier; selbst mit Kenntniss der Beschreibung 
und der Figuren von Kosse war die Identificirung (BLAINVILLE) des 
Sarcopterus mit dem Gastropteron nicht leicht *). Noch ein Jahr später 


1) P. Fischer, Man. de Conchyliologie, 1887, p. 550—551. 

2) J. Fr. J. Kosse, De pteropodum ordine et novo ipsius genere, 
1813, p. 10—16, fig. 11—14. 

3) RAFINESQUE, Quadro dei generi di moll. pteropodi, in: Specchio 
delle Sc., vol. 2, 11., 1 Nov. 1814. — Rarınesqur, Précis des découy. 
somiologiques, 1814. — Vgl. Binney and Tryon, The complete writings 
of Const. Smauız RAFINESQUE, 1864, p. 10, 12, 16. 


289 R. BERGH, 


(1815) hat Oken') dieselbe Gattung in sein Lehrbuch, aber den 
von ihm gegebenen Namen Parthenopia vorziehend, aufgenommen. Die 
Gattung wurde schnell eingebürgert, kommt aber bei den Malacologen 
meist unter dem Namen Gasteropteron vor. Sie wurde, und zwar von 
Anfang ab, mehrfach unter die Pteropoden gestellt, erst BLAINVILLE ~ 
(1825) rangirte sie?) unter den Acères (Bulliden). DELLE CHIAJE ®) 
lieferte (1823, 1841) einige Notizen über den innern Bau dieser Thier- 
form (Clio amati p’Cu.), welche etwas über die von KossE gegebenen 
hinausgingen. Später figuriren die Gastropteren in den verschiedenen 
malacologischen Lehrbüchern und Sammelwerken, ohne dass jedoch die 
Kenntniss derselben in irgend einer Weise erweitert worden wäre, bis 
auf einige Notizen von Hancock *) (1852) über das Stirnschild (Ge- 
ruchsorgan) und vor allem die von SOULEYET (1852) gelieferte °) all- 
gemeine anatomische Untersuchung des Thieres. Einige Jahre nachher 
(1860) veröffentlichte Kroun ©) etliche Bemerkungen über die Schale 
und die Larve dieses Gastropteron. Nach einer längern Pause folgt 
dann (1877) die wichtige, wenn auch nicht ganz genaue Arbeit von 
JHERING *) über das Nervensystem des Gastropteron und endlich 
(1880) die vorzügliche, monographisirende Abhandlung von VAYSSIÈRE *). 
In seiner bekannten Arbeit über die Geruchsorgane und das Nerven- 


1) Oxen, Lehrb. d. Zoologie, Bd. 1, 1815, p. 830. 


2) BEN LE, Man. de Malacologie, 1825, » 479. — Rang, Man: 
? . 
de Vhist. nat. des moll, 1829, p. ies wee PHILIPPI, Enumer. moll. Sie. 


vol. 1, 1836, p. 124; vol. 2, 1844, p. 97. — CanTRAINE, Malacol. méditerr., 
1841, p. 83—85, tab. 4, fig. 4. 
3) DELLE CHIAIE, Mem. sulla storia e notomia degli an. senza ver- 


tebre, vol. 1, 1823, p. 53—59, tab. 2, fig. 1—8. — Descr. e pro 
degli an. della Sicilia citeriore, vol. 5, 1841, p. 81—82; vol. 6, 1841, 
tab. 55. 


4) Fete, On the olf. appar. in the Bullidae, in: Ann. Mag. 
Nat. Hist., (2. 8.) vol. 9, 1852, p. 189—190. 

5) Voy. ae la Bonite, Zool. T. 2, 1852. 

6) A. Kroun, Ueber die Schale und die Larven d. Gasteropteron 
Meckelii, in: Arch. f. Naturg., Jg. 26, Bd. 1, 1860, p. 64—68, tab. 2, 
fig. 2, 3. 

7) H. v. JueriG, Vergl. Anat. d. Nervensystems u. Phylog. d. 
Mollusken, 1877, p. 213—214, tab. 3, fig. 11. 

8) Vayssıcar, Rech. anat. sur les moll. de Ja fam. des Bullidés, 
in: Bibl. de l'Ec. des Hautes Et., Sect. des sc. natur., T. 20, art. 2, 
1880, p. 11—72, tab. 1—6. — Vayssière, Rech. zool. et anat. sur les 
moll, opisthobr. du Golfe de Marseille, I. Tectibranches, 1885, p. 39— 
43, tab. 2, fig. 35—41. 


Die Gattung Gastropteron. 283 


system der Mollusken (1881) hat SPENGEL !) schliesslich einige werth- 


a 


volle Beiträge gegeben. 


Die Gruppe der Gastropteriden umfasst bisher nur die Gattung 


Gastropteron Kosse. 


Corpus anterius supra disco cephalico (tentaculari) tectum postice 
soluto et magnopere mobili. Corpus posterius liberum (a cauda pedis 
solutum), breve-sacciforme; anteriore parte dextri lateris limbo palliah 
prominenti praeditum (postice interdum in flagellum abienti). Solea 
utringue in pleuropodium latissimum continuata. 

Testa interna tenuissima, cuticularis, anfractu ultima latissima, 
spira parva calcarea. 

Bulbus pharyngeus fortis, duabus partibus compositus; anteriore 
majore, subprismatica, taenüs circularibus confertis cincta, et pone 
sicut intra aperturam oralem superne utrinque lamina mandibulari 
obliqua instructa ; et posteriore e massa lingual: formata. Radula non 
multiseriata; rhachis viz angusta nuda; pleurae dente laterali magno 
et serie dentium externorum (5) brevi. 

Ventriculus inermis. — Prostata elongata. Glans penis sine sulco. 


Die Gastropteren erhalten durch die colossalen Pleuropodien eine 
eigenthiimliche Gestalt, die sie augenblicklich kenntlich machen. 

Der Vorderkörper ist oben durch ein wappenschildförmiges 
Schild bedeckt, dessen Hinterende frei hervorragt, sehr beweglich 
ist und mit nach oben?) gleichsam sipho-artig zusammengerollten 
Rändern als Tastorgan fungirt. Der kurz-sackförmige Hinterkörper 
ist ganz frei, vom Hintertheile des Fusses (dem Schwanze) gelöst; 
längs etwa der vordern Hälfte des rechten Seitenrandes findet sich 
ein kleines Mantelgebräme, das von oben die Kieme und die in ihrer 
Nachbarschaft liegenden Oeffnungen deckt; hinten setzt sich das Ge- 
bräme bei der typischen Art in eine sehr bewegliche Peitsche (Fia- 
gellum) fort?). Die Samenrinne und die Geschlechtsöffnungen wie in 


1) Spencen, Die Geruchsorg. u. das Nervensystem d. Mollusken, 
in: Ztschr. f. wiss. Zool., Bd. 35, 1881, p. 359, tab. 17, fig. 7, tab. 18, 
fig. 21. 

2) Bei den todten Individuen waren die Ränder immer nach unten 
eingerollt. 

3) Auch bei den Doridien kommen einige Arten mit (vgl. Taf. 17, 
Fig. 28), andere ohne Flagellum vor. 

Zool. Jahrb. Vil. Abth. f. Morph. 19 


284 R. BERGH, 


den nächststehenden Gruppen, ebenso (die Nierenpore und) die Anal- 
papille. Die Fussohle hinten mit einer ausgeprägten langen Driise; 
der Schwanz lang. Der Fuss setzt sich jederseits in einen machtigen 
Fussfliigel fort. 

Es findet sich eine innere, äusserst dünne, cuticulare und deshalb 
lange übersehene Schale, deren letzte grosse und weite Windung 
einen grossen Theil der hintern Eingeweidemasse von oben deckt; 
das kleine hintere Ende der Schale ist nautiloid mit einem Paar 
Windungen und etwas, bald mehr bald weniger, verkalkt. 

Der starke Schlundkopf besteht gleichsam aus zwei Theilen; 
einem vordern grössern , von fast prismatischer Form und mit dicht 
stehenden circuliren Muskelbändern ausgestattet; dicht innerhalb des 
Mundes findet sich oben jederseits eine kleine, schmale, gelbliche, 
schräg stehende Mandibelplatte, aus dicht gedrängten Stäbchen zusam- 
mengesetzt; — und einem hintern Theile, von der Zungenmuskelmasse 
gebildet. Die Raspel enthält eine nicht bedeutende Anzahl von Zahn- 
plattenreihen; die Rhachis ist nicht sehr schmal, nackt; an den 
Pleurae kommt eine sehr starke Seitenzahnplatte vor und eine kurze 
Reihe von (5) schwächern Aussenplatten ; die Formel ist also: 5.1.0.1.5. 

Der Magen ist unbewaffnet. Die Glans penis zeigt keine Furche. 
Die Prostata sehr lang, cylindrisch. 


Von der Gattung war bisher nur eine einzige Art, die unten- 
stehende aus dem Mittelmeere, bekannt; hier kommt eine neue aus 
dem Stillen Meere hinzu !). 


1. Gastropteron meckeli BLAINV. 
M. mediterr. 


2. Gastr. pacificum Ban. 
M. pacific. 


1. Gastropteron meckeli BLAINV. 
Taf. 16, Fig. 1—27; Taf. 17, Fig. 1—10. 
Gastropteron Kossz, 1. c. 1813 ?). 
Gastroptera meckeli Bzainv. 1. c. 1825, p. 479. 


1) Das von A. Apams (On some new sp. of moll. from the North of 
China and Japan, in: Ann. Mag. N. H., (3. 8.) vol. 8, 1861, p. 139—140) 
erwähnte Gastropteron sinense dürfte nach der Diagnose (!) und Be- 
schreibung kaum als mit dem G. pacificum identisch betrachtet werden 
können, eher vielleicht als eine Varietät des G. meckeli. 

2) Die Artbenennung Gastropteron meckeli findet sich nirgends 
bei Kosse. Der Artname scheint von Bramvınıe (1825) zu stammen. 


Die Gattung Gastropteron. 285 


Clio amati ». Cutasn, 1. c. vol. 1, 1823, p. 53—59, 69, 72, tab. 2, 
fig. 1—8. 

Gasteropteron meckelii p. Cutasn, 1. c. vol. 2, 1841, p. 84—88; vol. 5, 
1841? p. 81; vol. 6, 1841, tab. 55. — Nova ed. vol. 5, p. 81. 


Color clypei frontalis sicut podarii cum pleuropodiis purpureus 
vel e rubro aurantiacus vel roseus ; clypeus frontalis sicut pleuropodia 
albo marginata; ubique in partibus rubris maculae albidae ut pluri- 
mum parciores. 

Limbus pallialis cum flagello. 

Hab. M. mediterr. 


Von dieser Form hatte ich in der Station von Napoli im Jahre 
1877 Gelegenheit drei lebende Individuen zu untersuchen und 
zu beobachten. 

Dieselben variirten an Länge von 16-21 mm; Vaysstkre 
(l. c. p. 15) giebt die Länge zu 20—24 mm an bei einer Breite von 
25—30. — Die mächtigen Pleuropodien waren von bräunlich- 
scharlachrother Farbe, ein wenig stärker an der Aussen- als an 
der Innenseite, auch kräftiger gegen den freien Rand hin gefärbt; 
VAYSSIERE zu Folge (l. c. p. 16) variirt die Farbe aber, dem Aufent- 
haltsboden nach, von schwacher Rosafarbe bis schmutzig Rosa-orange 
und Purpurroth. Der Rand der Pleuropodien ist durch eine sehr 
feine, unter der Loupe aus feinsten Punkten gebildete weisse Linie 
geziert. An der Aussenseite der Fussflügel eine geringe Anzahl von 
theilweise nicht ganz kleinen, etwas länglichen, rundlichen oder un- 
regelmässigen weissen Flecken, die spärlicher an der Innenseite vor- 
kamen. Die Fussohle roth, mit spärlichen weissen Flecken. Die Um- 
gegend des Aussenmundes orangegelb. Der Rücken des Körpers 
röthlich, vorn und hinten, besonders am Grunde des Flagellums, 
stärker roth; die schöne weisse Randlinie der Pleuropodien setzt sich, 
hier etwas breiter, auf den Vorderrand des vordern Schildes fort und 
mitunter rings um dasselbe hinauf; eine ähnliche Linie, schwach bläulich 
schimmernd, erstreckt sich längs des Flagellums und nimmt die Spitze 
desselben vollständig ein. Die Körperseiten weisslich; die Kieme 
röthlich-gelb. 

Diese Individuen wurden an der Wasseroberfläche kriechend 
von mir gesehen sowie an der Wand des Glasbehälters; die Pleuro- 
podien waren dann emporgeschlagen, mit dem Rande sich deckend, 
meistens klappte der rechte Fussflügel über den linken; vorn ragte 
das nach vorn umgeschlagene Hinterende des Vorderschildes mit hinauf- 
und zusammengebogenen, gleichsam einen Sipho bildenden Rändern 

135 


286 R. BERGH, 


mehr oder weniger hervor !); hinten zeigte sich die Peitsche (Flagellum), 
die sich fingerartig suchend bewegte, meistens nach hinten und oben so- 
wie etwas nach rechts getragen. VAyssıERE sah die Thiere nie an 
dem Meeresspiegel oder an dem Wasserspiegel in der Glasschale am 
Fusse hingleiten; DELLE CHIAJE hat aber solches schon beobachtet. 
Schwimmend bewegen die Thiere sich lebhaft und oft sehr schnell 
und dann fast wirbelnd, indem die Fussfliigel, beide gleichzeitig, ab- 
wechselnd über den Riicken und unter dem Fusse zusammengeschlagen 
werden, während das etwas gehobene Vorderschild der Schwimm- 
richtung nach bewegt und die Peitsche zusammengezogen und gerade 
gehalten wird. Die Fischer der Umgegend von Napoli nennen das 


Thier wegen dieses Schwimmens ganz bezeichnend palommella di mare 


oder farfalla marina. — Diese Thiere leben meistens in einer Tiefe 
von 35—80 Meter auf Sandboden, auch in geringerer Tiefe, an der 
Grenze des Corallen- oder Zosteren-Bodens (VAYSSIERE, S. LO BIANCO) ?). 
Die Nahrung ist animalisch, hauptsächlich aus Foraminiferen und 
andern ganz kleinen Thieren bestehend. Die Copulation ist nie bei 
dieser Form beobachtet; Kroun hat?) die ersten Stadien der Ent- 
wicklung oberflächlich gesehen. 

Ausser den oben erwähnten drei Individuen aus dem Golfe von 
Napoli habe ich noch mehrere (9), theilweise sehr grosse Individuen 
aus der Station von Triest (GRAEFFE) und ein Paar kleinere aus 


dem Busen von Marseille, alle in Alcohol schön conservirt, unter- 


suchen können. 

Die Individuen variirten ziemlich an Grösse, in Länge (der 
Pleuropodien) von 18—33 mm. Die drei grössten stimmten in diesen 
Verhältnissen fast vollständig überein; die Länge der Pleuropodien 
betrug 27—33, die Breite der Thiere bei ganz ausgeschlagenen Fuss- 
flügeln 35—42 mm, die Dicke dieser Organe (am Grunde) bis 3,2 mm. 
Die Länge des eigentlichen Körpers 22—24 mm, von welchen die 
16—18 auf den Hinterkörper kamen, bei einer Höhe bis 14—12 und 
einer Breite bis 14—12 mm; die Breite des Vorderschildes 1O—11 mm, 
der freie Hinterrand desselben in der Mitte bis 6—6,5 mm vortretend; 


1) Meistens ragte der umgebogene Schild viel stärker, als von 
Vayssière (1 c. 1885, tab. 2, fig. 36) dargestellt, hervor. 

2) in: Mitth. aus der Zool. Stat. zu Neapel, Bd. 8, 1888, p. 418. 

1) A. Kroun, Ueber die Schale und die Larven d. Gasteropteron 
Meckelii, in: Arch. f. Naturg., 26. Jahrg., Bd. 1, 1860, p. 64—68, taf. 2, 
fig. 2, 3. 


Die Gattung Gastropteron. 287 


die Linge des Schwanzes 12—13, der zusammengezogenen Peitsche 
3—5 und der schlaffen 5—8, der Kieme 6—8 mm. — Die Farbe aller 
dieser Individuen war noch sehr schén erhalten, gelbroth oder noch 
mehr roth, besonders an der ganzen Bauchseite und an der obern 
Seite der Pleuropodien, am Vorderschild mitunter ein wenig blasser, be- 
sonders vorn; am Hinterkérper mehr hell réthlich-grau oder rôthlich- 
gelblich, am (rechten) Mantelgebräme und an der Peitsche wieder 
stark roth oder scharlachroth. Die Kieme hell roth-gelblich oder 
(seltener) mehr gelblich mit oft zusammenfliessenden rothen Flecken 
am freien Rande der Blätter. An beiden Seiten der Fussflügel grössere 
und kleinere, rundliche, länglich-ovale und unregelmässige, weisse 
Flecken von einem Durchmesser bis zu (aber selten) 6 mm; in ge- 
ringerer Menge und kleiner kommen solche oft auch am Vorder- 
schilde und an der Fussohle vor. Der Rand der Fussflügel so wie 
auch die Ränder des Stirnschildes und der äussere Rand der Peitsche 
von einer weissen Linie eingefasst, die sich über das Ende der letz- 
tern ganz verbreitet. Die Umgegend des Aussenmundes gelb oder 
gelblich. 

Durch die Bedeckungen des Hinterkörpers schimmerten mehr oder 
weniger deutlich an der Unterseite ganz vorn die Windungen der 
Prostata durch, dann mitunter die gelbe Schleimdrüse, ferner der 
graue Magen, der Pylorustheil des Darmes und die röthlich - gelbe 
Leber. An der obern Seite schimmerte die Kieme gelblich durch das 
Mantelgebräme; hinter derselben die weissliche (bis 3 mm vortretende) 
Analpapille; innerhalb des Mantelgebrämes die rothe Blutdrüse und 
mehrere Windungen des grauen oder grünlich-grauen Darmes, ferner 
die stark gelblichen Lappen der Leber und mehr hinten die gelb- 
_rothe verzweigte Zwitterdrüse. 

Von der Unterseite betrachtet, zeigt sich diese Thier- 
form wegen der grossen (ausgeschlagenen) Fussflügel als eine rund- 
liche oder ein wenig quer-ovale Scheibe, meistens mit einem geringen 
oder etwas tiefern medianen Ausschnitte des Vorderrandes, in welchem 
der Kopf (der Aussenmund) erscheint; der eigentliche Fuss ist nur 
undeutlich von den Fussflügeln zu unterscheiden. — Von der obern 
Seite, bei ausgeschlagenen Fussflügeln, gesehen, zeigt sich, unten 
gleichsam von den Flügeln eingefasst, der Körper des Thieres, welcher 
nur in einer geringen Strecke, die der Länge und fast der Breite des 
Vorderschildes entspricht, an den Fuss befestigt ist; der grosse Hinter- 
körper ruht also nur an dem Fuss (Schwanze) und ist von dem- 
selben frei. 


288 R. BERGH, 


An der obern Seite ist ein Vorderkörper vom Hinterkörper deut- 
lich geschieden. Die untere Seite des Vorderkörpers ist mit dem 
Fusse verwachsen; die obere ist viel grésser, mitunter etwa doppelt 
so gross wie die untere Seite, vom grossen Stirnschilde gebildet. 
Dasselbe steigt etwas schräg nach hinten empor, ist abgeplattet oder 
ein wenig convex, ganz eben; die Form ist mehr oder weniger deutlich 
fiinfeckig; der Vorderrand gerade oder ein wenig (einfach oder 
zweifach) ausgekerbt, mit dem Kopfe verwachsen; die Seitenränder 
parallel oder ein wenig auswärts divergirend, über die Körperseiten etwas 
vortretend; die nach innen allmählich breiter werdenden, convergirenden 


Hinterränder bilden mit ihrer etwas ausgezogenen Mittelpartie, deren 


Ränder nach unten (nach dem Tode) meistens etwas eingerollt sind, 
gleichsam eine Art Sipho, welcher so wie überhaupt die Hinterränder 
den vordern Theil des Hinterkörpers deckt. — Dieser Hinterkörper 
ist mehr als doppelt so lang wie der Vorderkörper und etwas dicker, 
ganz kurzwurstförmig; das Vorderende, vorn in den eigentlichen Vor- 
derkörper übergehend, vom Hinterrande des Schildes gedeckt, ist 
durch dasselbe etwas abgeplattet; das etwas dickere, gerundete Hinter- 
ende ein wenig nach rechts gedreht. Längs des rechten Randes dieses 
Hinterkörpers verläuft in seinen vordern drei Vierteln ein dünnes 
Mantelgebräme, ziemlich schmal (bis 3 mm breit), das die 
Kiemenhöhle und die derselben zunächstliegenden Organe von oben 


deckt (Taf. 17, Fig. 1 b); hinten biegt sich das Gebräme etwas nach 


oben und verlängert sich in die cylindrische, spitz zulaufende Peitsche 
(Fig. 1 d); eine seichte Einsenkung hinter der letzten Strecke des 
Gebrämes (oberhalb der Analpapille), mitunter nach hinten von einer 
schwach vortretenden Linie begrenzt, stösst an die Gegend der Zwitter- 
driise. An der linken Seite, dem Mantelgebräme gegenüber, markirt 
eine schwach vortretende Linie gleichsam das Fehlen derselben. Die 
ziemlich starke Kieme bildet (Taf. 17, Fig. 1 c; Taf. 16, Fig. 18, 19) 
ein etwas zusammengedrücktes, der Kante nach gebogenes, nach hinten 
spitz zulaufendes, nur in der Spitze ganz freies semipennates Organ. 
Dasselbe ist mit breiter Grundfläche am Boden der kleinen Kiemen- 
höhle befestigt; von der Grundfläche erhebt sich dann der flügelartige 
Fortsatz, der die Grundlage der Kieme und die Anheftungsstelle der 
Blätter ist, der Unterrand dieses Flügels präsentirt sich gleichsam als 
eine Rhachis der Kieme; die Innenseite des Flügels ist eben oder fein 
senkrecht gefurcht; an der Aussenseite sind die schrägen Kiemenblätter 
befestigt. Diese letztern, an Anzahl meistens 25—30 betragend, sind 
an beiden Seiten mit feinen Querfalten versehen (Fig. 18, 19), deren 


| 


Die Gattung Gastropteron. 289 


Anzahl meistens 20—25 betrug; die Kiemenblätter nehmen vom Grunde 
gegen die Spitze an Höhe und Breite allmählich ab; ihre obere 
Spitze ist frei, ein wenig gebogen, die freie Spitze der Blätter absolut 
und relativ ein wenig länger gegen das Ende der Kieme hin. — Hinten, 
am Grunde der Kieme, die nach hinten gerichtete, stark vortretende, 
abgestutzte, dicke Analpapille (Fig. 157, 16 a). Oben am Grunde 
der letztern zeigt sich immer sehr deutlich die schwarze Nieren- 
pore (Fig. 15%, 16 5). Vorn am Grunde der Kieme findet sich die 
deutliche, aber wenig vortretende Vulva, von derselben fängt mit 
einer geringen Erweiterung die ein wenig vortretende Samenrinne an, 
die sich längs der rechten Seite des Vorderkörpers bis an die Penis- 
öffnung unweit vom Munde fortsetzt (Fig. 26 c). — Die Körper- 
seiten (des Vorderkörpers) ziemlich niedrig, besonders vorn, nach 
oben in die Furche zwischen dem Stirnschild und dem Hinterkörper, 
nach hinten in die Unterseite des letztern übergehend. Längs der 
rechten Seite verläuft die erwähnte Samenrinne. — Der Fuss, 
wie erwähnt, breit; im ausgekerbten Vorderrande ein suborales, durch 
hellere Farbe ausgeprägtes Drüsenlager. Median am Hinterende 
(Schwanze) zeigt sich an der Unterseite durchschimmernd ein, meistens 
jederseits von einer ganz feinen Falte eingefasster, etwa 2—3,5 mm 
langer, schmaler, etwas hellerer, schwach gelblicher Streifen, der mit 
einer ganz feinen Oeffnung in einigem Abstande vom Schwanzende 
endigt; von der schrägen Pore zieht eine mediane Furche an das 
Schwanzende, mitunter mit einem dünnen, aus der Pore austretenden 


_ (Fig. 22 c) Schleimfaden versehen; es ist die hintere Fussdrüse. 


Die Fussflügel etwas länger, aber besonders breiter als der eigentliche 
Fuss, gegen den Rand hin allmählich etwas dünner, der Rand mit- 
unter ganz fein rundzackig. 

Die zuerst von DELLE CHIAJE, dann von KROHN theilweise ge- 
sehene, danach von VAYSSIÈRE !) genauer untersuchte Schale liegt 
frei in einer engen Höhle unterhalb der allgemeinen Bedeckungen des 
Hinterkörpers; die untere Wand dieser Höhle wird von einer dünnen 
Membran gebildet, welche die Eingeweidemasse einhüllt uud die Schale 
absetzt. Die äusserst dünne, fast farblose, ganz cuticulare Schale 
deckt mit ihrer letzten weiten Windung die ganze hintere Eingeweide- 
masse von oben. Die cuticulare Schale setzt sich hinten in eine ganz 
kleine, unter der Lupe als ein kleiner weisslicher Punkt sichtbare, 
dünne, verkalkte, weisse fort, deren letzte Windung noch ziemlich weit 


1) Vayssière, 1. c. 1880, p. 18, tab. 1, fig. 3. 


290 R. BERGH, 


ist und sich in eine kleine Spira von etwa 11/, Windungen fortsetzt. Die 
Schale ist radiat streifig, sehr leicht in kleine eckige Tafelchen zer- 
brechend; der Durchmesser durch die letzte Windung der kalkigen 
Schale bis etwa 0,7 mm betragend, der Diam. der kleinen Spira 
etwa 0,13 mm (vergl. Taf. 17, Fig. 12, 18). 

Wenn das Thier von oben der Länge nach geöffnet wird, zeigt 
sich an der Grenze zwischen Vorder- und Hinterkörper ein starker 
Ringmuskel, an welchen sich das diinne zusammenhangende Lager 
von Längsmuskeln heftet, das den Hinterkörper deckt. Von der — 
Gegend des Ringmuskels geht ein mit dem Vorderende der Einge- 
weide des Hinterkörpers verschmolzenes Dissepiment aus, das im 
Innern die aussen angegebene Trennung in zwei Körpertheile durch- 
führt. Die vordere Körperhöhle enthält das Centralnerven- 
system, den Schlundkopf und die Speiseröhre mitsammt den Speichel- 
drüsen, und vorn rechts den Penis mit der langen, gewundenen, 
unterhalb der andern Eingeweide liegenden Prostata. Das Dissepiment 
wird hinten von der Speiseröhre, der Aorta ant. und von Nerven 
durchbohrt. Nach Spaltung des erwähnten Längsmuskellagers und 
Entfernung der membranösen Schale zeigen sich die dicht unter jenem 
liegenden, die hintere Körperhöhle ganz ausfüllenden Einge- 
weide; ganz vorn und rechts das Pericardium, hinter demselben die 
grosse weisse Niere, innerhalb dieser und jenes die langgestreckte, 
lappige Blutdrüse; zur linken Seite derselben und der Niere die gelb- 
liche oder roth-gelbliche Leber mit der langen, wegen des Inhalts 
meistens grauen Schlinge des Darmes; hinten an der obern Seite der 
Leber endlich die lappige, rothe Zwitterdriise. An der Unterseite der 
hintern Eingeweidemasse zeigt sich vorn der durchschimmernde graue 
Magen, ganz hinten mitunter ein Theil der Zwitterdrüse, sonst nur 
die Leber. 


Der vorzüglichen Untersuchung des Centralnervensystems 
von VAYSSIERE (l. c. p. 57—69, tab. 5, fig. 42, 47; tab. 6, fig. 48, 
49, 55) ist fast gar nichts hinzuzufügen. — Bei den meisten der in 
Alcohol aufbewahrten Individuen fand sich dasselbe den vordersten Theil 
des Schlundkopfes umfassend, also weit nach vorn liegend, seltener 
an der Mitte desselben. Es ist mehr oder weniger an verschiedenen 
Stellen von klaren Zellen umhüllt; seine Farbe ist meistens weisslich ; 
die Nervenzellen, besonders die der pedalen und der pleuralen Ganglien, 
erreichen einen Durchmesser bis 0,16—0,2 mm. — Die cerebralen 
Ganglien (Taf. 16, Fig. 1 a) sind etwas abgeplattet, von rundlichem 


Die Gattung Gastropteron. 291 


oder (besonders das linke) kurzovalem Umrisse; die (obere) ver- 
bindende Commissur höchstens nur unbedeutend länger als der 
grösste Durchmesser des Ganglions, mitunter viel kürzer (Fig. 1 a); 
sie sind ferner durch eine ziemlich weite, dünne untere inter- 
cerebrale Commissur, welche erst von VAYSSIERE gesehen wurde, 
verbunden. Der Gehirnknoten giebt einen Nerven an den vordern 
Theil des Stirnschildes; dann einen dickern, der unweit von diesem 
Ganglion ein kurzspindelförmiges Ganglion (Fig. 1) bildet, von welchem 
Nerven durch die Länge des Stirnschildes hinaufsteigen, von diesem 
letztern Ganglion geht der nicht kurze, dünne N. opticus nach oben 
und hinten ab; dann zwei dünnere und ein dickerer Nerv an den 
Aussenmund und die Mundröhre; endlich geht vom hintern Theile 
des Gehirnknotens der dünne N. auditivus (Fig. 1, 2 a) ab, und nach 
(Fig. 1%) hinten die ziemlich lange cerebro-buccale Commissur. Durch 
ein etwas längeres vorderes -äusseres Connectiv steht das Cerebral- 
ganglion mit dem pedalen Ganglion in Verbindung, durch ein kurzes 
oder (rechts) sehr kurzes hinteres-inneres mit dem pleuralen. — Die 
etwas mehr gelblichen pleuralen Ganglien bestehen jedes aus 3 
gesonderten Ganglienknoten; das rechte pleurale (Fig. 1 c) Ganglion 
zeigt dieselben aber von einer gemeinschaftlichen Kapsel umhüllt, 
während sie im linken (Fig. 1 d) von einander mehr getrennt sind. 
Das rechte pleurale Ganglion ist so gross oder ein wenig grösser 
als der Gehirnknoten, auch ein wenig abgeplattet, von gerundetem, 
dreihöckerigem Umrisse; die drei deutlich geschiedenen, aber gegen 
einander gedrückten, das Ganglion zusammensetzenden Nervenknoten 
fast von derselben Grösse, Der vordere ist das eigentliche pleurale 
Ganglion, die andern viscerale. Von dem hintern Ganglion geht nur 
ein ziemlich starker N. genito-branchialis (Fig. 1 c) ab, welcher nach 
hinten an die Gegend des Vorderendes der Kieme verläuft, wo der- 
selbe sich m ein Gangl. branchiale entwickelt, das etwa so gross 
wie eins der erwähnten drei Ganglien war; dieses Ganglion giebt einen 
Nerv an die Kieme und, wie es schien, ein Paar dünnere an die 
Samenrinne (und wahrscheinlich an das von SPENGEL angegebene Ge- 
ruchsorgan). Ferner geht vom rechten pleuralen Ganglion die pleurale 
Commissur ab, und von seinem hintersten Theil das nicht ganz kurze 
pleuro-pedale Connectiv. Das linke (Fig. 1d) pleurale Ganglion 
ist vom rechten sehr verschieden, obgleich auch aus drei Ganglien 
zusammengesetzt; dieselben sind nur wenig oder kaum kleiner als 
die dem rechten Ganglion angehörenden, fast gleich gross. Das obere, 
das wirkliche pleurale Ganglion, ist von ovaler Form und bildet wie 


299 R. BERGH, 


eine Anschwellung am cerebro-pleuralen Connectiv; an dieses schliessen 
sich zwei viscerale, ein fast kugelrundes Ganglion, und hinten ver- 
bindet sich mit diesem ein mehr ovales oder birnförmiges. Vom 
obern Ganglion geht das pleuro-pedale Connectiv (gleichsam als eine 
Fortsetzung des cerebro-pleuralen) aus, etwa doppelt so lang wie das 
cerebro-pleurale. Vom mittlern dieser Ganglien geht ein Nerv längs 
der Körperseite ab; und das hintere Ganglion liefert ausser der 
pleuralen Commissur einen langen Nerven, welcher unten das Dis- 
sepiment durchbohrt und in die hintere Eingeweidemasse eindringt 
(um, VAysstire zu Folge, die Niere und die Analgegend zu versorgen). 
Die pleurale Commissur ist als eine schlaffe Schlinge zwischen 
dem hintersten Theile der pleuralen Ganglien ausgespannt (Fig. 1 999); 
vom linken Theile der Commissur geht der feine N. genitalis ab 
(Fig. 1), welcher an der Seite der Schleimdrüse ein kleines Gang]. 
genitale bildet, welches Aeste an die verschiedenen Theile des 
Genitalsystems abgiebt. — Die pedalen Ganglien (Fig. 1 bb) sind 
gelblich, ein wenig zusammengedrückt, von rundlichem Umrisse, ein 
wenig grösser als die cerebralen ; sie sind durch das etwas längere 
cerebro-pedale Connectiv mit dem cerebralen und durch das kürzere 
pleuro-pedale mit dem obern Knoten des pleuralen Ganglions verbunden. 
Unter sich sind die Ganglien durch die pedale und die parapedale Com- 
missur verbunden. Die pedale Commissur ist nicht viel dünner als 
die obere cerebrale, aber viel länger (Fig. 1 ff); die parapedale noch 
länger, aber viel dünner (Fig. 1 hhh), etwa von der Mitte der letztern geht 
ein Nerv an den Fuss ab. Vom Vorderende des Fussknotens (Fig. 1) 
geht ein erst von VAyssırrk klar aufgefasster Nerv nach vorn ab, 
welcher Anastomosen mit einem oder zwei Gehirnnerven hat. Vom 
vordern Theil des Fussknotens gehen respective nach aussen und nach 
innen 1—3 Nn. pediaei antt. ab, ferner ein gleich gegabelter N. pleuro- 
podialis für den Fussflügel und ein starker N. pediaeus magnus für 
den eigentlichen Fuss. Vom rechten Fussknoten geht endlich noch 
ein starker N. penis an das Penisorgan ab, diesem selbst und der 
Prostata mehrere Aeste spendend. — An der Mitte der ziemlich langen, 
dünnen cerebro-buccalen Commissur, die einige Nerven an den Schlund- 
kopf giebt, finden sich die schwach gelblichen buccalen Ganglien. 
Dieselben (Fig. 1%), am Hinterende des Schlundkopfes unter dem 
Pharynx liegend (Fig. 3), sind von ovaler Form, durch eine meistens 
winklige Commissur verbunden, die etwa doppelt so lang wie der 
Durchmesser des Ganglions ist, von der Mitte der Commissur geht 
ein N. radularis an die Raspelscheide ab; vom Aussenende des Ganglions 


Die Gattung Gastropteron. 293 


geht ein Nerv an den Schlundkopf und die Speicheldriise ab, und ein 
anderer an die Speiseröhre, welcher sich weiter nach hinten verlängert, 
sich an dieser und an dem Magen verästelnd. 


Am Ende der von den grossen Nn. tentaculares (Gangl.) abgehenden 
Nn. optici finden sich die Augen. Dieselben (Fig. 1 dl) liegen auf 
einer Querlinie, etwas von einander entfernt, ziemlich tief in der 
Gegend des Halses zwischen Vorder- und Hinterkérper; wenn das 
freie Hinterende des Schildes siphoartig, wie wohl meistens, gehoben 
ist, hat das Licht somit freien Zutritt zu der Körpergegend, in deren 
Tiefe die Augen verborgen liegen. Dieselben sind von ovaler Form, 
meistens von etwa 0,23 mm längstem Durchmesser; die Cornea und 
die Retina mit ihren relativ ziemlich grossen Zellen wie gewöhnlich ; 
das ziemlich reichliche Pigment schwarz; die grosse Linse von un- 
gefahr 0,16 mm Durchmesser, stark gelb. 

Der Verlauf der vom Gehirnganglion ausgehenden Gehörnerven 
(Fig. 1) ist von VAyssıkre genau verfolgt worden. Die Otocysten 
liegen aussen und vorn, nahe dem Aussenrand der Fussganglien in 
der Nähe ihres Ueberganges in das pleuro-pedale Connectiv (Fig. 1 
mm). Sie sind planconvex, kleinen, klaren Uhrgläsern ähnlich, von 
ovalem oder rundlichem Umriss, von meistens etwa 0,12 mm 
Durchmesser, eine Menge (etwa gegen 100) klarer Otokonien ent- 
haltend; dieselben waren rundlich oder oval, von etwa 0,007—0,013 mm 
Durchmesser (Fig. 2). 

SPENGEL giebt (l. c. p. 359, tab. 17, fig. 70; tab. 18. fig. 21) ein 
an der Unterseite des Mantelgebrämes, unweit vom Vorderende der 
Kieme liegendes Geruchsorgan an. VAyssıkrE sowie ich werden 
dasselbe beim lebenden Thiere übersehen haben; ich habe dasselbe 
bei allen in Alcohol aufbewahrten Individuen vergebens gesucht. 

Die Haut zeigt sich unter der Lupe überall, aber bald mehr bald 
weniger stark, roth punktirt. Genauer untersucht, zeigte dieselbe 
überall ein aus ganz feinen Zellen (von einem Diam. bis 0,04 mm) 
gebildetes Epithel. Die Haut selbst ist wesentlich von einem ziemlich 
dichten Lager von einander in allen Richtungen kreuzenden Muskel- 
fibrillen und Muskelfasern gebildet. Demselben sind ziemlich dicht 
stehend eine Unmasse von schön rothen Pigmentzellen eingelagert, 
die rundlich sind, von einem Durchmesser bis 0,018 mm, mit deut- 
lichem Kern. Am Stirnschilde, aber noch viel mehr am Hinterkörper 
findet sich eine sehr grosse Menge von Chromatophoren (Taf. 17, 
Fig. 2), den vorigen ähnlich, aber mit sehr stark verzweigten Aus- 


994 R. BERGH, 


läufern; an den übrigen Körpertheilen kommen die Chromatophoren 
viel spärlicher vor. Ferner finden sich, ziemlich zahlreich zerstreut, 
kugel- oder sackförmige, in den Pleuropodien oft auch flaschen- 
formige Drüschen; massenhaft kommen Drüschen am Grunde des 
Flagellums vor; die Drüschen meistens einen längsten Durch- 
messer bis 0,02 (selten bis 0,04) mm erreichend. Endlich kommen 
in nicht geringer Menge klare, körnige, runde oder unregelmässige 
Kalkkörperchen vor, von einem Durchmesser bis 0,02 mm; grössere, 
mitunter bis 0,24—0,3 mm lange (bei einer Breite bis 0,02) sind 
mitunter am Flagellum vorhanden. Die Farbe der gelblichen oder weiss- 
lichen Flecken rührt wesentlich vom Fehlen der rothen Pigmentzellen 
her; die Kalkkörperchen traten hier und da auch in etwas grösserer 
Menge auf. 

Wie zuerst von VAyssıkrE nachgewiesen, enthält das Hinterende 
des Schwanzes eine mediane Fussdrüse. Dieselbe schimmert un- 
deutlich durch die Haut, besonders von der obern Seite, hat eine 
Länge bis etwa 3,5 bei einer fast durchgehenden Breite von 0,5 mm, 
nur das Hinterende ist ein wenig dicker (Fig. 22); sie ist gelblich 
und besteht aus zwei der Länge nach neben einander liegenden Hälften, 
deren enge Höhlen sich gemeinschaftlich, durch einen unter der Lupe 
kaum sichtbaren schrägen Porus, (3—4 mm) vor dem Ende des Schwanzes 
öffnen ; aus dem Porus hängt mitunter ein langer dünner Schleimfaden 
(Fig. 22 c). Die die Drüse zusammensetzenden Follikel sind denen 
des circumbuccalen Drüsenlagers ähnlich (s. unten), von einem Durch- 
messer bis 0,04 mm, aber meistens zu kleinen Acini verbunden. 


Die Musculatur der Bedeckungen des Hinterkörpers ist schwach, 
die des Fusses stärker, noch stärker die des Stirnschildes, aber be- 
sonders die der mächtigen Pleuropodien. Unter den hier sich in allen 
Richtungen kreuzenden Muskelfasern kommen in nicht geringer Menge 
breite und starke, schwach gelbliche Muskelbänder vor. — An der obern 
Seite der Fussohle, aber von derselben gelöst, kommen zwei starke, 
mitunter mehrköpfige, neben einander verlaufende, aber ganz ge- 
sonderte Muskel (Mm. contractores corporis mediani) vor, die vom 
vordern (-äussern) Theile der Hülle des Hinterkörpers entspringen und 
sich vorn, oft mit mehrern Schwänzen, unterhalb des Aussenmundes 
anheften. Ausserhalb derselben finden sich zwei bis drei etwas kürzere 
und weniger starke Muskel (Mm. contractores corporis laterales), 
die vom Grunde der Pleuropodien etwas vor der Gegend des Ursprunges 
der vorigen Muskel entspringen und sich wie die letztern, aber mehr 


Die Gattung Gastropteron. 295 


nach aussen inseriren'). Endlich kommt noch jederseits ein starker, 
von den Seitentheilen des Stirnschildes entspringender Muskel hinzu, 
welcher sich wie die letztern inserirt. 

Der senkrechte oder rundliche Aussenmund so wie wenigstens 
der vordere Theil des kurzen, aber starken Mundrohrs (Fig. 3a) 
ist von einem circumbuccalen Drüsenlager (Fig. 3 6) einge- 
fasst, das wenigstens unten einen ziemlich dicken weisslichen Kragen 
um das Vorderende des Schlundkopfes bildet (Fig. 15 6). Das Lager 
ist unten in der Mitte am stärksten. Die dasselbe zusammensetzenden 
Drüschen sind kugel- oder birnförmig, meistens von einem Durchmesser 
von 0,12 mm, klar, sich jedes für sich durch einen kurzen oder etwas 
längeren Ausführungsgang öffnend (Fig. 20, 21). — Der eigenthümliche, 
schwach gelbliche Schlundkopf hatte bei den grössten Individuen 
eine Länge von 4,5—5 mm bei einer Breite von 2,5—2,75 und einer 
Höhe von 2,25—2,5. Das Organ besteht aus zwei, durch eine mehr oder 
weniger starke Einschnürung geschiedenen Partien (Taf. 16, Fig. 3, 15). 
Die vordere (Fig. 3d) ist ein wenig länger als die hintere, vorn 
niedriger, hinten höher und etwas dicker, von subprismatischer Form, 
mit abgeplatteter Unterseite, etwas gewölbten Seitenflächen, welche 
oben in einander, unten in die Unterseite gerundet übergehen; die 
Aussenseite zeigt eine Menge von (meistens ungefähr 25—28) dicht 
stehenden, mehr gelblichen, circulären Muskelbändern; die Innenseite 
ist meistens ganz fein längsstreifig. Die Wände des Schlundkopfs 
im Ganzen dick, nur im obern und in den Seitenecken dünn; die 
Lichtung dreieckig, meistens pfeilförmig (Fig. 8). Am Vorderende 
des Schlundkopfs eine kleine, senkrecht-ovale Lippenscheibe 
(Fig. 9) mit senkrechtem oder L-förmigem Innenmunde, in dessen 
Tiefe sich oft oben schon die Mandibelplatten zeigen. Der Mund ist von 
einer bis 0,02 mm dicken gelblichen Cuticula überzogen ?). Hinter dem 
Innenmunde, in der Nähe des obern Winkels findet sich jederseits 
eine kleine, etwas schräg gestellte, bräunlich-gelbe, gelbliche oder 
gelblich-weisse, selten kastanienbraune Mandibelplatte (Fig. 4, 5). 
Dieselben liegen also einander genähert; sie sind am innern Ende ein 
wenig breiter (Fig. 5 a), von einer Länge von ungefähr 0,55—0,7 mm 
bei einer Breite bis 0,3, nicht dick; sie sind aus dicht gedrängten, 


1) Das Verhalten dieser Muskeln ist ganz das gleiche wie bei den 
Doridien. 

2) Dagegen habe ich die von Vaysstmre (L c. 1880, p. 24, tab. 2, 
fig. 17) angegebenen „chitinösen Papillen“ nicht sehen können, 


296 R. BERGH, 


geraden oder wenig gebogenen Stäbchen zusammengesetzt, die eine 
Hühe bis 0,1 mm erreichen bei einer Breite von meistens 0,005, 
selten bis 0,007; die Stäbchen sind mitunter an der Spitze dicker oder 
gabelig, meistens von schrägen Furchen (Fig. 6, 7) durchzogen. Die 
Innenseite dieses Theils des Schlundkopfes sonst von einer nicht sehr 
dicken Cuticula überzogen, die mitunter hier und da etwas verdickt 
ist. Die hintere Abtheilung des Schlundkopfes (Fig. 3 e) ist etwas 
kürzer und dicker als die vordere, von rundlichem Umrisse, haupt- 
sächlich mit der Länge nach und bogenförmig verlaufender Muscu- 
latur; sie wird wesentlich nur von der Zunge mit den Zungenmuskel- 
massen gebildet!). Etwa in der Mitte der obern Seite geht die 
Speiseröhre ab (Fig. 3 g), und neben derselben münden die Speichel- 
drüsen ein (Fig. 3 h), hinten an der Unterseite springt die kräftige 
Raspelscheide hervor (Fig. 3f). Die Höhle der hintern Abtheilung 
des Schlundkopfes ist fast ganz von der Zunge eingenommen; sie 
öffnet sich mit ziemlich weiter Lichtung in die Höhle der vordern 
Abtheilung. — Von der obern Seite des Vorderendes des Schlund- 
kopfs gehen zwei kurze, aber starke Muskeln (Mm. protrusores bulbi) 
an die Umgegend des Aussenmundes ab und vom vordern Theile des 
Stirnschildes mehrere dünne an das Vorderende des Schlundkopfes; 
vom vordern Theile der Zungenmuskelmasse gehen an jeder Seite ein 
oder zwei lange dünne Muskeln ab, welche längs des Schlundkopfes 
verlaufen, um sich an der Mundröhre zu inseriren (Fig. 3); median 
verläuft längs der Unterseite des Schlundkopfes ein ähnlicher Muskel ?). 

Die Zunge ist stark, kurz und breit (Fig. 10), sowie auch ziem- 
lich hoch; das Vorderende, sowie die vordere Hälfte der obern Seite 
zeigt eine tiefe, von der röthlich-braunen Raspel ausgekleidete Kluft, 
welche etwa an der Mitte der Zunge durch das einfache, quergehende 
Raspeldach begrenzt wird (Fig. 10). Die Zunge wird hauptsächlich 
von den sehr kräftigen Mm. linguales supp. und inff. gebildet. Die 
Raspel ist schön braunroth oder carmoisinroth, besonders längs der 
Mittellinie; die Raspelscheide ist am Ende und median längs .der 
obern Seite gelblich, sonst durch die durchschimmernde Fortsetzung 
der Raspel gefärbt. In der Raspel kamen bei den in dieser Beziehung 
untersuchten zwölf Individuen 5—9 Zahnplattenreihen vor; weiter nach 


1) Die vordere Partie des Schlundkopfs der Gastropteren entspricht 
dem ganzen Schlundkopf der Doridien, welchen die ganze hintere Partie 
mit der Zunge fehlt. 

2) Alle diese Muskeln kommen ganz in derselben Weise bei den 
Doridien vor. 


Die Gattung Gastropteron. 297 


hinten fanden sich deren meistens 12—13 (in zwei Fällen 8, und in zwei 
10—11) entwickelte, zwei halbentwickelte und eine ganz junge und farb- 
lose ; die Gesammtzahl der Reihen betrug also meistens 20—23 1), in einem 
Falle 17. Die vorderste oder die zwei vordersten Reihen waren immer un- 
vollständig, und die Zahnplatten der Zunge überhaupt, besonders die 
grossen Seitenzahnplatten abgenutzt und die Dentikel der letztern abge- 
brochen. Die Rhachis der Raspel (vgl. Taf. 17, Fig. 4) nicht schmal, von 
schräg nach hinten gegen die Mittellinie verlaufenden, von der Spitze 
des Grundstückes der Seitenplatten ausgehenden Fältchen durchzogen ; 
mitunter zeigt sich auch eine feine mediane Längsfalte. Die Pleurae 
enthalten eine starke Seitenplatte und 5 Aussenplatten; nur ein 
einziges Mal sah ich deren hinten 6. Die Seitenplatten sind roth- 
kastanienbraun, gelb-braun oder braun-gelb; die Aussenplatten immer 
mehr gelblich. Die Länge der Seitenplatten betrug bei den grossen 
Individuen 0,4—0,45 mm, ihre Höhe bis 0,3; die Höhe der Aussen- 
platten 0,24—0,29 ; 0,2—0,26; 0,14; 0,11 und 0,075—0,09 mm. Die 
starken Seitenplatten (Taf. 16, Fig. 11, 12, 13 5; Taf. 17, Fig. 5) 
haben einen abgeplatteten Körper, von welchem sich der gebogene 
starke Haken emporkrümmt. Der Körper ist nach hinten zugespitzt; 
an der Innenseite trägt derselbe einen fein gezähnelten Kamm; die 
Anzahl dieser Dentikel ziemlich variabel, meistens 10—18 betragend, 
mitunter nur 4—7; auch ihre Höhe variirt (Fig. 11—13), meistens 
ist sie 0,007—0,009, mitunter 0,016 mm; an der Aussenseite der 
Seitenplatten kommt ein starker flügelartiger Fortsatz (Fig. 11, 12) 
vor; in den verschiedenen Stellungen präsentiren diese Platten sich mit 
sehr verschiedenem Aussehen. Die Aussenplatten nehmen nach 
aussen an Grösse allmählich ab (Taf. 17, Fig, 7); sie sind einiger-' 
maassen von der Form der Seitenplatten, nur fehlt der innere Kamm 
ganz, und der äussere Flügel ist länger (Taf. 17, Fig. 8—10). — Die 
Pulpe der Raspelscheide ist wie bei verwandten Thierformen 
gebaut, und jede Zahnplatte wird durch mehrere grosse Odontoblasten 
mit starkem Kern gebildet (Taf. 17, Fig. 23) ?). 

Die Speicheldrüsen sind weisslich, langgestreckt, mehr als 
doppelt so lang wie der Schlundkopf (10—14 mm lang bei einem 
Durchmesser von ungefähr 0,4), fast cylindrisch, an der Oberfläche 


1) Vayssrère giebt (1. c. 1885, p. 42) die Anzahl den Zahnplatten- 
reihen zu etwa 40 an. 

2) Vgl. RössLer, Die Bildung der Radula bei der cephalophoren 
Moll., in: Ztschr. f. wissensch. Zool., Bd. 41, 1885 (p. 461—463); tab. 
24, fig. 8, 9, 14 (Pleurobranchaea), 11 (Philine), 12—13 (Bulla striata). 


298 R. BERGH, 


ganz feinknotig (Fig. 14); sie liegen ganz frei, meistens einige 
Biegungen machend, ausserhalb der Speiseröhre, vorn münden sie 
durch einen ganz kurzen Ausführungsgang neben dem Pharynx ein, 
hinten ist ihr meistens etwas abgeplattetes Ende an die Gegend der 
Cardia oder an das hintere Ende der Speiseröhre geheftet (Fig. 3 h, 
15 ff). 

Die Speiseröhre (Fig. 3 9, 15 e) etwa doppelt so lang wie der 
Schlundkopf (7—9 mm lang bei einem Diam. von meistens 0,8); der 
hintere Theil ist mitunter etwas erweitert (Fig. 17); die Innenseite 
zeigt feine Längsfalten. Die Speiseröhre steigt nach hinten und unten 
und etwas links hinab, durchbricht die Leber, um sich gleich zum 
Magen zu entwickeln. Dieser letztere (so wie der Pylorustheil des 
Darmes) liegt mit einer Strecke seiner (grauen) Unterseite entblösst, 
ist sonst ringsum von der Leber eingefasst; der Magen (Fig. 15 g) 
ist unregelmässig rundlich oder mehr quer-oval, erstreckt sich nach 
oben und rechts; seine Wand ist kaum so dick wie die der Speise- 
röhre; sein grösster Durchmesser 5—-7 mm betragend. An seiner 
Innenseite kommen 4—7 ziemlich weite, runde und ovale, von ziemlich 
starken Trabekeln eingefasste Gallenöffnungen (Fig. 15 g) vor, in deren 
Boden oft 2—3 andere Oeffnungen erscheinen. Vom linken Ende des 
Magens geht der Darm aus. Der Magen und der Darm waren oft 
fast ganz leer, oder der Inhalt war unbestimmbare thierische Masse, 
mit feinen Sandkörnchen, zerbrochenen Spikeln von Spongien, Fora- 
miniferen und Diatomeen vermischt. Der Darm geht, von der Leber 
eingehüllt, erst nach vorn, fast bis an das Vorderende derselben 
(Fig. 15 hhh), biegt dann rechts und etwas nach hinten, steigt wieder 
nach vorn und nach oben, dann links, in einer Furche an der Ober- 
fläche der Leber längs der Blutdrüse, von der Niere bedeckt, ver- 
laufend; geht dann in einem Bogen nach hinten, biegt nach rechts 
und verläuft an die (bis 3 mm vortretende) Analpapille (Fig. 15 2), in 
der letzten Strecke in einer Furche an der Oberfläche der Leber fast 
ganz entblösst. Die ganze Länge des Darmes bei den grössern In- 
dividuen 3,5—4 cm betragend, bei einem Durchmesser von 3—1,5 mm. 
Die Innenseite, besonders in der letzten Strecke, mit feinen Längs- 
falten. Der Darm war, wie erwähnt, entweder leer oder zeigte einen 
ähnlichen Inhalt wie der Magen, war somit fast farblos oder dunkel- 
grau, ja Schwarz-grau. 

Die Leber ist von eigenthümlichem Bau, bildet eigentlich keine 
zusammenhängende, compacte Masse, sondern besteht aus einer nicht 
geringen Anzahl von gesonderten, ziemlich stark verzweigten Lappen, 


Die Gattung Gastropteron. 299 


die dicht an einander gedrängt sind, und deren kurze und dicke Läpp- 
chen unter einander sich oft vermischen; diese Lappenbildung ist auch 
an der freien feinkérnigen Fläche der Leber sichtbar: Das übrigens 
gerundete Hinterende der Leber verlängert sich, etwas gedreht, nach 
rechts vorn und unten in eine fast immer kurze, seltener etwas ausge- 
zogene (Taf. 16, Fig. 24 a), am Ende gerundete Spitze, die aber nie spiralig 
gerollt ist und die fast immer das Hinterende der Zwitterdriise über- 
ragt (Fig. 24 a). Die Farbe ist gelblich, gelblich-grau oder bräunlich- 
gelb. Die Höhlen der Läppchen verschmelzen allmählich zu grössern, 
welche sich zu meistens 2—3 in rundliche Crypten öffnen, die mit 
weiten, runden Oeffnungen in den Magen münden (Fig. 15 g). 

Das Pericardium ist gross, rechts ganz vorn an der hintern 
Eingeweidemasse liegend, vorn an das Diaphragma, hinten an die 
Niere, unten an die Kieme stossend; es liegt quer und ein wenig von 
unten nach oben gerichtet. Die dünne, rechts liegende Vorkammer 
ist ein wenig länger als die sich links anschliessende Kammer, die viel 
mehr musculös und von weisslicher Farbe ist; die Klappen wie ge- 
wohnlich. Die Aorta sich, wie gewöhnlich, schnell in eine Aorta ant. 
und post. theilend, deren Verzweigungen durch die schön gelungenen 
Injectionen VAYSSIERE’s !) verfolgt sind. Aus den Lacunen und be- 
sonders der grossen vordern und hintern Körper-Lacune sammelt 
sich die Hämolymphe allmählich in Venenstämmen, die auch von 
VAYSSIERE verfolgt sind ?), die schliesslich in die Niere münden, von 
welcher ab die Hämolymphe in die Kieme passirt. 

Die wegen ihrer gelb-rothen bis scharlach- oder carmoisinrothen, 
ganz selten schwach gelblich-weissen Farbe sehr ins Auge fallende 
Blutdrüse ist lang-gestreckt, bei den grössern Individuen 8—10 mm 
an Länge betragend bei einer Breite von 3—4 (vorn) bis 1,5 mm, 
der Länge nach gebogen (die Convexität links Kehrend), abgeplattet, 
in den Rändern mehr oder weniger, aber im Ganzen wenig lappig; 
das vordere Ende meistens erheblich stärker, die Stärke nach hinten 
abnehmend. Selten ist die Drüse auf die vordere Hälfte reducirt. 
Die Drüse ist vorn an das Pericardium und an die Niere geheftet, 
dann an den Darm, in dieser Strecke mehr oder weniger innerhalb 
der Niere entblösst liegend; hinten ist sie an die Schleimdrüse und 
an die Samenblase befestigt. 

Die Kieme (Taf. 16, Fig. 18, 19; Taf. 17, Fig. 1 c) wurde oben 


1) Vgl. L c. 1880, p. 43—45. 
2) Vgl. 1. c. 1880, p. 45—47. 


Zool. Jahrb. VII. Abth. f, Morph. 20 


300 R. BERGH, 


beschrieben. Langs ihres untern Randes, in der Rhachis, verläuft die 
V. branchialis, deren Aeste längs des einen Randes der Kiemenblätter 
emporsteigen und die Hämolymphe in die Falten an den Seiten der- 
selben hereinlassen; die längs des andern Randes verlaufende Arteriola 
branchialis verbindet sich mit denen der andern Blätter und bildet 
die im obern Theile der Kieme liegende Art. branchialis, die sich in 
die Vorkammer des Herzens öffnet. Das Innere des flügelartigen Fort- 
satzes, der die Grundlage der Kieme bildet, ist meistens gelblich- 
weiss, mitunter schwarz. 

Die weissliche Niere ist gross, von gerundet-dreieckiger Form, 
mit der Spitze nach oben, oder mehr länglich; an den grossen Indi- 
viduen 8—9 mm lang bei einer Breite bis 7—8 und einer Dicke von 
1,2—2 mm; sie grenzt vorn an das Pericardium, oben an den Darm 
(und die Blutdrüse), hinten an die Leber, unten an die Kieme. Ihre 
obere Seite ist frei, und der grösste Theil der untern lässt sich leicht 
lösen, nur vorn ist sie an die Blutdrüse und das Pericardium inniger 
befestigt und aussen an die Gegend der Kieme. Die obere Seite zeigt 
ein durchschimmerndes feines Netzwerk von anastomosirenden Balken, 
deutlicher und mehr durchscheinend in der hintern Hälfte. Die hin- 
tere Hälfte des Organs enthält eine weite Höhle, die vordere ist mehr 
compact, schwammig. Der Bau der gewöhnliche; in der Substanz 
ziemlich zahlreiche, schwach gelbliche Krystalle von einem Durch- 
messer bis 0,035 mm. Bei zwei Individuen glaube ich das peri- 
cardio-renale Organ unten in der Nähe des Grundes der Vor- 
kammer gesehen zu haben als einen kleinen Sack von einer Länge von 
0,42 mm. Als äussere Mündung der Niere wird wohl die immer sehr 
deutliche, kohlenschwarze Platte (Fig. 15%, 16 b) aufzufassen 
sein, die unweit von der Analpapille nach vorn liegt. Dieselbe ist 
kreisrund, von einem Durchmesser von 0,12 mm, ganz eben; sie liegt 
dem Nierengewebe unmittelbar auf. Nie habe ich an derselben eine 
deutliche Oefinung beobachtet; nach Maceration und Druck habe ich 
aber mitunter 1—2 Oefinungen (nach VAysstirE 5—6) auftreten sehen. 
Sie enthält eine Menge von kleinern und grössern schwarzen Pigment- 
körnern. 

Die an der grössten Länge der obern Seite der Leber ruhende 
Zwitterdrüse war bei den verschiedenen Individuen sehr ver- 
schieden entwickelt; wenn stark entwickelt, lässt sie sich von der 
Leber ziemlich leicht lösen, median an der Unterseite verläuft ein 
starkes Gefäss. Die Drüse variirt auch sehr an Farbe; mitunter ist 
sie hell gelblich-weiss oder graulich-weiss, meistens röthlich oder mehr 


Die Gattung Gastropieron, 301 


oder weniger stark roth. Ihre Form ist seltsam (Fig. 23, 24 b), lang- 
gestreckt, mit starken, "ziemlich kurzen, aber oft wieder getheilten 
Seitenästen, die oft gleichsam die Leber umarmen; bei voller Ent- 
wicklung rücken die Aeste nahe an einander, und die Zwitterdrüse 
bildet dann mehr gleichsam ein Schild; wenn ganz wenig entwickelt, 
präsentirt sich die Drüse mit isolirten grössern Lappen. Sie ist ab- 
geplattet, die Dicke bis 2,5 mm betragend. Die Drüse ist aus Lappen 
und Läppchen zusammengesetzt, die sich zuletzt in birnförmige Acini 
auflösen. In diesen Acini kommen peripherisch Eizellen, central 
Zoospermien vor; an einigen Stellen glaube ich gesonderte oogene und 
spermatogene Acini gesehen zu haben. Aus vielen Stammästchen und 
mehrern Stammästen bildet sich allmählich der Zwitterdrüsengang, 
der vor der Mitte (Taf. 16, Fig. 23 a, 25 a) der Längsaxe der Drüse etwa 
median frei hervortritt; derselbe ist in der ersten Strecke ganz dünn, bil- 
det dann eine gebogene, wurstförmige, ziemlich kurze (2—3 mm lange), 
auch weissliche Ampulle (Fig. 25 b), setzt sich dann, Anfangs noch 
dünn, dann dicker (Fig. 25 c), oft hier und da eingeschnürt, gelblich 
oder röthlich-gelb, immer von der Leber umhüllt, gegen die vordere 
Genitalmasse hinab fort; in der letzten, nicht ganz kurzen Strecke, 
in der sie theilweise an diese Masse angelöthet ist, ist der Gang 
wieder dünn, weisslich (Fig. 25 c‘); die Länge des Ganges von der 
Ampulle ab betrug 3—4 cm; er mündet in das obere Divertikel des 
Vestibulum genitale ein. Unweit von dieser Einmündung des Zwitter- 
drüsenganges, nur mehr nach unten, öffnet sich in dasselbe ein 
(Fig. 25 d) anderer Gang (Ductus anonymus), der in der ersten 
längern Strecke nicht viel dünner als der dicke Theil des Zwitter- 
drüsenganges ist, dann etwas dünner wird, um sich plötzlich stark 
(bis zu etwa 0,75 mm) zu erweitern; dieser dickere Theil (Fig. 25 e) 
ist fast immer röthlich-gelb, verschmächtigt sich allmählich, während 
sich die röthliche Färbung nach und nach verliert, schliesslich wird 
der Gang ganz dünn und verliert sich oder heftet sich etwa da, wo 
die Eiweissdrüse an das Divertikel stösst 1), an. (Dem Anschein nach 
mündet auch dieses Ende des Ganges in das Divertikel. Wahrschein- 
lich ist es, dass das Ende c‘ des Zwitterdrüsenganges sich in def, 
den Ductus anonymus, fortsetzt, und dass f also das wirkliche Ende 
des Zwitterdrüsenganges ist. Diesen Uebergang von c’ in d habe ich 


1) Es ist dieser Gang, welchen Vayssırre (1 c. 1880, p. 50, tab. 5, 
fig. 42 Cef) als den Zwitterdrüsengang darstellt; diesen letztern scheint. 
er nicht gesehen zu haben. 


20 * 


302 | R. BERGH, 


aber absolut nicht verfolgen künnen). Die ganze Länge dieses Ganges, 
der, lose an die vordere Genitalmasse gelôthet, sich um dieselbe in 
mehreren Windungen schmiegt, beträgt 2,5—3 cm. In das untere 
Divertikel (Fig. 25 h) des Vestibulum genitale öffnet sich die immer 
weissliche oder gelblich-weisse Spermatotheke (Fig. 257%); dieselbe 
ist kugelförmig, von einem Durchmesser von 1,5—2,25 mm; sie war 
mitunter leer, meistens mit Samen, mit Detritus vermischt, gefüllt; 
der Ausführungsgang so lang oder ein wenig länger als die Blase, in 
seiner ganzen Länge oder in der letzten Hälfte schön roth, nur selten 
weisslich wie die Blase. Die vordere Genitalmasse (Fig. 27) 
ist unregelmässig kugelförmig, nur ein wenig zusammengedrückt, von 
4—5,5 mm grösstem Durchmesser, weisslich oder gelblich- weiss, haupt- 
sächlich von der Schleimdrüse gebildet, deren lange Windungen zum 
grössten Theile der Länge nach gehen. Nach oben an der Hinter- 
seite der Schleimdrüse findet sich die mehr opake und kalkweisse, 
kleinere Eiweissdriise. Der Schleimdrüsengang tritt frei her- 
vor; an demselben gleichsan zwei Divertikel oberhalb des Vestibulum 
genitale (Fig. 25%); das obere hat einen Durchmesser von 1 mm, 
nimmt den Zwitterdrüsengang auf; in das untere, welches röthlich 
oder roth ist, mündet die Samenblase. Das Vestibulum geni- 
tale ist ziemlich kurz, roth an der Aussen- wie an der Innenseite 
mit Längsfalten der letztern. Die äussere Geschlechtsöffnung zeigt 
meistens jederseits einen kleinen vortretenden Lappen. — Die von 
dieser Geschlechtsöffnung, der Vulva, ausgehende ganz schmale, ziem- 
lich kurze Samenrinne, verläuft zur männlichen Genital- 
öffnung unweit vom Kopfe (Fig. 26 c). An dieser ist die lange 
Vorhaut mit dem Penis befestigt. Dieses gestreckt - kegelförmige 
(Fig. 26 b), an der rechten Seite des Schlundkopfs liegende Organ 
hat eine Länge von 6—11 mm bei einem Durchmesser am Grunde 
von 0,7—0,9; es ist meistens in seiner ganzen Länge aussen carmoisinroth, 
mitunter gelblich-weiss und nur in der letzten Strecke oder an der 
Spitze roth; die Innenseite der ziemlich dünnen Wand ist meistens 
gelblich. Die Höhle ist vom Penis fast ausgefüllt; derselbe ist 
meistens so lang (Taf. 17, Fig. 3) oder etwas länger als die Vorhaut, 
allmählich gegen die Spitze verschmächtigt, gelblich, selten ist die 
letzte Strecke roth punktirt, an Durchschnitten rund, an der Ober- 
fläche ganz eben (ohne Samenfurche); meistens liegt er ausgestreckt, 
mitunter etwas eingerollt. Durch die ganze Länge des Penis zieht 
sich, dem Contractionszustande nach mehr oder weniger geschlängelt 
der ziemlich dickwandige Gang der Prostata. Diese Prostata ist 


Die Gattung Gastropteron. 303 


ganz eigenthümlich, mit ihren vielen Windungen am Boden der vordern 
Eingeweidehöhle unterhalb der Speiseröhre und der Speicheldrösen 
gelagert (Fig. 26 a); sie ist sehr lang-gestreckt, cylindrisch, kaum 
vorn ein wenig verdünnt, schwach gelblich, stark und zähe; ausge- 
streckt betrug ihre Länge bei den kleinsten Individuen 3,5—6 cm bei 
einem Durchmesser von 0,3—0,5 mm, bei den grössten 8—9 cm bei 
einem Durchm. von etwa 0,5 mm; die Wand zeigt ein starkes Ring- 
und Längsmuskellager, die enge Höhle ist von einem drüsenartigen 
Zellenlager ausgekleidet. Ein an seinem Grunde an der untern Wand 
der hintern Leibeshöhle ziemlich breiter, aber schnell sich verschmä- 
lernder M. retractor penis verläuft zwischen den Windungen der Prostata 
direct an den Grund des Penis, wo er sich anheftet; ein besonderer 
dünner Nerv begleitet den Muskel bis an seinen Ursprung. 


2. Gastropteron pacificum Ben. n. sp. 
Taf. Poo Pis) 28; Taf. 17; Big: 10-26; 


Color clypei frontalis sicut podarii cum pleuropodiis lutescens 
rubro punctatus. 

Limbus pallialis sine flagello. 

Hab. M. pacific. 


Von dieser Art fand sich eine Anzahl (13) Individuen, bei Un- 
alaschka (Aleutischen Inseln) von Dati im August 1874 aus einer 
Tiefe von 9—15 Faden (auf Steinboden) gefischt. 

Der einzigen Notiz Darr’s zu Folge war das lebende Thier 
gelblich, rothfleckig. 

Die in Alcohol aufbewahrten Individuen hatten zum Theil noch 
ihre ursprüngliche Farbe behalten; sie zeigten sich am Stirnschilde 
so wie am Fusse mit den Pleuropodien hell gelblich mit zahlreichen 
rothen, mehr oder weniger gruppirten, mehr oder weniger dichtstehenden 
Punkten, die an der ganzen Unterseite wie an der freien Spitze des 
Stirnschildes dichter standen; der Hinterkérper grau, mitunter, be- 
sonders vorn, mit rothen zerstreuten Punkten; die Kieme weisslich. Die 
Individuen waren meistens von fast derselben Grösse; die Länge 
der Pleuropodien 7,5 mm, die Breite des Thieres bei ausgeschlagenen 
Fussflügeln 12 mm, die Höhe bis 5,5 mm betragend. 

Diese Art ist also vielleicht im Ganzen kleiner als die typische, 
mit welcher sie in den allgemeinen Formverhältnissen sonst überein- 
stimmt. Der Fuss von den Pleuropodien meistens deutlich abge- 


304 R. BERGH, 


grenzt; der Schwanz mit medianer, abgegrenzter (Fig. 14 6), kurzer 
Spitze; die Pleuropodien sind kleiner als bei jener Art, auch ein wenig 
kürzer. Das Mantelgebräme ist enger, nur hinten ein wenig breiter, 
gerundet endigend, aber ohne Spur von Peitsche. Wegen der Enge 
des Mantelgebrämes ist die Kieme fast entblösst, relativ grösser als 
bei der vorigen Art, mehr nach unten gerichtet; die Blätter wie bei 
jener, aber weniger zahlreich (16—20) und die freie Spitze derselben 
länger; die Analpapille wie oben, die schwarze Nierenpore dem Anus 
mehr genähert; die Genitalöffnungen und die Samenrinne auch wie bei 
der typischen Art. 

Die Eingeweide schimmerten ganz in derselben Weise wie bei der 
vorigen Art durch und an der obern Seite des Stirnschildes mitunter 
die Augen (Fig. 11); die Lageverhältnisse der Eingeweide ganz wie 
bei jener. 

Die Schale verhielt sich ganz wie bei der typischen Art; ganz 
hinten spiralig, kalkweiss (Fig. 12, 13), radiär streifig, sehr leicht in 
kleine eckige Tafeln zerbrechend ; der Durchmesser dieses Theils der 
Schale meistens etwa 0,6—0,66 mm betragend, der Durchmesser der 
kleinen Spira etwa 0,1—0,12 mm; die Dicke der Schale etwa 0,003 
mm. Die grosse cuticulare letzte Windung der Schale auch wie ge- 
wöhnlich. 

Das Centralnervensystem wesentlich wie bei der typischen 
Art; im Ganzen schien die obere cerebrale Commissur etwas kürzer, 
und die cerebro-pedalen und pleuro-pedalen Connective etwas länger. In 
dem zweiten der linken pleuralen Ganglien kommen etwa 7—9 (grössere) 
Nervenzellen vor, im dritten 17—20. Der Durchmesser der Zellen 
bis 0,16 mm betragend. 

Die Lage und die übrigen Verhältnisse der Augen wie bei der 
typischen Art. Die Otocysten auch ganz wie bei der letztern, von 
einem Durchmesser von 0,11 mm; die Otoconien dunkler als gewöhn- 
lich, rundlich oder oval, von einem Diam. bis 0,013 mm, ihre Anzahl 
etwa 60—80 betragend. Die Verhältnisse der Haut wie bei dem 
G. meckel:. 

DieYFussdrüse gelblich, 0,8—1,5 mm lang, die zwei Hälften 
mehr geschieden (Fig. 14a); die Pore wie gewöhnlich; die Fuss- 
furche stärker, länger, sich an die Spitze des kleinen (Fig. 14 b) me- 
dianen Schwanzlappens erstreckend. 

Die Musculatur wie bei der typischen Art; die Mm. con- 
tractores corporis laterales und mediani wie erwähnt. 

Die Mundröhre wie bei der vorigen Art, das circumorale Drüsen- 


Die Gattung Gastropteron. 305 


lager aber weniger stark. Der Schlundkopf 3—3,5 mm lang; die 
Form und der Bau wie oben. Die Cuticula des Innenmundes (Fig. 15) 
dunkler; die Mandibelplatten (Fig. 16) meistens innen ein wenig 
breiter, selten rothbraun, meistens dunkel schmutzig-braun, 0,6—0,8 mm 
lang bei einer Breite nach innen von 0,18mm; die Stäbchen bis 0,06 mm 
an Länge messend bei einem Durchmesser von etwa 0,009 (Taf. 16, 
Fig. 28). Die Zunge auch ganz wie oben; bei den 10 genauer 
untersuchten Individuen kamen in der dunkel schmutzig-braunen oder 
gelblich-braunen Raspel 6—8 Zahnplattenreihen vor, weiter nach hinten 
in der Raspelscheide 9—14 entwickelte, zwei halb entwickelte und 
eine ganz farblose Reihe; die Gesammtzahl der Reihen somit 20—22. 
Die Zahnplatten wie gewöhnlich. Die Anzahl der Dentikel des Innen- 
randes der Seitenplatten inconstant, 12—20 betragend; die Länge 
dieser Zahnplatten (Fig. 17 a, 18, 19, 22) meistens 0,35 mm betragend 
bei einer Höhe bis etwa 0,22. Die Anzahl der Aussenplatten (Fig. 17 bb, 
20) ist meistens auch 5, in einzelnen Reihen, besonders nach hinten, 
kamen auch 6 vor (Fig. 17); die Höhe der innersten betrug 0,2, der 
zwei äussersten meistens 0,09—0,08 mm 1). — Die äussern Muskeln 
des Schlundkopfes wie bei der typischen Art. 

Die Speicheldrüsen wie bei der vorigen Art. Der ganze Ver- 
dauungscanal schien auch ganz dieselben Verhältnisse darzubieten; 
die Speiseröhre war mitunter in einer grössern oder kürzern Strecke 
magenartig erweitert. Der Darm wegen seines Inhalts meistens 
schwarz-grau. 

Die Leber schmutzig gelblich, von gewöhnlichem Bau; die 
Gallenöffnungen des Magens wie oben. 

Das Pericardium mit dem Herzen wie gewöhnlich; die Blut- 
drüse immer schmutzig-gelblich, etwas kürzer, aber breiter als bei 
der typischen Art. — Die Niere weisslich, auch kleiner, von der 
gewöhnlichen Form, nur etwas kürzer; die runde oder ovale, schwarze 
Nierenplatte unweit von der Analpapille ganz wie bei dem Gastr. 
meckeli, von einem Durchmesser von 0,12—0,14 mm; auch mit 1—2 
feinen, zweifelhaften Löchern. 

Die Lage der Zwitterdrüse wie gewöhnlich; sie ist mehr 
gelblich als die Leber oder mehr röthlich-gelb, mitunter selbst stärker 
röthlich; sie war nie stark entwickelt; in den Läppchen entweder 
keine reifen Geschlechtselemente oder grosse Eizellen. Der Zwitter- 


1) Mitunter haben die Zahnplatten, besonders die der Raspelscheide, 
eine sonderbare chitinöse, nicht eng anliegende Hülle (Taf. 17, Fig. 22). 


306 R. BERGH, 


drüsengang wie gewöhnlich, immer aber braun-grau. Die vordere 
Genitalmasse von einem grössten Durchmesser ven 3,2—5 mm, 
gelblich und weisslich. Die Spermatotheke weisslich, kugelförmig, von 
1,5 mm Durchmesser; ihr Gang immer auch weisslich, ein wenig länger 
als die Blase; das Verhältniss der an die Schleimdrüse gehefteten und 
und um dieselbe geschlungenen Röhren liess sich wegen der geringen 
Grösse und des Erhärtungszustandes nicht bestimmen. Das Vestibulum 
genitale scharlachroth. — Die Prostata ist wie bei der typischen Art 
lang und cylindrisch, nie aber wie bei dieser mit ganz feinen, in ein- 
ander geschlungenen Windungen. Dieselben sind weniger solide, bald 
ein kleines, dickes, am Kopfe des Penis eingerolltes, etwa 2 mm langes 
(Fig. 25) Knäuel bildend; bald ein viel längeres (5—6 mm) (Fig. 24, 
26), abgeplattetes, dessen ausgerollte Windungen an Länge etwa 2—2,5 cm 
messen; die ganz dünne Scheide (Fig. 24—26 c), die die Prostata 
einhüllt, ist vorn am Grunde des Penis, hinten an die Umgegend der 
Cardia befestigt. Die Vorhaut des Penis ist am Grunde dick, und 
an der einen Seite mehr oder weniger sackartig vortretend (Fig. 24 
—26 b), nach vorn zugespitzt, die Länge betrug 2—2,5 mm; der Penis 
selbst (Glans) ganz kurz, kurz kegelförmig, ohne Längsfurche (Fig. 26). 


Tafelerklärung. 


Eine Mehrzahl der Figuren ist mit Cam. gezeichnet; Vergr. ist 
dann angegeben. 


Tate 16: 


Gastropteron meckeli Buaınv. 


Fig. 1. Das Centralnervensystem, von oben; alle Ganglien sowie 
die Augen mit Cam. gezeichnet (Vergr. 55); a Ganglia cerebralia, bb 
G. pedalia, ¢ rechtes pleurales G., d linkes pleurales G., e Commissura 
intercerebralis (inf.), ff Comm. pediaea, ggg Comm. pleuralis, hhh Comm. 
parapedalis, à Comm. cerebro-buccalis, 4 Ganglia buccalia, { Augen, 
mm Otocysten. 

Fig. 2. Otocyste (Vergr, 350); a N. auditivus (vgl. Fig. 1 mm). 


Die Gattung Gastropteron. 307 


Fig. 3. a Mundröhre, 6 circumbuccales Drüsenlager, ¢ Mm. pro- 
trusores bulbi, d vordere Abtheilung des Schlundkopfes, e hintere (Zungen- 
muskelmasse), f Raspelscheide, g Speiseréhre, unter dem Pharynx linkes 
buccales Ganglion, h Speicheldriise. 

Fig. 4 Vorderster Theil der obern Wand der vordern Abtheilung 
des Schlundkopfes mit den Mandibelplatten, von unten gesehen. 

Fig. 5. Rechte Mandibelplatte (Vergr. 200); a inneres Ende. 

Fig. 6. Elemente der Mandibelplatte (Vergr. 350). 

Fig. 7. Ein einzelnes Element (Vergr. 750). 

Fig. 8 Senkrechter Durchschnitt der vordern Abtheilung des 
Schlundkopfes, a oben. 

Fig. 9. Lippenscheibe mit Innenmund (des Schlundkopfes). 

Fig. 10. Die Zunge, von oben; @ Raspelscheide, vorn die einge- 
senkte Raspel, hinter derselben das Raspeldach. 

Fig. 11. Seitenzahnplatte (Vergr. 200). 

Fig. 12. Aehnliche, vom Rande (Vergr. 200). 

Fig. 13. 6 Seitenzahnplatte, @ erste Aussenplatte (Vergr. 200). 

Fig. 14. Stück der Speicheldrüse (Vergr. 55). 

Fig. 15. Verdauungssystem; aa Mm. protrusores bulbi, 6 circum- 
buccales Drüsenlager, ce vordere, d hintere Abtheilung des Schlund- 
kopfes, e Speiseröhre, ff Speicheldrüsen, g Magen mit Gallenöffnungen, 
hhh Darm, i Analpapille, & Nierenpore. 

Fig. 16. a Analpapille, b Nierenpore (Vergr. 100). 

Fig. 17. Erweiterung an der Speiseröhre. 

Fig. 18. Kieme (Vergr. 55); a freie Spitze, b angehefteter Rand. 

Fig. 19. Freie Spitze der Kieme (Vergr. 100). 

Fig. 20. Stück des circumbuccalen Drüsenlagers (Vergr. 100). 

Fig. 21. Drüschen desselben (Vergr. 350). 

Fig. 22. Fussdrüse (Vergr. 55); a Nerv, b Gefäss, c Schleimfaden. 

Fig. 23. Zwitterdrüse; a Zwitterdrüsengang. 

Fig 24. Hinterende des Körpers, a gedrehtes Ende der Leber, 
b Zwitterdrüse. . 

Fig. 25. a Zwitterdrüsengang, b Ampulle desselben, c dickerer 
Theil der Fortsetzung des Zwitterdrüsenganges, c’ dünnerer Theil, d 
‘ Ductus anonymus, e Ampulle desselben, f Endtheil des Ductus ano- 
nymus, g oberes Diverticulum des Vestibulum genitale, h unteres Diver- 
tikel desselben, à Spermatotheke, % Vestibulum genitale. 

Fig. 26. a Prostata, b Praeputium mit Penis, ¢ Samenrinne. 

Fig. 27. Vordere Genitalmasse, von der rechten Seite; @ Zwitter- 
drüsengang, b Ductus anonymus mit seiner Ampulle, ¢ Spermatotheke. 


Gastropteron pacificum Ben. 
Fig. 28. Stück der Mandibelplatte (Vergr. 350). 
Tate. 


Gastropteron meckeli BLAINVILLE. 
Fig. 1. a Rücken, b Mantelgebräme, ¢ Kieme, d Peitsche (Flagellum). 


308 
Fig. 2. 


R. BERGH, Die Gattung Gastropteron. 


Stück der Haut von einem grüssten Durchmesser von 


0,28 mm (Vergr. 200). 


Fig. 3. 
Fig. 4. 
Fig. '5. 
Fig. 6. 
Fig. 7. 


Glans penis (Vergr. 55). 

Vorderes Ende der Raspel (Vergr. 100). 

Seitenzahnplatte, vom Rande (Innenseite) (Vergr. 350). 
Stiick einer Seitenzahnplatte, von oben (Vergr. 350). 
Reihe der Aussenplatten, von der Aussenseite, @ äusserste 


Aussenplatte (Vergr. 350). 


Fig. 8. 
Hie. :( 9: 
Fig. 10. 


Fig. 11. 
Augen. 
Fig. 12. 
Fig. 13. 
Fig. 14. 
mit Furche. 
Fig. 15. 
Mandibel. 
Fig. 16. 
unten (Vergr. 
Fig. 17. 


Erste (innerste) (Vergr. 350). 
Dritte Aussenplatte (Vergr. 350). 
Drei Aussenplatten; a äusserste (Vergr. 350). 


Gastropteron pacificum Ben. 


Hinterende des Stirnschildes mit durchschimmernden 
Kalkige Schale (Vergr. 55); « Hinterende der Leber. 
Kalkige Schale, von der Unterseite (Vergr. 55). 


a Fussdrüse ( Vergr. 100), b medianer Lappen des Schwanzes 
Vorderende des Schlundkopfs (Lippenscheibe), oben die 
Vorderende des Schlundkopfs mit den Mandibeln , von 


55). 
Stück der rechten Hälfte der Raspel, a Seitenzahnplatte, 


bb äusserste der (6) Aussenplatten (Vergr. 350). 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Mie, 22: 
(Vergr. 350). 
Fig. 28. 
platte. 
Fig. 24. 
Fig. 25. 
Fig. 26. 


Zwei Seitenzahnplatten aus der Raspelscheide (Vergr. 350). 
Seitenzahnplatte, von oben (Vergr. 350). 

Eine Reihe von Aussenplatten; @ äusserste (Vergr. 350). 
Abnorme Aussenplatte (Vergr. 350). 

Seitenzahnplatte mit eigenthümlicher chitinöser Hülle 


Pulpenzellengruppe (Odontoblasten) für eine Seitenzahn- 
a Prostata, b Penisscheide, c Scheide der Prostata. 


Aehnliche eines andern Individuums; a, b, ce wie oben. 
Aehnliche noch eines andern Individuums (Vergr. 55); 


a, b, c wie oben, die Glans penis schimmert deutlich durch. 


Fig. 27. 
Fig. 28. 


Doridium diomedeum Ben. 


Schale, von oben (Vergr. 3). 
Hinterende des Mantelgebrämes mit a Peitsche, 


Nachdruck verboten. 
Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 


Von 
F. Leydig in Würzburg. 


Hierzu Tafel 18. 


Die Ergebnisse über Structuren des Nervensystems, wie ich sie 
aus meinen bisherigen Untersuchungen erhalten zu haben glaube, be- 
stimmten mich, auf die Retina zurückzugehen. Was ich jetzt bezüglich 
des Sehnerven vorzulegen mir gestatte, steht im Einklang mit meinen 
anderweitigen Wahrnehmungen, obschon dadurch allerdings die Frage 
nach dem letzten Verhalten des Sehnerven noch nicht gelöst wird. 
Immerhin können die Befunde dazu dienen, dass man auf Verhältnisse 
im Bau der Retina aufmerksamer wird, die bis dahin weniger beachtet 
wurden. 

Dass ich in vorliegenden Bemerkungen auch Sonstiges, was die 
Structur der Retina betrifft, berücksichtigt habe, liegt in der Natur 
der Sache: ist doch das feinere Gefüge der Netzhaut von so ver- 
wickelter Art, dass von einer abschliessenden Kenntniss noch auf lange 
hinaus wohl kaum die Rede sein kann. Zuletzt nahm ich auch einigen 
Bezug auf die Nervensubstanz überhaupt und die einschlägigen Fragen. 

Im Bau der Retina, selbst innerhalb engerer Gruppen der Wirbel- 
thiere, kommen bekanntlich typische Verschiedenheiten vor, beispiels- 
weise in der Dicke der einzelnen Schichten, An- und Abwesenheit 
von Blutgefässen, Grösse und Form der Gewebstheile, weshalb es 
nothwendig ist, vorauszuschicken, dass sich meine diesmalige Unter- 
suchung auf das embryonale Auge von Salmo fontinalis beschränkt. 
Nur daneben habe ich die Retina des noch fadendiinnen Aales, An- 
guilla vulgaris, angesehen und auch das nicht in durchgreifendem 
Maasse. 


310 F. LEYDIG, 


Dann môchte ich auch noch zum voraus erwähnen, dass die von 
mir gegebene bildliche Darstellung sich auf ein Stadium der Ent- 
wicklung bezieht, welches auch HOFFMANN veranschaulicht hat :). Ein 
Blick auf die beiderseitigen Abbildungen kann sofort lehren , dass 
unsere Wahrnehmungen in den Grundzügen übereinstimmen, und was 
abweichend erscheint, liegt darin, dass ich der histologischen Structur 
etwas weiter nachgegangen bin, auch dabei stärkere Vergrösserung an- 
gewendet habe. 


I: 


Die Sclera besteht aus Knorpelsubstanz, welche einwärts und 
nach aussen durch einen bindegewebigen Ueberzug abgegrenzt wird. 
Das dunkle Pigment der Augenumhüllung könnte dem ersten Anblick 
nach jenem für gleich gehalten werden, welches in den gewöhnlichen 
Chromatophoren enthalten ist, allein es weicht doch stark davon ab. 
Die Pigmentkörner sind nämlich messingfarbig, und die das Pigment 
einschliessenden Zellen stellen grosse Platten vor mit rauhem, leicht 
zackigem Rand und stossen derartig an einander, dass sie an ein Epithel 
erinnern können. Ein leichter Kernfleck hebt sich ab, ohne in Car- 
minlösung sich zu färben. 

Es mag beigefügt werden, dass die gleichen eigenthümlichen 
Pigmentzellen, neben den gewöhnlichen dunklen Chromatophoren, auch 
an der Umhüllung des Rückenmarkes sich vorfinden. Dort können 
sie auch ausser dem centralen hellen Fleck noch eine Anzahl von 
Flecken ähnlicher Beschaffenheit enthalten. 

Die zelligen Elemente der Pigmentschicht der Netzhaut, 
Lamina pigmentosa, besitzen in dem nach aussen gewendeten Theil 
des Zellkörpers einen grossen Kern ?). Die vom Zellenleib abgehenden 
langen und vielfach verästelten Ausläufer erstrecken sich nicht bloss 
in die Stäbchenschicht hinein, sondern auch durch sie hindurch und 
bilden dabei um die Theile des Stratum bacillosum durch fortgesetzte 
Auffranzung und Verfilzung der Ausläufer ein feines dichtes Netz, 
jedoch in beachtenswerther Weise so, dass ein lichter Raum um die 
Stäbchen sich absteckt. Die letzten oder innersten Enden der Aus- 
läufer der Pigmentzellen sind hell, ohne Pigment, und was mir be- 


1) ©. K. Horrmans, Zur Ontogenie der Knochenfische, in: Arch. f. 
mikr. Anat., Bd. 23, Fig. 12. 

2) Vergl. Fig. 1, welche eine Uebersicht der Schichten und ihrer 
Structur giebt. 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 311 


sonders verdient hervorgekehrt zu werden, sie hôren nicht für sich 
auf, sondern sie stehen in Zusammenhang mit dem Netzwerk der 
äussern Molecularschicht. Die ,,haarfeinen Ausläufer“ der Pigment- 
zellen, theils pigmentirt, theils pigmentfrei, werden schon von M. 
SCHULTZE hervorgehoben !), doch scheint er sie nicht so weit ver- 
folgt zu haber, um ihre Verbindung mit gedachtem feinen Fäserchen- 
werk zu erkennen. Oder müsste es etwa nicht bei jeder Thierart der 
Fall sein ? 

Hier am Embryo ist schon gut zu sehen, dass die fadigen Zellen- 
enden des Stratum bacillosum zugespitzt oder auch mittelst 
breiteren Fusses mit der äussern Molecularschicht zusammenhängen. 
Zum Bau der eben gedachten Zone möchte anzuführen sein, dass, ob- 
schon diese dünne „äussere Molecularschicht“ in ihrem netzigen Ge- 
füge mit der dicken ,,innern Molecularschicht“ übereinstimmt, doch 
die erstere darin etwas verschieden von letzterer sich darstellt, dass 
sie mir ein wenig weitmaschiger zu sein scheint. 

Das eigentliche Verhalten der Membrana limitans externa, 
welche die „äussere Körnerschicht“ von den Stäbchen scheidet, ver- 
mochte ich an meinen Präparaten nicht herauszufinden. Ich kann 
darüber nur soviel berichten, dass vor dem Beginn der kegelförmigen 
Verlängerungen der Stabschicht, zwischen den äussern hellen und dem 
innern plasmatischen Theil der Elemente, eine Grenzlinie sich hinzieht, 
nicht gleichmässig, sondern aus einzelnen Strichelchen bestehend, also 
in fortwährend unterbrochenem Zuge. Dieses Aussehen lässt sich aber 
gut vereinigen mit dem, was M. SCHULTZE, W. KRAUSE und SCHWALBE 
über den Bau der Membrana limitans externa aussagen, indem sie 
erklären, es handele sich nicht um eine isolirbare Hautschicht, sondern 
um ein „siebartig durchlöchertes Grenzgebilde‘‘ oder um eine „fligran- 
artig durchbrochene Schicht“. 

Das Flechtwerk der äussern molecularen Schicht zeigt sich 
innig verbunden mit der nach einwärts von ihr folgenden Zellenlage, 
welche W. Krause genauer beschrieben und als Ganzes Membrana 
fenestrata genannt hat. Im senkrechten Schnitt erscheinen die Kerne 
schmal, umgeben von wenig Zellsubstanz; von der Fläche gesehen *), 
wird ihr Zellkörper nicht bloss deutlicher, sondern es lässt sich klar 
erkennen, dass die Zellsubstanz sich in Ausläufer fortsetzt, die in 


1) z. B.: Nervenendigung in der Netzhaut des Auges, in: Sitzungs- 
bericht d. Niederrheinischen Gesellsch. 1869. 
2) Siehe Fig. 2. 


312 F. LEYDIG, 


netzförmige Verbindung treten. Schon in seiner ersten Mittheilung 
bezeichnet der Genannte !) die Elemente zutreffend als „grosse, multi- 
polare, platte Zellen“. 

In der „innern Körnerschicht‘“, welche von beträchtlicher 
Dicke ist, erscheinen die mehr nach aussen liegenden Nuclei dichter 
zusammengerückt als jene, welche einwärts folgen. Letztere sind etwas 
grösser, und an ihnen ist der schwache Saum eines in Fädchen sich 
ausziehenden Zellkörpers eher zu erkennen als an den kleinen aus- 
wärts gelegenen Kernen. Doch wird eine umschliessende Zellsubstanz 
auch diesen nicht wohl allgemein fehlen, da sich wahrnehmen lässt, 
dass ein Theil der Kerne durch einen dünnen Stiel mit den die „innere 
Körnerschicht“ durchziehenden Radialfasern zusammenhängt und ihnen 
wie Beeren aufsitzt, mit der Richtung nach einwärts. Dieser Stiel 
geht nun wohl nicht vom Kern selbst aus, sondern es ist anzunehmen, 
dass ihm eine zarte, kaum wahrnehmbare plasmatische Umhüllung 
des Kerns den Ursprung giebt. An den Kernen, welche nahe dem 
Rande der „innern molecularen Schicht“ liegen, verliert sich der Stiel 
des Kerns in Form eines feinen Fäserchens in das letztgenannte 
Stratum. 

Bevor ich in der Aufzählung der Eigenschaften, welche die faseri- 
gen und zelligen Elemente darbieten, fortfahre, möge des Systems 
von Lücken, welche schon in den bisher durchgangenen Schichten 
vorkommen, besonders gedacht werden. Aus Abbildungen von M. 
SCHULTZE erhellt bereits, dass Stäbchen und Zapfen von besondern 
Hohlräumen oder Lücken umgeben sind, und es war vorhin zu melden, 
dass die Lücken von den Pigmentzellen und ihren verzweigten und 
sich verfilzenden Ausläufern umzogen und begrenzt werden. Man er- 
hält beim nähern Betrachten einer grössern Anzahl von Präparaten 
durchaus den Eindruck, dass diese Hohlräume keineswegs nur die 
Geltung von Kunstproducten haben können, vielmehr weist ihr so 
regelmässiges Auftreten und die gleichmässige Folge darauf hin, dass 
es sich um ein typisches Structurverhältniss handeln müsse. 

Die gleiche Ansicht drängt sich uns auf, wenn wir das Lücken- 
oder Spaltsystem in der „innern Körnerschicht“ gut ins Auge fassen. 
Die Kerne halten eine ganz bestimmte Gruppirung ein: sie stehen auf 
der senkrecht durchschnittenen Retina strang- oder bandartig bei- 
sammen und bedingen auf solche Weise die Abgrenzung von Räumen. 


1) Wicaezm Krause, Die Membrana fenestrata der Retina, in: Göt- 
tinger Nachrichten, 1868. 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 313 


Unmöglich Kann man die letztern für künstlich durch die Präparation 
erzeugte ansprechen: das Gleichbleiben des Bildes nöthigt zur An- 
nahme, dass natürlich angelegte, mit homogener Substanz erfüllte und 
in vorgezeichneter Richtung verlaufende Hohlgänge das Gewebe der 
Retina durchsetzen. 

Die bisherigen Beobachter scheinen kaum auf diesen Punkt ge- 
achtet zu haben, obschon Manchem bereits das „eigenthümlich ge- 
bänderte Aussehen“ der innern Körnerschicht aufgefallen war; dass 
letzteres durch das Vorhandensein des Lückenwesens hervorgerufen 
wird, halte ich für zweifellos. 

Die Radialfasern heben sich in der innern Körnerschicht in 
Gestalt derberer, auch wohl blattartig verbreiterter Züge ab; nach 
auswärts gehen sie über in das Netzwerk, welches die Zellenausläufer 
der Membrana fenestrata bilden; einwärts verbinden sie sich mit dem 
Spongioplasma der ,,innern molecularen Schicht“. Es leugnet zwar 
SCHWALBE den Zusammenhang der Radialfasern mit dem Netzgewebe 
der innern molecularen Schicht, allein ich glaube da und dort solche 
Verbindungen zu sehen. Andrerseits kann ich nicht der Auffassung 
zustimmen, dass die dreieckigen Figuren, welche man jenseits der 
Ganglienzellen- und Nervenfaserschicht an der Innenfläche der Mem- 
brana limitans interna erblickt, einzig und allein die Ansatzstellen der 
Radialfasern sind. Denn beim Durchmustern vieler Dreiecke meine 
ich zu finden, dass sie auch entstehen durch das Zusammentreten von 
Fortsätzen, welche aus den Ausläufern der Ganglienzellen entspringen. 
Im Querschnitt haben die Radialfasern gern das Aussehen eckiger, 
sich scharf abhebender Körper !), deren Ecken oder Spitzen sich mit 
dem dazwischen liegenden Schwammwerk verbinden. Die den Radial- 
fasern zugehörigen Kerne lassen sich da und dort unterscheiden. 

Einschaltungsweise möge an dieser Stelle auf eine frühere An- 
gabe von mir Bezug genommen werden. Gelegentlich meiner Studien 
über das Bälkchen- und Netzwerk in den Zellen von Sericterien der 
Raupen habe ich erwähnt, dass die Einzelbalken des zierlichen Längs- 
gitters in ihrer Mitte leicht anschwellen und damit Spindelgestalt 
annehmen. Man erhalte, wenn man sich das Balken- und Netzwerk 
der Zelle in vergrössertem Maasstabe vorstelle, ein Bild, welches den 
Radialfasern, sammt Netz dazwischen, in der Retina der Wirbelthiere ver- 
glichen werden könne; nur von der Spindelform der Balken habe man ab- 


1) Siehe auf Fig. 2. 


314 F. LEYDIG, 


zusehen !). Allein wie jetzt gemeldet werden kann, auch diese Be- 
schaffenheit wiederholt sich in der Retina, denn man begegnet auch 
spindelförmig angeschwollenen Radialfasern. 

Die innere moleculare Schicht liess man, wie der noch ge- 
bräuchliche Name festhält, früher bestehen aus einer homogenen Grund- 
lage, die mit kleinen Körnern dicht besetzt sei; M. ScHULTzE hat 
dann zuerst ihren „fein-netzförmigen Bau“ erkannt, und H. MÜLLER 
äusserte hiezu, es knüpfe sich ein besonderes histologisches Interesse 
an die Frage, ob diese Netzbildung der Molecularschicht ‚mit evident 
nervösen Elementen zusammenhinge oder aus Intercellularsubstanz 
hervorgehe“, eine Bemerkung, welche man in Erinnerung bringen 
darf in Anbetracht von Fragen, welche uns heutigen Tages be- 
schäftigen. 

Die das Schwammwerk senkrecht durchsetzenden Fasern erweisen 
sich in den mir vorliegenden Schnitten einerseits als zartere Fortsetzungen 
jener Fasern, welche die innere Körnerschicht durchkreuzen, und andrer- 
seits sind es Streifen, welche mit Ausläufern der Ganglienzellenschicht 
zusammenhängen. Vergeblich sehe ich mich an ihnen nach Eigen- 
schaften um, welche mich bestimmen könnten, sie als Nervenfasern 
anzusprechen. 

Ferner besteht in der Molecularschicht ein Structurverhältniss, 
welches man bisher in anderer Weise, als ich thun möchte, ausgelegt 
hat. Es unterschieden nämlich H. MÜLLER und M. ScHULTZE in der 
besagten Retinalage hellere und dunklere Zonen oder Streifen und 
deuteten sie auf „concentrische Schichtung“. Der Letztgenannte hat 
auch noch die Angabe, es sei an dieser Bildung jedenfalls das „spon- 
giôse Bindegewebe“ betheiligt, welches an den dunklern Bändern engere 
Maschen bilde. Nach dem, was ich am Embryo von Salmo vor mir 
habe, handelt es sich um die Gegenwart von hellen Bahnen, welche 
tangential verlaufen. Das Spongioplasma der innern molecularen 
Schicht erzeugt zunächst die unzählbare Menge kleiner Nebenräume, 
und an gewissen Stellen halten bereits diese Nebenräume eine an- 
nähernde Längsgruppirung ein, aus welcher Anordnung weiterhin die 
betreffenden Bahnen hervorgehen. Es lässt sich verfolgen, wie schon 
da und dort die Waben zusammenfliessen, um einen canalartigen, 
wenn auch noch kürzeren Raum entstehen zu lassen. Immerhin 
springen auch ins Innere der auf solche Weise zu Stande gekommenen 


1) Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere, 1883, 
(„Schwammiges Gefüge der Zellsubstanz“, p. 51). 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 315 


Hohlgänge bleibende Bälkchen des Spongioplasmas vor. Das Bild er- 
innert an Nervenröhren. 

Vereinzelt in dem Wabenwerk trifft man Kerne an, deren Vor- 
handensein man nach der Entstehung der Schwammsubstanz aus 
Zellenleibern wohl erwarten darf. 

Ich will nicht unterlassen zu bemerken, dass ich im Auge des 
Aelchens (Anguilla vulgaris) in keinem Schnitte etwas von den so- 
eben erwähnten Bahnen sehe: die Molecularschicht stellt sich hier durch- 
weg als ein gleichmässig feines Schwammwerk dar. 

Auf die innere Molecularschicht folgt die Ganglienzellen- 
schicht. Der Kern der einzelnen Zellkörper ist gross, hingegen der 
umschliessende Zellenleib dünn und nach aussen aufgelöst in ein 
Bälkchenwerk, welches als feines Fadenwesen sowohl die Ganglien- 
körper unter sich verbindet als auch mit dem Spongioplasma der 
innern moleculären Schicht zusammenhängt. Der Zellkörper erzeugt 
insbesondere auch senkrechte Streifen, welche den in der Molecular- 
schicht endigenden Fortsetzungen der Radialfasern entgegenkommen 
und sich wahrscheinlich, nach Allem, was zu sehen ist, auch mit ihnen 
verbinden. Endlich gewahre ich noch bei genauem Verfolgen der 
Ausläufer der Ganglienzellen, dass manche an die Innenfläche der 
Membrana limitans interna sich verlieren unter Wiederholung feinster 
netzförmiger Auflösung. Daneben fallen freilich viel mehr ins Auge 
die längst bekannten dreieckigen Ansatzstellen der MüLLer’schen 
radiären Stützfasern, wobei ich jedoch abermals vorbringen möchte, 
dass manche dieser Dreiecke einen nähern Ursprung haben, indem sie 
von Fortsätzen der Ganglienzellen herrühren. 

Zwischen der Membrana limitans interna und der Ganglienzellen- 
schicht zieht die Nervenfaserschicht hin, bezüglich welcher ich 
es mir zur besondern Aufgabe machte, die Art, wie die Nervenfasern 
ausgehen, zu ermitteln. Ich bin daher mit anhaltender Aufmerk- 
samkeit immer wieder auf die Stellen zurückgegangen, wo die Nerven 
als solche aufhörten. Das Ergebniss der Prüfung war hierbei immer 
das gleiche: die röhrigen Elemente des Nervus opticus sind bei ihrem 
Eintritt ins Auge von ziemlicher Breite und verschmälern sich alsdann 
allmählich. In ihrer Wand unterscheidet man Kerne, ausserdem aber, 
was zwar kein Beobachter bisher anzeigt, erstreckt sich noch von der 
Wand weg ins Innere der Röhren ein zartes Fachwerk. Das Innere 
der Nervenröhren ist also von ebenso wabigem Charakter, wie ich es 
an den Nervenröhren anderer Körpergegenden bei verschiedenen Thieren 


erkannt habe. 
Zool. Jahrb, VII. Abth. f. Morph. 21 


316 F. LEYDIG, 


Richtet man nun ferner mit aller Schärfe den Blick darauf, in 
welcher Weise doch eigentlich ein solches wabiges Endstück der 
Nervenröhre ausgehe, so kann man nichts anderes finden, als dass 
sowohl die Linie der Wand der Röhre als auch die Linien des 
innern Fachwesens zuletzt in Continuität stehen mit dem Waben- 
wesen, welches von den Ausläufern der Ganglienzellen hervorgebracht 
wird. 

Hat man nun aber die Ueberzeugung gewonnen, dass das Spongio- 
plasma der Nervenröhre mit dem Spongioplasma der Ganglienkürper- 
schicht zusammenfliesst, so muss nothwendig gefolgert werden, dass 
die eigentliche, in der Röhre eingeschlossene Nervensubstanz oder das 
Hyaloplasma in die helle, homogene Substanz, welche als Ausfüllungs- 
masse zwischen dem Wabengerüst enthalten ist, übertritt, ohne sich 
von dieser morphologisch abzuheben. 


I: 


In der Vertheilung des Pigments innerhalb der Lamina pig- 
mentosa machen sich grosse Verschiedenheiten bemerklich, indem es 
in der einen Gegend fast ganz zurücktritt, in einer andern aber sich 
angehäuft zeigt; es kann auch wohl die ganze Pigmentmasse in zwei 
Lagen sich trennen, in eine äussere und eine innere. Man darf des- 
halb wohl schliessen, dass den Pigmentzellen auch hier im Auge Be- 
wegungsfähigkeit zukommt und dadurch mancherlei Verschiebungen 
der Farbkörner bewirkt werden. 

Vielleicht ist es nicht unzweckmässig, daran zu erinnern, dass ich 
vor Jahren schon am Auge gewisser Arthropoden, und zwar am 
frischen Thier, Verschiebungen des Pigments unmittelbar beobachtete; 
dann auch, dass ich feine Muskelfäden beschrieb, deren Thätigkeit 
ich mit der Aenderung in der Pigmentvertheilung in Beziehung brachte. 
Wenn Andere, GRENACHER z. B., mir gegenüber das Vorkommen dieser 
contractilen Elemente in Abrede stellen, so mögen sie sich jetzt durch 
das Werk von Exner !) belehren lassen, dessen Verfasser im Auge 
der Lepidopteren, besonders bei kleinen Nachtschmetterlingen, Muskel- 
fasern, welche in die Pigmentzellen übergingen, ebenfalls zu Gesicht 
bekommen hat; doch seien sie allerdings bei andern Insectenarten 
anatomisch schwer nachzuweisen, und bei Krebsen waren sie gar nicht 
aufzufinden. 


1) Sısmunp Exner, Die Physiologie der facettirten Augen von 
Krebsen und Insecten, 1891. 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 317 


Ueber die Verschiebung oder Wanderung des Pigments im Auge 
der Insecten und Krebse hat der genannte Forscher höchst bedeut- 
same Versuche angestellt und hebt hervor, dass das Pigment bald 
ganz verschwunden und nach hinten gerückt sein kann, ein andermal 
die Räume zwischen den Kegeln ganz mit Pigment erfüllt seien. Die 
Verschiebung des Pigments hänge vom Licht ab: matte, dem Ab- 
sterben nahe Thiere zeigten keine Wanderung des Pigments mehr. 
Dies Alles deutet, wie man wohl annehmen muss, auf ein contractiles 
Plasma hin. Zu den noch bestehenden Unklarheiten und Lücken ge- 
hört für mich die Frage, wie die Muskelfäden im Auge der Insecten 
sich zu den Farbzellen im Auge der Wirbelthiere verhalten, und ob 
sie vielleicht histologisch gleichwerthig sind den fadigen Ausläufern 
der Pigmentzellen. 

Das interessante Buch des Wiener Physiologen ist darnach ange- 
than, um solche Naturforscher, welche über morphologische und physi- 
kalische Kenntnisse zugleich verfügen, zu ermuntern, das eröffnete 
Feld weiter zu betreten. „Das Auge der Wirbellosen — sagt EXNER 
— ist ein Proteus im Vergleich zum Auge der Wirbelthiere, ja letz- 
teres könnte Jeden langweilen, der den Reichthum des erstern kennen 
gelernt hat.“ 

Ich möchte den Gegenstand nicht verlassen, ohne noch einer Er- 
scheinung am Insectenauge zu gedenken, die mir in letzterer Zeit auf- 
fiel und vielleicht mit der besagten Verschiebung des Pigments zu- 
sammenhängt. Doch habe ich ausdrücklich beizusetzen, dass ich 
lediglich mit der Lupe, und nur äusserlich, das Auge angesehen habe. 

Wenn ich nämlich an trockenen Insecten, welche ich vor Jahr 
und Tag gesammelt und mit Cyankalium oder in starkem Alcohol 
rasch getödtet hatte, die Augen durchmustere, ergiebt sich eine merk- 
würdige Verschiedenheit in der Vertheilung des dunklen Pigments. 
Bei den einen Individuen, z. B. von Coleopteren oder Hymenopteren, 
zeigt sich das Auge gleichmässig dunkel, bei andern aber ist eigen- 
artige Fleckenbildung zugegen, in Form schwarzer, nach Zahl, Grösse 
und Gruppirung verschiedener dunkler Figuren. Man sieht gleichsam 
als Anfang hierzu einige helle, gekrümmte, wegartig durch die sonst 
noch ebenmässig schwarze Fläche ziehende Linien, und von da bis zur 
Auflösung des Schwarz in Inselflecken begegnen uns vielerlei Ueber- 
gänge. Die Gruppirung solcher Inselflecken drückt sich oftmals in 
charakteristischen Zeichnungen aus, z. B. so, dass eine dunkle, traubige 
Figur auf grauem Grund sich abhebt. Dergleichen zierlichen Flecken- 
gruppen begegnen mir z. B. an Dytiscus, dann unter den Hautflüglern 

21* 


318 F. LEYDIG, 


bei Arten von Vespa, Bombus, Psithyrus, Xylocopa, Anthidium u. a. 
Zur Erklärung dieser Bilder liesse sich vermuthen, dass die Lage des 
Pigments, wie sie gerade im Augenblick des Todes bestand, sich fort- 
erhalten hat. Doch bleibt der Zweifel, ob nicht vielleicht schon die 
Anordnung der Weichtheile im Innern des Auges und das Eintrocknen 
an sich derartige Pigmentfiguren erzeugen könne. Immerhin möchte 
die Sache einer nähern Prüfung nicht unwerth sein. 


III. 


Die Gerüstsubstanz erstreckt sich in Form eines feinern oder 
gröbern Maschenwerkes von der Membrana limitans interna bis zur 
Membrana limitans externa, ja bis über die letztere hinaus lassen sich 
noch ihre Ausläufer verfolgen. 

Die derbern senkrechten Züge oder Radialfasern galten dem Ent- 
decker H. MÜLLER anfänglich für nervös. Ich habe dann zuerst in 
meiner „Histologie“ im Jahre 1857, p. 224, auf Grund eigener Unter- 
suchung den Ausspruch gethan: „das radiäre Fasersystem der Autoren 
scheint mir sammt der M. limitans gleichsam den Stützapparat oder 
Rahmen abzugeben, in welchem die specifischen und nervösen Gebilde 
der Retina enthalten sind.“ Bald nachher klang es allerdings von 
allen Seiten: „die MÜüLLEr’schen Fasern gehören unstreitig dem Binde- 
gewebe an“, ohne dass auch nur ein einziger Autor sich bewogen ge- 
funden hätte, anzugeben, wer denn diese der ersten Auffassung doch 
so sehr widersprechende Ansicht geäussert hat. | 

Die Continuität der Gerüstsubstanz, sowohl der Bälkchen, Plätt- 
chen und Fäserchen unter sich, als auch ihr Zusammenhang mit andern 
zelligen Elementen der Retina ist ein Ergebniss, das aus den oben an- 
geführten Beobachtungen hervorgeht und mir beachtenswerth erscheint. 
Das feine Netz an der Innenfläche der Membrana limitans interna, 
sowie das Netzwerk zwischen den Zellen der Ganglienkérperschicht, 
weiter nach aussen das „Neurospongium“ der innern Molecularschicht 
— alle bieten sie Verbindungen dar. Das Gleiche findet sich in 
der Richtung gegen das Netzwesen der ,,Membrana fenestrata“. Und 
so lässt sich auch nicht tibersehen, dass die äussere Molecularschicht, 
die äussere Körnerschicht, sowie die Elemente der Stabschicht durch 
feine, fadige Ausläufer zusammenhängen, ja dass selbst zuletzt die zart 
gewordenen, fadigen Enden der Zellen der Lamina pigmentosa in das 
Netzwesen der äussern Körnerschicht übergehen. 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 319 


IV. 

Die schematischen Figuren über die Endigungs weise des Ner- 
vus opticus, wie sie in zahlreichen Schriften gleichmässig wiederkehren, 
beruhen in der Hauptsache immer auf dem, was M. ScHuLTrzE als 
das Resultat seiner Studien glaubte aufstellen zu können. Der Ge- 
nannte bemerkt indessen selber zu seinen Zeichnungen, dass er den 
„directen Uebergang von Fasern des Opticus in die Fortsätze der 
Ganglienzellen“ nicht gesehen habe, sondern er folgert den Zusam- 
menhang nur aus dem ,,iibereinstimmenden Verhalten einzelner Ganglien- 
zellenausläufer und der Nervenfasern der Netzhaut“. Danach, meint 
er, sei an dem directen Uebergang der Fasern in die Ganglienzellen 
nicht zu zweifeln. 

Mit den „Nervenfasern der Netzhaut“, auf welche sich M. ScHuLTzE 
beruft, sind ,,ausserordentlich feine Fäserchen“ gemeint, welche die 
innere granulirte oder moleculäre Schicht durchziehen. Und es handelt 
sich hierbei wohl um dieselben Streifen, welche schon von H. MÜLLER 
erwähnt und für verschieden von den ,,Radialfasern im engern Sinne“ 
bezeichnet werden, doch dem Autor nur vermuthungsweise für ner- 
vös gelten. 

Weiter nach aussen nimmt M. SCHULTZE „ausserordentlich feine 
Fäserchen“ in der äussern granulirten Schicht für Nervenfasern in 
Anspruch, und zuletzt werden von ihm die Zapfen- und Stäbchen- 
fasern in gleichem Sinne gedeutet, weil sie „vollständig den dickern 
Fasern der Opticusschicht gleichen“ und „mit Fetzen der granulirten 
Substanz“ zusammenhängen: sie seien sämmtlich „durch und durch 
nervös“. Alles dieses verknüpfend, kommt schliesslich der Letztge- 
nannte zu der zuerst von H. MÜLLER vertretenen Ansicht, dass die 
Endigung des Sehnerven in den Stäben und Zapfen stattfinden möge. 
Und M. ScHuLTzE bestimmt dies näher dahin, dass höchst wahr- 
scheinlich die Grundmasse der ganzen Aussenglieder der Stäbchen 
nervös sei. Er denkt sich die Stäbchen als „lamellös geschich- 
tete Hülfs- und Uebertragungsapparate‘“‘, umhüllt von den feinsten 
Nervenfasern. Immerhin hat sich unser Gewährsmann der Zweifel, 
ob seine Gesammtauffassung die richtige sei, niemals ganz er- 
wehren können, wie dies gar manche Stelle seiner Mittheilungen 
deutlich genug erkennen lässt. Denn während er z. B. sich damit zu 
beruhigen sucht, dass die Frage nach der Nervenendigung in der 
Netzhaut durch die Annahme, die Fibrillen der Faserkörbe der Zapfen 
und Stäbchen seien nervös, eine befriedigende Lösung zu finden scheine, 
so kommt doch sofort wieder die Unsicherheit in der Auffassung zum 


320 F. LEYDIG, 


Ausdruck in dem Geständniss: „Wie sich das spätere Definitive ge- 
stalten wird, ist vorläufig noch nicht abzusehen.“ 

Bei dieser Gelegenheit mag auch daran erinnert werden, dass ich 
die Ansicht, die Elemente des Nervus opticus hingen zuletzt mit den 
Stäben zusammen, seiner Zeit stützen zu können glaubte durch meine 
Wahrnehmungen am Auge der Arthropoden. Obschon ich nun zwar 
noch daran festhalte, dass die Stabelemente der Wirbelthiere und jene 
im Auge der Arthropoden sich aufeinander beziehen lassen, so haben 
doch vollständigere Arbeiten Anderer, welche unterdessen über das 
Auge der Arthropoden erschienen sind, gezeigt, dass die Verhältnisse 
viel zusammengesetzter sind, als ich sie dazumal gekannt hatte, meine 
Gründe daher vielleicht jetzt wenigor in die Wagschale fallen können. 

Wie man weiss, ist W. Krause!) der Auffassung, dass die 
Stäbchen und Zapfen die Endorgane des Nervus opticus vorstellen, in 
entschiedener Weise entgegengetreten: nach ihm kommt den genannten 
Theilen die Bedeutung eines katoptrisch-dioptrischen Apparats zu; 
die Endigung des Nervus opticus sei an der Grenze zwischen der 
Stabschicht und der Membrana fenestrata zu suchen, und die nervösen 
Fäserchen hörten mit den unipolaren Körnern auf, welche die innere 
Körnerschicht bilden. 

Unverkennbar ist in allen bisherigen Arbeiten über den Bau der 
Retina, insoweit sie mir bekannt geworden sind, das Bemühen der 
Untersucher darauf gerichtet gewesen, eine Continuität gewisser radialer 
und schiefer Fibrillen, abgerechnet die verticalen Stützfasern, mit den 
zelligen Elementen der Ganglienkörperschicht und den Fasern des 
Nervus opticus nachzuweisen. Ausser Beachtung ist hierbei die homo- 
gene Substanz zwischen den faserigen Zügen geblieben. Und doch 
ist auch diese ausfüllende Materie bei Lösung der uns beschäftigenden 
Frage in Rechnung zu ziehen. 

Die Stelle der Netzhaut, welche vor allem in dieser Beziehung 
zu berücksichtigen ist, liegt zwischen Ganglienzellenschicht und Nerven- 
faserschicht. Zufolge meiner oben angeführten Beobachtungen ergeben 
sich dort nachstehende Structurverhältnisse : 

1) Die „Nervenfasern“ sind Röhren, welche in ihrem Innern einen 
wabigen Bau besitzen, also eine Scheidung in Gerüstsubstanz und In- 
halt, mit andern Worten in Spongioplasma und Hyaloplasma auf- 
zeigen. 


1) Wicuezm Krause, Die Nervenendigung in der Retina, in: 
Arch. f. mikr. Anat., Bd. 12. 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 321 


2) Das Spongioplasma der Wand und des Innern der Nerven- 
röhren geht ohne Unterbrechung in jenes Wabenwerk über, welches 
von den Ausläufern der Ganglienkörper erzeugt wird. 

3) Das Hyaloplasma oder der Inhalt der Nervenröhren tritt in 
die helle Substanz ein, welche sich in den Wabenräumen befindet. 

Wenn Horrmann, der das Object in gleichem Stadium vor sich 
hatte, sagt, dass man recht schön hier sehe, wie von den einzelnen 
Ganglienzellen ein feiner Fortsatz abtrete, der unmittelbar in eine 
Faser der Opticusfaserschicht übergehe, so will er, wie aus der Ab- 
bildung zu entnehmen ist, mit dem dort gezeichneten feinen Strich 
die ganze Nervenröhre ausdrücken, während er damit, was die von 
mir gegebene Figur ersichtlich machen kann, nur einen Theil der 
Nervenscheide versinnlicht hat. Von der Differenzirung der Nerven- 
röhre, welche ich finde, enthält die Abbildung überhaupt nichts. 

Auch Angaben Anderer nach dieser Richtung hin können nicht 
gegen meine Aufstellung geltend gemacht werden, denn obschon z. B. 
Manz!) die „peripherischen“ Fortsätze der Ganglienkörper in die be- 
nachbarten Bündel der Opticusfasern sich verlieren lässt, so wird auch 
nicht entfernt Auskunft darüber ertheilt, wie sich die Verbindung 
„mit andern Elementen der Retina“ vollzieht. Auch alle sonstigen ein- 
schlägigen Figuren sind in schematischem Sinne gefasst. 

Die Autoren, obschon sie einräumen, dass in dem „Fasergewirr 
der Molecularschicht“ die Fortsätze der Ganglienkörper, nach ge- 
wöhnlicher Annahme Endzweige von Nervenfasern, derart verschwinden, 
dass an eine Verfolgung des Verlaufs nicht zu denken sei, wollen 
trotzdem zwischen „leitenden“ Fasern und „bindegewebigen oder 
stützenden‘“ Fasern unterscheiden. Es wäre nun freilich von grösster 
Bedeutung, das Dasein der „leitenden Fasern“ mit Sicherheit nach- 
weisen zu können, was in den Schnitten, welche ich vor mir habe, 
unmöglich ist. Ich würde nach dem, was ich wahrzunehmen vermag, 
für die nächste Aufgabe halten, durch Reagentien die nervöse Substanz 
in Umstände zu bringen, dass sie sich von der Zwischenmaterie 
für unsere Wahrnehmung abhebt. Für mich ist, wie aus Obigem folgt, 
nur Gerüstwerk und homogene Zwischensubstanz unterscheidbar. 


We 


Nach den Vorgängen bei der Entwicklung zeigt sich bekanntlich 
die Retina als eine Hervorstiilpung aus dem Centralnervensystem. Und 


1) Manz, Die Ganglienzellen der Froschnetzhaut, in: Zeitschr. f 
rationelle Medicin, Bd, 28. 


322 F. LEYDIG, 


auch für die spätere Zeit ist mehrfach auf die Aehnlichkeiten 
hingewiesen worden, welche im Bau zwischen Gehirnsubstanz und 
Retina zu Tage treten. Ein weiterer bedeutsamer Schritt in dieser 
Richtung war es, als man den Satz aussprach, die epitheliale Aus- 
kleidung des Gehirns und Riickenmarkes sei gleichzustellen den 
Stäbchen- und Zapfenzellen in der Retina. Soviel ich weiss, hat 
W. Krause solches zuerst geäussert, und SCHWALBE, welcher diesen 
Gesichtspunkt ebenfalls durchführt, nennt die Zapfen- und Stäbchen- 
lage sowie die äussere Körnerlage geradezu „Neuroepithel“ im Gegen- 
satz zu allen übrigen Schichten, welche er „Gehirnschicht‘ heisst. 
Und im fernern Hinblick auf das histologische Gefüge drängte sich 
schon den Beobachtern der Gedanke auf, dass das bindegewebige Ge- 
rüst der Retina mit der sogenannten Neuroglia des Centralnerven- 
systems zusammengestellt werden darf, es sei eben die Sehhaut „ein 
Stückchen Gehirn“. 

Zur Bekräftigung der ganzen Auffassung möchte ich einen kleinen 
Beitrag hier anfügen, der sich mir ergeben hat durch Untersuchung 
des Tectum der Lobi optici vom Embryo des Salmo fontinalis 1). 

Die Rinde des Tectum ist feinspongiöses Gewebe, gleich der 
Molecularschicht der Retina, welches sich daher auch bei geringerer 
Vergrösserung wie Punktsubstanz ausnimmt. Indem wir von aussen 
nach innen gehen, macht sich vor allem dieselbe Erscheinung geltend, 
über welche ich seiner Zeit bezüglich des Gehirns der Eidechse zu 
berichten fand ?). Es steht nämlich das spongiöse Gewebe nach aussen 
in Verbindung mit jener Zellenschicht, welche um diese Zeit die An- 
lage der Hirnhäute bildet, derart, dass die Zellen der Hirnhaut zarte, 
fädige, dabei verästelte Fortsätze einwärts zur spongiösen Substanz 
abgeben, was um so deutlicher ist, als die Fortsätze einen hellen 
Lymphraum durchbrücken. In der spongiösen Substanz selber unter- 
scheidet man stärkere, senkrecht verlaufende Fasern, deren Ursprung 
aus Fortsetzungen des Netzwerkes unverkennbar ist. Sie erinnern 
durchaus an die Radialfasern der Retina und vereinigen sich einwärts 
zu einer stärkern fasrigen Platte. 

In der spongiösen Schicht fallen lichte Hohlgänge auf, die inner- 
halb der schwammigen Materie wie ausgegraben erscheinen. Sie reihen 
sich in ihrem ganzen Wesen an die röhrigen Bahnen an, über welche 

1) Vergl. Fig. 4. 

2) Parietalorgan der Amphibien und Reptilien, in: Abhandlungen 
Senkenbergisches Institut, Frankfurt a, M. 1890. 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 323 


bezüglich der Retina oben zu berichten war. Auch Lymphräume, 
welche Blutgefässe umgeben, zeigen sich zugegen. Die eingebetteten 
Ganglienzellen sind von zweierlei Art: die einen sind klein, rundlich 
und liegen entweder vereinzelt oder in Gruppen; die andern haben 
einige Grösse und besitzen mehrere starke Ausläufer. Die rundlichen 
wie die verästigten Zellen erscheinen von Lymphräumen umzogen. 

Die innere Lage des Tectum liesse sich nach der für die Retina 
angenommenen Terminologie als „Körnerschicht‘“ bezeichnen: sie besteht 
zwar ebenfalls aus spongiöser Substanz, zugleich mit senkrechten 
Faserzügen, welche aus der vorhin erwähnten Platte hervorgehen, aber 
es sind in ihr eine Menge kleiner Kerne, umhüllt vom winzigen Zellen- 
leib, angehäuft. Durch den Verlauf der Faserzüge haben die Kerne 
eine säulen- oder auch kegelförmige Gruppirung. Am hintern Ende 
des Tectum sinkt diese „Körnerschicht“ in ihrer Dicke so herab, dass 
sie zu einer Epithellage der Hirnhaut wird, unter gleichzeitiger Ab- 
nahme der Grösse ihrer Kerne. 

Die grosse Formähnlichkeit der Ganglienkörper dieser Schicht 
des Tectum mit den Elementen der ,,innern Körnerschicht“ der Retina 
ist nicht zu verkennen. Wozu sich auch noch gesellt, dass sie den 
Faserzügen, welche den Radialfasern der Retina verglichen werden 
dürfen, durch Stiele verbunden sind. Danach darf man es wohl auch 
für zulässig halten, wenn Andere, z. B. HENLE, die ‚innere Körner- 
schicht“ der Retina für ein Stratum gangliosum erklären. Indem ich 
mich bloss an die Verhältnisse von Salmo halte, so wäre nur beizu- 
fügen, dass die Elemente der ,,innern Körnerschicht‘“ der Retina et- 
was kleiner sind als die entsprechenden Gebilde im Tectum, sonst 
aber auch in Form des Nucleus und der Nucleolen, sowie des Zell- 
leibes, in allen Stücken mit jenen übereinstimmen. 

Selbstverständlich sind die Bilder, welche uns Reihen von Schnitten 
durch das Tectum darbieten, wegen Verschiedenheit in der Anordnung 
der Zellen, Kerne, Züge der Nervenfasern und der Gerüstsubstanz 
sehr mannigfaltig, und es würde ein besonderes Studium erfordern, dies 
im Einzelnen topographisch zu verfolgen. Von mir wurde nur eine 
Stelle ausgewählt, welche in ihrem Gefüge an den Bau der Retina, 
abgesehen von der Epithelialschicht, gemahnt. Letztere, was nebenbei 
gesagt sein mag, besteht im vordern Winkel der Höhlung aus hohen, 
mit Flimmerhärchen besetzten Stabzellen, die aber hinterwärts bald 
zu niedrigen cubischen Zellen herabsinken. 

Noch auf einen weitern Zug, worin der Bau der Retina mit 


394 F. LEYDIG, 


andern Gewebsschichten, welche ebenfalls zusammengesetzterer Art sind, 
Aehnlichkeit zeigt, könnte hingedeutet werden. 

Die Zellen des Epithelialgewebes, z. B. des Integuments, gehen, 
wie neuere Ermittelungen bestimmter darzuthun vermochten, ohne 
Unterbrechung in die darunter folgenden Zellen der Bindegewebslage 
über. Das gleiche Verhalten kehrt nun auch in der Retina wieder, 
insofern die einer epithelialen Schicht gleichzusetzenden Stäbchen und 
Zapfenzellen durch ihre fädigen Enden ebenfalls in Continuität stehen 
mit der spongiösen Gerüstsubstanz, welche einen Haupttheil der Retina 
bildet. Ich darf wohl bei dieser Gelegenheit auch Beobachtungen 
heranziehen, welche ich seiner Zeit an Schnitten durch die Netzhaut 
vom gehärteten Auge der Larve des Erdsalamanders gemacht habe. Um 
die grossen Kerne der äussern Körnerschicht ging zur Umhüllung die 
winzige Menge einer feinreticulären Substanz, und diese stand im Zu- 
sammenhang mit dem dichten und feinen Netzwerk der Molecularschicht. 
Ich glaubte im Besondern verfolgen zu können, dass die nach einwärts 
gerichteten Enden der Stäbchenzellen mit dem Schwammwerk der 
Molecularschicht zusammenhängen !). 

Und wie man die Lage der Stäbchen- und Zapfenzellen des 
Auges mit der epithelialen Bekleidung der Höhle des Central- 
nervensystems vergleichen darf, so steht auch am letztern Ort die 
Continuität der Zellen mit dem Schwammgerüste des Gehirns und 
Rückenmarkes ausser Zweifel. Schon W. Krause hat längst hervor- 
gehoben, dass die „Neuroglia* im Rückenmark mit der Epithellage 
des Centralcanals zusammenhänge, und als ich später diesem Structur- 
verhältniss ebenfalls nachging, war zu berichten, dass, insoweit ich zu 
sehen vermag, die Cylinderzellen, welche die Höhlen der Nerven- 
centren auskleiden, einwärts in lange Fäden sich ausziehen, und damit 
„schliesslich mit dem Reticulum‘‘ zusammenfliessen ?). 

Wenn Blutgefässe die Retina durchsetzen, z. B. beim Aal, so 
bleiben sie in der bindegewebigen Schicht und lassen die epitheliale 
Lage frei, was sich wieder mit der bezeichneten Betrachtungsweise in 
Einklang bringen liesse. 


VI. 


Meine Bemerkungen über den Bau der Retina stehen in enger 
Verbindung mit den Ansichten, zu denen ich durch Untersuchung der 
Nervensubstanz überhaupt und des Verhältnisses von Spongio- 


1) Zelle und Gewebe, 1885, p. 193. 
2) a. a. O., p. 189, 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 325 


plasma und Hyaloplasma zu einander geführt worden bin. Es haben 
zwar meine Angaben mannigfachen Widerspruch erfahren, doch ist 
denselben auch Zustimmung zu Theil geworden und zwar von Seite 
tüchtiger Histologen, so durch Nansen und RoHpe. Vielleicht muss, 
nach bekannter Erfahrung, erst einige Zeit vergehen, bis man die 
Richtigkeit der Sache allgemeiner gelten lässt. Einstweilen erlaube 
ich mir aber doch einigen Punkten ein paar Worte zu widmen. 

So kann ich z. B. mein Befremden nicht ganz unterdrücken, wenn 
BürscHaLı in dem sehr interessanten und wichtigen Werke: „Unter- 
suchungen über mikroskopische Schäume und das Protoplasma‘ sagt, 
dass ich „gelegentlich von einem spongiösen Bau der Nervenfaser“ 
spreche, während die ganze Frage doch zuerst von mir angeregt und 
hinreichend deutlich behandelt wurde, zu meinem Nachtheil freilich 
nicht in der breiten Art, wie man es jetzt immer mehr für nothwendig 
erachtet. Dass der genannte Autor auch sonst sich nicht der Mühe 
unterziehen mochte, meine Veröffentlichungen genauer anzusehen, er- 
giebt sich aus gar mancher Stelle seines Buches. So z. B. soll ich 
den Axencylinder aus structurlosem Hyaloplasma bestehen lassen, 
welches sich im Centrum der markhaltigen Faser ansammele, während 
ich ausdrücklich bemerke, es „könne die eigentliche Substanz des 
Nerven, also Axencylinder und Mark von einem einspringenden Fach- 
werk durchsetzt sein“. 

In Anbetracht des Axengebildes der Nervenröhren wäre übrigens 
zu melden, dass unterdessen an quer durchschnittenen Nerven mir 
Bilder zu Gesicht kamen, die mir neu waren und vielleicht auf manche 
Eigenschaften des Axencylinders einiges Licht werfen. An Durch- 
schnitten der Ohrgegend des Embryo von Salmo fontinalis war es, 
allwo zum Vorschein kam, dass die röhrigen Elemente des zum Sinnes- 
epithel der Hörleiste tretenden Nerven in der Mitte ihres Innern, 
wenn quer getroffen, ein eckig-zackiges Körperchen zeigten. Leicht 
konnte man sich dahin aufklären, dass ein quer angeschnittener Faden 
oder Strang die Nervenröhre durchzieht, und weiterhin liess sich er- 
mitteln, dass das Schwammwerk oder Spongioplasma, welches die 
Nervensubstanz oder das Hyaloplasma durchsetzt, mit bezeichnetem 
Strang zusammenhängt. Letzterer stellt sonach eine fadige Ver- 
dickung des Schwammwesens dar, ungefähr so, wie es die ,,Radial- 
fasern“ der Retina sind im Vergleich zu dem Wabenwesen der ,,Mole- 
cularschicht“. Und ich kann nicht umhin, auch zu bemerken, dass 
die Radialfasern der Retina auf ihrem Querschnitt genau dieselbe eckig- 
zackige Gestalt, bei gleicher Lichtbrechung, aufzeigen wie dieser die 


326 F. LEYDIG, 


Nervenréhre durchziehende Axenfaden. Es ware sonach in unserm 
Falle der letztere ein central verdichteter Spindeltheil des Gerüst- 
werkes (Spongioplasma) der Nervensubstanz !). 

Nach und nach habe ich auch in andern Nerven desselben Em- 
bryos, dort wo bereits Nervenröhren zugegen waren, den besagten 
Axenfaden angetroffen, aber auch, was mir beachtenswerth scheint, 
oftmals vermisst und zwar bei Anwesenheit des gewöhnlichen Maschen- 
wesens. Seine Ausbildung wird sonach von unbekannten Einflüssen 
abhängig sein. 

In mehrern Figuren, welche Rerzıus über Querschnitte mark- 
haltiger Nervenfasern veröffentlicht hat, und zwar aus dem Lumbar- 
plexus des Frosches, tritt die erwähnte Anordnung der Gerüstsubstanz 
ebenfalls klar hervor ?). 

Und ebenso darf gar wohl ins Gedächtniss zurückgerufen werden, 
dass bereits vor mehr als dreissig Jahren REISSNER*), indem er, bei 
mässiger Vergrösserung, quer durchschnittene Nervenfasern veran- 
schaulicht, vom Axencylinder sagt, dass er nur selten eine kreisförmige 
Begrenzung zeige, häufiger sternförmig sich ausnehme. Das stimmt 
genau zu dem Aussehen, welches sich mir am Nervus acusticus zu- 
nächst dargeboten hatte. 

Noch gestatte ich mir, einige der allgemeinern Fragen, welche 
zum Vorigen Bezug haben, zu berühren. 

Ich habe seiner Zeit ausdrücklich und an verschiedenen Orten 
hervorgehoben, dass, wenn ich das Hyaloplasma als homogene Substanz 
bezeichne, dies nur den Gegensatz zum Spongioplasma ausdrücken soll, 
und führte aus, dass man wohl auch im anscheinend homogenen 
Hyaloplasma ‚‚Structuren“ anzunehmen habe, wie ich denn selbst schon 
mit meinen optischen Hülfsmitteln da und dort vom Netzwerk des 
Spongioplasmas ein feineres Schwammgerüst in die homogene Substanz 
sich verlieren sah. Zur Erläuterung zog ich ein physikalisches Bei- 
spiel heran, das ich im Nachstehenden wiederholen zu dürfen glaube *): 

„Indem wir das Hyaloplasma homogen nennen, heben wir durch, 
diese Bezeichnung den Gegensatz zum Spongioplasma hervor, etwa so, 
wie wir das Wasser homogen heissen gegenüber den Gebilden, welche 


1) Vergl. Fig. 7. 

2) Gustav Rerzıus, Bau des Axencylinders der Nervenfasern, in: 
Verh. Biol. Verein in Stockholm, 1889. 

3) Reıssner, Neurologische Studien, in: Arch, f. Anat. u. Phys, 
1861. 

4) Zelle und Gewebe, p. 206, 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 827 


bei dessen Erstarrung auftreten. Es wird aber Niemand in Abrede 
bringen wollen, dass in dem Wasser vor seinem Uebergang in Eis 
nicht schon Structuren vorhanden wären; vielmehr ist anzunehmen, 
dass bereits vorher die Theilchen zu bestimmten Gestalten geordnet 
und gelagert gewesen sind, ohne dass die sinnliche Wahrnehmung 
etwas davon zu fassen vermag. Erst wenn die Verdichtung fort- 
schreitet und die Krystallisation beginnt, verschwindet auch für unser 
Auge die homogene Beschaffenheit. Dem Auftreten der Eisnadeln sind 
eben wohl uns unsichtbare innere Structuren vorausgegangen. In 
gleichem Sinne nehme ich die homogene Natur des im Schwammwerk 
der Zelle befindlichen Hyaloplasma.“ 

Wenn Bürscauı, dem offenbar erheblich bessere Linsensysteme 
als mir zur Verfügung standen, jetzt betont, dass es kein ganz homo- 
genes Plasma gebe, sondern dass es allezeit von wabigem Bau sei, 
so kann er doch nicht umhin, zugleich zu sagen, dass „schaumiges“ 
Plasma in anscheinend ganz homogenes übergehen könne, womit er 
aber dann wieder meiner Auffassung sich nähern würde. 

Ein wesentlicherer Unterschied in dem, was ich über das Ver- 
hältniss von Spongioplasma und Hyaloplasma vor die Augen bekam, 
und dem, was BürschLı gesehen hat, thut sich darin hervor, dass ich 
den Schwammcharakter des Protoplasmas oder das Balken- und Blätter- 
werk und die davon umschlossenen, das homogene Hyaloplasma ber- 
genden Höhlungen ganz nach dem Schema auffasse, für das ein gut 
gereinigter eigentlicher Schwammkörper als Modell dienen könnte !). 
Es würden danach Verbindungen der Hohlräume unter einander be- 
stehen. Nach BürscaLı aber erzeugt das Spongioplasma abgegrenzte, 
geschlossene Kämmerchen; die Substanz des Hyaloplasmas sei durch- 
weg „discontinuirlich‘“ durch zahlreiche zarte Scheidewände der Waben 
getrennt. Und was nun insbesondere den Bau der Nervenröhren be- 
trifit, so seien in ihrem wabigen Wesen die Wände der Kämmerchen 
als das Substrat der Nervenleitung zu betrachten, denn sie allein 
erstreckten sich continuirlich durch die Nervenfaser. Meine Auf- 
fassung, dass die Substanz des Hyaloplasmas als das Enthaltene im 
physiologischen Rang dem Einschliessenden oder der Wand vorangeht, 
wird für eine „seltsame Vorstellung“ erklärt. 

Muss aber, frage ich, nicht Jeder, welcher die mit unverkenn- 
barer Genauigkeit und Schärfe gezeichneten Abbildungen auf den 
Tafeln des genannten Autors betrachtet, mit Verwunderung sich ein- 


1) Vergl. a. a. O. p. 2, Anmerkung 4. 


328 F, LEYDIG, 


gestehen, dass ja, wenn die Deutung des Heidelberger Forschers die 
richtige ist, alsdann das nach ihm Untergeordnete oder das Hyalo- 
plasma in viel reichlicherer Menge zugegen ist als das Wabenwerk, 
das, wie er dafür hält, das Bedeutungsvollere wäre? Man möchte 
mancher Figur gegentiber beinahe sagen, dass sie an den Aufbau eines 
Gewebes aus Zellen erinnere, angesehen unter ganz geringer Ver- 
grösserung und mit den Augen eines Beobachters, der nur erst die 
Wand der Zellenkämmerchen kannte. 

Bei dem Gewichte, welches doch der ganzen Frage innewohnt, 
wollte ich es für angemessen halten, alle die Punkte, auf welche sich 
meine Auffassung stützt, hier in Kürze zu wiederholen, nahm aber 
doch davon Abstand, da dem, welcher von meinen wenigen, den 
Gegenstand betreffenden Arbeiten Notiz nehmen will, dieselben doch 
leicht zur Hand sein werden 1). 

Nun zum Schlusse sei noch einmal in einigen Worten der 
schwierigen Frage gedacht, wie sich die Nervensubstanz wohl inner- 
halb des übrigen Plasmas verhalten möge. 

Nach den vorliegenden Beobachtungen über die Retina, welche 
sich meinen frühern Aufstellungen unterordnen lassen, gehen die fadigen 
Ausfranzungen der Nervenscheide in das Bälkchenwesen über, das mit 
dem allgemein als Gerüstsubstanz angesprochenen Schwammgewebe 
(Spongioplasma) in Verbindung tritt, während der Inhalt der Nerven- 
röhre sich in die Zwischensubstanz oder ins homogene Hyaloplasma 
verliert. Es verschmilzt also anscheinend Hyaloplasma und Nerven- 
substanz ohne Grenze ?). Und doch darf wohl angenommen werden, 
dass ein Unterschied, demnach auch eine Grenze zwischen beiden be- 
stehen wird, was nachzuweisen kaum anders als durch Anwendung 
chemischer Hülfs- und namentlich Färbemittel gelingen kann. 

Schon seiner Zeit habe ich die Bilder, welche Craccio über Nerven- 
enden im Muskel gegeben hat, in ähnlichem Sinne ausgelegt, dabei 
auch Mittheilungen von L. GErLACH über Nervenendigung in der 
Musculatur des Froschherzens im Gedächtniss gehabt und möchte gar 
manches der neuesten Zeit Angehörige, z. B. Zeichnungen Cucartrs 
über Nervenenden, so auffassen, dass dort Partien des nervösen Hyalo- 
plasmas durch Härtung und Färbung aus dem übrigen Hyaloplasma 


1) Untersuchungen zur Anatomie und Histologie der Thiere. — 
Zelle und Gewebe. — Altes und Neues über Zelle und Gewebe, Zool. 
Anz. 1888. — Berichtigender Artikel im Biol. Centralbl. — Argulus 
foliaceus, in: Arch. f. mikr. Anat., Bd. 33. 

2) Siehe Fig. 3. 


Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 329 


gesondert wurden und sich dadurch als Striche und Flecken dar- 
stellen. 

Etwas bleibend Unbefriedigendes liegt aber bei allen diesen Be- 
strebungen darin, dass die Mittel der Untersuchung nicht ausreichen, 
um die morphologischen Studien erheblich zu vertiefen. Wir werden 
die Empfindung nicht los, dass auch hier die Structuren doch eigent- 
lich zusammengesetzter sind, als wir nach dem ersten Eindruck ge- 
schlossen haben, und wir daher nie am Ende der Nachforschung stehen. 
Habe ich doch z. B. in mehr als einem Fall mich überzeugt, dass der 
Strang eines Spongioplasmas, der bei schon starker Vergrésserung 
keine weitere Sonderung seiner Substanz zu haben schien, doch, nach- 
dem die Vergrösserung möglichst gesteigert war, sich abermals in 
Fachwerk und Inhalt auflöst, demnach im Feineren das Bild wieder- 
holt, welches Spongioplasma und Hyaloplasma in ihrem gegenseitigen 
Verhältniss sonst gewähren. Wie soll man dem gegenüber zu festeren 
Vorstellungen in den obschwebenden Fragen gelangen! 


330 F. LEYDIG, Einiges zum Bau der Netzhaut des Auges. 


Erklärung der Abbildungen. 


Tafel 18. 
Alle Figuren beziehen sich auf Salmo fontinalis. 


Fig. 1. Embryonale Retina im senkrechten Schnitt. 
a Pigmentschicht, 
b Stabschicht, 
c Limitans externa, 
d äussere Körnerschicht, 
e äussere Molecularschicht und Membrana fenestrata, 
f innere Körnerschicht, 
g innere Molecularschicht, 
h Ganglienzellenschicht, 
i Nervenfaserschicht, 
k Limitans interna. 


Fig. 2. Zellen der Membrana fenestrata von der Fläche, a; drei 
Radialfasern in der innern Körnerschicht, quer getroffen, b. 


Fig. 3. Uebergang einer Nervenröhre in das von den Ganglien- 
zellen erzeugte Netzwerk. (Willkürliche Vergrösserung.) 


Fig. 4. Aus dem Tectum der Lobi optici, nahe dem vordern Ende. 
a Anlage der Hirnhaut, 


b Theil der Rinde des Tectum (spongiöse Substanz, Ganglien- 
zellen, bindegewebiges Fachwerk, Blutgefäss, Lymph- 
bahnen). 


Fig. 5. Aus dem vorigen Schnitt zwei Gerüstzüge mit den durch 
Stiele angehefteten kleinen Zellen. 


Fig. 6. Ein Stückchen derselben Partie, noch mehr vergrössert; 
zwischen den Zellen netziges Wesen. 


Fig. 7. Stück des Gehörnerven, quer durchschnitten. Man sieht 
die sternförmige Form des Axenfadens. 


Nachdruck verboten. 
Uebersetzungsrecht vorbehalten. 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der 
Cornacuspongien. 


Von 
Dr. Otto Maas. 


Hierzu Tafel 19—23. 


Einleitung. 


In meiner Darstellung der Metamorphose von Esperia lorenzi 
hatte ich betont, dass die dabei eintretende Umkehr der Schichten 
der Larve eine so merkwiirdige Thatsache sei, dass ihre Bekraftigung 
auch durch Beispiele an andern Kieselschwämmen wiinschenswerth 
erscheine, und hatte zu diesem Zwecke meine entsprechenden Be- 
obachtungen an einer Axinella und an Clathria coralloides kurz an- 
gedeutet. — Die weitere Ausarbeitung der Metamorphose, nicht nur 
an diesen beiden Schwämmen, sondern an Vertretern aller Familien 
der Cornacuspongia (Monaxonida s. str.) war der erste Zweck meiner 
ausführlichen hier vorliegenden Arbeit. Der zweite Hauptzweck war, 
auch das Zustandekommen der Larve aus dem Ei an einer Reihe von 
Beispielen vergleichend zu untersuchen, um damit einen sichern Boden 
für die Homologisirung mit den Larven der andern Schwammordnungen 
zu gewinnen und die von der bisherigen etwas abweichende Auf- 
fassung des Schwammkörpers als eines im erwachsenen Zustande 
wohl dreischichtigen, dem Wesen nach aber doch nur zweiblättrigen 
Organismus zu stützen, die ich an andrer Stelle ausgesprochen 
hatte (44). 

Mittlerweile ist die ausführliche und von glänzenden Abbildungen 


begleitete Arbeit von Y. DELAGE (10) erschienen, die die Metamorphose 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 99 


332 OTTO MAAS, 


und Umkehr der Schichten von verschiedenen Typen der Kieselhorn- 
schwimme, nämlich: Spongilla, Esperia, Reniera und Aplysilla be- 
handelt, die aber von den vorläufigen Mittheilungen dieses Autors 
iiber denselben Gegenstand (8, 9) in manchenn Punkte nicht unwesentlich 
abweicht. Nachdem er dort die Geisselkammern der Esperia von 
Zellen der mittlern Schicht durch Theilung hergeleitet hatte und für 
die Geisselzellen der Larve eine Verwendung als Auskleidung der 
ausführenden Canale darstellte, werden jetzt nach ihm, wie auch ich 
in meiner Arbeit (43) gesagt habe, die Geisselzellen der Larven zu 
den Geisselzellen der Kammern. Dieser Verwendungsprocess findet 
bei allen vier von ihm untersuchten Arten statt, nur dass er nicht 
direct vor sich geht, sondern dass die Geisselzellen zuerst (ent- 
weder alle, oder nur in grösserer oder geringerer Zahl) von amöboiden 
Zellen gefressen und nachher als Zellen der Kammern wieder aus- 
gestossen werden. 

Dass meine Untersuchungen in vielen Punkten sehr mit den 
seinigen übereinstimmen und mit meiner ersten Darstellung von 
Spongilla nicht zu vereinbaren sind, habe ich schon in meiner frühern 
Arbeit über Esperia erwähnt (43, p. 409)1). Ich habe mittlerweile 


1) Da Deracws im Jahre 1893 erschienene Arbeit im Jahre 1892 
gedruckt und vom December 1891 datirt ist, meine damalige Arbeit 
im Februar 1892 abgeschlossen wurde und im Juni 1892 herauskam, 
so hat sie DELAGE, wie es scheint, nicht mehr berücksichtigen können. 
Nichtsdestoweniger wäre wohl eine Erwähnung meines Esperia-Auf- 
satzes in einer Anhangsnote am Platz gewesen, um so mehr als meine 
Spongilla-Darstellung ausführlich kritisirt wird. Um so erstaunter war 
ich daher, eine erst nach Vollendung dieser Arbeit erschienene Note 
Deracr’s (in: Arch. Zool. Exp. 1893) zu lesen, worin er sich beklagt, dass 
ich ihn ungenügend citirt und seinen vorläufigen Mittheilungen nichts 
Wesentliches hinzugefügt habe. Den Fachgenossen, die die letztern 
und meine Esperia-Arbeit kennen, möchte ich die Entscheidung darüber 
überlassen, da mir persönlich solche Prioritätsstreitigkeiten durchaus 
fern liegen, und will nur nochmals die Verschiedenheit seiner vor- 
läufigen Mittheilungen von der ausführlichen Arbeit hervorheben. Sehr 
verwahren möchte ich mich aber gegen die Art und Weise, wie 
DerAGE meinen zweiten Aufsatz „über die Auffassung des Spongien- 
körpers“ (44) behandelt, der ebenfalls lang vor seiner Arbeit erschienen 
war, und wonach darin nichts weiter als eine nochmalige Beschreibung 
des Zurückziehens der Geisselzellen enthalten sein soll. Dies ist viel- 
mehr in dem betreffenden Aufsatz nur Nebensache, in Wahrheit handelt 
es sich darin um eine Auffassung des sog. Mesoderms der Spongien, 
wie sie in Derace’s Mittheilung gar nicht enthalten war, wie sie aber 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 333 


meine Priiparate und Beobachtungen des Siisswasserschwamms durch 
Vergleich mit dem marinen Material einer Revision unterzogen und 
bin in der That durch diesen Vergleich zu wesentlich andern Deu- 
tungen gelangt als friiher. Ich werde darauf in einem speciellen 
Capitel zurückzukommen haben. 

Wenn ich also trotz der Uebereinstimmung meiner neuern Unter- 
suchungen (43, 44) mit DELAGE’s jüngster Schrift (10) abermals mit 
einer Arbeit über die Embryologie der Kieselschwämme hervortrete, 
so geschieht dies aus verschiedenen Gründen. Erstens kann ich 
als neues und von DELAGE nicht studirtes Moment auch die 
Entwicklung vom Ei an bringen, zweitens bestehen doch auch 
einige nicht unwesentliche Differenzpunkte zwischen der DELAGE’schen 
und meiner eigenen Darstellung der Metamorphose, und drittens 
endlich verlohnt es, die so eigenthümliche Verlagerung der Schichten, 
bei der DELAGE und ich zwar übereinstimmen, die aber doch wohl 
zuerst von Manchem bezweifelt wurde, an recht zahlreichen Beispielen 
zu constatiren. Und die von mir untersuchten Arten sind völlig andere 
wie die DELAGE’s. 

Je mehr die Entwicklungsgeschichte in die Breite gegangen ist, 
desto mehr hat es den Anschein, als seien die Unterschiede innerhalb 
einer einzelnen Gruppe viel grésser, als man meist annahm, und als habe 
man öfters zu früh mit andern Gruppen homologisirt. Ich habe mich 
deswegen bemüht, ehe ich an den Vergleich mit andern Schwäm- 
men herantrat, aus allen Familien der Cornacuspongia 
Vertreter zu finden und deren Embryologie zu studiren, und habe 
dabei in der That gesehen, dass zwischen den Larven grosse Ver- 
schiedenheiten existiren und es nur dann, wenn man eine ganze 
Reihe verschiedener Arten kennt, möglich ist, zu sagen, was das 
Essentielle in ihrem Bau ist, und die Zugehörigkeit und Bedeutung 
dieser oder jener Zellsorten zu bestimmen. 

Ich habe das Material, das ich hier gebe, so ausgewählt, dass 
sowohl nach dem System RıpLey u. Denpy’s wie nach dem Vos- 
MAER’s sämmtliche Untergruppen der Cornacuspongia behandelt wer- 
den. (Den Ausdruck Monaxonida will ich deswegen nicht gebrauchen, 
weil die darunter fallenden Clavulina, wie diese Autoren selbst an- 


zu meiner Freude sich ganz ähnlich in seiner ausführlichen Arbeit 
findet, und ferner um den Vergleich mit Sycandra, der DELAGE früher 


ebenfalls misslungen war. 
22 + 


334 OTTO MAAS, 


geben, den Tetractinelliden viel näher stehen, und weil ich auch noch 
Hornschwämme in meine Betrachtung ziehen möchte.) — Obwohl nun 
auch alle Familientypen VosmAEr’s in meiner folgenden Darstellung 
ihre embryologische Abhandlung finden, so folge ich doch, wie es mich 
der Bau der Larven lehrt, der Eintheilung von RıpLey u. DENDY. 

Nach Ausschluss der Potamospongia unterscheiden diese: 

1. Homorhaphidae mit den Subfamilien Renierinae und Chalininae. 

2. Heterorhaphidae. 

3. Desmacidonidae. 

4. Axinellidae. 


Nach der Ansicht, die ich mir, von den Larven ausgehend, über 
die Verwandtschaft dieser Gruppen abgeleitet habe, stehen sich 1 und 
2 unter einander näher und bilden eine Gruppe, ebenso 3 und 4, und 
die Hornschwämme schliessen sich an die erstern an. Bei der 
Reihenfolge meiner Darstellung beginne ich aber, um an Bekanntes 
anzuschliessen, mit der Gruppe 3 und 4. Ich gebe daher zunächst 
die Metamorphose der Larve von Axinella als Beispiel von 4, dann 
als Beispiel von 3 die Entwicklung aus dem Ei der ebenso gebauten 
Larve von Myxilla rosacea; ferner als Beispiel von 2 die Metamor- 
phose von Gellius, die etwas verschieden ist, und für 1 die Entwicklung 
aus dem Ei von Chalinula. — Andere hierher gehörige Species werden 
nebenher behandelt werden. Daran schliesse ich die Beobachtungen 
an Hornschwämmen und werde dann auch der Spongilla vergleichend 
gedenken, ehe ich meine Einzeldarstellungen zur Homologisirung zu- 
sammenfasse. 


Untersuchungsmethoden. 


Mein Bestreben bei der Untersuchung ging darauf, möglichst frisches 
Material in möglichst natürlichen Bedingungen beobachten und con- 
serviren zu können. — Während einer einjährigen Benutzung eines 
Arbeitsplatzes in der Zoologischen Station von Neapel, für dessen 
Ueberlassung ich dem Königlich preussischen Cultusministerium meinen 
Dank sage, habe ich durch die vortrefflichen Einrichtungen dieser 
Station und durch die unermiidliche, oft gerühmte Gefalligkeit des 
Herrn Lo Branco Gelegenheit gehabt, wöchentlich durchschnittlich 
mehrere Male eine grosse Anzahl von Cornacuspongien zu unter- 
suchen. Von diesen waren zu jeder Jahreszeit eine oder die andere 
Art, in den wärmern Monaten bis gegen Herbst gleichzeitig mehrere 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 335 


geschlechtsreif und sandten Larven aus. Ich gebe zum Vortheil der 
Nachuntersucher darüber unten eine Tabelle ‘). 

Zur Gewinnung der Larven wurden die betreffenden Schwammstiicke 
in grosse und weite Glaser vertheilt, die wieder ihrerseits der Gleichmäs- 
sigkeit der Temperatur wegen in die Bassins gestellt wurden, das See- 
wasser in den Gläsern durch Nachgiessen erneuert und für Lichtabsper- 
rung gesorgt. Die ausschwärmenden Larven wurden theils mit FLEMMING- 
scher Lösung (Einwirkung 1 bis 3 Minut.) conservirt, theils zum Weiter- 
züchten verwandt, die betreffenden Schwammstücke aber nicht länger als 
24 Stunden benutzt, da die später ausschlüpfenden Larven nicht mehr 
normal sind. Von jedem Schwamm wurden grössere Stücke in Alkohol 
absolutus, kleinere in FLemmina’scher Lösung conservirt. Bei der Me- 
thode mit Alkohol ist darauf zu achten, dass man denselben mehrfach 
wechselt, zuerst nach 5 Minuten, dann etwa nach einer Stunde, dann etwa 
nach einem Tage, und dass die betreffenden Stücke in Tuben mit Bind- 
faden so in der Höhe befestigt sind, dass sie stets in concentrirtem 
Alkohol hängen, und der mit Seewasser gemischte zu Boden sinkt. Bei 
dieser Behandlung bleiben sogar die Larven in den Follikeln ohne 
jede Schrumpfung und mit allen histologischen Details erhalten. 

Die zum Züchten bestimmten Larven wurden in grosse flache Glas- 
schalen von 15 bis 30 cm Durchmesser und 3 bis 5cm Höhe, die mit See- 
wasser halb gefüllt waren, vertheilt, und diese an lichtgeschützten 
Orten aufgestellt. Das Wasser darin wurde mehrfach nachgefüllt, nach 
dem Festsetzen der Larven grösstentheils abgezogen und erneuert. — 
Ich bin zu dieser Methode gekommen, weil in der Circulation der 
Aquarien die jungen Schwämmchen sich nicht hielten, sondern rasch 
von Bakterien überwuchert wurden. 


1) Verzeichniss der in Neapel beobachteten Schwamm- 
larven, nach der Jahreszeit geordnet: 

Januar: Clathria coralloides. 

Februar: Dictyonella spec. 

Marz: — 

April: Chalinula fertilis. 

Mai: „ 

Juni: Reniera rosea, R. incrustans. 

Juli: Reniera spec. 

August: Myxilla spec., Euspongia officinalis, Cacospongia spec. 

September: Gellius varius, Pachychalina spec., Hircinia variabilis. 

October: Esperia lorenzi, Axinella crista-galli, Desmacidon spec., 

Gellius spec. 

November: Myzilla rosacea. 

December: Esperia lingua. 

Im Ganzen 18 Species. 


336 OTTO MAAS, 


Ueber die Schnelligkeit der Umwandlung als Kriterium eines 
normalen Verlaufs kann ich meine frühern Beobachtungen (42 u. 43, 
p. 422) wie auch die DELAGE’S nur bestätigen. 

Nach etwa 3 Tagen kann man schon ein richtiges Schwämmchen 
mit Poren und Osculum haben; ich habe aber mittels der grossen 
Glasschalen noch ganz ansehnliche Stücke bis zu 14 Tagen alt und 
darüber erzielt. 

Um einzelne Stadien in bestimmten Momenten fixiren zu können, 
hatte ich die Schalen mit Paraffin ausgegossen; man konnte alsdann 
die betreffenden Objecte ausscheiden, in einem Uhrgläschen mit See- 
wasser herausholen, conserviren, härten und färben, dann das Paraffın 
lösen und das betreffende Object je nachdem zum Aussichtspräparat 
oder zum Schneiden verwenden. Ich kann diese Methode als durch- 
aus zuverlässig empfehlen; irgend welche schädliche Einwirkung des 
Paraffins habe ich nicht wahrgenommen. 

Um eine grössere Anzahl von Larven auf einmal zu conserviren, 
benutzte ich solche Glasschalen, die nicht mit Paraffin ausgegossen 
waren. Nach Absaugung des Seewassers wurden alle Proceduren mit 
FLemMina’scher Lösung, Alkohol und Färbung in der grossen Schale 
gemacht und dann die sämmtlichen darin vorhandenen Schwämmchen 
(oft waren es über 30), nachdem sie eine Zeit in starkem Alkohol 
gestanden, nach einander mittels eines Instruments abgesprengt. — 
DELAGE hat in seiner Arbeit ein ähnliches Verfahren empfohlen 
(10, p. 421), Loslösung vom grossen Deckglas mit dem Messer. Mir 
hat ein Platinspatel mit abgerundeten Ecken die besten Dienste ge- 
leistet. Es ist auf diese Weise mit einiger Uebung möglich, die 
jungen Schwämmchen vollständig intact, auch mit Erhaltung des der 
Unterlage aufsitzenden Epithels abzulösen, natürlich erst nach guter 
Fixirung und Erhärtung. An Wasserpflanzen setzen sich die ver- 
schiedenen Larven sehr ungern an. Ich habe eine ganze Reihe von 
Algen verschiedener Farbe, von der gewöhnlichen Ulva an, zu diesem 
Zweck durchprobirt und nur mit Halymenia dichotoma solche Resul- 
tate erhalten, dass ich Blättchen zum Schneiden zurichten konnte. 

Die Beobachtung der lebenden Larven geschah zum grossen Theil 
in den grossen Schalen vermittels eingetauchter Linsen, theilweise 
auch an Exemplaren, die sich an eingehängten Deckgläsern oder an 
der obersten Wasserschicht festgesetzt hatten, oder in Uhrschalen, die 
in grössern Schalen schwammen, um kühl zu bleiben. Sehr geeignet 
ist die letzte Methode, wenn sich die Larven angesetzt haben. Man 
taucht alsdann die Uhrschalen in grössere Gläser unter und kann sie 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 337 


jeder Zeit herausnehmen und nach Wasserabsaugung unter das Mikro- 
skop bringen. Doch sind alle diese Vorrichtungen nur auf kurze 
Zeit und mit Vorsicht zu benutzen wegen der anormalen Bedingungen, 
besonders der grellen Belichtung, der die Larven dabei ausgesetzt sind. 
Gerade fiir die ersten Stadien des Festsetzens aber geniigen sie 
vollkommen. 

Das Conserviren geschah, nachdem ich verschiedene andere Fliissig- 
keiter nebenher probirt, schliesslich nur noch mit FLEMMING’scher oder 
mit dessen von HERMANN modificirter Lösung; die Einwirkung dauerte 
je nach Zweck und Grösse 1—3—6 Minuten. — Zum Durchfärben 
habe ich die üblichen Mittel angewandt, zumeist Boraxcarmin; zum 
Nachfärben und zur Hervorhebung verschiedener histologischer Details 
auch Anilinfarben. Besonders will ich hier nur das Verfahren mit 
Gentianaviolett und Orange G erwähnen, das von FLEMMING für einen 
andern Zweck (Centrosomen) angegeben wurde, das aber auch hier 
zur Differenzirung der verschiedenen Zellelemente gute Dienste thut. 
Bezüglich des Einbettens und Schneidens habe ich nichts Besonderes 
zu erwähnen; die Schnittdicke betrug meist 4 bis 5 w, für besondere 
Zwecke auch weniger, für andere Zwecke auch manchmal viel mehr. 
Wo eine Orientirung vor dem Schneiden nöthig war, geschah sie nach 
der früher erwähnten Methode (42, p. 530) durch Aufkleben auf Leber. 

Gute Einzelbilder von Zellen erhält man durch vorsichtiges Zer- 
klopfen der gehärteten und gefärbten Larven in Glycerin unter dem 
Deckglas. 

Zur Darstellung der Spicula benutzte ich das frühere Verfahren 
(43, p. 419) mit Eau de Javelle. 

Um erwachsene Schwämme zu schneiden, habe ich nicht Ent- 
kieselung angewandt, sondern Objecte ausgesucht, die nicht allzu viel 
Spongin und Nadeln enthielten und nicht von Fremdkörpern durch- 
setzt waren. — Es sind dies Verhältnisse, die oft bei den gleichen 
Gattungen in verschiedenen Species wechseln, und die Wahl des 
sünstigen Objects ist hier ebenso wie für die Beobachtung der 
Metamorphose eine Hauptsache. 

Die Arbeit wurde in den Zoologischen Instituten von Berlin und 
Giessen fertig gestellt. Es ist mir eine angenehme Pflicht, beiden 
Herren Institutsdirectoren, Herrn Geheimrath Prof. F. E. SCHULZE 
und Herrn Prof. SPENGEL, für die freundliche Aufnahme und ihr In- 
teresse an meinen Arbeiten meinen besten Dank zu sagen. 


338 OTTO MAAS, 


Beschreibender Theil. - 


1. Die Metamorphose der Larve von Awinella crista-galli 
spec. nov. 


Die Schwammspecies, aus der die betreffende Larve stammt, ist 
neu und bietet in mehrfacher Beziehung Interesse. Ich méchte aber, da 
ja VOSMAER sie gewiss in seiner Monographie bringen wird, mich hier 
ebensowenig wie an andern Stellen auf systematische Beschreibung ein- 
lassen, sondern nur das geben, was zur Kennzeichnung und Wieder- 
auffindung direct nothwendig ist. 

Der Schwamm ist von ansehnlicher Grösse, bildet Krusten, die 
seitlich comprimirt und gewunden sind wie ein Hahnenkamm. Die 
Oberfläche ist unregelmässig wellig. 

Oscula sind unscheinbar, nicht auf Erhebungen oder in Grup- 
pirung stehend. 

Farbe ziegelroth bis scharlachroth. 

Spicula sind sämmtlich stecknadelförmig, aber von zweierlei ver- 
schiedenem Umfang, 1) grüssere, die in Zügen liegen, und 2) kleinere, 
die die Rinde und Oberfläche stachlig machen. Fleischnadeln sind 
nicht vorhanden. 

Das Skelet setzt sich aus diesen Spicula mit Hülfe von viel 
Spongin in folgender Weise zusammen: die Stabnadeln bilden aufsteigende 
gefiederte Züge, die sich wiederholt theilen, bis sie zur Oberfläche 
kommen, dann die Gewebsbalken zwischen den subdermalen Lacunen 
tragen und nach oben in Bündel kleiner Stabnadeln nach allen Seiten 
ausstrahlen (Taf. 20, Fig. 16 u. 17). — Diese letztern sind nicht 
durch Spongin zusammengehalten, wohl aber die tiefern Züge und zwar 
um so mehr, je näher sie den Stämmen liegen (Taf. 20, Fig. 17). 

Canalsystem nach dem dritten Typus. Subdermalräume von 
besonders starker Entwicklung. 

Durch die Abwesenheit jeglicher Mikrosklera und das charakte- 
ristische Skelet „aus einer deutlichen festen Axe von parallelen Spicula 
und locker zusammenhängenden peripheren Spicula“ als Axinella ge- 
kennzeichnet. Von den bestehenden Arten, speciell von polypoides ver- 


schieden; der Form und Farbe wegen möchte ich den Namen crista- 
galli vorschlagen. 


Die Larven liegen im mütterlichen Körper nicht in ganzen 
Nestern zusammen, sondern zerstreut und zwar sehr nahe der Ober- 
fläche, so dass sie von aussen leicht gesehen werden, indem sie als 
ovale Buckel von noch dunklerm Roth als der übrige Schwamm die 
Rindenschicht desselben deutlich vorwölben. Dennoch geschieht aber 
das Freiwerden nicht durch Dehiscenz dieser dünnen Rinde, sondern 
auf dem Wege des Canalsystems. Beim Durchschlüpfen durch dessen 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 339 


ziemlich enge Ausgangsöffnungen kommt den grossen Larven ihre 
Formveränderlichkeit und Streckungsfähigkeit sehr zu Statten. 

Ihre Grösse ist sehr bedeutend, 1,2 mm im Längs- und 8,0 mm 
im Querdurchmesser; sie stehen damit in der Mitte zwischen Larven 
von Esperia lingua und Esperia lorenzi und gehören zu den grössten 
überhaupt beobachteten Schwammlarven. 

Ihre Farbe ist ebenfalls sehr auffallend, nämlich scharlachroth; 
nur der nach hinten gerichtete Pol ist etwas heller, ungefähr orange 
(ähnlich wie die von DELAGE abgebildete Esperella-Larve, der sie auch 
in Bezug auf Spiculation ähnlicher erscheinen als letztere meiner Ab- 
bildung von Esperia). | 

Die Bewegung dieser Axinella-Larven ist im Vergleich zu allen 
andern Schwammlarven, die ich kenne, eine ausserordentlich schwer- 
fällige; ihre Cilien sind nämlich im Verhältniss zu dem sehr grossen 
Körper von nur geringer Länge, und ein Schopf besonders langer 
Wimpern, wie ihn die Larven anderer Gruppen tragen, der die 
Bewegung sehr fördert, fehlt hier. Dagegen ist die Contractilität sehr 
entwickelt; die Larve kann ihre eigenen Dimensionen verändern, ihre 
Längsaxe sehr vergrössern, so dass sie ihre Breite um mehr als das 
Vierfache übertrifft, und sich dann wieder zusammenziehen, so dass 
ihr Längsdurchmesser gleich dem queren ist. Durch diese Art der 
Fortbewegung und ihre Grösse gleicht sie im Wasser eher einem 
Wurm als einer Schwammlarve. Eine Scheu vor dem Licht ist eben- 
falls sehr ausgesprochen, doch ist die Reaction darauf, wohl wegen 
der allgemeinen Schwerfälligkeit der Bewegung, nicht so markant wie 
bei andern Larven. 

Die Betrachtung der lebenden Larve unter dem Mikroskop lässt 
bei auffallendem Lichte die Verschiedenheit der Pole deutlich wahr- 
nehmen, doch ist der hintere hellere Pol nicht so scharf von dem übrigen 
Gewebe abgegrenzt wie sonst. Der vordere Pol zeigt keine Differen- 
zirung und ist genau wie die Seite der Larve beschaffen. Bei 
durchfallendem Licht ist.der Compactheit der Larve halber fast 
nichts zu erkennen, auch an der Randpartie nicht. Nur wenn die 
Larve sich etwas streckt, erkennt man daselbst eine Schraffirung, die 
die Zusammensetzung des Randepithels aus sehr dünnen Cylindern 
anzeigt, und man kann die dichtflimmernden, kurzen Geisseln daran 
schlagen sehen. Wenn die Larve sich ganz besonders streckt, so 
scheint der epitheliale Zusammenhang etwas gelockert; man nimmt 
alsdann wahr, wie die peripherischen Enden der einzelnen Geisselzellen 
etwas auseinandertreten, und kann die einzelne Geissel an jeder Zelle 


340 OTTO MAAS, 


sehen (Taf. 22, Fig. 52). — Der hintere Pol zeigt ebenfalls cylindrische 
Zellen in epithelialer Anordnung, jedoch ohne Geissel und nicht so 
extrem schlank. 

Diese Larve, die im Leben so wenig erkennen liess, erwies sich 
dafür als ein um so giinstigeres Object fiir feine Schnitte, indem bei 
ihr die Nadelentwicklung gering ist und die histologischen Details, 
insbesondere die Differenzirung zweier verschiedenen Hauptzellen- 
schichten, besonders klar hervortreten. 

Die Larve besteht nämlich, um von einzelnen Besonderheiten zu- 
nächst abzusehen, 1) aus einer Schicht von ausserordentlich schlanken, 
kleinkernigen, geisseltragenden Cylinderzellen, die die Oberflache mit 
Ausnahme des hintern Pols ausmachen, und 2) aus einer Masse von 
viel grössern und grosskernigen Zellen, die, in einer gallertigen Grund- 
substanz eingelagert, die innere Masse und das Hinterende der Larve 
bilden (Taf. 20, Fig. 18). 

Die lang gestreckten Cylinderzellen sind ebenso angeordnet, wie 
es schon von mir und DELAGE für Esperella beschrieben worden ist. 
Sie sind so ausserordentlich gestreckt, dass der Durchmesser ihrer 
Kerne viel grösser ist als der der Zellen und sich deswegen die 
Kerne, damit die Zellen neben einander stehen können, mehrschichtig 
eruppiren müssen. Es kommt dann dadurch, dass die Kerne jeweils 
in der innern Hälfte der gestreckten Zellen liegen, eine schraffirt aus- 
sehende Zone von Zelleibern und eine gleich breite Zone von Zell- 
kernen darunter zu Stande (Taf. 21, Fig. 31), ein Bild, das ein mehr- 
schichtiges Zellenlager vortäuschen Könnte, wenn man sich nicht an 
Zupfpräparaten überzeugte, dass es sich nur um ein einschichtiges 
Epithel handelt (Taf. 22, Fig. 50). Gleich schlanke Zellen, nur ohne 
Geisseln, habe ich öfters gefunden, Uebergangselemente dagegen zwischen 
ihnen und den Zellen der innern Masse nicht. Die Kerne der 
Geisselzellen sind sehr chromatinreich und färben sich mit den üblichen 
Mitteln viel intensiver als die aller übrigen Elemente der Larve. Es 
entsteht dadurch ein, schon bei schwacher Vergrösserung wahrnehm- 
barer, scharfer Unterschied zwischen der äussern und der innern Schicht 
der Larve, wie ich ihn bei keiner andern Species so deutlich ausge- 
sprochen gefunden habe. Das rothe Pigment liegt in der schraffirten 
Zone des Epithels. 

Bei der innern Schicht ist zunächst die Grundsubstanz bemerkens- 
werth; sie ist sehr reichlich entwickelt im Verhältniss zum gesammten 
Gewebe (Taf. 20, Fig. 18), von starker Consistenz, weniger gallertig 
als gummiartig zu bezeichnen, so dass man die Larve ohne grossen 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 341 


Schaden ordentlich quetschen kann und schon mechanische Gewalt 
ausüben muss, um sie zum Platzen zu bringen, während andere Larven 
einfach durch Deckglasdruck zerfliessen. 

In dieser zihen Substanz eingebettet liegen die Spicula und zwei 
Hauptsorten von Zellen. Es sind dies erstens solche, die ein grob und 
ungleich granulirtes Protoplasma besitzen und oft mit tingirbaren Ein- 
lagerungen, die unverarbeitetes Nährmaterial darstellen, ausgefüllt 
sind (Taf. 21, Fig. 31 ma,). In manchen Fällen zeigen diese Zellen 
fast keine solchen Dotterkörner, dann aber oft amöboide Ausläufer 
und können bei lebend zerzupften Larven auf dem Objectträger weiter 
kriechen. Ihr Kern ist bläschenförmig mit Nucleolus; wo Chroma- 
tin wahrzunehmen ist, besteht es aus unregelmässigen Brocken. 
Auch die Bildner der Spicula haben einen solchen bläschenförmigen 
Kern, dagegen ist ihr Protoplasma ganz hyalin (vgl. Fig. 7). 

Die andere Zellsorte besitzt ein ganz gleichmässiges Protoplasma 
das erst mit starker Vergrösserung eine feine Granulirung erkennen 
lässt (vielleicht der Ausdruck der Wabenstructur, vgl. DELAGE) (Taf. 20, 
Fig. 18, und Taf. 21, Fig. 31 ma,). Ihr Kern ist meist oval und zeigt ein 
feines Gerüst, indem das Chromatin gleichmässig vertheilt ist, ohne sich 
irgendwo anzuhäufen. Im Protoplasma ist ausserdem noch eine besondere 
Differenzirung nachweisbar, die namentlich bei Plasmafärbung mit ver- 
schiedenen Anilinfarben hervortritt und dann bei sämmtlichen Zellen 
dieser Gattung im ganzen Präparate gesehen wird. Es ist dies eine 
helle, wie eine Vacuole aussehende Stelle, in deren Mitte ein kreis- 
rundes Fleckchen erscheint (Taf. 21, Fig. 31 ma,, v). — Ich habe 
dieses Bild, nachdem ich einmal darauf aufmerksam geworden, ganz 
regelmässig gesehen; ob es sich hierbei um Centrosomen handelt, 
vermag ich nicht anzugeben. 

Diese beiden Zellsorten liegen nicht regellos in der Grundsubstanz 
zerstreut, sondern zeigen eine bestimmte Anordnung. Die mit Dotter- 
einlagerung, die offenbar weniger differenzirten Zellen, die sich in ihrem 
Aussehen den Blastomeren nähern, liegen im peripheren Theil der 
Larve nur vereinzelt, im hintern axialen Theil aber ziemlich compact 
zusammen. Die andern, nämlich die differenzirten Elemente, gehen 
von hier strahlenförmig aus, so dass sie sich radiär stellen und oft 
in die Verlängerung der peripheren Geisselzellen fallen (Taf. 20, Fig. 18). 
Eine Anzahl von ihnen, die sich durch mehr gestreckt-spindelförmige 
Gestalt auszeichnen, liegt dagegen tangential, und diese Zellen scheinen 
es zu sein, die vermöge ihrer Anordnung das Zusammenziehen der 


349 OTTO MAAS, 


Larve bewirken. Wir haben es also sonach mit schon in der Larve 
entwickelten contractilen Faserzellen zu thun. Nach vorn zu werden 
auch diese Zellen der zweiten Sorte, die gestreckten wie die stern- 
förmigen, spärlicher (vgl. Fig. 18), und wenn wir uns dies Verhältniss 
noch ausgesprochener denken, so haben wir ein Bild wie bei Esperia, 
wo eine Art Lücke zu Stande kommt. 

Auch die Spicula folgen dieser Anordnung; sie sind alle stab- bis 
nadelförmig. Auf den ersten Anblick scheinen sie regellos zerstreut, 
nur am hintern Pol in stärkerer Menge vorhanden zu sein. Mit dem 
Verfahren der langsamen Zerstörung der Weichtheile ohne Druck 
(42, p. 419) bekommt man aber Präparate, die besagen, dass die 
Nadeln ein deutliches Gerüst bilden, das mehr nach der Peripherie 
zu liegt, im Hinterende in der Axe ziemlich ausgefüllt ist, nach vorn 
aber einen grossen Hohlraum lässt, gerade da, wo auch die Zellen 
sehr spärlich werden. Es ist dies eine Anordnung, die nicht leicht 
aufzufinden ist, die aber für viele Schwämme wiederkehrt und für den 
Vergleich sich als wichtig erweist (Taf. 23, Fig. 71). Am Hinterende der 
Larve sind ebenfalls die Zellen mit gleichmässigem Protoplasma und 
feinstructurirtem Kern zu sehen, jedoch bilden sie hier eine Art 
Epithel, indem sie mit ihrer grössten Ausdehnungsfläche sich gegen- 
seitig berührend angeordnet sind. Bemerkenswerth ist, dass sich hier 
auch verschiedene Zellen mit kleinen Kernen finden, wie die der Geissel- 
zellen; es wären diese Larven somit vielleicht ein Uebergang zu 
solchen, bei denen das Geisselepithel ganz um die Larve herumgeht, 
doch sind keine Wimpern an dieser Stelle zu sehen. 

Ferner ist noch eine Art von Zellen zu erwähnen, die nach Grösse, 
Form und Aussehen vielmehr den Zellen der innern Masse gleichen, 
die sich aber zwischen die äussern Zellen in deren epithelialen Ver- 
band hinein einschieben. Man könnte sie mit den épidermiques ver- 
gleichen, die DELAGE als über den ciliées lagernd beschrieben hat und 
die erst nach der Metamorphose zu einem Epithel zusammenfliessen 
sollen. Auf die ganze Auffassung dieser Zellen werde ich noch unten 
zu sprechen kommen; hier will ich nur erwähnen, dass die bei Axinella 
in Rede stehenden Elemente jedenfalls nicht épidermiques genannt 
werden können, sondern eher drüsenartig erscheinen. Ihr Kern 
ist wie der der differenzirten Zellen der innern Masse von einem sehr 
feinen Chromatingerüst erfüllt (Taf. 21, Fig. 31 dr); der Zelleib ist 
nicht glatt, sondern voluminös, voll von kleinen Granulationen, die 
oft auf die Oberfläche heraustreten und dort, einem Secret ähnlich, 
Kügelchen bilden (Fig. 31). Das durch die ganze Anordnung her- 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 343 


vorgerufene Bild ähnelt ausserordentlich dem eines Drüsenepithels 
höherer Thiere. 

Durch die Anwesenheit dieser Zellen wird an dem bestimmten 
Eindruck der Zweischichtigkeit nichts geändert. 


Festsetzen und Metamorphose. 

Das Larvenleben ist hier wie überall von sehr kurzer Dauer, 
wenn normale Verhältnisse vorliegen. Die von mir beobachteten In- 
dividuen waren sämmtlich im Lauf der ersten 24 Stunden nach dem 
Ausschwärmen angesetzt. Das Festsetzen geschieht normaler Weise 
(vergl. darüber 43, p. 423) am vordern Pol, nicht so genau apical 
wie z. B. bei Esperia, aber stets mit dem vordern Drittel der Larve, 
die sich dann, ohne sich auf die Seite zu legen, sehr schnell aus- 
breitet, ihre ovale Form verliert und sich abflacht. 

Das sich daraus ergebende Bild gleicht dem aller andern Schwämm- 
chen während der Metamorphose. Die Peripherie wird von einem 
fast hyalinen Hof gebildet, der durch amöboide Bewegung seine Form 
fortwährend ändert; die Mitte zeigt noch in ihrer Kuppelform die 
Rundung der Larve und ist hier bei Axinella tief roth und ganz 
undurchsichtig. Zwischen beiden Theilen befindet sich eine Zone von 
Gewebe, das im Ausbreiten befindlich ist und deswegen etwas weniger 
undurchsichtig und nicht pigmenterfüllt erscheint. An der kuppel- 
förmigen Mittelpartie sieht man mit auffallendem Licht Wellenlinien 
verlaufen, die mit dem Abflachungsvorgang in Zusammenhang stehen, 
und zugleich erkennt man, dass diese Partie, während der Rand schon 
deutlich amöboid ist, noch flimmert. Doch erlahmt die Geisselbe- 
wegung sehr schnell, die einzelnen Cilien werden kürzer, zuletzt er- 
scheinen sie wie amöboide Fortsätze, das Bild der Streifung, wie es 
durch das Cylinderepithel hervorgebracht wurde, verschwimmt, und 
man gewahrt bald am Rand einen Contour von platten Zellen. 

Indem die Cilien nach kurzer Zeit ganz verschwinden, gewinnt 
man den Eindruck, als ob sich ihre Zellen ins Innere zögen, resp. 
von platten Zellen überwachsen würden, ganz wie ich es bei Esperia 
nach dem Leben geschildert (43, p. 427, fig. 10 u. 11). 

Dass dieser Vorgang, die Zurückziehung sämmtlicher kleinkerniger 
Geisselzellen ins Innere und ihre Umwachsung durch die Elemente 
der vormals innern Schicht, wirklich stattgefunden hat, zeigen Schnitte, 
die durch etwa 3/, Stunde nach dem Ansetzen conservirte Exem- 
plare gefertigt wurden. In Fig. 20, Taf. 20, bilde ich einen solchen, 
senkrecht zur Unterlage, nicht ganz durch die Mitte geführten 


344 OTTO MAAS, 


Schnitt ab (in der Mitte selbst ist die Form viel höher gewölbt, aber 
die Anordnung der Gewebe die gleiche). Dadurch, dass die beiden 
Schichten sich hier histologisch ausserordentlich scharf unterscheiden, 
ist das Bild ein ungemein tiberzeugendes. Die kleinkernigen Geissel- 
zellen liegen im Innern in einer compacten Masse zusammen und 
werden nach aussen von den früher im Innern liegenden Elementen 
ma, und ma, umgeben. Diese sind, wie auch schon in der Larve, 
in einer sehr reichlichen Gallerte eingebettet, während nach innen 
zwischen den frühern Geisselzellen keine Bindesubstanz zu sehen ist, 
sondern Kern an Kern liegt. Durch diese Vertheilung der Gallerte 
wird das Bild der Umkehr der Schichten noch schärfer (vgl. auch 
Taf 21, Fig. 33). 

Bemerkenswerth ist, dass im abgebildeten Stadium die Umwachsung 
der kleinkernigen Elemente noch nicht vollständig vor sich gegangen 
ist, diese letztern vielmehr noch nach der Unterlage zu, sich noch an 
der Peripherie befinden (Fig. 20 a). 

Ein Stadium, das den Uebergangscharakter noch mehr trägt, 
bringe ich, allerdings nicht von Axinella, sondern von Clathria coral- 
loides. — Es sei zuvor bemerkt, dass die Larve dieses Schwammes 
im Bau mit der von Axinella principiell tibereinstimmt, noch ahnlicher 
der von Esperia ist. Sie besteht aus den nämlichen zwei Haupt- 
gewebsschichten und führt in ihrem Innern gedornte Stabnadeln und 
Doppelschaufeln. Auch bei ihr tritt der histologische Unterschied 
zwischen schlanken, epithelartig angeordneten Geisselzellen und den 
übrigen, in einer Gallerte liegenden Elementen sehr stark hervor. 
Fig. 19, Taf. 20 ist einer Schnittserie entnommen, die durch eine, 
einige Minuten nach dem Ansetzen abgefasste Clathria-Larve an- 
gefertigt ist. 

Man sieht, namentlich bei Vergleichung der ganzen Serie, aber 
auch im einzelnen Schnitt, sehr deutlich den Verschiebungsvorgang 
der beiden Schichten in verschiedenen Abstufungen. An der untern 
Seite, dem Ansatzpole zu, zeigen die Cylinderzellen noch ihren epi- 
thelialen Verband, aber sie beginnen, wie die Wellenlinien in ihrer 
Kernschicht zeigen, sich bereits von der Oberfläche zu entfernen. . 
Noch mehr ist dies in den übrigen seitlichen Theilen der Larve zu 
erkennen. Am entgegengesetzten Pol x, dem Hinterpol der Larve, 
bilden, wie dies bereits in dem freischwimmenden Stadium der Fall 
war, differenzirte Zellen (ma,) die epitheliale Bekleidung; von hier 
aus setzt sich letztere jetzt über die Cylinderzellen fort, manchmal an 
den äussersten Stellen noch einschichtig, während an andern Stellen 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 345 


(ep) bereits eine Reihe von Zellen dieser innern Masse herüberge- 
wachsen sind. Dem ganzen Bild nach (Fig. 19) zeigt sich in diesem 
Vorgang eine bestimmte Richtung; man gewinnt den Eindruck, als ob 
die Zellen der früher innern Masse um die Ecken, da wo in der Larve 
das Cylinderepithel aufhört (x, u. 2,), herumstrebten und von innen 
nach aussen flössen. Nach den Stadien, die ich erhalten habe, muss 
ich annehmen, dass die Verlagerung der Schichten vom hintern Pol 
aus mit ihrer ganzen Masse erfolgt und nicht an der ganzen Peri- 
pherie zellenweise vor sich geht. 

Mit sehr starken Vergrösserungen bemerkt man, dass die vorher 
lahg gestreckten Cylinderzellen ihre Form etwas geändert haben 
(Fig. 32, Taf. 21). Wo dieselben noch wie in der Larve die Peri- 
pherie bilden, zeigen sie auch noch die gleiche Anordnung, die Kern- 
zone, die schraffirte Aussenzone, und sie tragen Geisseln (Fig. 32 a). 
Wo sie aber bereits von differenzirten Zellen (ma,) überwachsen sind, 
da ist die epithelartige Anordnung, deren Ausdruck die Schraffiriung 
ist, mehr oder weniger verloren gegangen. Auch sind die einzelnen 
Cylinderzellen nicht mehr so lang gestreckt, und ihr Protoplasma hat 
sich bei einigen ganz um den Kern zurückgezogen (Fig. 32 a,). 

Dies sind die Stadien, die im Leben schon den Eindruck hervor- 
rufen, als zögen sich die Geisseln ins Innere zurück. Wo letztere 
kürzer werden, nähern sie sich in der Form amöboiden Fortsätzen, 
und diese sind von den gleichen Gebilden, wie sie bald darauf die 
Epithelzellen (ma,) aussenden (Fig. 32), nicht zu unterscheiden. An 
denjenigen Stellen, wo die Umformung am weitesten vorgeschritten ist, 
liegen nicht nur epitheliale, sondern auch andere Elemente der früher 
innern Masse (ma,) nach aussen von den Cylinderzellen, und die 
Cylinderzellen selbst sind zu unregelmässigen Gebilden geworden, die 
jetzt wie früher sehr wenig Protoplasma im Verhältniss zum Kern 
aufweisen. A 

Noch besser treten diese Veränderungen an dem etwas weiter 
fortgeschrittenen Stadium direct nach der Metamorphose hervor 
(Axinella siehe oben u. Fig. 20). In der innern Masse sieht man auch 
bei starker Vergrösserung (Taf. 21, Fig. 33) nichts weiter als die 
Kerne der vormaligen Cylinderzellen (a); nur hier und da eine amö- 
boide Zelle (am) mit Einlagerung; alles Andere, sogar die Spicula 
liegen nach aussen zu, letztere meist in tangentialer Richtung; nur 
wenige Nadeln ragen, von Zellen (ma,) begleitet, bereits in die klein- 
kernige Masse hinein (Fig. 20, Taf. 20). 

Es ist bemerkenswerth, dass schon auf diesem Stadium ein Theil 


346 OTTO MAAS, 


der Elemente der friiher innern Masse den endgültigen Zustand, wie 
er auch im erwachsenen Schwamm besteht, erreicht hat. Es sind dies 
diejenigen von den differenzirten Zellen (ma,), die jetzt das äussere 
Epithel bilden. Eine grosse Anzahl histologisch ganz ähnlicher 
Elemente liegt indess noch unterhalb derselben und unterscheidet sich 
von ihnen einstweilen durch nichts als die Lage. Es sind das die- 
jenigen Zellen, die später theilweise ebenfalls epitheliale Lagerung ge- 
winnen, als Auskleidung von Cavitäten, theils aber als Bindegewebs- . 
und contractile Faserzellen in der Gallerte zurückbleiben. Was noch 
ausserdem übrig ist, sind die amöboiden Zellen mit dem bläschen- 
förmigen Kern und Nucleolus (ma,), die auch im erwachsenen Schwamm 
als Wanderzellen fungiren. Alle diese Elemente aber mitsammt den 
Spicula liegen als zusammenhängende Masse noch um die Menge der 
kleinkernigen herum, so dass wir einstweilen, wie in der Larve, zwei 
Schichten, nur in umgekehrter Lagerung wie dort, vor uns 
haben. Die gegenseitige Durchwachsung beider jetzt noch getrennter 
Schichten, deren Elemente doch später eine morphologische Zusammen- 
gehörigkeit gewinnen, ist die nächste Aufgabe der Metamorphose. 
Diese folgenden Veränderungen spielen sich im Innern ab, sind 
weniger markant und gehen auch etwas langsamer vor sich. Es ent- 
steht dadurch für das Auge des Beobachters eine ,,Ruhepause‘, die 
jedoch nur scheinbar ist. Allerdings sieht man bei Betrachtung des 
lebenden Thieres von jetzt ab etwa 12 bis 24 Stunden lang keine 
wesentliche Veränderung. Der amöboide Hof breitet sich noch etwas 
aus, die Hauptmasse des Schwämmchens flacht sich noch ein wenig 
ab, erscheint aber immer noch opak wie zuvor, höchstens wird die 
rothe Farbe etwas blasser; kurz, der äussere Eindruck bleibt derselbe 
bis ungefähr einen Tag nach dem Ansetzen, wo zuerst durchscheinende 
Lücken im Gewebe auftreten. Im Innern aber sind vor dieser Zeit 
wichtige Veränderungen vor sich gegangen, wie Schnitte lehren, die 
von solchen Stadien, etwa 10 Stunden nach dem Ansetzen, gewonnen 
wurden (Taf. 20, Fig. 21); es hat nämlich die Durchwachsung der 
beiden Zellenschichten ihren Anfang genommen. Dies zeigt sich am 
offenbarsten zunächst an den Spicula. Während diese auf den frühern 
Stadien meist tangential und unregelmässig ausserhalb der kleinkörnigen 
Elemente liegen, gewinnen sie jetzt eine mehr radiär zur Oberfläche 
gerichtete Stellung und gelangen auch in die kleinkernige Masse bis 
zur Unterlage herab (Fig. 21 sp). Mit ihnen zugleich wachsen Zellen, 
die sie stets begleiten, in dieses Gewebe hinein. Es sind dies eben- 
falls differenzirte Elemente (ma,); doch nimmt ihre histologische 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 347 


Structur bald ein noch weiter ausgezeichnetes Gepräge an, so dass man 
diese an Spicula liegenden Zellen von den übrigen Bindezellen unterschei- 
den kann. Am weitesten in der innern Masse verbreiten sich ihrer Natur 
nach die amöboiden Zellen; sie kommen auch mitten unter die klein- 
kernigen Zellen zu liegen und zeigen dadurch ebenfalls die gegenseitize 
Durchwachsung beider Schichten an. Oft enthalten sie starke Einlage- 
rungen, und man könnte in der That, namentlich bei schwacher Vergrös- 
serung, den Eindruck gewinnen, als seien diese Einlagerungen ähnliche 
oder gleiche Gebilde wie die Kerne der kleinkernigen Zellen der 
innern Masse. Diese Elemente sind aber so klein, dass sich selbst 
an dünnsten Schnitten, auch von 3 wu, nicht mit Sicherheit ent- 
scheiden lässt, ob solche kleine Kerne in oder auf einer amöboiden 
Wanderzelle liegen. Auf die Frage, ob wir hier in einzelnen Fällen 
einen Fressprocess vor uns haben, werde ich noch unten kommen; 
von morphologischer Wichtigkeit ist dies jedenfalls nicht; denn 
es sind überhaupt nur eine verschwindende Anzahl von kleinkernigen 
Zellen, die ein solches zweifelhaftes Verhalten zeigen, die grösste 
Mehrzahl von ihnen ist frei und ohne Verbindung mit den amöboiden 
Wanderzellen. Die kleinkernigen Zellen selbst zeigen einen nur schwach 
entwickelten Plasmakörper in Form einer schmalen Zone um den 
Kern; sie liegen so gedrängt, dass sie sich gegenseitig berühren 
müssen; ob damit eine Art Syncytium sämmtlicher Zellen hergestellt 
wird, lasse ich dahingestellt. 

Im obern Theile des Schwammes beginnen sich die gestreckten 
und differenzirten Zellen (ma,) etwas zu ordnen, indem sie sich theils 
nach der Peripherie zu näher aneinanderlegen, theils nach innen zu 
verschieben und dadurch zwischen drin einen lichtern, von viel weniger 
Zellen ausgefüllten Raum lassen (Fig. 21 sw). — Es ist dies die erste 
Andeutung der subdermalen Cavitäten, die auch im Leben als ein 
Hellerwerden zu beobachten ist (s. oben). 

Die Ausbildung dieser Subdermalräume sowie aller übrigen Hohl- 
raumsysteme ist der nächste Fortschritt, den uns die Metamorphose 
liefert. Dass gerade die Subdermalräume noch vor den ausführenden 
Gängen und vor den Kammern in der innern Masse sichtbar werden 
gewöhnlich geschieht dies gleichzeitig), hat jedenfalls darin seinen 
Grund, dass diese Räume bei Axinella crista-galli eine excessive Ent- 
wicklung im erwachsenen Schwamm gewinnen, während die ausführen- 
den Gänge nebst der Cloake viel weniger umfangreich und auch die 


Oscula kaum ins Auge fallend sind. Dies ist aber für die Morpho- 
Zool. Jahrb, VII, Abth. f. Morph. 23 


348 OTTO MAAS, 


logie nicht wesentlich; im Grossen und Ganzen erfolgt die Entwicklung 
der einführenden Cavitäten sowie der ausführenden gleichzeitig aus 
lauter einzelnen getrennten Anlagen, die erst nachträglich mit einander 
in Verbindung kommen. 

Das Auftreten aller dieser Lacunen ist schon im Leben sichtbar 
dadurch, dass der Schwamm immer durchscheinender wird und zu 
gleicher Zeit, ohne seine Masse zu vermehren, an allgemeiner Aus- 
dehnung zunimmt. Eine richtige Vorstellung von diesen Vorgängen 
lässt sich aber nur an Schnitten gewinnen. Man sieht alsdann (Taf. 
20, Fig. 22), dass sich jetzt aus den vorher dünnen Stellen im obern 
Theil des Schwämmchens richtige Hohlräume gebildet haben (su), die 
von epithelialen Zellen ausgekleidet werden. 

Gleichzeitig formen sich dadurch in diesem obern Theil des 
Schwämmchens, dem Ectosom, zwischen den Hohlräumen die Ge- 
websbalken der Rinde, welche Stützelemente, nämlich Bindezellen in 
allen Richtungen und radiär gestellte Spicula aufweisen. 

Die Lacunen innerhalb der kleinkernigen Zellenmasse sind noch 
nicht so weit vorgeschritten und treten auch im bald folgenden Sta- 
dium noch sowohl durch geringern Umfang wie durch weniger scharfe 
Begrenzung nicht so hervor wie die oberflächlichen Cavitäten (Taf. 20, 
Fig. 23). Namentlich durch den Mangel eines deutlichen Epithels * 
unterscheiden sie sich auf diesem Stadium von den einführenden 
Räumen und sind einstweilen blosse Lacunen in der kleinkernigen 
Masse (Fig. 23 ex). Die Frage, wie überhaupt ihr Epithel gebildet 
wird, ist nicht leicht zu entscheiden; gerade weil noch auf diesem 
Stadium die Begrenzung der ausführenden Lacunen durch kleinkernige 
Zellen (a) geschieht, sollte man meinen, dass nach einer Umformung 
derselben zum glatten Epithel dieses Verhalten auch im erwachsenen 
Schwamm zutreffe. Dem ist aber nicht so; denn die kleinkernigen 
Zellen, also die Wimperzellen der Larve, gehen sämmtlich in Zellen» 
der Kammern auf. 

Während auf dem frühern Stadium sich nur ganz wenige von 
ihnen zu Gruppen zu ordnen begannen, sieht man auf diesem Stadium 
(Taf. 21, Fig. 34) die Kammerbildung in verschiedener Abstufung. Die 
vorher regellos gelagerten kleinen Zellen beginnen sich in bestimmter 
Weise zusammenzusetzen; es bilden sich aus ihnen lauter kleine 
Gruppen von etwa zehn Zellen auf dem Schnitt, die je eine Kammer 
vorstellen und in sich einen Hohlraum erkennen: lassen. Wie die 
histologische Veränderung, die Bildung des Kragens vor sich geht, 
habe ich bei der Kleinheit des Objects nicht wie DELAGE verfolgen 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 349 


können; dass aber aus einer schlanken Geisselzelle der Larven durch 
Contraction des Plasmas die Geisselzelle der Kammer wird, ist kein 
schwer zu fassender Vorgang, zumal neuerdings Formveränderungen 
bei ausgebildeten Kragenzellen beschrieben worden sind. 

Solche kleine Kammern liegen oft zu vielen an einer grössern 
Höhle, deren Auskleidung meist noch von eben solchen kleinkernigen 
Zellen gebildet wird. Diese letztern zeigen aber dann keine epithe- 
liale Anordnung, sondern sind nur zusammengedrängte Reste von 
Elementen, die noch nicht zu Kammern gefügt sind. In Wirklichkeit 
wird das Epithel nunmehr von ähnlichen differenzirten Zellen (ma,) 
gebildet, wie sie auch die Auskleidung der Subdermalräume ausmachen, 
und dieser Process wird durch die vollkommene Durchwachsung beider 
Zellenschichten angebahnt. Er ist, wie starke Vergrösserung erkennen 
lässt (Taf. 21, Fig. 34), nicht unähnlich dem Darüberschieben der platten 
Zellen über die kleinkernigen bei der Metamorphose. Auch hier bilden 
diese letztern zunächst die Aussenlage, werden aber von den andern 
überwachsen und ziehen sich nach innen zurück. An der Verschieden- 
heit der Kerne, namentlich an deren Grösse erkennt man deutlich, 
dass die Auskleidungszellen ganz andere Elemente sind als die klein- 
kernigen (a u. ma,, Fig. 34). 

Die Subdermalräume sind auf diesem Stadium vollständig ge- 
bildet und von einem Plattenepithel ausgekleidet. Eigentlich erscheinen 
sie wohl nur auf den Schnitten von einander getrennt; durch Com- 
bination einer ganzen Serie bemerkt man, dass in Wirklichkeit überall 
Verbindungen vorhanden sind. Wir haben somit einen einzigen sub- 
corticalen Hohlraum, der immer nur da unterbrochen ist, wo die 
Nadelzüge, von entsprechenden Gewebsbalken begleitet, zur Oberfläche 
gelangen. Die Gewebsbalken der Rinde schliessen ausser der Gallerte 
in dieser eingebettete, contractile Faserzellen und Bindezellen ein. Be- 
sonders unterhalb der Haut bemerkt man Ansammlungen solcher 
Zellen mit äusserst feinen, doppelt färbbaren Einlagerungen; diese 
Körner sind aber von den innerhalb amöboider Wanderzellen (ma, 
— am) liegenden leicht zu unterscheiden. Die Zellen, die die Spicula 
begleiten, sind ebenfalls vom Typus der gewöhnlichen differenzirten 
Elemente (ma,) etwas abweichend geworden. Ihr Kern ist im Ver- 
hältniss grösser, das Chromatinnetz in demselben äusserst fein und 
reich verzweigt, und ihr Plasma zeigt Streifungen (s. Tab. 21, Fig. 39). 
Es sind dies die Zellen, die eine spongin-ähnliche Substanz aus- 
scheiden und dadurch die Nadeln zu Zügen zusammenhalten (Taf. 20, 

23* 


350 "OTTO MAAS, 


Fig. 23 sp,). Es giebt Schwämme, bei denen es Zeit Lebens bei diesem Sta- 
dium bleibt, wo also kein richtiges Spongin entwickelt wird, dennoch 
aber Nadelziige bestehen, die allzeit nur von solchen Zellen (masz) ein- 
gehüllt werden. Hier dagegen kommt es frühzeitig zur Abscheidung 
von Spongin ausserhalb der Zellen. Zum deutlichen mikroskopischen 
Nachweis empfiehlt sich Orange G, das diese Zellen (ma,), noch ehe 
Spongin für sich erscheint, sehr deutlich macht und auch im er- 
wachsenen Schwamm die Kittsubstanz stark differenzirt, gegenüber der 
ursprünglichen rothen oder blauen Vorfärbung. — Ausser den radiären 
Hauptzügen sieht man, von ihnen abgehend, an jungen Schwämmchen 
noch seitliche Züge zweiter Ordnung, wie sie auch im erwachsenen 
Schwamm bestehen (Taf. 20, Fig. 17, 23, 24 sp, u. sp,), und ferner 
sind, davon nach der Oberfläche zu ausstrahlend, weitere, einzel 
liegende Nadeln vorhanden (Taf. 20, Fig. 24 sp), die nicht von Zellen- 
strängen begleitet werden, sondern unregelmässig stachlig an der 
Oberhaut hervorstehen. Auf der Unterfläche ruht das Schwämmchen 
nur mit seiner Randpartie, indem es hohl aufsitzt. Dieselbe besteht 
in ihrem periphersten Theil nur aus einer Schicht von amöboiden 
Epithelzellen (Fig. 24 R), wird aber nach innen mehrschichtig mit da- 
zwischenliegender Gallerte und Bindezellen (s. Fig. 24 R, F). 

Amöboide Wanderzellen kommen in allen Theilen des Gewebes 
noch in grösserer Zahl vor; bald mit, bald ohne Einlagerungen, stets 
aber mit bläschenförmigem Kern und Nucleolus und ungleichmässigem 
Protoplasma (Fig. 34, 35 am). Aus ihnen, nicht aus den differen- 
zirten Zellen (ma,) gehen die Geschlechtszellen des Erwachsenen 
hervor. 

Zur völligen Ausbildung des Schwammkörpers fehlt diesem Stadium, 
das etwa der Zeit vom 1. bis 2. Tag entspricht, noch die Verbindung 
der Hohlräume unter sich und mit der Aussenwelt, also die Bildung 
von Poren und Osculum und das Ein- und Austreten des Wasser- 
stroms. 

Diese Oeffnungen treten gewöhnlich am 3. Tage auf und 
lassen sich schon im Leben beobachten; namentlich sieht man die 
Poren da haufig, wo Nadelziige das Epithel zeltstangenartig vorge- 
dacht haben. Zu den Seiten solcher Stangen kann man dann kleine 
rundliche Oeffnungen von wechselnder Form erkennen, die sich öffnen 
und schliessen. Dieselben scheinen nur von einer Zelle gebildet zu 
werden; an Schnitten ist das schwer nachweisbar (Taf. 21, Fig. 36), 
aber alle Aufsichtsbilder sprechen dafür (Fig. 37). Sie führen in die 
geräumigen Subdermalhöhlen, wie es aus Fig. 24 und Fig. 36 ersicht- 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 351 


lich ist. An diesen Subdermalhöhlen, direct oder durch einen unregel- 
mässigen Gang mit ihnen verbunden, sitzen die Kammern. Die Com- 
munication der Kammern mit diesem Raum, der eigentliche Kammer- 
porus im Gegensatz zum Hautporus, ist ausserordentlich fein (vielleicht 
sind es mehrere), manchmal gar nicht sichtbar, jedenfalls immer nur 
eine verschwindend kleine Lücke zwischen den einzelnen Kragen- 
geisselzellen; die Communication der Kammern mit den abfiihrenden 
Lacunen dagegen ist weit, niemals durch einen trichterförmigen Gang 
gebildet (Fig. 35, Taf. 21). Diese abführenden Lacunen liegen im 
Schwamm unterhalb des Systems der subdermalen Hohl- 
räume (vergl. Taf. 20, Fig. 24 ex u. sw), und zwischen beiden haben 
wir ein kammerbergendes Parenchym. So sind auf diesem Sta- 
dium die beiden Hohlraumsysteme des Schwammes, das einführende 
und das ausführende, durch Form wie durch Lagerung deutlich ver- 
schieden. 

Die ausführenden Lacunen sammeln sich zu einer einzigen grössern 
(man kann die Communication durch Vergleich der ganzen Serien con- 
statiren) und führen dann in einem ziemlich senkrecht aufsteigenden 
Cloakenrohr hinaus (Fig. 24 Cl). Dieses Endstück der ausführenden 
Canäle leitet nach der Oberfläche in das freie Wasser, ohne mit den 
Subdermalräumen zu communiciren, vielmehr ist es von diesen durch 
Gewebsbalken getrennt, die ebenso wie das Gewebe der Rinde von 
zwei Epithellagern mit dazwischen in Gallerte eingebetteten 
Bindegewebszellen gebildet werden. Das Osculum ist ebenfalls form- 
veränderlich, seine äussere Wandung besteht auf diesem Stadium aus 
epithelartigen Zellen, die der Contraction fähig sind und die Oeffnung 
dadurch völlig schliessen können. Solche Zellen sind in grosser Menge 
daselbst angehäuft (Taf. 21, Fig. 38), später treten sie aus dem epi- 
thelialen Verband in die Tiefe und bilden so den Sphincter. 

Die Züge der Spicula sind jetzt noch ausgesprochener und zeigen 
den Charakter der Axinelliden, ein durch Spongin zusammengehaltenes 
inneres Skelet mit Verzweigung, das nach aussen in einzelnen Nadeln 
ausstrahlt. 

Die vier Hauptabschnitte der Metamorphose, die ich bei Esperia 
nach dem Aussehen des lebenden Objects abgegrenzt (43, p. 436) und 
an ungefähre Zeitintervalle geknüpft hatte, lassen sich auch hier sehr 
deutlich am Schnittmaterial unterscheiden: 

1. Das Stadium während der Umkehrung der Schichten, 
Metamorphose im engern Sinn (noch innerhalb der ersten halben 
Stunde). 


352 OTTO MAAS, 


2. Umkehr der Schichten vollendet; die äussere Schicht bildet 
auch den amöboiden Rand; beide Schichten stellen sich getrennt von 
einander als compacte Massen ohne Hohlraum dar (nach einer Stunde). 

3. Von der 1. Stunde bis über den 1. Tag hinaus. Gegen- 
seitige Durchwachsung der Schichten (äusserliche Ruhepause) bis 
zum ersten Auftreten von Hohlräumen. 

4. Vom Beginn des 2. Tages an Bildung dieser Hohlräume, 
also der subdermalen, der ausführenden und der Kammern bis zur 
völligen Ausbildung des Canalsystems, das durch Porus und Osculum 
mit der Aussenwelt in Verbindung tritt. Fertiger Schwamm mit in 
Zügen angeordneten Nadeln am 3. Tag. 


Vergleich mit frühern Beobachtungen. 


Es erscheint wünschenswerth, die hier von Azxinella gegebene Dar- 
stellung der Metamorphose, bei der das Schicksal der einzelnen Ele- 
mente der Larve bis zu den Organsystemen des jungen Schwammes 
verfolgt werden konnte, mit den bis jetzt von Kieselschwammlarven 
gewonnenen Resultaten in Vergleich zu bringen. Dabei sollen jedoch 
zunächst nur diejenigen Cornacuspongien berücksichtigt werden, die in 
die gleiche Gruppe wie Azinellu gehören; es sind dies diejenigen 
Species, die in den Rınıey & Denpy’schen Familien der Desmacidonidae 
und Axinellidae unterzubringen sind (s. 0. S. 334) und deren Larven am 
Hinterende keinen Pigmentfleck und keine Krone besonders starker 
Cilien aufweisen. 

Die vorstehend beschriebenen Larven von Azinella und Clathria 
sind neu. Im Ganzen sind die Beobachtungen in dieser Gruppe spärlich 
und, abgesehen von der allerjüngsten Zeit, weniger in zusammen- 
hängenden Darstellungen als in gelegentlichen Notizen niedergelegt. 
Hierbei zu nennen sind Bemerkungen von METScHNIKOFF über Esperia 
und Raspailia (48), Angaben von O. Scumipr über Amorphina? und 
Esperia (59), von Vosmaer über Myxilla (82) und Beschreibung der 
Larven von Æsperia-Arten resp. deren Verwandlung von Carrer (5, 6), 
RıpLey & Denpy (58), Wizson (88) und DELAGE (8). Diese letzten habe 
ich in meiner eigenen Arbeit über Esperia bereits besprochen (43, p. 
410). Seitdem hat Hanirscu eine gute Beschreibung einer Esperia-Larve 
gegeben (24), die ich nicht nur der Vollständigkeit halber, sondern auch 
wegen der Richtigkeit seiner Auffassung der Larvenschichten erwähne. 
Endlich ist die grosse und werthvolle Arbeit DeLaGe’s zu nennen (10), 
in der u. A. die Metamorphose von Esperella !) sordida dargestellt wird, 
deren Larve sich jedoch durch die Abwesenheit der Schaufelnadeln von 
den von mir beschriebenen Æsperia-Larven 1) unterscheidet. 


1) Esperia und Esperella sind sonst Synonyma; der letztere Aus- 
druck ist von VosMAER vorgeschlagen, weil es einen Schmetterling 
Esperia giebt. 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 353 


Ich werde die Uebereinstimmungen wie die Meinungsverschieden- 
heiten zwischen den einzelnen Autoren und meiner Darstelluug nach 
der Zeitfolge der Metamorphosenvorgänge (nicht chronologisch nach den 
Autoren) kurz durchgehen. Dabei sollen zu gleicher Zeit Einzelheiten 
der Beobachtung, die mehr den Spongiologen interessiren, und Ab- 
schweifungen, die die obige Darstellung unübersichtlich gemacht hätten, 
ihren Platz finden, sowie ferner Bemerkungen über andere in dieselbe 
Gruppe gehörige Larven, die ich ebenfalls beobachten konnte. 

Mit meiner frühren Darstellung von Esperia stimmen die hier für 
Azinella mitgetheilten Befunde fast durchweg überein, und wie ich 
gleich von vornherein bemerken will, bestehen auch zwischen DeELAGE 
und mir keine principiellen Differenzen, nachdem er in seiner neuen 
Arbeit manche frühren Angaben über Esperia modificirt hat. 

Nicht ganz bestätigen kann ich VosmArr’s Aussagen über die Larve 
eines Schwammes „which probably belongs to the genus Myxilla“. 
Er beschreibt da (82, p. 2) eine Schicht von sehr kleinen Kernen, 
direct unter dem einschichtigen Geisselepithel. Es kann aber nach 
seiner eigenen Beschreibung und nach seiner allerdings sehr skizzen- 
haften Abbildung kein Zweifel sein, dass diese kleinen Kerne nicht, wie 
er meint, eine besondere Schicht darstellen, sondern wie bei Esperia, 
Axinella etc. Kerne des Geisselepithels selbst sind, nur wird an 
Schnitten, wie ich dies bereits oben hervorgehoben (S. 340), dieses Ver- 
haltniss schwer erkannt, weil der Zellkürper ausserordentlich lang und 
schmal ist. Um mich nicht nur auf diesen Analogieschluß zu verlassen, 
habe ich mich auch durch eigene Beobachtung an den Larven von 
Myxilla rosacea überzeugt, dass der Bau genau derselbe ist wie bei 
denen anderer Desmacidoniden. Auch das Hinterende der Larve 
ist ähnlich und trägt keine Cylinderzellen, sondern wie bei Esperia 
plattere Elemente; ich sehe aber diese Zellen (Taf. 19, Fig. 10, Taf. 21, 
Fig. 30) als zur innern Masse gehörig und nicht als einen flachen Theil 
des Aussenepithels an. 

Beiläufig will ich erwähnen, dass auch RınLrr & Denpy eine Myxilla- 
Larve aufführen (58, L), die ähnlich wie die von Esperia gestaltet 
sel, und dass sie ein bestimmtes Arrangement des Stabnadeln bemerkt 
haben. 

In meiner Auffassung der zwei Hauptschichten der Larve stimme 
ich mit HanrrscH und besonders D£ELAGE überein, dagegen ergeben sich 
bezüglich der einzelnen Elemente der innern und hintern Masse, 
. die ich als eine ursprünglich einheitliche Keimschicht den Geisselzellen 
gegenüberstelle, einige Differenzpunkte mit dem letztern Forscher. 
Dieser unterscheidet nämlich als Zellen der innern Masse besondere 
cellules épidermiques und ausserdem intermédiaires und amoeboides. 
Diese letztern sind die von mir bei Esperia als m |, hier ma, bezeich- 
neten Elemente mit bläschenförmigem, einen Nucleolus enthaltenden Kern; 
sie haben, wie ich auch durch die Entwicklung aus dem Ei zeigen 
kann, noch mehr den Charakter von Blastomeren, sind, kurz gesagt, 
weniger differenzirt als die übrigen. Es besteht also für sie ein Unter- 
schied, wenn auch mehr ein gradueller, der die Aufstellung einer be- 


354 OTTO MAAS, 


sondern Kategorie rechtfertigt. Dagegen kann ich keinen histologischen 
noch genetischen Unterschied zwischen DELAGE’s épidermiques und inter- 
médiaires finden, die beide ein gleichmässig granulirtes Protoplasma 
und Kern mit feinem Chromatin-Gerüst aufweisen, also zusammen meinen 
differenzirten Zellen (ma ,) entsprechen. DELAGE selbst giebt auch an 
mehreren Stellen zu (10, p. 406, 438 etc.), dass eine Unterscheidung 
besonderer épidermiques von den intermédiaires kaum durchführbar ist, 
und nimmt darum als Criterium der Bezeichnung épidermiques die zu- 
künftige Rolle, die diese Zellen nach der Metamorphose spielen. Aber 
auch dieses Merkmal ist, wenn man es überhaupt als zulässig aner- 
kennen würde, nicht durchgreifend ; denn es sollen nach den ersten Vor- 
gängen der Metamorphose, wenn die épidermiques die Oberhaut gebildet 
haben, die intermediaires die einführenden Gänge und später auch die 
ausführenden auskleiden ; sie sind also ebenso epithelial. In Bezug auf 
die thatsächliche Rolle, die diese Zellen spielen, stimmen meine Beobach- 
tungen völlig mit denen DerAge’s überein; in der Auffassung aber ent- 
ferne ich mich von ihm und sehe in allen die gleichen Elemente (ma ,), 
wie ich dies auch früher an Beispielen aus der Histologie der Schwämme 
kurz ausgeführt hatte (44). Die Epidermiszellen des Schwammes entstehen 
nicht als besondere Schicht, sondern bilden sich hervor aus der Masse unter 
sich indifferenter Zellen (ma ,), welche [neben den indifferenzirten Zellen 
(ma ,)] im Innern der Larve liegt und zugleich das Material für die 
epitheliale Bedeckung des Schwammes nach aussen wie in seinen Hohl- 
räumen und ausserdem für die contractilen Elemente abgiebt. Diese 
Arbeitstheilung zwischen den Zellen (ma ,) geschieht aber erst in spä- 
teren Stadien der Metamorphose (Fig. 38); kurz nach dem Ansetzen ist 
eine Unterscheidung dieser Elemente noch nicht gegeben (Fig. 21). 

Immerhin ist eine theilweise vorzeitige Differenzirung contractiler 
Elemente auch in der Larve möglich; gerade bei Axinella habe ich 
eine Schicht solcher Zellen beschrieben, die, in einander geflochten, die 
Larve sehr energisch verkürzen können, ähnlich wie auch Oscar Scamipr 
Zellen von Amorphina darstellt. (59, p. 136). Im Allgemeinen aber 
sind die differenzirten Elemente (ma,) unter sich indifferent gegen- 
über den amöboiden ma ,. 

Die Gleichwerthigkeit zeigt sich auch darin, dass eine Differen- 
zirung von épidermiques (also von solchen Zellen, die die Oberhaut 
liefern sollen) nicht an bestimmte Regionen der innern Masse gebunden 
ist, sondern überall auftreten kann. Laut Deragr’s Beschreibung liegen 
solche epidermoidale Zellen in der Larve bei Esperia über den 
Geisselzellen, bei Spongilla unter denselben, bei Reniera nach vorn 
zerstreut, am Hinterende gesammelt, und schon diese verschiedenen An- 
ordnungen, noch mehr aber das ungleiche Aussehen solcher „epider- 
miques“ hätte zeigen können, dass es sich nicht um eine morphologische 
Schicht handelt, sondern gelegentliche Differenzirungen, die bei den ein- 
zelnen Species sehr verschieden sein können. Die DreraGr'schen Bei- 
spiele sind alle von Cornacuspongien, aber doch aus sehr verschiedenen 
Gruppen entnommen; ich selbst habe zunächst aus einer Gruppe, den 
Desmacidoniden, eine Reihe von Vertretern untersucht, die sich hierin 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 355 


verschieden verhalten, und es scheint mir der Nutzen der extensiven 
Methode, des Vergleichs méglichst vieler Species, darin zu liegen, dass 
man das allgemein fiir den Bau der Larven Wichtige von zufälligen Species- 
unterschieden abstrahiren kann. Man vergleiche zu diesem Zwecke die 
Abbildungen (Taf. 19, Fig. 10, Taf. 20, Fig. 18, Taf. 21, Fig. 30 dieser 
Arbeit und Literatur 43, fig. 17, sowie 10, fig. 1 « und y auf 
tab. 17). 

Bei Esperia lorenzi fand ich epidermoidal umgeformte Zellen am 
Hinterende, am sogenannten nackten Pol, in epithelialer Anordnung und 
ausserdem im Innern eine Anzahl. (Auch Derace findet am Hinterende 
seiner Esperella besondere Zellen, die er aber zu den intermediaires 
rechnet.) Bei Axinella stehen am hintern Pol epithelartig geordnete 
Zellen (ma ,), aber nicht wie beim erwachsenen Schwamm platte, son- 
dern cylindrisch neben einander gestellte Elemente; andere finden sich 
im Innern auf ähnliche Weise differenzirt. Bei Myxilla rosacea besitzt 
der Hinterpol ein richtiges Plattenepithel, wie beim erwachsenen 
Schwamm, während bei andern Schwämmen (vergl. VosmAER 82, fig. 8) 
hier auch cubische Elemente stehen können. Alles dies scheint mir 
darauf hinzuweisen, dass eine Differenzirung der Zellen, die später die 
Oberhaut des Schwammes bilden, überall in der innern Masse statt- 
finden kann, und dass, wenn eine Localisirung dieser Elemente Platz 
greift, sie am hintern Pol erfolgt. 

Die Lage der céllules épidermiques bei Esperella, die Derase dort 
als über den ciliees zerstreut liegend beschreibt, würde dagegen 
sprechen, doch sind diese Zellen meiner Auffassung nach keine Epidermis- 
zellen; ich kann mir ein solches Lager über sich bewegenden Geisseln, 
das sich erst nach der Metamorphose zusammenschliesst, auch nicht 
vorstellen und möchte die in Rede stehenden Elemente am ehesten den 
von mir bei Azxinella beschriebenen Drüsenzellen (s. 0. S. 342) gleich- 
setzen. Ich komme zu dieser Deutung, weil ich finde, dass die von 
mir beobachteten Drüsenzellen erstens die gleiche Körnelung besitzen 
wie die von DELAGE abgebildeten Elemente und zweitens ein Secret 
liefern, welches auf der Oberfläche der Larve in einzelnen Tröpfchen 
zusammengeballt hervortritt (Taf. 21, Fig. 31 dr) oder auch zusammen- 
fliessen kann. Auch scheinen mir Drrace’s Zellen zwischen und 
nicht über den Geisselzellen ihre Lage zu haben und lassen sich dem- 
nach der innern Masse zurechnen. 

Vielleicht hängt das Secerniren mit der Anheftung zusammen, wie 
dies auch VosMmAER ausgesprochen hat (82, p. 2) und wie ich es ähn- 
lich auch bei der Beschreibung von Esperia lorenzi vermuthet hatte 
(43, p. 422). Eine allgemeine Erscheinung sind solche secretorische 
Zellen aber jedenfalls nicht; sie kommen wohl nur bei den Larven 
derjenigen Schwämme vor, die auch im erwachsenen Zustand Drüsen- 
zellen besitzen, welche die Oberfläche schleimig machen. 

Ueber den Pol des Ansetzens herrschten früher Ansichten, die sehr 
unter einander abwichen. Ich habe bereits bei Esperia erörtert (43, 
p. 423), warum die Autoren so sehr differiren, und die Erklärung darin 
gefunden, dass bei Schwammlarven ein anormales Festsetzen leicht vor- 


356 OTTO MAAS, 


kommt, so dass man nur bei einer Statistik über eine grosse Anzahl 
von Fallen ein sicheres Resultat erhalten kann. Gerade bei Esperia 
lorenzi, wo der hintere Pol eine so charakteristische Anordnung der 
Spicula aufweist, konnte ich mit Sicherheit feststellen, dass derselbe 
nach der Metamorphose aufwirts gerichtet und nicht er, sondern der 
vordere Pol zum Ansetzen verwandt worden war. Auch DeraGe hat 
in allen Fallen das Vorderende als Ansatzbasis benutzt gefunden, und 
seine Beobachtungen sind um so werthvoller, als er sicherlich nur ge- 
sunde und voll entwickelte Larven vor sich hatte (10, p. 439), die nicht 
durch Zerschneiden aus dem Körper der Mutter gewonnen wurden, 
sondern aus unyerletzten Schwimmen in normaler Weise durch das 
Osculum ausgeschwarmt waren. 

Meine obigen Aussagen über die Schnelligkeit der Metamorphosen- 
vorgänge und namentlich die von mir mehrfach betonte Kürze des Larven- 
lebens (42, p. 540; 43, p. 422) bestätigt auch DELAGE in einer interessanten 
Statistik, wonach sich von 100 ausgeschwärmten Larven bis zum 
folgenden Tage 35, bis zum zweiten 12, bis zum dritten 1 ange- 
setzt hatten, die übrigen, ohne sich je festzuheften, zu Grunde gingen. 
Ich habe oft beobachtet, dass solche Larven vom 2. oder 3. Tage oder 
später zu Boden sanken, mit dem Theil, auf den sie gerade gekommen 
waren, liegen blieben und, wenn auch verzerrt, manche Vorgänge der 
Metamorphose durchmachten oder durchzumachen versuchten. Solche 
anormalen Fälle scheinen manchen Autoren als Untersuchungsobject ge- 
dient zu haben; diese Larven sterben aber bald ab, ohne weitere nor- 
male Veränderungen durchzumachen. 

Dass eine gesunde Larve, die schon festgeheftet war, sich wieder 
los machen kann, habe ich mehrfach gesehen und auch früher be- 
schrieben (42, p. 538). DeraGe hat dies bei Æsperella beobachtet und 
dann auch constatirt, dass an manchen Stellen Flimmern noch da sind, 
wenn die Larve an andern Stellen schon im Abflachen ist. Es stimmt 
das mit meinen Beobachtungen der lebenden Axinella (siehe oben 
S. 343) und an Esperia (43, p. 427) völlig überein. 

Der wichtigste Punkt der ganzen Metamorphose ist meiner Meinung 
nach diejenige Veränderung, die sehr schnell nach dem Ansetzen vor 
sich geht, nämlich die Zurückziehung der geisseltragenden Elemente 
ins Innere und das Darüberwachsen der Zellen der früher innern Masse, 
von der eine Anzahl der speciell differenzirten Elemente (ma,) die Epi- 
dermis des Schwamms bilden. 

Bei der histologischen Verschiedenheit der innern und äussern 
Zellen ist keine Verwechslung möglich, und meine Figuren der Esperia- 
Arbeit wie der Vergleich derer von DerAGE tab. 17, fig. 2, 2a etc. 
mit denen meiner jetzigen Arbeit, die vor dem Erscheinen der DELAGE- 
schen Schrift gezeichnet waren, insbesondere Taf. 20, Fig. 18, 19, 20, 
und Taf. 21, Fig. 31, 32, 33, lässt keinen Zweifel aufkommen. 

Im Gegensatz zu Drrase befinde ich mich in einem nebensäch- 
lichern Punkt. Er lässt die cellules ciliées ausschliesslich von épidermiques 
und zwar an beliebigen Punkten, nur nach vorn zu schneller, über- 
wachsen werden; nach meiner Ansicht handelt es sich aber um eine 


> 
on ee 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 357 


regelrechte Umwachsung der Geisselzellen durch die ganze vorher 
innere Masse, nicht allein durch deren epidermoidale Elemente, die, 
wie ich oben betont (S. 353), nicht scharf von den intermédiaires abzu- 
trennen sind. Diese epithelialen Elemente haben in der Larve eine 
verschiedene Lage; als geschlossenes Epithel liegen sie meist schon am 
hintern Pol zusammen, und von diesem aus, nicht an der ganzen Per- 
pherie, geht die Umwachsung meiner Ansicht nach vor sich. Das 
schliesst nicht aus, dass auch nach vorn zu an der Unterlage differen- 
zirte Zellen (ma,) sehr bald durchbrechen und dort ihre amöboiden Aus- 
läufer aussenden; aber im Ganzen handelt es sich um einen in be- 
stimmter Richtung, nämlich vom Hinterpol nach vorn, fortschreitenden 
Vorgang. Dafür scheinen mir auch die Beobachtungen derjenigen 
Autoren zu sprechen, die eine Abflachung der Geisselzellen vom hin- 
tern Pol aus beschreiben (82, p. 2, u. 88, p. 514). „Abflachung“ 
allerdings irrthümlicher Weise, in Wirklichkeit ist dies ein Darüber- 
schieben des epithelialen Lagers in der genannten Richtung. Einen 
ganz unzweideutigen Hinweis für die Richtung, in der die Umwachsung 
vor sich geht, giebt mir Fig. 19, Taf. 20; man kann an ihr noch er- 
kennen, was bei den Larven der hintere Pol war, und sieht, wie sich 
die innere Masse um die Ecken, die gleichmässig das hintere Ende 
der kleinkernigen Schicht bilden (x, u. &,), nach vorn zu herum- 
schieben. 

An diesem Process nehmen alle Zellen der innern Masse Theil. 
Dafür scheint mir auch Drnace’s eigenes Bild einer Esperella nach der 
Metamorphose (tab. 17, 3 @) zu sprechen. Die „ciliees“ bilden dar- 
auf eine compacte Masse und lassen nur die centrale Partie etwas 
frei. Vergleicht man damit das Aufsichtsbild, das ich von Esperia ge- 
geben (43, fig. 22), so wird man erkennen, dass es sich um ganz die 
gleichen Verhältnisse handelt, sogar was Einzelheiten, wie die dort von 
mir erläuterten ringförmigen Anordnungen der kleinkernigen Zellen, 
betrifft. Um die letztern herum liegt die gesammte Menge der früher 
innern Zellen, wie dies auch aus meiner Abbildung (43, fig. 25) her- 
vorgeht. 

Nun beginnt laut DELaAGE ein sehr merkwürdiger Vorgang. Eine 
Anzahl der Geisselzellen soll von amöboiden Zellen gefressen werden; 
die nicht gefressenen senden ebenfalls Fortsätze aus, und alle diese 
Zellen mit den amöboiden zusammen sollen dann ein Syncytium bilden. 
Später lassen die kleinkernigen Geisselzellen, auch die schon gefressenen, 
die nämlich zu diesem Zweck wieder ausgestossen werden, aus sich die 
Kammern hervorgehen. 

Die Verwendung der Elemente selbst, die histologische Verän- 
derung von fadenförmigen Geisselzellen bis zu rundlichen Kammerzellen 
stimmt mit meinen Befunden überein; den Fressprocess kann ich 
aber nicht bestätigen, noch weniger die Wiederausstossung und die 
morphologische Verwendung schon gefressener Elemente, sondern glaube, 
dass die angewandten Methoden DeuAcr’s, so detaillirt seine Beobach- 
tungen auch sind, nicht hinreichen, um einen derartig merkwürdigen 
Vorgang zu beweisen. Auch er selbst hat diesen Process, wie mir 


358 OTTO MAAS, 


scheint, zu verschiedenen Zeiten verschieden beurtheilt und legt ihm 
jetzt schon weniger Wichtigkeit bei. Früher sollte sogar (9, p. 268) 
die Einziehung der ciliées ins Innere durch die amöboiden Zellen er- 
folgen, indem diese die erstern von der Oberfläche wegfrassen; jetzt 
sind es, wie auch bei meiner Darstellung, differenzirte Zellen 
der innern Masse, die sich einfach über die Geisselzellen schieben, und 
diese letztern bleiben als Lager im Innern eine Zeit lang erhalten; dann 
erst geht ihre Vertheilung im Innern, „dissömination“ vor sich, die den 
Fressprocess erleichtert. (Diese dissémination ist jedenfalls derselbe 
Vorgang, der von mir als Durchwachsung der beiden Zellenschichten 
bezeichnet ist und eine verhältnissmässig längere Zeit andauert.) Ferner 
soll der Process des Fressens bei verschiedenen Arten in sehr un- 
gleichem Grad zum Ausdruck kommen; bei Spongilla sollen alle cellules 
ciliées gefressen werden, bei Æsperella die verschwindende Minderheit, 
bei Aplysilla wieder ein grüsserer Theil. Schon daraus erhellt, dass 
es sich um einen sehr wenig constanten Vorgang bandelt. Noch un- 
sicherer erscheint dieser, wenn man dazu in Rechnung zieht, dass die 
Veränderungen der Metamorphose, speciell das Fressen, laut Drags 
selbst, in verschiedenen Theilen des Schwammes zu verschiedenen Zeiten 
vor sich gehen. In der Mitte eilen die Erscheinungen voran, so dass 
ein Theil von Zellen im Innern schon gefressen ist, wenn nach der 
Peripherie zu noch freie Zellen liegen, und dass ferner auf einem spätern 
Stadium in der centralen Partie schon frei gewordene Zellen sich be- 
finden, während nach aussen zu solche ciliées eben gefressen worden 
sind. Eine weitere Anzahl soll ja diesem Fressprocess überhaupt 
nicht unterliegen. Man erkennt schon daraus, wie wenig haltbar diese 
ganze Vorstellung ist; denn welche Zellen schon gefressen und wieder 
frei, welche noch nicht gefressen und noch frei, und welche über- 
haupt immer frei geblieben sind, ist doch absolut nicht zu entscheiden. 
Die ganze Beobachtung ist ja keine directe, sondern nur an Schnitt- 
bildern durch Vergleichung angestellt, und dass die Vorgiinge im Innern 
schneller vor sich gehen, ist nur eine Annahme, die, um eine andere 
Annahme zu stiitzen, vorgebracht ist. 

Wie weit bei der ausserordentlichen Kleinheit der Zellen Schnitte 
zur Erkenntniss ausreichen, auch wenn sie, wie DrrAGE betont, 3 u 
dick sind (ich selbst habe nicht nur, wie Drtack zu meinen scheint, 
Schnitte von 4 bis 5 u, sondern ebenfalls solche von 3 u angefertigt), 
lasse ich dahingestellt. Auf den eben besprochenen Stadien ist eine 
besonders innige Durchwachsung der vorher getrennten Schichten und 
ihrer Elemente wahrzunehmen; es kommt dabei bei der Kleinheit des 
Objects sehr oft zu Bildern, wo man selbst bei dünnsten Schnitten nicht 
entscheiden kann, ob die Kerne der ciliées in oder auf der amöboiden 
Zelle (ma,) liegen, da die Kerne der Geisselzellen laut Derack selbst 
einen Durchmesser von 1 bis 1!/, u besitzen. 

In manchen Fällen (dies sind aber die Ausnahmen) sieht man an 
amöboiden Zellen wirkliche unzweifelhafte Einlagerungen ungefähr von 
der Grösse und Gestalt des Zellkerns einer cellule ciliée. Mit grossem 
Geschick hat aber Deragz selbst Unterschiedezwischen solchen 


Ee D 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 359 


Einlagerungen und echten Kernen von cellules ciliées 
herausgefunden, sowohl in Structur wie in Tingirbarkeit (10, p. 424 u. a.). 
Dennoch will er Uebergiinge nachweisen und erklärt, dass man es in 
beiden Fällen mit Kernen von cellules ciliées zu thun habe. Die Unter- 
schiede seien nur dadurch bedingt, dass das eine Mal die Kerne zu 
freien, das andere Mal zu gefressenen Zellen gehören. Meiner Ansicht 
nach beweisen die Unterschiede in Grösse und Tinctionsfähigkeit, dass 
wir in einem Fall geformte deutolecithale Elemente, im andern Fall 
wirkliche Kerne vor uns sehen. Auch sehe ich nicht ein, warum wir 
auf solchem Stadium keinen Zellen mit Dottermaterial mehr begegnen 
sollen. In der Larve sind dieselben zweifellos vorhanden, und während 
der ersten Stadien der Metamorphose ist keine Gelegenheit zur Auf- 
arbeitung des Dotters gegeben; es erscheint also nur natürlich, dass 
auch in dieser Entwicklungsphase noch Zellen mit Nährmaterial exi- 
stiren. Ich kann nur wiederholen, dass die von mir früher angegebene 
Doppelfärbung mit Malachitgrün nach Boraxcarmin auch hier ihre Wir- 
kung zeigt, indem der grüne Farbstoff beim langsamen Auswaschen aus 
den echten Kernen der Geisselzellen schon herausgeht, während er noch 
an den Dotterkörnern fest heftet. (Dass die letztern sich gegenüber 
Boraxcarmin und andern Reagentien so wie wirkliche Kerne verhalten, 
hat nichts Befremdliches.) 

Manche Umstände geben immerhin zu bedenken, ob nicht ein 
Theil der Einlagerungen in amöboiden Zellen (am, ma,) des jungen 
Schwamms aus Kernen von Geisselzellen unter degenerativen Verän- 
derungen hervorgegangen ist. Hierher gehört die Thatsache, dass die 
Häufigkeit solcher Zellen mit Einlagerungen auf diesem Stadium manch- 
mal grösser ist als auf vorangegangenen Phasen. Ich selbst habe in 
meiner Esperia-Arbeit solche Zellen abgebildet (tab. 28, fig. 26, 27 m,), 
allerdings ohne ihnen eine solche Deutung zu geben, hatte sie aber mit 
m, im Gegensatz zu den schon in der Larve Einlagerungen tragenden 
Elementen m, bezeichnet. Auch die wenigen etwas unklaren Angaben 
H. V. Witson’s (88, p. 515) wie die Bemerkung Dernpy’s (in: Quart. 
Journ. 1888) lassen die Existenz solcher Zellen als möglich erscheinen. 
Es könnte der Process des Fressens von Geisselzellen ein hie und da 
vorkommender pathologischer Vorgang sein; eine morphologische 
Bedeutung hat er jedenfalls nicht, und von einem Wiederausstossen der 
gefressenen Elemente kann vollends keine Rede sein. 

Wie dem jedoch sei, die Hauptsache bleibt die definitive Rolle, 
die den Geisselzellen zukommt, d. h. die Feststellung, dass die Geissel- 
zellen der Larve nicht zum „Ectoderm“ des Schwammes, sondern zu 
Kammerzellen werden, wie es DELAGE in einer vorläufigen Mittheilung 
über Spongilla, ich in meiner Arbeit über Esperia lorenzi, weiterhin 
DeraGe an vier verschiedenen Kieselschwammformen, und ich hier wieder 
an neuen Beispielen zeigen konnte. (Abgesehen von den dargestellten 
Formen Azinella und Clathria besitze ich aus dieser engern Gruppe 
noch die entsprechenden Präparate von Myxilla, Desmacidon, Dictyo- 
nella, von Species aus andern Gruppen einstweilen nicht zu reden.) 


360 OTTO MAAS, 


Auch in der Verwendung aller übrigen Zellenelemente der Larve 
befinde ich mich grösstentheils in Uebereinstimmung mit DrLAGE, wenn 
nur seine definitive Darstellung in Betracht kommt. In seiner vor- 
laufigen Mittheilung allerdings (8) hatte er die Bekleidung der aus- 
fiihrenden Gänge von den Geisselzellen der Larve hergeleitet, und ich 
selber hatte in meiner Esperia-Arbeit noch geglaubt, dass einige der 
Geisselzellen, die nicht zu Kammern verbraucht würden, sich zu aus- 
führenden Gängen anordneten, hatte aber damals bereits betont, dass 
sich jedenfalls auch die differenzirten Zellen (ma,) an der Bil- 
dung der Canäle betheiligten (42, p. 435). Jetzt finde ich, wie auch 
DELAGE seither, die Geisselzellen nur zu Kammerzellen verwandt und 
die Auskleidung der Canäle durchweg von epithelialen Elementen (ma,) 
gebildet. Zu der frühern Anschauung bei Esperia war ich mit ge- 
wissem Recht gekommen, weil ich auf einem bestimmten Stadium aus- 
führende Canäle von kleinkernigen Zellen a begrenzt sah (43, tab. 28, 
fig. 25, 26); auch DretacE hat solche jetzt beschrieben, aber gefunden, 
dass die cellules ciliees nicht die dauernde Auskleidung bleiben, 
sondern dass sich epitheliale Elemente darüber schieben, wie ich auch 
an Axinella bestätigen konnte (siehe oben u. Taf. 21, Fig. 34, 35), wo 
ebenfalls die ausführenden Lacunen zuerst nur Lücken innerhalb der 
Masse der kleinkernigen sind, dann aber von differenzirten Zellen (ma,), 
die hereinwachsen, ihre Begrenzung bekommen. 

Ein Unterschied zwischen DerAgr’s und meiner Darstellung besteht 
darin, dass bei ihm die „cavites exhalantes“ und „cavites superficielles“ 
gleichzeitig entstehen oder die letzteren später, während ich meinerseits 
für Axinella, wie VosmAEr für seine Myxilla, beobachtet habe, dass 
die Subdermalräume sich merklich früher anlegen. Dieselben sind be- 
reits deutliche Spalten, wenn von ausführenden Canälen noch nichts 
zu sehen ist, und sind schon grosse Hohlräume mit richtigem Epithel 
auf einem Stadium, wo die ausführenden Lacunen kaum erst Spalten 
in der kleinkernigen Masse sind. Es mag dies aber daher kommen, 
dass bei Axinella crista-galli auch im erwachsenen Schwamm das aus- 
führende Canalsystem eine geringe Entwicklung zeigt, während die Sub- 
dermalräume ganz excessiv ausgebildet sind und einen sehr mächtigen 
Raum unter der Rinde einehmen; es muss dieses Verhältniss dann auch 
in der Ontogenie hervortreten. Bei Esperia erfolgt nach meiner eigenen 
frühern Zeichnnng und Beschreibung (43, p. 431) die Bildung der 
beiden Systeme von Hohlräumen gleichzeitig. 

In der Art und Weise, wie aus denjenigen innern Zellen der 
Larve, die ich als ma, im Gegensatz zu den primitiven (ma ,) bezeichnet 
habe, sich zuerst die epithelialen Elemente der Oberhaut differenziren, 
dann die ähnlich aussehenden der Hohlräume, zuerst der subdermalen 
und dann auch der ausführenden Gänge; wie dann aus übrig gebliebenen 
Zellen (ma ,) sich contractile Zellen um die Gänge herum bilden, darin 
kann ich wiederum nur graduelle, zeitlich verschiedene Differenzirung 
derselben Elemente erblicken, wie ich das bereits in einem allge- 
meinen Aufsatze ausgeführt habe (44), wonach die epidermalen und die 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 361 


contractilen Zellen des Schwammes einerlei Ursprungs sind. Ich kann 
deshalb die Unterscheidung Dernace’s von speciellen épidermiques als 
nicht gerechtfertigt erklären und citire zum Beweis dieser nur graduellen 
Unterscheidung seine eigenen Worte: (10, p. 372) „les cellules inter- 
médiaires, qui n’ont pas pris place dans l’epithélium des cavités exha- 
lantes, se transforment en éléments conjonctifs fixes, sauf un certain 
nombre que nous verrons former l’epithélium des voies inhalantes“. 
Auch die allgemeinen Anschaungen, die DeLaGe bezüglich des „Meso- 
derms“ giebt (10, p. 409), stimmen mit den meinigen, früher geäusserten 
(44) überein. 

Ich gebe ein Bild eines Osculums, das solche Auskleidezellen und 
contractile Zellen noch in einem indifferenten Stadium erkennen lässt 
(Taf. 21, Fig. 38). Die Stelle zeichnet sich einstweilen nur durch eine 
stärkere Anhäufung dieser Elemente (ma,) aus, da wo später der 
Sphincter liegt, resp. ein Zug von contractilen, unter dem Oscularepithel 
liegenden Zellen. Einstweilen sind alle noch gleich; später flachen 
sich die einen mehr ab und bedecken die anderen, die als contractile 
Elemente in die Tiefe rücken. Es entspricht dies den früher eitirten 
Anschauungen Mrncuin’s; jedoch werden diese Stränge contractiler Zellen 
nie so different von den Epithelzellen wie die Sphincteren der Horn- 
schwämme. 

Bezüglich der Zellen, die an den Spicula liegen, hat Derace einen 
kleinen Fehler der Auslegung, nicht der Beobachtung, gemacht. Er 
betont, dass sie bei Esparella intermediaires seien [sie gehörten also zu 
meinen differenzirten Zellen (ma ,)]), während bei Spongilla die Spicula- 
Bildner einen Kern mit Nucleolus hätten, also den amöboiden ähnlich 
seien. Ich kann nach Studium von Larven im miitterlichen Körper 
aufs bestimmteste versichern, dass bei Hsperia, bei Axinella, kurz bei 
allen die Spicula-Bildner nicht von dem Charakter der differenzirten 
Kernzellen ma, sind, sondern einen Kern mit Nucleolus besitzen, 
wie die Zellen (ma ,) (Taf. 19, Fig. 7 und 9). Der Fehler DruAacr’s 
besteht darin, das er die Zellen für Spicula-Bildner hält, die die Nadeln 
in Zügen zusammenhalten (s. o. S. 349), die also zu ganz anderem 
Zwecke in der Nähe der Nadeln liegen; es sind das also conjonctives 
par excellence, die Sponginbildner werden, nicht Kieselbildner. 

Bezüglich der Ein- und Ausfuhröffnungen wie der Anlage des Ge- 
sammt-Canalsystems stimmen meine Beobachtungen mit denen Dxvacer’s 
überein; nur konnte ich das Auftreten der Poren nichtin einer bestimmten 
weit nach aussen liegenden Kreislinie finden, sondern sah sie, sogar 
an Schnitten, überall an der Oberfläche zerstreut. 

Sie scheinen mir, wie auch DELAGE vermuthete, nicht inter-, sondern 
intracelluläre Bildungen zu sein; dies sagt das Aufsichtsbild wie der 
Schnitt (Taf. 21, Fig. 36 und 37). An letzteren sieht man ein ähn- 
liches Verhältniss einer einzigen sehr weit nach innen geschlagenen 
Zelle, wie es MiscHaın bei Kalkschwämmen beschrieben hat. — Das 
Osculum ist auch im erwachsenen Schwamme nicht hervortretend; ich 
habe gefunden, dass es stets nach dem Erscheinen der Poren zum 


362 OTTO MAAS, 


Durchbruch kommt, und glaube also noch an seine mechanische Ent- 
stehung (vergl. 42, p. 549 und 10, p. 399). 


2. Entwicklung der Larve von Myxilla rosacea 0. S. 
aus dem Ki. 


Der Schwamm, aus dem ich die Larven erzielte, stimmt mit den 
Beschreibungen , die verschiedene Verfasser, LIEBERKÜHN, SCHMIDT, 
VOSMAER, RIDLEY & DEnpY von Myxilla rosacea geben, ziemlich gut 
überein; zur Controle aber, und weil VOsmAER vielleicht eine neue 
Eintheilung vornehmen will, möchte ich kurz die Charakteristik 
geben. 


Der ganze Schwamm bildet eine ziemlich massive, unregel- 
mässige Kruste, von der zottige Fortsätze ausgehen. Farbe grau bis 
grau-röthlich, Oscula klein, aber deutlich, mit Sphincteren. — Auf 
Steinen oder Schneckenschalen. 

Von Nadeln sind vorhanden: a) Megasklera 1. stark gedornte, 
stecknadelförmige (Taf. 19, Fig. 13 sp. ,) von wenig verschiedener Grösse; 
2. glatte, nicht spitzige Nadeln von ähnlicher Grösse (13 sp,) und 3. 
glatte Nadeln, die viel schlanker und kleiner sind. — b) Mikro- 
sklera: Chelae (Fig. 14), die an beiden Seiten gleich sind, und stark 
gekrümmte Sigmata. 

Das Skelet setzt sich daraus in der Weise zusammen, dass die 
dornigen Nadeln, an den Enden verbunden, ähnlich wie bei Reniera, 
ein Netzwerk bilden, dessen Maschen meist dreieckig sind. Nach 
der Rinde zu hört dieses Maschenwerk auf, und das Hautskelet besteht 
aus glatten Nadeln, die in Bündeln liegen und aus der Oberfläche 
herausragen (Fig. 15). 

Die kleinern glatten Nadeln können überall im Gewebe liegen. 
Ob sie eigentlich Skeletnadeln im Stadium der Bildung sind oder Fleisch- 
nadeln entsprechen, kann ich nicht entscheiden. Spongin ist wenig 
entwickelt, nur in den Enden der Spicula. Die eigentlichen Mikro- 
sklera sind im ganzen Schwamm zerstreut, nur in den Membranen be- 
sonders reichlich. 

Canalsystem nach dem dritten Typus. 

Auffällig sind sehr starke Züge von spindelförmigen Zellen der 
mittlern Masse, die im Schwamm sich mannigfach verzweigen, oft einen 
Durchmesser von zehn Spindelzellen haben und auf mehrere Centimeter 
weit im Gewebe verfolgt werden können (ähnlich Taf. 21, Fig. 40). 

Der Schwamm ist insofern ein dem Studium günstiges Object, als 
die Unterscheidung der einzelnen Zellen des Embryos von vorn herein 
bei ihm klarer hervortritt als bei manchen andern Genera, die sich 
sonst ähnlich verhalten, und insofern als die Quantität des Spongins 
gering ist, so dass das Schneiden weniger Schwierigkeiten macht als 
bei Schwämmen, deren Nadeln in Zügen geordnet sind. 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 363 


Die fertige Larve hat, um dies vorwegzunehmen, eine ähnliche 
Structur wie die aller Desmacidoniden. Sie ist etwa 0,5 mm gross; 
den Gegensatz zwischen kleinkernigen, schlanken Wimperzellen und der 
innern Masse, welche reichliche Gallerte mit viel grössern Zellelementen 
enthält, ist sehr ausgesprochen. In den Wimperzellen befindet sich 
kein Pigment wie bei Esperia und Axinella. Nur der innere Theil 
schimmert schwach rôthlich durch. Diese Färbung riihrt, wie Zupf- 
praparate zeigen, von Zellen der innern Masse (ma,) her, die mit 
Körnchen dicht beladen sind. 

Schon im Leben lässt sich die Verschiedenheit der Pole gut sehen ; 
man erkennt am hintern Pol so scharf wie bei keiner andern Species ganz 
flache Zellen (Fig. 10 sp); der übrige Theil der Larve trägt Geisseln, 
dieselben sind stark und ihre Bewegung lebhaft. 

Von Nadeln trägt die Larve Stabnadeln und gleich endende Doppel- 
schaufeln. 

Die Metamorphosenvorgänge sind die gleichen wie von Esperia, 
Azxinella etc. 

Diese Larven schwärmen im November aus; in den zu dieser Zeit 
conservirten Stücken fanden sich fast lauter ganz reife Larven und 
wenig frühere Stadien; um solche bis zum Ei zurück zu erhalten, musste 
ich im October conservirte Stücke zur Hülfe nehmen. 


Die Eier liegen im Gewebe des Schwammes zerstreut, niemals 
in Nestern und werden jedes von einem Follikel eingeschlossen, der in 
Trägern eingespannt ist, wie ich dies von Esperia lorenzi beschrieben 
und abgebildet habe (43, fig. 21). Die Träger, die aus meist sehr ge- 
streckten Bindezellen (ma,) bestehen, schliessen eine dünne Gallerte 
ein, in der oft noch Spicula und zwar von der kleinen glatten Sorte 
liegen (Taf. 19, Fig. 1). Es wird diese Anordnung das Durchbrechen 
der reifen Larve in das Canalsystem wesentlich erleichtern und ausser- 
dem das Wachsthum des Eies im Follikel ermöglichen, das während 
der Furchung thatsächlich stattfindet. 

Das Ei ist, wie Uebergangsstadien zeigen, aus einer gewöhnlichen 
amöboiden Zelle der mittlern Masse (am), nicht aus fixen Zellen (ma,) 
entstanden und hat während dieser Heranbildung eine Anzahl von 
Zellen resp. deren Material in sich aufgenommen, das nun als Dotter 
(stark färbbare „Pseudozellen‘“) figurirt. 

Das reife Ei (Fig. 1) ist noch beträchtlich kleiner als die Larve, 
von ovaler Gestalt und etwa 0,2—0,3 mm Längsdurchmesser. Es ist 


mit Dotterkernen, die in zähem Protoplasma eingebettet liegen, aufs 
Zool. Jahrb. VII. Abth. f. Morph. 94 


364 OTTO MAAS, 


dichteste erfüllt. Diese Körner sind an Grösse und Tingirbarkeit sehr 
verschieden, im Allgemeinen im Ei grösser als in spätern Furchungs- 
stadien. Das Keimbläschen ist als kreisrunde, scharf umschriebene 
Lücke, näher am einen Pol, innerhalb der Dotterkörner sichtbar (Fig.1n). 
In seinem Innern gewahrt man den Nucleolus, der fast stets aus zwei 
Halbkugeln besteht; oft sind diese beiden auch auseinandergerückt, 
so, dass ein Kern zwei Nucleolen aufweist. 

Um sich über die Furchung zu orientiren, ist man auf Schnitt- 
bilder angewiesen; doch darf man sich nicht mit einzelnen Schnitten 
begnügen, sondern muss Serien anfertigen und die Schnitte entweder 
in der Vorstellung oder besser im Papiermodell zusammensetzen, 
weil sonst leicht durch schiefe Schnittrichtung ein falsches Bild, 
namentlich ungleiche Furchung, wo sie noch nicht eingetreten ist, vor- 
getäuscht werden kann. 

Die erste Furche, durch die die Zweitheilung bewirkt wird, geht 
meridional; Bilder wie Fig. 2 sind nicht selten anzutreffen. Auch 
die zweite Furche verläuft in meridionaler Richtung und zwar senk- 
recht zur ersten. Man erkennt dies daran, dass eine ganze Anzahl 
Schnittbilder von vier fast gleichen Zellen hinter einander in der Serie 
erscheinen (Taf. 19, Fig. 3), wenn die Schnittrichtung genau trans- 
versal war. Es gelang mir auch, ein solches Stadium als Ganzes zu 
isoliren, das ich in Ansicht von aussen darstelle (Taf. 19, Fig. 4). Die 
folgende Theilung geht in äquatorialer Richtung vor sich und zwar so, 
dass jede der vier Zellen in zwei ungleiche Theile zerlegt wird. 
Da dieser Vorgang in den einzelnen Blastomeren nicht gleichzeitig 
stattfindet und der Embryo eine gewisse Grösse besitzt, so erschliesst 
man diese Verhältnisse nur durch Construction ; das einzelne Schnitt- 
bild für sich ist nicht so überzeugend, weshalb ich es auch nicht 
wiedergebe. 

Das Stadium ist ein ähnliches wie das 8zellige bei vielen andern 
Thiergruppen, wo vier Mikromeren auf vier Makromeren aufsitzen, so zwar, 
dass die einzelnen Elemente nicht ganz radiär, sondern spiralig orientirt 
sind. Von der Inäqualität der äquatorialen Theilung kann man sich noch 
auf dem gleich folgenden Stadium (Fig. 5) überzeugen, wo einige Zellen 
sich weiter gefurcht haben, im Ganzen aber doch noch wenig Blasto- 
meren vorhanden sind; die Theilstücke an einem Pol sind 
dann merklich kleiner als die am andern. Ks zeigen aber 
noch alle, soweit das Protoplasma in Betracht kommt, einen ähnlichen 
histologischen Charakter; sie sind von Dotterkörnern vollgepfropft, 
zwischen welchen man bei den meisten den Kern als helles Bläschen 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 365 


mit dunkelrothem Nucleolus erkennen kann. Alle Zellen liegen um 
eine Furchungshöhle herum, platten sich gegenseitig etwas ab, nur 
nach der Höhle zu zeigen sie einen mehr runden Contour. 

Es ist besonders festzuhalten, dass die Ungleichwerthigkeit der 
Pole gleich von vorn herein bestanden hat, dass sie von diesem Stadium 
an durch die ungleiche Grösse der Zellen deutlich hervortritt und von 
nun an bis zur freischwärmenden Larve bestehen bleibt. Wenn wir 
also Bilder erhalten wie Fig. 6 und Fig. 8, wo die kleinen Zellen 
nicht nur am Pol, sondern an der ganzen Peripherie sitzen, so ist 
der hintere Pol auf dem Schnitt nicht getroffen, und wir haben es mit 
einem Schief- oder Querschnitt zu thun, wie sich auch daran zeigt, dass 
die Umrisse solcher Schnitte kreisrund sind, die der Längsschnitte oval. 

Die Theilungen gehen weiter, aber nicht mehr in regelmässiger 
und genau verfolgbarer Weise ; nur so viel lässt sich sagen, dass die 
um Weniges grössern Zellen des hintern Pols in der Theilung etwas 
zurückbleiben und dadurch der Anfangs geringe Grössenunterschied 
zwischen ihnen und den vordern Elementen mehr hervortritt. Auch 
wird dadurch eine theilweise Umwachsung der grössern Blastomeren 
hervorgerufen. Fig. 6 z. B. ist ein Querschnitt aus dem obern Theil 
des Embryos, an einer Stelle, wo die kleinen Zellen die grössern schon 
umlagert haben. Die letztern liegen nach hinten und innen zu und 
zeigen sich jetzt von abgerundeten und unregelmässigen Formen. Die 
Furchungshöhle ist auf diesem Stadium noch deutlich sichtbar (Fig. 5 
u. 6 H). Ein Theil der Zellen beginnt bereits auf diesem Stadium 
seinen blastomerenartigen Charakter zu verlieren. Die Elemente am 
vordern Pol weisen nämlich jetzt weniger Dottermaterial auf und einen 
andern Kern als ursprünglich; derselbe ist von einem dichten Chro- 
matingerüst erfüllt, kein helles Bläschen mehr mit Nucleolus, wie das 
noch bei den Zellen des hintern Pols der Fall ist. 

Mit zunehmender Vermehrung der Zellen wird diese Unterschei- 
dung immer deutlicher. Auf einem solchen Stadium (Taf. 19, Fig. 7) 
lassen sich die äussern Zellen von der innern Masse ziemlich gut ab- 
grenzen. Sie sind heller, von unregelmässiger, meist rundlicher Ge- 
stalt; haben einen kleinen Protoplasmaleib, aber einen im Verhältniss 
dazu grossen Kern, der sehr chromatinreich ist. Nach den Seiten 
sind mehrere Schichten von ihnen zu erkennen; am vordern Pol bilden 
sie nur eine einzige Schicht in deutlich epithelialer Lagerung. Die 
innern Zellen haben meist an Grösse abgenommen; die massigsten 
davon liegen mehr nach dem hintern Pol zu. Die Theilungen gehen 
jetzt aber auch hier schneller vor sich; es hat sogar den Anschein, 

24* 


BGG OTTO MAAS, 


als ob einige Zellen sich simultan in eine Anzahl kleinerer Stiicke 
spalteten; wenigstens sieht man sie, während sie noch nach aussen 
gegentiber einer andern Zelle ein Ganzes bilden, bereits in einzelne 
kleine Theile im Innern zerfallen (vgl. Fig. 7). — Die äussern Zellen 
(a) zeigen keine Spur des Dotters mehr in ihrem spärlichen Proto- 
plasma; die innern (ma) dagegen enthalten noch sämmtlich Dotter- 
elemente, manchmal mehr, manchmal weniger. Auch die einzelnen 
Körner sind sehr ungleich in Gestalt und in Tingirbarkeit, stets kleiner 
als im Ei und in den ersten Blastomeren und zeigen auf alle Weise 
Spuren des Verfalls. 

Die Bildung der Spicula in der innern Masse hat bereits begonnen. 
Einzelne Zellen (ma), die sich vor den andern durch hyalines Proto- 
plasma auszeichnen, die aber den gewöhnlichen bläschenförmigen Kern 
mit Nucleolus besitzen, tragen in ihrem Innern ein deutliches, an 
beiden Enden zugespitztes Kieselbälkchen (Fig. 7 sp). — Das erste 
Auftreten muss in einzelnen Zellen ausserordentlich früh und die 
Weiterbildung sehr schnell erfolgen; denn auf diesem Stadium sind 
schon einige recht grosse Spicula ausserhalb von Zellen vor- 
handen. 

Beide Zellsorten, die der innern wie der äussern Masse, theilen 
sich jetzt rasch weiter, und es kommt dadurch ein Bild zu Stande, 
das die Verschiedenheit derselben sehr ausgeprägt zeigt (Taf. 19, 
Fig. 8). Die äussern Zellen bilden ein zusammenhängendes Lager; 
Zellenleiber können kaum erkannt werden; die kleinen Kerne befinden 
sich nahe an der Peripherie (Fig. 8 a). Ein schraffirter Protoplasma- 
saum, der von dieser Kernschicht bis zur Oberfläche reicht, wie in der 
Larve, ist noch nicht gebildet; denn diese Zellen sind jetzt noch rund- 
liche und nicht gestreckte Elemente. Auch die Geisseln sind noch 
nicht zu sehen. Die innern Zellen sind viel kleiner als vorher, auch 
nicht mehr von gleich rundlicher Form, sondern bald etwas gestreckt, 
bald unregelmässig; sie liegen sehr dicht aneinander, nur durch eine 
schmale Schicht einer zähen Substanz getrennt. An Grösse und Form 
sind sie unter einander zwar verschieden, aber in histologischem Cha- 
rakter durchaus gleich, alle mit Kern, indem sich ein Nucleolus sowie 
einzelne Chromatinbrocken erkennen lassen, und mit geringen Dotter- 
einlagerungen im Plasma. Dieses Stadium charakterisirt sich also 
dadurch, dass die zwei Schichten der Larve histologisch sowohl wie 
durch ihre Lage sehr deutlich verschieden sind, dass aber inner- 
halb der einzelnen Schichten Differenzirungen noch nicht eingetreten 
sind, der endliche Charakter der Elemente nicht erreicht ist und dass 


Die Embryonal-Entwicklung und Metamorphose der Cornacuspongien. 367 


speciell in der innern Schicht alle Elemente unter einander noch fast 
gleich sind. 

Die weitere Differenzirung aller Elemente zeigt sich auf einem 
folgenden Stadium (Taf. 19, Fig. 9). Die äussern kleinkernigen 
Zellen sind nicht mehr rundliche, unregelmässige Gebilde, sondern haben 
sich in den meisten Partien des Embryos gestreckt und zu cylindrischen 
Zellen umgeformt. Diese liegen besonders an den Seiten bereits richtig 
epithelartig angeordnet (a,) derart, dass die Kerne, die sich in jeder 
Zelle tiefer als die Zellenmitte befinden, sich ineinander schieben und 
auf die Weise durch eine Schicht von einigen u Breite von der Ober- 
fläche getrennt werden. Letztere wird gebildet von den eigentlichen 
hohen Cylindern, die, gedrängt neben einander stehend wie in der Larve, 
das Bild einer Schraffirung hervorrufen. Die so ausgebildeten Zellen 
zeigen auch bereits Geisseln. Am Vorderende (a) und nach hinten 
zu ist diese Anordnung noch nicht erreicht, die Zellen sind hier (a) 
einfach cylindrisch, nicht stäbchenförmig, und die Kerne brauchen des- 
halb keine solche ineinander gedrängte Lage anzunehmen. 

In der innern und hintern Masse hat zunächst eine starke Ab- 
scheidung von gallertiger Bindesubstanz stattgefunden, in der die Zellen 
nunmehr lose eingebet